Reden wir doch mal über die Männerquote!

Dieser Text ist Teil 1 von 16 der Serie Ökonomie_Kritik

Seit etwa zehn Jahren gilt die so genannte „freiwillige Selbstverpflichtung“ für Unternehmen, die dem Zwecke dient, den Frauenanteil in Führungspositionen zu steigern. Diese Selbstverpflichtung sei, laut Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), „krachend gescheitert“. Sie fordert, dass eine gesetzliche Quote her müsse – jetzt! – die in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden soll (wir berichteten).

Ein kurzer Blick in die Statistiken bringt Klarheit in den undurchsichtigen Wirtschaftssumpf: In den Vorständen der deutschen Unternehmen ist der Frauenanteil sage und schreibe zwei Prozent. Das ist ein Witz. Aber weil wir uns so an die Unterrepräsentanz weiblicher Führungskräfte gewöhnt haben, hilft hier vielleicht mal ein Perspektivwechsel, um dem Thema etwas mehr Brisanz zu verleihen.

Wenn wir die Frauenquoten-Debatten mal für eine Minute ruhen lassen und darüber nachdenken, warum die von der Leyens und Schröders dieser Welt noch nie die eigentlich viel dramatischere  Quote – die Männerquote – thematisiert haben, merken wir schnell: Eine Männerquote von 98% in den deutschen Vorständen könnte keine der Ministerinnen plausibel erklären, ohne über die Strukturen des Arbeitsmarktes, Diskriminierung, Sexismus und nicht zuletzt das verlässliche Old Boys Network zu sprechen. Aber das wäre ja unbequem. Dann würde es ja nicht mehr nur um Quoten gehen. Dann müssten wir uns gesamtgesellschaftlich die Frage stellen, ob wir so leben und arbeiten wollen. 50 – 60 Stunden die Woche unter Erfolgsdruck schuften? Familienfeindliche Strukturen? Eine nach einer männlichen Erwerbsbiographie ausgelegten Arbeitswelt? Nicht sehr attraktiv, mit oder ohne Quote.

Ja, die unionsgeführten Ministerien für Arbeit und Familie debattieren nun endlich über die Frauenquote. Aber: Wenn selbst die CDU sich zu Frauenförderung äußert, sollte man hellhörig werden. Und besonders auf die Argumentationslinien achten.

Stichwort: weiblicher Führungsstil. Frauen sollen mitmachen dürfen, aber eigentlich nur, weil sie „anders“ sind. Der Neoliberalismus hat der altbekannten „Geschlechterdifferenz“ neues Leben eingehaucht und konstruiert eifrig mit, um sie ökonomisch auszuschlachten. Eine Quote kommt da eigentlich sogar gelegen: Im Namen der Gleichberechtigung dürfen Frauen Profite erwirtschaften. Anstatt Hierarchien werden – „typisch weiblich!“ -Netzwerke gebildet. So zumindest die Theorie. In der Praxis scheitern viele Frauen schnell an längst etablierten Strukturen.

Stichwort: Forderungskatalog. Gesprochen wird mal von 30% Frauenquote (Ursula von der Leyen, CDU), mal sind es 40% (Manuela Schwesig, SPD). Vielleicht kann mir ja mal jemand plausibel erklären, warum die Forderungen sich nie kongruent zur gesamtgesellschaftlichen Zusammensetzung verhalten. Seit wann ist es gerecht, wenn wir – Perspektivwechsel – Männern indirekt 60% bis 70% der Jobs in den Führungsgremien zugestehen? Das hängt wohl damit zusammen, dass bereits bei einem relativ niedrigen Frauenanteil von „Verweiblichung“ eines Feldes gesprochen wird. Es geht hier aber nicht um Zahlen. Es geht hier auch nicht darum, einfach mal ein paar Männer durch Frauen zu ersetzen. Die Zahlen sind lediglich Abbild eines Systems, dass sich aus historisch gewachsenen Ungleichheiten speist. Und so offenbart die alleinige Fokussierung auf Quoten, dass es nicht darum geht, die (sexistischen) Strukturen der Arbeitswelt zu hinterfragen oder (teilweise versteckte) Diskriminierungsmechanismen zu bekämpfen. Es werden lediglich Angebote geschaffen, die sich an den existierenden ungerechten Arbeitsmarktstrukturen orientieren. Und das kann uns nicht genug sein.

Ich sage deutlich: Die Quote ist ein hilfreiches Instrument, um überhaupt die Chance auf Partizipation von Frauen in der Wirtschaft zu ermöglichen. Deshalb befürworte ich die Quote. Aber sie ist nur der Anfang: Ohne die Umstruktierung der Arbeitswelt wird die Quote auch nur bestimmten Frauen nutzen – jenen, die sich den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts anpassen wollen oder können.

27 Kommentare zu „Reden wir doch mal über die Männerquote!

  1. Vermutlich würde auch eine „Familienquote“ für Männer helfen. Ich hab die Zahlen nicht parat, aber der Anteil der Männer, die Elternzeit nehmen, ist nicht viel höher, als die 2% Frauenquote in Spitzenpositionen. Für viele Betriebe ist Frau-Sein immer noch gleichgesetzt mit „Behinderung“ – sie könnte ja schwanger werden und dann für 2 Jahre verschwinden. Würden beide Eltern in Teilzeit weiterarbeiten, wäre das viel frauenfreundlicher.

  2. Aber sie ist nur der Anfang: Ohne die Umstruktierung der Arbeitswelt wird die Quote auch nur bestimmten Frauen nutzen – jenen, die sich den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts anpassen wollen oder können.

    Dieser Satz sagt eigentlich alles, was mit beim Gedanken an die „Frauenquote“ immer durch den Kopf geht: Wozu eine Quote, wenn der Gedanke an ein Arbeiten in der Chefetage für viele Frauen wenig reizvoll ist? Wo sollen die die ganzen Frauen aus dem Nichts herkommen, die sich in ein festgefahrenes Machtgefüge hineinbegeben und für ihre Rechte kämpfen wollen, dass sie als gleichberechtigt und nicht als „Quatenfrau“ wahrgenommen werden?

    Ich sage nicht, dass es diese Frauen nicht gibt oder dass so etwas unmöglich ist – ich behaupte aber, dass es schwierig ist, eine Anzahl x in einem Zeitrahmen y zu finden, nur, damit wir vor anderen Ländern nicht mehr so schlecht dastehen. Das ist irgendwie nicht so die richtige Herangehensweise und wird wohl kaum zu einer Veränderung in den Köpfen führen…

  3. ich gratuliere zu der erkenntnis, dass menschen, die sich dem markt anpassen, mehr davon haben als jene, die penetrant nicht mitmachen wollen. das legt die vermutung nahe, dass menschen die arbeiten gar mehr verdienen als jene die es nicht tun. nun.. immerhin hier kann ich dich beruhigen, das ist nicht immer der fall. hier waltet noch gerechtigkeit und gleichheit.

    so generell hilft da nur eines: kommunismus. demokratischer. natürlich!

    ebenso natürlich ist eine frauenquote von 2% weniger erklärungsbedürftig als eine männerquote von 98%. so sind se halt, diese neoliberalen männlichen marktfanatiker. pfui pfui.

    mir dünkt, wir sind kurz vorm geistigen durchbruch und werden dann nachweisen können, dass menschen die beim discounter kaufen, billigeres essen zu sich nehmen als jene, die es nicht tun.

    das wird die welt verändern.

    mfg
    mh

  4. @mh

    Neben denen, die nicht mitmachen wollen, gibt es auch solche, die nicht mitmachen können. Und selbst denen, die sich nicht anpassen bzw. nicht mitmachen wollen, sei dies gegönnt, ohne in die Schmarotzer_innen-Ecke gestellt zu werden.

    Ansonsten: Bitte Ton mäßigen und Kritik sachlich formulieren. Vielen Dank!

  5. dann lass es mich sanfter formulieren:

    es ist nicht hilfreich, den markt genau dann zu verdammen, wenn er beginnt zu funktionieren. diese linke ideologie, die den gesamten text durchsetzt und durch den gebrauch entsprechender kampfbegriffe verstärkt wird, erzeugt abwehrreaktionen, aber sicher kein aufeinander zugehen.

    ich selbst bin für die frauenquote, es fällt mir nur immer sehr schwer dafür zu bleiben, wenn ich a) so n zeuchs lese und b) ein interview mit renate künast höre.

    zu b) überzeuge ich mich immerhin damit, dass bei männern auch nicht gerade die sachkompetenz als haupteigenschaft zum karriereaufstieg gilt.

    atm ist es das beste was frauen passieren konnte, dass der markt ihren wert erkennt, so verderbt das auf einzelne auch klingen mag. nur hier korrigiert er sich und das ist ihm nicht vorzuwerfen.

    mit einer quote wird es auch entsprechende abstrahlungseffekte nach unten geben. deswegen arbeiten gemischte abteilungen ja auch im bösen neoliberalismus effizienter.. weil es eben eine auswirkung hat, wenn da auch frauen sitzen. man kann nicht einfach das gegenteil behaupten, wenn das gerade der grund für eine steigende quotenzustimmung ist. die sonne scheint, wenn sie scheint, auch bei geschlossenen augen.

    es entsteht dadurch nur kein wachstum.. die neue arbeitsplatzverteilung geht aso zu lasten der männer, von denen dann auch wieder anpassungen zwangserfolgen… was auch ihr jetziges abwehrverhalten erklärt.

    hier verändert sich ein gesamtes, durch eine einzelne maßnahme. evolution, keine revolution .. da hocken dann auch mehr männer daheim bei den kindern etc.

    eine linke, rechte, oben oder unten-ideologie hat dabei nichts zu suchen, denn das ist eine gesamtgesellschaftliche frage mit einer globalen dimension, in der wir uns als eines der wirtschaftlich stärksten länder dieser welt bewegen. wer das vermischt, macht es ablehnungspflichtig.. das rädchen ist zu klein um es mit solchen fragen auf solch kampfartige weise zu verbinden.

    mfg
    mh

  6. @mh

    danke für deine Ausführungen, die ich nachvollziehen, aber inhaltlich nicht teilen kann.

    Darüber hinaus argumentierst auch du von einem ideologischen Standpunkt aus. Der des (vermeintlich politisch unabhängigen) Marktes. Aber ideologisch verblendet sind ja immer die anderen. Ideologie zu kritisieren bringt also wenig.

    Wie Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden kann, darüber gibt es nun einmal verschiedene Ansichten und Handlungsvorschläge. Das alles ist mEn immer eine politische und sozioökonomische Frage.

  7. @Paula: Ich denke nicht, dass diese Frauen “aus dem Nichts“ kommen sollen; ich denke, dass es sie bereits gibt bzw. geben wird und zwar zahlreich. Ich bin der Meinung, dass da gerade eine Generation junger Frauen entstanden ist, die bestens für den neoliberalen Arbeitsmarkt ausgebildet ist. Das kann und sollte man natürlich kritisieren, ändert aber nichts daran, dass diese Entwicklung gesamtgesellschaftlich repräsentiert werden sollte, und zwar so schnell wie möglich.

    Viele Quotengegner gehen davon aus, dass diese Regelung der Produktivität und Kompetenz der Konzerne schaden würde. Das beweist doch nur wie abwertend unsere Gesellschaft gegenüber Frauen tatsächlich ist. Ich persönlich hätte auch nichts dagegen als Quotenfrau bezeichnet zu werden, wenn ich weiß, dass ich meinen Job gut mache und dafür angemessen bezahlt werde. Natürlich muss da noch sehr viel mehr passieren, auf struktureller Ebene, sowie auch in den Köpfen der Menschen, aber letzteres wird meiner Meinung nach entscheidend beeinflusst durch eine adäquate Repräsentation von Frauen in entscheidenden Positionen.

  8. „Die Volkswirtschaft ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Volkswirtschaft.“ hörte ich vor Kurzem im TV con einem Wirtschaftswissenschaftler.

    Dieser Satz trifft.

    „Ohne die Umstruktierung der Arbeitswelt wird die Quote auch nur bestimmten Frauen nutzen – jenen, die sich den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts anpassen wollen oder können.“

    Und genau dies habe ich auch beobachtet. Die Frauen, die es „geschafft“ haben, haben sich m.E. überkompensatorisch den vorgegebenen Normen angepasst und waren noch länger an der Anwesenheitskultur beteiligt als so mancher Mann.

    So kriegen wir auch keine angenehmeren Arbeitsbedingungen hin und eine weitere Verminderung arbeisbedingter Herz-Keislauf-Erkrankungen…

    „Der Neoliberalismus hat der altbekannten “Geschlechterdifferenz” neues Leben eingehaucht und konstruiert eifrig mit, um sie ökonomisch auszuschlachten.“

    Die Feststellung sehe ich genauso, dass nur deswegen manche Unternehmen mehr Frauen haben wollen, nicht um menschenfreundlichere Arbeitsbedigungen zu implementieren, sondern da die Ergebnisse einer McKinsey-Studie höhere Profite in Aussicht stellen.
    Der Diversity-Ansatz geht ja von dieser Geschlechterunterschiedlichkeis-Annahme aus. F. Prof. Dr. Allmendinger ja im Betrag be FrauTV es m.E. eleganter formuliert.

    http://maedchenmannschaft.net/endlich-da-der-gleichstellungsbericht/#comment-36450

    „..das hat hauptsächlich mit der Diversität zu tun, gar nicht unbedingt damit, dass Frauen so anders führen,..“

    In diesem Punkt wäre ich gelassener. Der Zweck heiligt die Mittel, wenn es zum gewünschten Ergebnis führt : eine weibliche Beteilgung wie auch Änderungsprozesse in den Unternehmenskulturen. In letzterem ließen sich m.E. vor dem Hintergrund des Männergesundheitsthemas sicherlich noch mehr männliche Loyalitäten finden.

    Die 30%-Grenze gilt meines Wissens nach als „Schallmauer“ für eine gesellschaftlich anerkannte „Normalität“. Daraus resultiert m.E. dieser 30%-Forderungswert.

    Auch de EU ist übrigens aktuell im Thema engebunden :

    http://diestandard.at/1295571230382/EU-Kommission-Frauenquote-fuer-Chefetagen-von-Grossunternehmen

    „Kommissarin Reding sagte dazu: „Um die Frauenquote durchzusetzen, müssen auch die Männer dabei sein. Michel Barnier ist da sicherlich ein sehr guter Anfang.“

    Sollte dies dann endlich – aus Gründen der Gerechtigkeit – Normalität sein, sähe ich die als Herausforderung und Initiation für die Aufarbeitung dieses Umstandes :

    „»Die männliche Identität selber steht auf dem Spiel, wo weibliche Selbstbestimmung gefordert wird. … Männer müssten eine neue Identität entwerfen, ohne Rückhalt in einer Geschichte, die Männlichkeit auf weibliche Minderwertigkeit stützt – also aus dem Nichts« (Breitling, 1990, S. 14)

    (Quelle : Sexuelle Gewalt, Heiliger/Engelfried, S.74)

    Damit „Weiblichkeit“ in Zukunft nicht mehr die „Zweite“, sondern die „gleichwertige Normalität“ ist und fats als „Selbstverständlichkeit“ von Männern und Frauen verinnerlichte Geschlechterhierarchien mit ihren bekannten -segregationen verschwinden.

  9. Warum soll ich die Zustimmung zur Quote daran knüpfen, dass das für das heutige Arbeitsleben angenehme Effekte hat? Ich bin auch für eine andere Arbeitswelt, aber ich denke nicht, dass wir mehr Frauen in Vorständen haben sollten, weil das eventuell die Arbeitswelt positiv verändern könnte. Eine gerechtere Verteilung der Macht würde mir als Grund schon ausreichen.

    Unabhängig davon können wir uns ja gemeinsam, Männer und Frauen, an die Veränderung der Arbeitswelt machen.

  10. Mich würde mal Eure Meinung interessieren:

    Was soll die Frauenquote eigentlich bringen ?
    Gerechtigkeit? Besseren Verdienst ? Mehr Einfluss ? Oder meint ihr dass die Vorstände deutscher Firmen schlecht arbeiten und Frauen für eine bessere Unternehmenspolitik sorgen?

  11. Die 200 grössten Unternehmen Deutschlands, in deren Führungsgremien nur gerade ein Zehntel von Frauen besetzt wird, machen wieviel an der Gesamtheit aller Firmen aus? Wer prägt die Unternehmenslandschaft in einer Volkswirtschaft? Die Big Boyz’- oder etwa doch eher KMU’s? Die börsenkotierten Grosskonzerne bilden die Wirklichkeit nur sehr bedingt ab. In Deutschland gibt es zur Zeit gut 3,6 Millionen Firmen aller Rechtsformen. Warum sprecht Ihr nur von weit weniger als einem einzigen Prozent (!) aller Unternehmen?

  12. Um Katharina zu unterstützen: Die Hälfte des Himmels, die Hälfte der Erde, die Hälfte der Macht. Reicht als Grund für eine Quote.

    Positive Nebenwirkungen sind darüber hinaus nicht ausgeschlossen.

  13. @Neka,
    also doch nur Rosinenpicken. Die Hälfte der Hölle und die negativen Nebenwirkungen läßt der Spruch aussen vor.
    Ist das symptomatisch?

  14. @Katharina :

    „…können wir uns ja gemeinsam, Männer und Frauen, an die Veränderung der Arbeitswelt machen.“

    Dies ist in der Tat richtig. Bin dabei.

    „Eine gerechtere Verteilung der Macht …“

    Ich würde diesen Aspekt gerne relativieren. Meiner Ansicht nach sind diese Positionen weit weniger „machtbelastet“, wie gemeinhin vermutet, sondern spricht gern Leute an, die eine Loyalitätskette und Maske leben. Zieht m.E. also eine ganz bestimmte – teilweise pathologische Motivationen nicht ausgeschlossen – Klientel magisch an.

    „Sklaven ihrer Machtposition, innerlich leer“ schrieb z.B. Prof. Hollstein in „Geschlechterdemokratie“ und „Lebenshülsen“ Fr. Dr. Scheub in „Heldendämmerung“. D.h., ohne Quote sind diese teils erheblich unauthentischen Machtkorsette für viele Frauen weiterhin unattraktiv, m.E. mit ein Grund für die vertikale Geschlechtersegregation. Auch eine Parteispitze signalisierte mir die Erwartung, dass die Quote Auswirkungen auf die Unternehmenskulturen haben wird.

    Dies nur nebenbei zum Mythos „Macht“. Ich würde eher von berechtigter Teilung von Gestaltungsaufgaben sprechen, da ich schon genug Menschen kennengelernt habe, die in „Macht“positionen mutiert sind – bis sie dann selbst an den Falschen gerieten. So setzt sich die Kette der Inszenierungen fort.

    M.E. muß „Macht“ umfassend kontrolliert werden, um Mutationen und Übergriffigkeiten zu verhindern. M.E. ein menschliches, kein männlich-weibliches Phänomen.

    Und dass Aufsichtsräte innerhalb einer einvernehmlichen „clubbing“ dies nicht immer leisten, dafür wurde 2001 ja eigentlich der Corporate Governance Kodex formuliert. Auch diese Selbstverpflichtung und gute Absuchtserklärung hat nicht richtig funktioniert.

  15. Ich möchte gerne zu dieser Feststellung des Threads : „Der Neoliberalismus hat der altbekannten “Geschlechterdifferenz” neues Leben eingehaucht und konstruiert eifrig mit, um sie ökonomisch auszuschlachten.“, die m.E. ggf. auf berechtigte Bedenken bzgl. wieder aufkeimenden Differenzialismus beruhen, gerne ein paar passende Argumente an die Hand geben, die diese Befürchtungen relativieren helfen sollten.

    Ich fand eine Antwort nicht in „Die Antwort“ von Alice Schwarzer, sondern in „Alice Schwarzer/Simone de Beauvoir, Weggefährtinnen im Gespräch“ :

    „In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass sich eine neue Mystifikation des Ewig Weiblichen ankündigt.“ (S. 87)

    Die Bedenken gehen m.E. schnell in Befürchtungen über im Hinblick auf Biologismus und Weiblichkeitsrollenfixierung.

    Ich nutze gerne die Argumenation, dass Mädchen schlicht und ergreifend anders – selbstempathisch erlaubter – sozialisiert werden und Jungen auf „richtige Männer“, die durchhalten müssen und das Berufsthema zentral identitätsstiftend sozialisiert werden. Deswegen kommt es auch, dass die gegebenen Strukturen nicht wenige Frauen auch nicht annehmen mit dem Gedanken „Das tue ich mir doch nicht an.“

    http://www.stern.de/aboknoten/der-neue-stern-karriere-das-tue-ich-mir-doch-nicht-an-1608825.html

    Ein Spiegel Interview aus 1976 belegt treffend :

    „Heute kann diese Fabrikation der Geschlechter bewiesen werden. Ihr Resultat ist, dass Frauen und Männer sehr unterschiedlich sind. Sie denken unterschiedlich, sie fühlen unterschiedlich… Doch dieser Unterschied ist nicht nur ein Unterschied, sondern beinhaltet die Minderwertigkeit der Frauen.“ (ebd., S.86)

    Ich würde es ein bischen entschärfen durch die kulturelle Wertung des „Weiblichen“, was also soziokulturell bedingt ist und biologische Befürchtungen aushebeln helfen müsste.

    Und damit ergeben sich auch die Konsequenzen eines Wertewandels in der Wirtschaft aufgrund vermehrter weiblicher Präsenz :

    „Beauvoir : Es gibt sicherlich weibliche Qualitäten. Ich denke, dass Frauen gewisse männliche Fehler abgehen.So das männlich Groteske – die Art, sich ernst zu nehmen, eitel zu sein sich wichtig zu nehmen, und so weiter. Das heißt, Frauen, die eine Mänerkarriere machen, können sehr gut auc diese Fehler annehmen. Aber sie haben trotzdem ein ganz klein wenig Humor, eine gesunde Distanz zu diesen Hierarchien. Und dann die Art, Konkurrenten zu zermalmen – im Allgemeinen tun Frauen das nicht. …Und eine ganz konkrete Art, denn Frauen sind aufgrund ihrer Rolle im täglichen Leben verwurzelt. Diese weiblichen Qualitäten sind also nict angeboren…“ (ebd., S.87)

    Nach dieser Quoten-Katalysephase und geänderten Unternehmenskulturen erwarte ich zwangsläufig auch die Konsequenz, dass vermehrt Frauen (und Männer) mit hoher Selbstempathie bereit sind zu sagen „Ok, das kann ich mir antun.“

    Da auch viele Männer nicht immer mit den herschenden Strukturen und Regeln i der Arbeitswelt glücklich sind (s. Männergesundheitsthema), sollte es mit dieser Argumentation auch möglich sein, vermehrt männliche Befürworter der Quote zu gewinnen. Das sollte m.E. insgesamt der Sache helfen. Von daher halte ich es für sinnvoll, vermehrt Männern den Vorteil der Quoten nahezubringen. Denn von männlicher Dominanz in den Top-Etagen haben die meisten Männer gar nichts – eher im Gegenteil. Ich sehe hier also Potential gegenwärtig vorhandener, schweigender, potentieller Loyalitäten.

    So würde m.E. der Druck aus der gesellschaftlichen Mitte höher und die Sache verbleibt nicht in der bisher wohlwollend gepflegten Frauenecke…

    Der Schlußsatz von Fr. de Beauvoir ist sehr gut : „Außerdem : Da ich nicht denke, dass die Frau von Natur aus dem Manne unterlegen ist, denke ich auch nicht, dass sie ihm von Natur aus überlegen ist.“ (ebd., S.89)

  16. Dirk – was das bringen soll? Mehr gerechtigtkeit.
    mir wärs nämlich 10x lieber, nen anständigen job zu haben und als „quotenfrau“ zu gelten, als auf ewig tippse zu bleiben, bloß weil meine eierstöcke nicht in die männerbündeleien passen.
    hab ja nicht umsonst studiert.

  17. Also ich bin persönlich überhaupt kein Anhänger der Quotenregelung, weil diese letztlich nicht das System aufbricht. Das Problem ist erkannt, aber die Lösung kann nicht durch solch einen Zwang kommen. Das sorgt eher dafür das sich die Männergruppen mehr abschotten und man eben hier und da in unwichtige Positionen „willige“ Frauen als Stimmvieh holt. Der Wandel muss deutlich tiefer einsätzen und eher andere Faktoren in Sachen Vereinbarkeit etc. mit sich bringen. In den statistischen Vorreiterländern, sind es ganz sicher auch nicht die gesetzlichen Zwänge die den Frauen bessere Chancen bringen.

  18. zu Thomas: „Ich sehe hier also Potential gegenwärtig vorhandener, schweigender, potentieller Loyalitäten.“ Ich schwafle ja auch gerne. Das hier geht aber auch schon rein inhaltlich zu weit. Von der sprachlichen Form ganz zu schweigen.

    “Der Neoliberalismus hat der altbekannten “Geschlechterdifferenz” neues Leben eingehaucht und konstruiert eifrig mit, um sie ökonomisch auszuschlachten.” Das Zitat ist genau so korrekt wie es oben steht. Es gibt Aspekte des Lebens, zu denen kann man eine Meinung haben. Das ist keiner. Allein Neolibarismus ist mir zu aktivistisch formuliert. Mir würde gefallen: „Der moderne jeden Lebensbereich beanspruchende und ausschlachtende Kapitalismus hat der altbekannten „Geschlechte…..[…]“

  19. Es kommen in letzter Zeit merkwürdigerweise immer öfter Frauen ins Gespräch, die für die Positionen geeignet sind. War nicht ein Argument mit, es gäbe keine geeigneten Kandidatinnen ?

    http://www.boerse-frankfurt.de/DE/index.aspx?pageID=41&NewsID=170359

    „Als Vize-Präsidentin soll die Bankenaufseherin Sabine Lautenschläger zur
    Bundesbank gehen, die derzeit bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf
    sicht (BaFin) arbeitet.“

    Zusätzlich zu der Entscheidung der letzten Tage :

    http://www.n-tv.de/wirtschaft/Daimler-holt-Frau-in-Vorstand-article2 622001.html

    „Daimler holt Frau in Vorstand“

    Wenn schon nur der Wink mit der Frauenquote Effekte hat? Entgegen anderslautender Altargumente gibt es scheinbar ja doch genug geeignete Kandidatinnen.

  20. Aktuell im Manager Magazin :

    http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,746129,00.html

    FIDAR hat ein Women on Board – Index (WoB-Index) entwickelt :

    http://www.fidar.de/WOB-Index.92.0.html

    Inhaltlich kurz zusammengefasst in der Print-Version des Manager Magazins :

    Quote vs. Kompetenz ?

    »Doch trotz der größeren Offenheit gegenüber Frauen verrät Headhunter Dieter Hoffmann, `werden bei großen Unternehmen nach wie vor viele Positionen ausgekungelt, die Qualifikation ist oft zweitrangig`. Das Blockadegebaren wird natürlich nicht öffentlich zur Schau getragen. Nur diese und jene Bemerkung am Rande macht klar – ein Mann wäre halt schon passender.«

    (Quelle: Manager Magazin 03/11, S. 104)

    Auch werden gute Beispiele aus der Praxis geliefert, wie traditionalistisch Deutschland da orientiert ist. Sei es ein Zitat eines Vorstandsvorsitzenden von ThyssenKrupp bei einer Fidar-Veranstaltung »Wissen Sie, meine Damen, ein Aufsichtsrat ist kein Kaffeekränzchen« oder der Effekt, dass die Deutschen nicht damit zurechtkommen, wenn eine Frau der Boss ist (ebd., S. 103).

    Selbst die butterweiche Empfehlung im Corporate Governance Kodex stößt bei Traditionalisten hierzulande auf heftigen Protest – meist hinter vorgehaltener Hand.

    Für den neuen Vorstand von Bayer, Marijn Dekkers, ist es aufgrund seiner Karriere in den Vereinigten Staaten »selbstverständlich, dass dort Frauen in allen Ebenen vertreten sind«. (ebd., S. 101). Die Merkwürdigkeiten hierzulande versucht er dabei in diplomatische Worte zu fassen.

    Und auch ein privat-wirksamer Tenor, den in ähnlicher Weise Fr. Bascha Mika in die »Feigheit der Frauen« angestoßen hat :

    »`Es gibt ganz viele Männer von tüchtigen Frauen, die alles tun, um ihren Frauen zu sagen: Bis hierher und nicht weiter`, sagt Klaus Peter Müller, der Vorsitzende der Kodex Kommission. So mancher Mann könne es nicht ertragen, von Frauen auf der Karriereleiter überholt zu werden.« (ebd., S. 100)

    19 renommierte DAX-Unternehmen lehnen die Empfehlungen des Kodex unverhohlen ab.

    Der Zusammenschluß von Pax World, Calvert und Walden Asset Management, die über eine Gesamt-Fond-Verfügungsmasse von 73 Milliarden $ verfügen, nutzen ihre Macht entsprechend :

    »Vergangenen Herbst forderten Sie 54 Konzerne nachdrücklich auf, für eine bessere Geschlechterbilanz in ihren Organisationen zu sorgen.« (ebd., S. 106)

    Weiterhin wird nach dem Diversity-Prinzip betont »Wenn Frauen mit am Tisch sitzen, ist die Diskussion wertvoller, der Entscheidungsprozess besser, das Management innovativer und kooperativer und das ganze Unternehmen stärker.«

    Ute Klammer wird zitiert, die betont, dass deutsche Unternehmen nicht nur frauen-, sondern auch familienfeindlich sind. Väter, die Karenzzeiten wollten oder Gesundheitsfragen thematisierten, haben da auch teilweise so ihre Erfahrungen gemacht.

    Das Machtwort gegen die Quote wurde auch angerissen :

    »Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger ist allerdings dagegen (Quote), in trauter Einheit mit der FDP. Auch die Kanzlerin blockt. Dafür haben die Konzernherren gesorgt.« (ebd., S. 106)

    Nach dem Interview mit der Präsidentin der Fidar Fr. Schulz-Strelow (S. 104)würde ich optimistisch einschätzen, dass aufgrund des internationalen Druckes und dem höher werdenden Bebachtungs- und Rechtfertigungsdruck hierzulande der Diversity-Zug nicht mehr von Traditionalisten aufgehalten werden kann – ob mit oder ohne Quote, ist m. E. nur noch eine Zeitfrage.

  21. Ein chancenreicher Wind weht m.E. auch aus dieser Richtung :

    http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/3/0,3672,8216771,00.html

    Wenn hier schon jetzt Ängste bestehen, dann ist dies ein m.E. sehr gutes Zeichen, dass in dem trauten Deutschlandclub absehbar nicht mehr so weiterverfahren werden wird wie bisher.

    http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/18/0,3672,8217330,00.html

    „In anderen Fällen wissen wir, dass es Eingriffe von US-Behörden gab. Beispielsweise bei Daimler oder bei Siemens und auch bei anderen Unternehmen, die nicht in den USA börsennotiert waren. Dies müssen wir vermeiden.“

    Ich finde, nicht. Ein m.E. durchaus positiver Effekt der Internationalisierung.

    „Angst & Schrecken : Debevoise & Plimpton. Erst Siemens, dann Ferrostaal : Die Ermittlungen einer US-Kanzlei erschüttern deutsche Konzerne. Ein Blick in eine Firma, die gefürchtet ist wie keine zweite…“ (Quelle : Manager Magazin 03/11, S.41)

    Dies in Kombination mit dem Effekt :

    http://maedchenmannschaft.net/reden-wir-doch-mal-ueber-die-maennerquote/#comment-37122

    „Der Zusammenschluß von Pax World, Calvert und Walden Asset Management, die über eine Gesamt-Fond-Verfügungsmasse von 73 Milliarden $ verfügen, nutzen ihre Macht entsprechend :“

    Das halte ich für eine hochgradig effektive Schienen in einem Maßnahmenportfolio, verkrustete Strukturen hierzulande zum Vorteil Aller aufbrechen.

    Und solche Maßnahmen angewandt auf die Geschlechterbilanzthematik :

    „..der die Fusion jetzt noch absagen würde, eine riesige Vertragsstrafe von 250 Millionen Euro zu zahlen hätte.“

    Ich denke, mit der McKinseystudie institutionelle Anleger oder auch Fond Manager_innen zu erreichen versuchen, müsste m.E. die Sache vorantreiben.

    http://www.allianzglobalinvestors.de/web/main (Heidrun Heutzenröder, seit 1998 Managerin des Fondak)

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