Peggy Piesche und ich waren als Referentinnen zur Tagung „Das Übersehenwerden hat Geschichte – Lesben in der DDR und in der friedlichen Revolution“ in Halle geladen. Auf der Tagung standen verschiedene lesbische Perspektiven auf lesbischen Aktivismus in der DDR, während und nach der Wendezeit im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang fragte der Freitag ein Interview mit einer ‚Zeitzeugin‘ an, das ich nach der Tagung mit Peggy Piesche führte. Wir konnten das Interview nicht zur Autorisierung freigeben, so dass es nun auf der Mädchenmannschaft erscheint. Die Zusammenarbeit mit dem Freitag zeigte deutlich, dass viele sogenannte ‚Qualitätsmedien‘ bzw. journalistische Angebote nicht an Selbst-Erzählungen interessiert sind, die sich gängigen heteronormativen, weißen und westlichen Geschichts- und Diskriminierungsnarrativen und Interessen entziehen. Peggy Piesche hat dazu einen Text geschrieben, den ihr am Ende des Interviews findet.
Obwohl Lesben in der DDR rechtliche Gleichstellung genossen, blieben sie unsichtbar. Es gab im Gegensatz zur BRD kaum öffentliche Orte des Zusammenkommens, in der breiten Öffentlichkeit fanden sie keine Erwähnung. Teilnehmerinnen der Tagung sprachen davon, dass sie sich isoliert fühlten. Ging es dir ähnlich?
Ja, ich denke, dass dies ein allgemein gesellschaftliches Phänomen in der DDR war. Die rechtliche Gleichstellung von Lesben, die weit fortgeschrittenere Gleichberechtigung von Frauen allgemein in der DDR gegenüber der BRD war nur eine Seite bzw. nur eine Hälfte real-sozialistischer Ideologie. Da über vieles nicht geredet wurde und es wenig Räume gab, in denen alternative Lebensentwürfe gedacht oder gar gelebt werden konnten, entwickelte sich im DDR-Alltag so etwas wie eine sprachliche Leerstelle.
Was meinst du damit?
Natürlich wussten wir, was ‚Homosexualität‘ war, kannten Wörter wie ‚Lesben‘ und ‚Schwule‘. Aber im aktiven Aussparen dieser Wörter und allem, was damit zusammen hängt, indem eine bestimmte Sprache sozusagen nicht ausgeübt oder verwendet wurde, fehlten für Lesben und Schwule die Möglichkeiten in ihre Identität hineinwachsen zu können. Ich wusste sehr früh, wie ich fühlte und was das bedeutet. Aber in einen Austausch dazu zu kommen, war zumindest für mich in der Provinz (ich habe in den Mit-80ern in Erfurt studiert) kaum möglich. Das Schweigen war allgegenwärtig.
Waren bestimmte Lesben-Gruppen sichtbarer als andere?
Das glaube ich schon. Das bereits beschriebene sehr typische Phänomen in der DDR, nämlich unliebsame Geschichte/n, Realitäten und Gedanken in einem Mantel des Schweigens zu ersticken, spielt hier auch eine Rolle. Diese Pathologisierung des Schweigens funktionierte natürlich in den Provinzen besser als in den wenigen Zentren der DDR. In Städten wie Berlin, Leipzig, Dresden und Jena waren die Möglichkeitsräume schon etwas größer. Hier trafen schneller oder vielmehr schon früher als in anderen Gegenden die beiden ‚Parallelwelten‘ systemkritischer politischer Gruppen und alternativ gesellschaftliche Lebensentwürfe im Schutze der Kirche aufeinander. Dabei bildeten diese Räume durchaus die gewünschte weiße deutsche Homogenität ab, die auch in der DDR identitätsstiftend für das Nationalkollektiv galt.
Besonders die Lesben, die sich unter dem Dach der evangelischen Kirche organisierten, sahen sich politischer Verfolgung durch die Stasi ausgesetzt. Bespitzelung, Verhaftungen und Denunzierung waren an der Tagesordnung. Waren Lesben potentielle Systemfeindinnen?
In dem angestrebten Lebenskonzept ganz sicher. Denn das schien das recht biedere und bürgerliche Gesellschaftskonzept der DDR zu bedrohen. Nicht umsonst wurde auch in der DDR die heteronormative Familie als „Keimzelle“ der Gesellschaft gestützt. Dennoch muss aber deutlich gemacht werden, dass lesbisch sein noch nicht gleichbedeutend mit Systemkritik einher ging. Die Bespitzelungen der Stasi bezogen sich auf das gesamte Spektrum der Gesellschaft. Es haben auch Lesben Lesben bespitzelt.
Neben politischer Opposition spielte auch der Kampf um politische, soziale und kulturelle Anerkennung eine Rolle. Konntest du dich als Schwarze Lesbe mit den Zielen der Bewegung identifizieren?
Wie gesagt, von einer richtigen Bewegung wusste ich in der DDR nicht wirklich etwas. Die Bewegung konnte sich meines Erachtens eher erst nach bzw. mit der Wende als solches wahrnehmen und ihre Energien bündeln. Aus der Perspektive der DDR-Provinz handelte es sich vielmehr um zerstreute Räume und individuelle Begebenheiten. Für mich und meine Generation waren hier vor allem die Sommercamps der evangelischen Kirche Orte der Begegnung. Diese Räume waren natürlich alle durchweg sehr weiß, was wiederum für mich schnell zu Grenzerfahrungen führte. Als Schwarze Frau und Lesbe habe ich vor allem einen Bezug auf die differenzierten Lebensrealitäten, die es in der DDR gab, vermisst. In diesen Räumen wurde der gesellschaftliche Mythos, nach dem es Rassismus in der DDR nicht geben konnte, nicht hinterfragt.
Es gab also keine Räume, in denen Rassismus und Schwarze Lebensrealitäten Thema waren?
Rassismus galt in der DDR ideologisch als überwunden und wurde mit moralischem Verweis auf den Westen als systemisch irrelevant angesehen. Die DDR zelebrierte in ideologischen Gefechten des Kalten Krieges ihre Sozialistische Internationale Solidarität. Gern und besonders mit den ‚jungen aufstrebenden Nationalstaaten in Afrika’. Da passten die Erfahrungen und Lebensrealitäten Schwarzer Menschen und Lesben nicht ins Konzept. Mit dem Schweigen über Rassismus im eigenen Land und der gesellschaftlichen Unsichtbarkeit von Menschen jenseits einer heterosexuellen weißen Norm waren diese Themen auch im DDR-Alltag wenig möglich. Weil es nicht gedacht werden konnte, war es für die meisten einfach nicht da.
Hattest du Kontakt zu anderen Schwarzen AktivistInnen in der DDR?
Es gab in Leipzig und Berlin Schwarze Gruppen, die bereits aktivistische Arbeit Ende der 1980er Jahre initiieren konnten. Das war selbst im Nachhinein für mich sehr empowernd zu erfahren, dass sie sich finden und kleine eigene Räume schaffen konnten. Ich persönlich habe den Kontakt zu anderen Schwarzen lesbischen Aktivistinnen, hier vor allem aus allen Ecken von Thüringen und Sachsen, erst nach der Wende, beim ersten gemeinsamen Bundestreffen von ADEFRA (Verein Schwarze Frauen in Deutschland) 1990 in München finden können.
Die afro-deutsche Dichterin und Aktivistin May Ayim beschrieb den Mauerfall und die Wendezeit einst als beängstigend. Aus ihrer Sicht schlug der deutsch-deutsche Einheitstaumel schnell in Nationalismus und Rassismus um. Teilst du Ayims Einschätzung? Wie hast du die Zeit erlebt?
Ja, ich teile diese Erfahrung und Einschätzung durchaus. Für mich hörte unsere sehr kraftvolle und vielversprechende Gesellschaftsintervention – von einer friedlichen Revolution haben ja dann vor allem die Westmedien gesprochen und damit vieles eigentlich sinnentleert – auf eine gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit unserer Regierung zu sein, als die Demonstrationssprüche „WIR sind das Volk“ von Parolen „Wir sind EIN Volk“ abgelöst wurden. Damit steuerte die noch existierende DDR geradezu atemberaubend in einen Strudel eines neuerstarkten selbstgerechten Einheitsnationalismus, der sehr klar machte, was er zuerst nicht benannte: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Ich habe recht schnell begriffen, dass Schwarze Menschen in diesem neuen Deutschlandskonzept genauso wenig mitgedacht waren. Das war im Übrigen weit vor der alles enttäuschenden Märzwahl 1990, die ja oft als Zäsur in der politischen Lesbenbewegung der DDR gilt.
Wieso enttäuschend?
Standen nach den Ereignissen im November 1989 die Zeichen für einen demokratischen Reformweg der DDR, bei dem auch die Gruppierungen der Lesbenbewegung im Rahmen der Runde-Tisch-Gespräche beteiligt waren, so verschob sich durch den im Wahlkampf anlaufenden Mediensturm aus dem Westen und den Wahlauftritten des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl alles auf eine schnellstmögliche Vereinigung und hin zur (West)CDU. Die entsprechende Enttäuschung am Wahlabend und in der Zeit danach, in der die DDR bis zur Währungsunion im Juni 1990 de facto verabschiedet wurde, verstehe ich sehr gut und teile diese als eigene politische Erfahrung. Allerdings war das Projekt einer einschließenden Veränderung unseres Landes hin zu einer rassismus- und homophobiefreien Gesellschaft schon weit vor diesen Wahl(kampf)ereignissen gescheitert.
Obwohl der politische Umbruch für die meisten Ost-Lesben mehr demokratische Teilhabe bedeutete, wollten viele an einem sozialistischen System unter anderen Rahmenbedingungen festhalten, wiederum andere bangten um den Verlust ihrer Errungenschaften. Welche politischen Konsequenzen hatte die Wiedervereinigung aus lesbischer Sicht?
Ja, so ambivalent ist das Leben. Allgemein gesellschaftlich waren wir in der DDR vor allem bzgl. der Frauenrechte und Gleichstellungshürden schon sehr viele Schritte weiter als die damalige Bundesrepublik im Jahre 1990. Doch das schlug sich nicht zwangsläufig in den eigenen Lebensentwürfen nieder. Gerade in einer ‚Alltagsdiktatur‘, in der Teilhabe und Selbstverwirklichung oft nicht möglich war. Auf der anderen Seite hat die Wende eben vor allem die Sichtbarkeit ermöglicht, um die in der DDR solange gestritten wurde.
Auch für dich als Schwarze Lesbe?
Für mich war es der Beginn eines Weges, pluralisierte Repräsentationen, die ich selbst verkörperte, mit und in anderen zu finden. Ich konnte im wahrsten Sinne des Wortes die Bewegungen finden, die mir in der DDR gefehlt haben. Mit den Schwarzen Frauen und Lesben von ADEFRA habe ich das, was ich fühlte und die Wörter, die ich zwar kannte, nun so füllen können, dass ich diese Teile meiner Identität zusammen leben konnte. Für die Schwarze lesbische Bewegung kann ich sagen, dass wir zueinander gekommen und mit dieser gebündelten Energie in eine politische sehr nachhaltige Zeit der 1990er aufgebrochen sind. Gemeinsam haben wir herausgefunden, dass wir uns in diesem gesellschaftlichen Rahmen quasi selbst erfinden mussten. Eine enorme kreative Arbeit, wie die Geschlechterforscherin und Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Maisha Eggers auf der Tagung in Halle so treffend auf den Punkt brachte.
Wie verliefen die ersten Zusammentreffen von Ost- und West-Lesben nach dem Mauerfall?
Wie gesagt, in der Schwarzen Community habe ich unser Zusammenkommen als eine gemeinsame Bereicherung erlebt. Natürlich hatten wir mit den gleichen Problemen von systemischem Unverständnis und Sprachlosigkeit zu kämpfen wie der Rest deutsch-deutscher Annäherung. Was mir jedoch in den überwiegend weißen Lesbenräumen der 1990er Jahre aufgefallen ist, war ein relatives Untergehen der Ostbezüge. Es war, als wenn die DDR und mit ihr die darin geführten Kämpfe nun eben als abgeschlossen galten. Auf den Lesbenfrühlingstreffen und den Berliner Lesbenwochen spielten solche Themen m.E. kaum eine Rolle. Vielmehr ist hier wohl dem allgemeinen Tenor, dass aus der DDR nichts Rettenswertes übrig blieb, gefolgt worden.
Das klingt nach Konfliktpotenzial…
Interessanterweise zeigten sich die größten Konflikte nach der Vereinigung vor allem in der Aussparung von Rassismus als themenrelevantes Diskussionsfeld. Schwarze Lesben aus Ost und West haben sehr für ihre Sichtbarkeit und die Versprachlichung von systemischem Rassismus, der zum Beispiel auch nicht vor den Räumen der Lesbenwoche halt machte, gekämpft. Ich glaube, einige haben sich erst in dieser Zeit zum ersten Mal als weiß und Teil dieser mehrheitlich weißen Gesellschaft begriffen. Insofern ist ein Thema aus DDR-Zeiten über die Vereinigung hinaus relevant geblieben. Lesbische Sichtbarkeit in einer weißen Gesellschaft kann ohne die Thematisierung von Rassismus nicht wirklich erreicht werden, denn: Sichtbarkeit kann nie nur die eigene sein.
Peggy Piesche ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und arbeitet an der Bayreuth Academy of Advanced African Studies. Sie ist Mitfrau bei ADEFRA e.V. (Facebook-Seite) und arbeitet vor allem zu Diaspora und Black European Studies. Sie ist u.a. Mit-Herausgeberin von „Mythen, Masken und Subjekte – Kritische Weißseinsforschung in Deutschland”. Im Jahr 2012 erschien unter ihrer Herausgabe die Anthologie „Euer Schweigen schützt euch nicht. Audre Lorde und die Schwarze Frauenbewegung in Deutschland„.
Peggy Piesche: „Schwarz und deutsch? Eine ostdeutsche Jugend vor 1989 – Retrospektive auf ein ,nichtexistentes‘ Thema in der DDR“
Nadine Lantzsch: „Ausschluss oder Ausgangspunkt? Bündnisse und Fragen an die Lesbenbewegungen in der DDR“
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Peggy Piesche – Die Bequemlichkeit der Ignoranz
Schreiben ist nicht immer schnell, flexibel und anpassungsfähig. Eher nähert es sich uns langsam, ist mühsam und langsam. Schreiben und sinnmachendes Verworten ist aber auch ein Geschenk. Es kann wie das Erleuchten eines dunklen Zimmers sein, oder wie das Ausgraben alter Schätze, vergangener Leben, das Entstauben lang lagernder Puzzlesteine von kollektiven Erfahrungen. Schreiben und das sinnmachende Verworten gibt (vorhandenem) Wissen eine Form und macht es öffentlich. Das Geschenk liegt auch in dessen Aufnahme, des Gelesenwerdens, des Weiter/Mitgenommenwerdens. Damit kommt dem Schreiben auch eine große Verantwortung zu und lässt es wieder zurückfallen auf seine Ursprungsmühen.
Schreiben ist konkret und muss bei aller kreativer und vielleicht auch verkopfter Ausschweifung zitierbar für etwas stehen. Dies trifft vor allem für aktivistische Interventionen in eben diese Wissensräume zu, die durch das endlose Schreiben unseres Kanons immer wieder notwendig sind. In einem Balanceakt von Interviewfragen und -antworten, die sich doch zu einem Gesamtleseerlebnis fügen sollen, dann auch noch numerischen Vorgaben der Zeitschrift wie Zeichenmenge und Antwortlänge genügen müssen, sind redaktionelle Bearbeitungen sicher nicht einfach. Sie müssen den Gesamtton der Zeitschrift im Auge behalten, haben den Überblick über die inhaltliche Gestaltung der restlichen Seite und und und… Da können schnell Momente der Egokränkung bei Autor_innen entstehen.
Inhaltliche Eingriffe, die vom Standpunkt der eigenen thematischen Uneingebettetheit ausgehen und diesen noch als normativen Rahmen verteidigen, gehen aber darüber hinaus. Das vorliegende Interview war ursprünglich für den Freitag vorgesehen. Doch konnten wir es schließlich nach weitgreifenden und inhaltlich z.T. kaum noch nachvollziehrbaren redaktionellen Eingriffen dann jedoch nicht freigeben. Nach mehrmaligen Telefonkonferenzen und zwei verschiedenen redaktionellen Fassungen kamen wir nicht zusammen. Auch die Redaktion (Juliane Löffler, Community-Managerin/ Onlineredakteurin) sah keine Möglichkeit des Abdrucks, wenn nicht „gewisse journalistische Standards“ eingehalten würden.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Allerdings dagegen schon, ein politisch wichtiges Thema so runterzukochen und reißerisch aufzumachen, dass es für die zwei beteiligten Perspektiven nicht nur nicht mehr wiederzuerkennen, sondern auch schlichtweg entperspektiviert und entpolitisiert wird. In meinen Gesprächen mit Frau Löffler wurde das Problem schon schnell ersichtlich. Die „Leserschaft“ schien aus einer homogenen Masse einer heteronormativen weißen, westlichen Erfahrungswelt zu bestehen. Alle Referenzen auf eine Erfahrungswelt in der DDR, wie z.B. die gesellschaftliche Bedeutung von „unter dem Dach der evangelischen Kirche“ bzw. eine geanderte, marginalisierte und rassifizierte Perspektive wurden mainstreamfähig aufgepappt.
Heraus kamen vermeintliche Ich-Sätze wie „Ich fühlte mich wie viele andere auch isoliert“ bzw. „die Gemeinderäume“ oder gar „Homosexuelle“. Das mag vielleicht für eben jene homogene Masse, die die „Community-Managerin“ im Sinne hat, interessewirkend in ein Interview ziehen. Es entspricht jedoch weder der eigentlichen Aussagen noch einer möglichen Subjektsetzung und Selbst-Empowering. Dies scheint nicht leicht zu verstehen zu sein.
Wir schreiben, sprechen und performen nicht für ein einfaches und möglichst unangestrengtes Interesse des weißen Mainstreams. Wir tun dies zuerst und vor allem aus o.g. Gründen der Verantwortung unserer kollektiven Erfahrung. Es liegt etwas sehr Empowerndes darin, marginalisierte und rassifizierte Erfahrungen so zu vermitteln, dass sie sich jenseits des ‚Opferstatus‘ zeigen. Schließlich müssen und wollen wir in der Lage sein uns unsere Geschichte so zu vermitteln, dass wir daraus Kraft, Wissen um Geschichte und Geschichtlichkeit, Anregungen und damit Energie gewinnen können.
Ein Interview, das mit ‚Isolation‘ beginnt, wenig Perspektivisches zur eigentlichen gesellschaftlichen Situation vermittelt, vermeintlich selbst pathologisierende Wörter wie ‚Homosexuelle‘ weiterträgt, entlässt eine „Leserschaft“, die aus Schwarzen und weißen lesbischen und heterosexuellen Leser_innen mit direkten oder auch indirekten Bezügen zur DDR-Geschichte ebenso besteht, wie der offenkundig klassische Freitag-Leser, eben nicht in dieser Form.
Unsere Printmedien werden da zum ultimativen Hüter einer normativen Wissensunwilligkeit, wo sie ihre eigene Themenfremdheit damit schützen, indem sie alles ‚Wissensfremde‘ einfach schnell rauskürzen. Wo Schwarze Wissensbezüge, auch im Zitat (siehe Prof. Maisha Eggers), aufgrund der eigenen individuellen Ignoranz herausgestrichen werden und dies mit einem Allgemeinverständnis begründet werden soll (‚der Leser kennt das nicht…‘), wird eben jene Ignoranz systemisch weiter fortgeschrieben. Das beschriebene Erlebnis mit dem Freitag zeigt, wie wichtig es ist, diesen normativen Wissenskanon immer wieder zu verstören.
Dieses wichtige Thema ist mir bisher entgangen.Aber der Text hat mir die Augen geöffnet!
Danke dafür…… ich werde ihn noch mehrmals Lesen.
Vielen Dank für dieses tolle Interview! Ich habe einige für mich neue Aspekte gelernt.
Schade, dass der Freitag so ein wichtiges Interview nicht veröffentlicht.
Ich bin ganz bei Magda: Danke für dieses spannende Interview, für das Teilen dieser Perspektiven, Erfahrungen und Analysen. Schade (und eben leider auch bezeichnend), dass es nicht im Freitag erschienen ist.
Wie kommt denn mensch dazu, zu behaupten, dass Lesben in der DDR „gleichgestellt“ waren? (Gleichgestellt mit wem übrigens?) Ich kenne keinen Zusammenhang, für den das stimmt. Weder juristisch, gesellschaftlich noch in anderen Zusammenhängen. Und ich habe zu dem Thema geforscht. Leider merke ich immer wieder, dass in feministischen Kreisen die DDR allzu sehr gelobt wird. Die Emma ist ein trauriges Beispiel dafür.
Vielen Dank für dieses wichtige Interview!
Interessantes Interview. Vielen Dank. Als jemand, der aufgrund der eigenen DDR-Erfahrung auch dazu neigt zu sagen, dass aus feministischer Sicht längst nicht alles gut, aber vielleicht einiges besser war, fände ich eine Antwort auf Bendtes Eingangsfragen, „Wie kommt denn mensch dazu, zu behaupten, dass Lesben in der DDR “gleichgestellt” waren? (Gleichgestellt mit wem übrigens?)“, ziemlich interessant. Gerade im Hinblick auf die zwei unterschiedlichen Perspektiven „ich habe zu dem Thema geforscht“ und „ich habe es persönlich erlebt“, die vermutlich beide nicht vollständig sind/sein können.
@Bendte & Christian
Wenn ich von Gleichstellung spreche, meine ich formal-rechtliche, nicht, wie es im Alltag (politisch organisierter) Lesben tatsächlich aussah (darum dreht sich u.a. ja auch das Interview). Allerdings hatte der Staat kein Interesse an identitär organisierten Interessengruppen, weshalb jedwede Organisierung unter dem Label „lesbisch“ als potenziell systemgefährdend angesehen und verboten wurde (oder entsprechend Versuche unternommen). Faktische Straffreiheit für „homosexuelle Handlungen“ unter Erwachsenen in der DDR herrschte bereits ab Ende der 1950er Jahre. Steuerrechtliche Diskriminierungen zwischen Heten und Lesben & Schwulen, wie sie noch heute existieren, bestanden auch in der DDR. Die im Vergleich zur BRD relativ weit fortgeschrittene Gleichstellung von (hetero)Frauen mit (hetero)Männern in der DDR nützte auch Lesben.
Das heißt keineswegs, dass eigentlich alles in Ordnung war und die Diskriminierung und Verfolgung „lediglich“ politisch organisierte Lesben traf. Heute haben Lesben wesentlich mehr politischen Spielraum, ohne sofort kriminalisiert und politisch verfolgt zu werden. Dennoch findet Diskriminierung weiterhin auf allen Ebenen statt: rechtlich und juristisch, institutionell, Arbeitsmarkt & Berufsleben, Lebens- und Familienplanung, Gesundheitssystem etc pp. Und das trotz Artikel 3 GG, also trotz verfassungsrechtlicher (vermeintlicher) Gleichstellung. Die Eingangsfrage bezieht sich also auf eine vermeintliche, weniger auf eine tatsächliche Gleichstellung.
Die Eingangsfrage ist deshalb so gewählt, weil viele glauben, dass mit einer formalen Gleichstellung (per Gesetz) Diskriminierung nicht mehr stattfinden würde (v.a. nicht durch Institutionen) und innerhalb der Gesellschaft Homophobie und Heterosexismus deshalb verschwinden.
Mehr zum Thema gibt es hier und hier und dort zu lesen.