In Berlin marschieren jedes Jahr christliche Fundamentalist_innen, Konservative und extreme Rechte aus dem gesamten Bundesgebiet „für das Leben“. Für „das Leben“ heißt für den „Bundesverband Lebensrecht“, der zur Demonstration aufruft, gegen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, die Straffreiheit der durch §218 immer noch illegalisierter Schwangerschaftsabbrüche, Sterbehilfe und Pränataldiagnostik (PND) zu protestieren. Eines der Plakate, das „Lebensschützer_innen“ [sic] am vergangenen Samstag mit sich trugen, fasste die Zielsetzung jener Bewegung prägnant zusammen: „Selbstbestimmung hat Grenzen“ – praktischerweise genau dort, wo die „Lebensschützer_innen“ über die Körper anderer Menschen verfügen wollen.
Der „Marsch Für Das Leben“ tritt nicht nur für antifeministische Politik ein, sondern fusst auf und verbreitet eine sexistische, heterosexistische, cissexistische und völkisch-nationalistische Ideologie (weitere Informationen zu der „Lebensschutz“-Bewegung finden sich zum Beispiel hier). Demonstriert wird für reaktionären Geschlechteressentialismus und den als deutsch definierten, weißen „Volksnachwuchs“. Es sind diese Ziele, für die Politiker_innen und Kirchenvertreter_innen jährlich Grußworte senden; in diesem Jahr auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Volker Kauder und der katholische Erzbischof Rainer Wölki. Beatrix von Storch, Mitglied des Europa-Parlaments für die AfD, lief direkt mit. Nach eigenen Angaben hat der „Marsch für das Leben“ am Samstag 4500 bis 5000 Teilnehmer_innen mobilisiert.
Ebenfalls jedes Jahr rufen feministische Bündnisse zu Protesten gegen den „Marsch für das Leben“ auf – in diesem Jahr unter anderem das What The Fuck-Bündnis und das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Nach ersten Schätzungen haben bis zu 1500 Menschen an den verschiedenen Aktionen gegen die Fundamentalist_innen teilgenommen: mit Trillerpfeifen, Sprechchören, Sitzblockaden, Flashmobs, Glitzerkonfetti, aufgeblasenen Kondomen, Musik, Redebeiträgen, Performances und vielen weiteren Aktionen wurde protestiert. Wir haben einige Bilder der Demonstration(en) für euch zusammengestellt – weitere Fotos findet ihr auch hier, hier, hier und bei Twitter unter #NoFundis.
Es ist immer wieder interessant mitanzusehen, wer sich alles aus welchen Gründen auf die Seite der sogenannten „Lebensschützer“ stellt… Man darf ja durchaus unterschiedlicher Meinung sein, schließlich leben wir (theoretisch) in einer Demokratie, aber spätestens sobald die Neonazis aus der gleichen Richtung brüllen wie man selbst, sollte einem das doch zu denken geben!
Das Banner, dass Schwangerschaftsabbruch Frauenrecht ist, ist ja mal cissexistischer Bullshit. Weil ja nur Frauen schwanger werden können -.-
Bin gar nicht in der Ecke der AbtreibungsgegnerInnen zu Hause und sehe die Notwendigkeit der Fristenlösung völlig ein und finde diese Moralkeulen zum kotzen. Jedoch fehlt mir ehrlich gesagt eine kritische feministische Stimme gegen die Pränataldiagnostik und deren Folgen. Mir geht es hierbei nicht um die moralische Frage, ob man ein behindertes Kind abtreiben darf oder nicht, sondern um die Frage, in was für (absolut verschissene) Situationen diese Möglichkeiten Frauen bringt und ob hier Frauen nicht oft in Situationen gedrängt werden, die sie nicht wollten, deren Folgen sie aber ganz alleine zu tragen haben. In meinem Umfeld sind es fast ausschliesslich die Männer, die sich gegen ein behindertes Kind entscheiden würden, die Frauen würden es behalten wollen, wüssten aber nicht, ob sie sich das zutrauen würden wenn der Mann nicht dahinter steht. Bringt die Pränataldiagnostik den Frauen wirklich Entscheidungsfreiheit oder wird hier einfach im medizinischen Machbarkeitswahn über ihren Körper verfügt?
Ich finde es schade, wird dieses Thema so ganz den Moralkeulen-Fundis überlassen…
Huch, sorry, link sollte man halt anschauen. Habe nichts gesagt…
@Oriana: Kein Ding ;) – danke, dass du das nochmal ansprichst.
Auf Wikipedia.de lohnt es sich vielleicht mitzueditieren. Da hier derzeit die Perspektive der Abtreibungsgegner_innen dominiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Marsch_f%C3%BCr_das_Leben#cite_note-16