Weg mit der Klappe und der anonymen Geburt? – Kristina Schröder plant schon wieder

Wo die Bundesfamilienministerin auftaucht, da kann die Zimmerdecke schon mal zum Fußboden werden. Untätigkeit kann sich Schröder nicht vorwerfen lassen. In ihrer Legislaturperiode hat sie einiges geschafft – öfter auch abgeschafft – beispielsweise wenn sie der Rheinischen Post sagt, sie setze sich für das Modell einer vertraulichen Geburt ein. Damit meint die Ministerin, dass sie sich für die Abschaffung von anonymen Geburten (und zu diesem Zeitpunkt noch für die Abschaffung von Babyklappen) einsetzt. Das „vertrauliche“ an der Geburt ist eine Mogelpackung. Mit dem 16. Lebensjahr soll auch wieder gut sein mit der Anonymität, denn dann dürfen die Jugendlichen erfahren, wer ihre leibliche Mutter ist. Sie erhalten ihre Daten, weil ein Kind ein Recht darauf hat, zu wissen woher es abstammt, behauptet Schröder. Deshalb plant die Familienministerin einen Gesetzesentwurf zur vertraulichen Geburt. Babyklappen sollen auch überflüssig gemacht werden, zumindest neue soll es nicht mehr geben.

Dabei sind Babyklappen und die anonyme Geburt wichtige Angebote für Schwangere in Notsituationen. Es sind Vorrichtungen, wo Neugeborene anonym abgegeben werden können und die leider noch nicht gesetzlich geregelt sind. Diese Grauzone ist oftmals die letzte Option für schwangere Frauen, wenn alle anderen Gesellschaftstüren verschlossen sind. Das wird deutlich wenn Klaus Vetter, Chefarzt vom Vivantes-Klinikum in Neukölln (Berlin), im Deutschen Ärzteblatt über die Bedeutung von anonymen Geburten sagt, dass, sie Leben retten können. Sie sind die einzige Option einer Entbindung in einer Klinik ohne Angst zu haben Jahre später vielleicht doch noch von Polizei, Staat, Behörden oder dem Kind aufgesucht zu werden und sich für ihre Entscheidung erklären zu müssen. Eine Entscheidung, die sicherlich keine leichte gewesen war, aber ihre und das aus Gründen. Ungewollte Schwangerschaften aufgrund von Vergewaltigungen sind hier nur ein Beispiel für gewaltvolle Situationen. Diejenigen, die kommen, kommen (vermutlich) weil sie anonym bleiben wollen/müssen, sonst würden sie den Haupteingang wählen.

Vielleicht kennt Kristina Schröder diese prekären Situationen nicht, okay, aber es scheint auch so, als ob sie weder nach dem „warum“ fragt noch einen Realitätsabgleich sucht, nicht okay. Am vergangenen Dienstag bescheinigte der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) ihren Plänen ebenfalls realitätsferne, er ist für die anonyme Geburten, weil es diese Notsituationen gibt. Vielleicht findet Schröder die Vorstellung von einer happy Heterokleinfamilie mit Vati und Mutti aber auch einfach richtig (,) toll und will dem etwas nachhelfen. Ganz im Sinne von, was gehen mich Lebensrealitäten an?

Vorrangig argumentiert sie mit den Jugendlichen und ihrem „Abstammungsrecht“, das finde ich scheinheilig. Dieses Recht gibt es nicht. Es ist ein nachvollziehbarer Wunsch, weil er Identitätsfragen aufwirft vor allem wenn Jugendliche oft gefragt werden, wer und wo nun „Mutti und Vati“ sind. Aber es gibt das Recht auf Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit und auf Leben, wenn wir auf der Welt sind, geboren werden (dürfen) und genau deshalb sind diese Angebote so wichtig.

Mit ihren Plänen zielt sie diesmal direkt auf eine kleine wie sehr marginalisierte Gruppe, die in dieser entscheidenden Lebensphase sehr verletzbar ist, Anonymität sucht und Unterstützung braucht. Warum macht Schröder das eigentlich? Warum wird nicht früher nach den Ursachen gefragt? Es sind nicht die Babyklappen, die überflüssig sind, aber vielleicht ist es die Bundesministerin für Backlash.

10 Kommentare zu „Weg mit der Klappe und der anonymen Geburt? – Kristina Schröder plant schon wieder

  1. Just my 2 Cents

    Wer mal mit Konservativen eine Unterhaltung zum Thema „Abtreibung“ geführt hat, wird wissen, dass Babyklappen gerne argumentativ verarbeitet werden. Die Argumentationslinie ist:

    Jedes werdende Leben müsse ausgetragen werden und wer aufgrund persönlicher Umstände kein Kind versorgen wolle, könne ja jederzeit die Babyklappen nutzen. Eine Abtreibung sei daher in keinem Fall notwendig.

  2. Danke für diesen Beitrag! Mittlerweile denke ich bei jedem neuen „Vorschlag“ von Schröder, wow, eine noch beknacktere Idee kann sie nicht mehr bringen.Und doch „überrascht“ sie mich jedes Mal aufs Neue. Ihren großen Traum verfolgt sie also weiter, den Frauen* ihren Platz zu zeigen. Selbstbestimmung? Pfft, dein Uterus ist Allgemeingut, aber hier sind 100 Euro,ab hintern Herd. Ums mal mit Sookee zu sagen: Wer war dein Lehrer,ja wer war dieser Arsch?Ach so, ja natürlich, das [Hessen-CDU] Patriarchat…

  3. die schröder schafft es immer wieder, mir den tag zu versauen. dass von ihr nicht zu erwarten war, dass sich die situation für die von ihrer „politik“ betroffenen nicht bessert, war klar, aber dass sie es immer noch schlimmer macht, ist mehr als bestürzend.

  4. Dieses „Abstammungsrecht“ ist doch auch bloß ein Relikt aus dem Patriarchat, in dem biologische Abstammung und Elternschaft ja sooooo wichtig ist. Damit wird ja auch immer argumentiert, wenn es heißt, dass sich doch die leibliche Mutter am besten um ihr Kind kümmern kann/soll/muss. Wenn adoptierte Kinder sich bei der Frage nach den leiblichen Eltern unbehaglich fühlen, dann nur, weil ihnen von der Umwelt signalisiert wird, ihnen fehle etwas ganzganz wichtiges.

    Ich sage euch, in Wirklichkeit ist diese Person Eva Herman. Sie hat es geschafft uns alle an der Nase herumzuführen und drückt jetzt ihr Eva-Prinzip politisch durch. Grrrrr…

  5. Genau, lieber tötet die Mutter das Kind in der Verzweiflung, als dass es Babyklappen gibt und die Mutter das Kind noch ein halbes Jahr zurückholen kann. Oh du meine Fresse -.-

  6. Ich habe vor Kurzem erst beim Deutschlandfunk (? oder einem anderen öffentlich-rechtlichen Radiosender) eine spannende Sendung zu einer Babyklappe an einem Berliner Krankenhaus gehört. Die wenigen, die sie tatsächlich nutzen, tun das für sie Notwendige und sollten auch weiterhin diese Möglichkeit haben.

    Ich finde es allerdings vermessen zu behaupten, dass Kinder, die nach ihren biologischen Eltern forschen bzw. darunter leiden, dass sie die Möglichkeit nicht haben, dies nur wegen der gesellschaftlichen Erwartung tun. Die Gesellschaft legt ganz offensichtlich größten Wert auf biologische Elternschaft – demgegenüber die Bedeutung und Legitimität sozialer Elternschaft herauszustellen ist wichtig. Den betroffenen Kindern in ihrem Wunsch nach Kontakt bzw. einfach einer Antwort eine Art falsches Bewusstsein zu unterstellen ist aber wenig hilfreich. Letzten Endes ist eben nicht alles sozial, sondern jeder Mensch trägt, egal wer ihn_sie aufgezogen hat, das Erbgut zweier ganz bestimmter Menschen mit sich rum. Das sollte man zwar nicht überbewerten, aber ich finde es auch unabhängig vom gesellschaftlichen Idealbild verständlich, dass eine_r gern mal sehen würde, wie der Vater/die Mutter aussieht, wie man also vielleicht selbst später mal im Alter aussehen wird, welche Ähnlichkeiten/gemeinsamen Ticks man hat, meinetwegen auch welche Krankheiten zu erwarten sind, oder auch schlicht und ergreifend ob der Name der Mutter klanglich zum eigenen Namen ‚passt‘. Ich denke, dass ist für viele eine hochgradig emotionale Sache, die man nicht einfach mit einem ‚ja, aber du hast ja soziale Eltern, basta!‘ abtun kann. (das war @ Lisa)

  7. Wirklich furchtbar. Der Artikel des Postillons erhält dadurch aber natürlich neue Brisanz. So viel Inkompetenz und Ignoranz. Was diese Person qualifiziert?

  8. „Warum macht Schröder das eigentlich? Warum wird nicht früher nach den Ursachen gefragt?“
    tja, sog. warum-fragen habens mEn einfach ziemlich „heftig in sich“. weil, da gehts dann ans „eingemachte“ (ursachen, strukturen etc.) – oder ebend wieder mal nicht.
    oder weil z.b. diese ministerin ebend eine „bestimmte agenda“ betreibt (die für mich nix mit dem amt/ministerium/GG per se zu tun hat).
    also warte ich auf vermehrte schlagzeilen a la wieder „totes kind/neugeborenes-xyz in mülltonne/blumenkiste/… gefunden“.
    d a s, inkl. sog. vertrauliche geburt, kanns (für mich) ja absolut nicht sein.

    ganz klar : sog. anonyme geburten/“klappen“ m ü s s e n bleiben.
    (u.a. weil 1. „dont change a running system“
    2. wir brauchen m e h r davon, damit es endlich k e i n e schlagzeilen a la „totes kind/neugeborenes in … gefunden“ mehr gibt.)

  9. Ich wollte gar nicht rummeckern, da ich die grundsätzlichen Bedenken zu dieser Sache teile. Aber dazu ist mir was auf-, bzw. eingefallen:

    „Vorrangig argumentiert sie mit den Jugendlichen und ihrem “Abstammungsrecht”, das finde ich scheinheilig. Dieses Recht gibt es nicht.“

    In der UN-Kinderrechtskonvention (die zwar auch von Deutschland ratifiziert wurde, aber nicht einklagbar ist) steht bei Artikel 7, Absatz 1:

    „Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat das Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit
    zu erwerben, und soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden.“

    Vor allem der Passus „soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen“ könnte mensch, wenn mensch wollte, als „Recht darauf, die eigene Abstammung zu kennen“ interpretieren.

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