Im Jahr 2002 ist sie das erste mal in den Bundestag eingezogen: Kristina Schröder. Vor vier Jahren übernahm sie das Amt als Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Auch dieses Mal wurde sie als Bundestagsabgeordnete wiedergewählt. Am Wahlsonntag bestätigte sie nochmals das, was schon länger zu hören war: Für das Amt als Ministerin steht sie nicht mehr zur Verfügung. Aus familiären Gründen. Bei dieStandard heißt es dazu:
Schröder hat sich gegen den Job entschieden. Und persönlich ist ihr das auch gar nicht vorzuwerfen. Doch angesichts ihrer politischen Agenda der vergangenen Jahre liegt die Vermutung nahe, dass sie mit ihrer „persönlichen Entscheidung“ einfach nur ihre politische Agenda bestätigt.
Es ist es natürlich ein sehr starkes Zeichen, wenn gerade eine Politikerin in einem Spitzenamt (und dann auch noch gerade dem, wo genau solche Thematiken eine besondere Rolle spielen sollten) eben dieses Amt aufgibt, um sich mehr um die Familie zu kümmern. Doch auch etwas anderes ist sicher: Um Kristina Schröders Ausrichtung des BMFSFJ werde ich keine Träne weinen – nicht um ihren Antifeminismus, Jungenförderungsträume, Reden von „umgekehrtem Rassismus“ und der Extremismusklausel. Wir erinnern uns:
Kristina Schröder und Feminismus
Wie Kristina Schröder zu Feminismus steht, hat sie von Anfang an sehr klar gemacht. Anfang November 2010 gab sie dem Spiegel ein Interview (welches auch von der Führung her kritisiert werden kann), in dem nochmals deutlich wurde, dass sie ein sehr eingeschränktes Verständnis von feministischen Ideen hat, Feminusmus für ein Ding der Vergangenheit und Jungenförderung für das größte vernachlässigte Thema hält. In Erinnerung blieb die Frage: „Schreiben wir genug Diktate mit Fußballgeschichten?“. (Darüber hinaus war das Gespräch gespickt von Heterosexismus, Klassismus, antifeministischen Klischees jeglicher Art etc.)
Alice Schwarzer, die anlässlich dieses Interviews Schröder noch sämtliche Qualifikation absprach und dafür mal wieder in antimuslimischen Rassismus verfiel, ließ sich schon wenige Monate später besänftigen als Schröder den FrauenMedienTurm quasi rettete. Die Mädchenmannschaft fragte: „Schwarzer und Schröder: Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?„. Natürlich hielt das nicht lange, denn Schröders Position war in dieser Hinsicht immer sehr klar und so strafte sie 2012 auf einem Männerkongress (ja…) wieder Schwarzer ab. Auffällig und bezeichnend bleibt ebenfalls, dass die einizigen feministischem Positionen, an denen sich Schröder überhaupt abarbeitete, jene von Schwarzer und der EMMA waren.
Die Angst vor der Quote
Auch zur Quote hatte sich Schröder im besagten Spiegel-Interview geäußert. Die Freiheit der Wirtschaft stand dort ganz oben und wenn überhaupt, dann würde sie eine Mütter-Quote wollen. Auf jeden Fall gibt es einiges daran zu kritisieren, wie derzeit Quotenvorhaben diskutiert werden, aber eine wirklich tiefgehende Auseinandersetzung mit Mehrfachdiskriminierungen und Kapitalismus liegt Kristina Schröder natürlich äußerst fern. Stattdessen Ablehnung oder das Wischi-Waschi-Konzept der „Flexiquote“. Wieder und wieder. Im Januar dieses Jahres protestierte sie gar auf dem Cover des Magazins Focus gegen eine Quote.
An den Herd
Ein weiteres Thema, welches eigentlich ein Dauerbegleiter der letzten CDU/CSU-FDP-Jahre war: Das Betreuungsgeld a.k.a. die Herdprämie. Unter der Überschrift „Betreuungsgeld – Wer hat, dem wird gegeben“ hat Maria hier im November 2011 ausführlich dargelegt, welche Implikationen bei dieser Leistung und den Rhetoriken rund um diese mitschwingen und Anna-Sarah legte mit „Betreuungsgeld nur für die „Guten““ im April 2012 nach. Trotz Protesten gegen die „Herdprämie“ versuchte die Regierungskoalition diese im Juni 2012 das erste Mal durch zu bringen. Scheiterte aber daran, dass die Opposition die Beschlussunfähigkeit des Bundestages feststellen ließ. Am 09. November war es dann aber doch so weit und die Einführung des Betreuungsgeldes wurde beschlossen. Sabine schrieb zu diesem Anlass:
Das Geld ist ein lächerlicher Betrag, und deckt vielleicht das Windelgeld und ein, zwei Dosen Babybrei ab. Kristina Schröder nennt das Wahlfreiheit, dabei ist es eine rechts-konservative Ideologie, die heute verabschiedet wurde. 100 oder 150 Euro monatlich sind keine Alternative zu einer Arbeitsstelle, der Abhängigkeit vom erwerbstätigen Elternteil (meist dem Partner), der erschwerten Rückkehr in die Arbeitswelt und einer Zementierung von Geschlechterrollen. Der Spagat zwischen Kinder und Erwerbstätigkeit, der oftmals von Frauen* thematisiert wird, wird hiermit ganz einfach gelöst.
Durch das Betreuungsgeld werden Anreize gesetzt zu Hause zu bleiben, sich um Kinder, Küche und Partner zu kümmern. Es sind Anreize für eine Hetero-Kleinfamilie: Frau, Mann, 2 Kinder. Kein Spagat, kein gar nichts. Es ist sozusagen das Dessert des heterosexuellen Ehegattensplittings, wo es von steuerlichem Vorteil ist, wenn der Mann mehr verdient als die Frau. Und Hartz-IV Empfänger_innen gehen de facto leer aus, wieder mal. Zwar soll ihnen das Betreuungsgeld ausgezahlt werden, doch soll die Leistung in vollem Umfang auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden.
Die restliche „Familienpolitik“…
Auch wenn im Namen des Ministeriums doch mehr möglich wäre, wollte Kristina Schröder vor allem „die Familie stärken“. Offensichtlich aber auch nicht alle Familien. An welche Familien sich Schröders Politik am ehesten richtete, hatte ja bereits Sabine in dem zitierten Teil sehr deutlich gemacht. Hetero-Kleinfamilien. Verheiratet. Und bitte keine HartzIV-Empfänger_innen. Aber alles unter dem folgenden Mantra: Freie Wahl! Am 17. April 2011 stellte leonie beim Mädchenblog fest:
Hierzulande gibt es, um der demographischen Apokalypse zu entgehen, nur noch Familienpolitik. Und diese zeigt Erfolge: In Deutschland arbeiten Mütter immer weniger.
Um den Wiedereinstieg in den Job zu vereinfachen, schlug Kristina Schröder Anfang Dezember 2012 noch Putzgutscheine vor. Vielleicht ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für einige? Und auch hier bleibt die Frage: Wer_welche profitiert von dieser Politik? Im April 2013 verkündete das BMFSFJ die bahnbrechende Erkenntnis, dass die Möglichkeit auf Kinderbetreuung tatsächlich einen Einfluss darauf hat, ob und in welchem Umfang Mütter (der Mutterbezug ist Original aus dem Bericht) einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Und wo im Juni der Paritätische Wohlfahrtsverband eine „zwei-Klassen-Familienpolitik“ kritisierte, schlug Schröder basteln, vorlesen und singen als Maßnahmen gegen negative Auswirkungen von Armut vor.
Und sonst?
Kristina Schröders Ministerium förderte das Projekt „Dortmund den Dortmundern„, was irgendwie auch passt zu einer, die gern mal über so genannte „Deutschenfeindlichkeit“ schwadroniert. Dann war da der Frauen(kampf)tag im Jahr 2012, den sie dazu nutzte um „Spitzenväter“ auszuzeichnen. Nur zwei Monate später veröffentlichte Schröder ihr Buch, in welchem sie ihrer Ideologie der „freien Wahl“ freien Lauf ließ. Als sich Kritiker_innen bei Twitter zum Besuch der Lesung verabredeten, meldete sie das dem BKA. Im Juli des gleichen Jahres versetzte Schröder die Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Chancengleichheit im Familienministerium, Eva Maria Welskop-Deffaa, mit 53 Jahren in den einstweiligen Ruhestand und versuchte mal wieder anonyme Geburten zu verunmöglichen.
Im April 2012 bildete sich unter dem Motto #nichtmeineministerin eine Aktion, die versuchte Kristina Schröder vom Rücktritt zu überzeugen. Der offene Brief wurde am 09. Mai mit insgesammt 24.176 Unterschriften ans Ministerium übergeben. Was in dem Brief gar nicht thematisiert wurde, kritisierte Accalmie (Zitat im Original in Englisch/ meine Übersetzung):
Nicht mit einem Wort erwähnt der Brief Schröders Nationalismus und rassistische Tendenzen, nicht mit einem Wort berücksichtigt sie die spezifischen Diskriminierungen von WoC in diesem Land, die Schröder nicht nur weiterführt, sondern mit ihren Worten und Taten des Antifeminismus und „umgedrehten Rassismus“ verschärft.[…]
Kristina Schröder ist nicht nur einfach antifeministisch, sie ist eine konservative Ideologin. Ihr Anti-Feminismus, Klassismus und deutscher Nationalismus gehen Hand in Hand und es ist dieses Netz aus diskriminierendem Denken und darauß folgenden Taten, welches Menschen schädigt. Der Offene Brief war eine Chance nicht nur für eine bestimmte Gruppe von Frauen zu sprechen, sondern jene diskriminierenden Strukturen anzusprechen, die Kristina Schröder erschafft, weiterführt und gleichzeitig leugnet, was vor allem Menschen betrifft, die intersektionale Diskriminierungen erfahren.
Nun wird Kristina Schröder tatsächlich nicht mehr „unsere Ministerin“ sein. Da bleibt nur noch eins zu sagen: Danke (für nix), emanzipiert sind wir selber (sic).
Danke für den Artikel.
Erst war ich skeptisch, und dachte, dass er möglicherweise gegen Kristina Schröder persönlich wettert – was manchmal nur mehr derselben Abwertungen unter Frauen ist, von denen es schon genug gibt – aber nein, der Artikel geht differenziert und sachlich auf das ein, was Kristina Schröders Themen waren.
Irgendwie ist das, was Kristina Schröder von sich gegeben hat, und wofür sie sich eingesetzt hat, gutes „Material“, um sich mit dem Feminismus auseinander zu setzen. Mir selbst hilft der Verweis auf ihre Politik des Öfteren, zu erklären, was ich damit meine, wenn ich von Feminismus spreche – denn ihre Positionen sind meiner Meinung nach „typische“ antifeministische, aber „nicht bös gemeinte“ Ansichten, und wenn man es schafft, die zu entkräften, kann man so manche Person, die es „nicht bös meint“, aber dennoch ähnliche Gedanken wie Frau Schröder hat, etwas mehr in Richtung Feminismus überzeugen :)
Also, danke Frau Schröder, fürs Bieten von Diskussionsstoff und alles Gute für die Zukunft mit Familie!
Und danke an Charlott fürs Zusammentragen :)
Nina