[Dieser Text ist der zweite Teil zu autonom organisierten, extrem rechten Frauen. Den ersten findet Ihr hier.]
Oft kommt die Frage auf, ob rechte Aktivistinnen das „Image“ der Rechten nicht aufpolierten, angesichts dessen, dass viele Menschen zwar („männlich“ konnotierte) physische Gewalt ablehnten, aber immer wieder festgestellt werden kann, wie (gesamt-)gesellschaftlich verankert und eben kein Randphänomen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist, und somit anschlussfähig für extrem rechte Positionen. Auch die Frage, ob der Aktivismus extrem rechter Frauen (eventuell unfreiwillig) ein Zeichen einer „Frauenemanzipation von rechts“ sein könne, wurde in den letzten Jahren vermehrt gestellt.
Auch wenn es extrem rechten Frauengruppen grundsätzlich und nahezu ausschließlich um die Propagierung extrem rechter Ideologie geht, wird sowohl in der GDF als auch in anderen autonomen Frauengruppen die Frage nach einer „Aufwertung“ der (als deutsch definierten) Frau und ihrer Rolle in einer imaginierten/propagierten „Volksgemeinschaft“ immer wieder thematisiert. Ausgehend von der biologistischen und heterosexistischen Annahme, dass „Mann und Frau […] eine sich ergänzende Einheit“ seien – so schrieb die GDF noch vor drei Jahren unter dem Ressort „Frauentum“ -, vertritt z.B. die GDF ein dichotomes Geschlechterbild: Männer und Frauen besäßen angeborene, spezifische Charaktereigenschaften und Verhaltensmerkmale, die komplementär seien und aufgrund einer „genetischen Veranlagung“ sich „immer wieder durchsetzen“ würden. Das sei „auch gut so,“ denn „diese elementaren Eigenschaften“ dienten „dem Gesetz der Natur- nämlich dem Zusammenleben und Fortbestehen der Art.“
Die GDF bleibt somit nationalsozialistischer Ideologie treu und sieht den „Wert der Frau“ in „der Fähigkeit der Reproduktion“ begründet, den sie als den „weiblichen Beitrag zur Erhaltung des Volks“ versteht. Gleichberechtigung, Emanzipation, Feminismus – für die Mehrzahl rechter Frauengruppen sind das „marxistische“ Konzepte, die die „Verwirklichung als Frau und Mutter, die höchstes Glück bringt“ zunichte machten. Der „Mädelring Thüringen“ meint in Gleichberechtigungskämpfen gar einen „absichtlich heraufbeschworenen Geschlechterkonflikt“ zu erkennen, aus dem „so genannte Emanzen“ hervorgingen, „welche sich durch kranke Wertvorstellungen“ einer „Multikultigesellschaft“ nährten. Es ist auch kein Zufall, sondern knüpft bereits rhetorisch an die geschlechterbild-reaktionäre, nationalsozialistische Ideologie des „Bund Deutscher Mädel“ an, dass eine große Anzahl extrem rechter Frauengruppen das Wort „Mädel“ in ihrem Namen trägt (und gewisse Traditionen wie „Heimatkunde“ fortgeführt werden, z.B. in der GDF).
Wenngleich einige Gruppen für eine „Aufwertung“ oder stärkere Anerkennung von (erneut: nur als deutsch definierten) Frauen auch innerhalb der rechten Szene eintreten, nehmen sie dabei unmittelbar Bezug auf die vermeintlich „natürlichen Bestimmungen“ jener und ihres festgelegten Wirkungsrahmens. Weibliche* Selbstverwirklichung liegt für die Mehrheit extrem rechter Frauengruppen in der Mutterschaft. Die Idee zur Emanzipation komme im „natürlichen Denken“ der „deutschen Frau“ nicht vor, schrieb zum Beispiel die GDF 2008 mithilfe schlecht verhohlener antisemitischer Codewörter, sondern sei eine „von außen“ in die deutsche Gesellschaft hineingetragene, „fremde Lehre“. Erneut wird eine Bipolarität von Männern und Frauen stilisiert: Diese seien zwar „gleichwertig“, aber nicht „gleichartig“.
Aus der Überhöhung und ideologiegeladenen Verklärung von Mutterschaft, sowie deren Festlegung als „biologische Bestimmung der Frau“, resultiert auch eine ablehnende Haltung der Mehrzahl extrem rechter Frauen gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen, die als „Mord“ und wahlweise auch als „Baby-Holocaust“ bezeichnet werden, zum Beispiel durch das extrem rechte Portal „Storchennest“. Darüber hinaus steht die Reproduktion von Nachwuchs für die „Volksgemeinschaft“ und die „nationale Bewegung“ im Vordergrund (und als adäquater Nachwuchs gelten hier natürlich nur weiße Kinder ohne „Behinderung“ – läge eine „eugenische Indikation“ vor, so das „Storchennest“, sei eine Abtreibung nicht nur legitim, sondern gar präferabel). Die Pille und andere Verhütungsmittel wurden von der GdF 2008 noch als „Evolutionshemmer“ bezeichnet; in den letzten Jahren erklärte die GDF hingegen, dass es angesichts „unnatürlicher“ politischer Zustände im „Multikulti“-Europa kein Wunder sei, dass „deutsche Männer und Frauen“ sich weigerten, Kinder zu bekommen.
Auch (öffentliche) politische Aktionen autonom organisierter rechter Frauen beschränken sich primär auf als „Frauenthemen“ Definiertes und bewegen sich somit in ihrem (auch) selbst begrenzten Wirkungsbereich: Schwangerschaft, Mutterschaft und ein Kampf gegen (sexuelle) Gewalt gegen Kinder spielen auch in der politischen Arbeit rechter Frauenorganisationen eine große Rolle. So führte etwa der „Freie Mädelbund“ (PDF) vor einigen Jahren eine Unterschriftenaktionen unter dem Motto „Todesstrafe für Kinderschänder“ durch – eine Aktion, die explizit auf den Anschluss bei der vermeintlichen „Gesellschaftsmitte“ zielte und den strategischen Einsatz geschlechts(stereo)typischer Themen durch extrem rechte Aktivistinnen illustriert.
Eine weitere von extrem rechten Frauen organisierte Aktivität ist/war das sogenannte „Braune Kreuz„, ein selbsternannter „Sanitäterinnendienst“ bei rechtsextremen Aufmärschen, deren Mitglieder Armbinden trugen, die dem „Deutschen Roten Kreuz“ nachempfunden waren – abgesehen von der Farbe des Kreuzes. Das „Braune Kreuz“ entstand bereits 1998 unter der Leitung von Cathleen Crewe, aus dem Umfeld des SFD. Nachdem das „Deutsche Rote Kreuz“ juristisch gegen diese Praxis vorging, kam es zu einer aussergerichtlichen Einigung mit der Gründerin der Gruppe: sowohl Name als auch Zeichen dürfen nun nicht mehr verwendet werden – der „Sanitäterinnendienst“ ist aber weiterhin ein Betätigungsfeld für extrem rechte Aktivistinnen. Ausserdem widmen sich extrem rechte Frauen bestimmter Gräber- und nationalistischer Denkmalpflege (z.B. war dies ein explizites Feld der „Mädelgruppe“ der 2005 verbotenen „Kameradschaft Tor“ in Berlin) oder um inhaftierte „Kameraden“ und deren Angehörige, wie der „Freie Mädelbund Bad Gandersheim„. Diese Aktivitäten, die in den letzten Jahren zunehmend an (propagandistischer) Bedeutung gewannen, könnten als Zeichen dafür gewertet werden, dass Rechtsextremistinnen zunehmend (auch direkten politischen) Einfluss gewinnen in der Szene und eigene Akzente setzen; allerdings stets in als „frauenspezifisch“ definierten Bereichen. Gerade das „Braune Kreuz“ und die Gräber/“Denkmal“-Pflege entsprechen in hohem Maße dem Rollenbild der passiv unterstützenden „Kameradin“ des „aktiv“ kämpfenden Mannes und verlassen den stereotypen Wirkungskreis „der Frau“ nicht: Mutter, Kinderbeschützerin, Unterstützerin, Pflegerin, „Bewahrerin“.
Eines der wenigen Beispiele für einen „moderneren“ Fokus rechter Frauengruppen ist hingegen „Jeanne D.“, eine Gruppe, die sich bei der Namensgebung offensichtlich auf Jeanne d’Arc bezieht, die der Rechten in Frankreich als nationalistische Ikone dient. RNF-Vorsitzende Sigrid Schüßler gründete „Jeanne D.“ gemeinsam mit der Sozialarbeiterin und RNF-„Kollegin“ Iris Niemeyer, um „eine Selbsthilfegruppe für politisch verfolgte Frauen in Zeiten der BRD“ zur Verfügung zu stellen, deren Zweck es sei, Frauen, die aufgrund ihres extrem rechten Aktivismus ihren „Arbeitsplatz verloren“ hätten, unterstützend und vernetzend zur Seite zu stehen. Die hier Organisierten verstehen Frauen also durchaus als Erwerbstätige und als politische Aktivistinnen in einer, so erhofft, vorübergehenden Republik-Phase eines propagierten deutschen „Reichs.“ Wie die konkreten Aktivitäten und die direkte Verbindung zur NPD über den RNF aussehen, bleibt allerdings unklar.
Im Bereich der Rekrutierung und „Schulung“ [sic] profitieren extrem rechte Frauenorganisationen weiterhin von der sexistischen Annahme, dass sie inhaltlich harmloser und/oder methodisch friedlicher seien als männliche Kameraden; auch daher sehen sich hier einige extrem rechte Frauen nicht nur in der Rolle der Unterstützerin, sondern Vorkämpferin. Der „Arbeitskreis Mädelschar“ beispielsweise organisiert regelmäßige „Seminare“ (nicht nur) für Neuankömmlinge und das auf ein weibliches Publikum zielende, extrem rechte Magazin „Triskele“ schrieb bereits 2006, dass „jede/r sich darüber im klaren [sic]“ sein solle, „dass die Frau nicht nur ein Anhängsel vom Mann ist. Auch sie kämpft wie er für unsere Heimat.“
Mit „Emanzipation“ oder gar Feminismus hat der politische Aktivismus extrem rechter Frauen demnach aber nichts zu tun: Diese treten ihren nationalistischen Kampf nicht an, um sich auf eine Art und Weise zu emanzipieren, sondern, um für das Voranschreiten ihrer rechten Ideologie einzutreten. Man kann dennoch fragen, ob dies nicht automatisch, so ambivalent und gar teilweise ungewollt es sein mag, eine Stärkung der Rolle von Frauen innerhalb der extrem rechten Szene mit sich bringt. Frauen erhöhen ihre Präsenz in jener, setzen selbst Themen, prägen Meinungen und beeinflussen somit Politik. Mehr noch: die Öffentlichkeitswirksamkeit der rechten Szene erhöht sich insgesamt, indem Frauen strategisch „bürgerliche“ Themen aufgreifen und somit versuchen, in den mehrheitsgesellschaftlichen Diskurs und „Mainstreamthemen“ einzugreifen und extrem rechte Positionen weiter zu enttabuisieren.
Ganz geschlechtsstereotyp und zunehmend strategisch „locken“ extrem rechte Frauen nicht nur mit ihrer spezifischen Themenauswahl, sondern auch mit ihrer sozial zugeschriebenen Rolle, die „dem“ aggressiven, gewaltbereit(er)en männlichen Rechtsextremen gegenübergestellt wird. Insofern scheint der unmittelbarste Beitrag organisierter extrem rechterFrauen darin zu bestehen, die (oft nur halbherzig widersprochene) Sichtbarkeit, Hörbarkeit und „Legitimität“ extrem rechter Standpunkte (weiter) zu erhöhen. In Beate Zschäpes Fall zeigt sich, wozu diese Unterstützerinnenrolle rechter Frauen wohl mindestens reicht: zur Beihilfe zum Mord.
„Baby-Holocaust“? Wirklich? Und die Ironie sehen die nicht?
@Geli: Dadurch wird wohl gezielt versucht, den Holocaust zu verharmlosen, indem man beliebige Formeln vor dieses Wort setzt, um gewissen Gruppen einen (nicht vorhandenen) Opferstatus zuzuschaufeln und natürlich auch, um zu provozieren. Zum Beispiel wird in der extremen Rechten, seitdem der NPDler Jürgen Gansel dieses Wort zum ersten Mal Mal ins Spiel brachte, auch von „Bombenholocaust“ gesprochen, wenn die Bombadierungs Dresdens durch Alliierte „betrauert“ wird. Es geht hier also ganz klar um (extrem) rechte Propaganda und Geschichtsrevisionismus/-verharmlosung.
Prima Artikel!
Aber irgendwie hab ich jetzt das Gefühl, ich müßte mich waschen, nachdem sie so viele gruslige (Frauen)bilder vor meinem geistigen Auge getummelt haben… brrrr
@Reality Rags: Dankeschön :)! Und ja, der Ekel ist schwer abzuschütteln…