Unerhörtes und Bedenkenswertes aus einer Woche

Dieser Text ist Teil 17 von 395 der Serie Kurz notiert

In dieser Woche sind einige seltsame Meldungen und Nachrichten durch das Internet gegangen:

Bild: über feministing.com

Aufhorchen lassen hat mich die Nachricht aus Radio, Fernsehen und Zeitung, dass Caster Semenya, Siegerin im 800-Meter-Lauf,  eine Geschlechtsuntersuchung machen lassen muss, wie auch sueddeutsche.de berichtet. Der Grund sei ihre körperliche Erscheinung. Courtney E. Martin von Feministing kommentiert das Ganze treffend:

„The ambiguity of sex may not even be at play with Caster Semenya, but the public’s reaction to her performance and body are flash points for our continued discomfort with admitting that the world does not come in such simple dichotomies as we safely like to think it does.“

Auch die Netzzeitung schreibt, dass die Bestimmung des Geschlechts häufig schwierig sei und zitiert die Humangenetikerin Prof. Heidemarie Neitzel, es müsse „wie bei jedem Menschen das Selbstbestimmungsrecht gewahrt werden“.

Mit dem Titel „Lidstrich und Leberprellung“ findet sich auf Spiegel Online ein Artikel über Gewalt unter Mädchen. Betrachtet wird der Fall eines Mädchens mit dem Namen „Nadine“, das regelmäßig andere Mädchen verprügelt. Eine neue Weiblichkeitsvorstellung beherrsche zunehmend Medien und Köpfe: Verkörpert werde es durch „Black Mamba“ im Film „Kill Bill“. Sicher ein spannendes Thema, dem dennoch ein bisschen weniger Effekthascherei gut zu Gesichte stehen würde.

Dass Evangelikale Fundamentalisten und andere streng gläubige Menschen gerne Homosexuelle „heilen“ und „umerziehen“ möchten, sollte keine große Neuigkeit sein. Gefährlich für die Freiheit und Würde vieler Menschen ist es allemal. Doch noch gefährlicher wird es, wenn sich sogenannte WissenschaftlerInnen für so ein Anliegen hergeben und das ganze „streng wissenschaftlich“ unterstützen wollen, wie die Zeit berichtet.

Da passt ganz gut der Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, dass deutsche Stiftungen „lieber indische Kinder als Schwule“ förderten und ‚Tabuthemen‚ meiden, aus Angst ihnen würde die gesellschaftliche Unterstützung versagt.

Ich mach mich schön, er und sie machen sich schön – alle wollen schön sein und versprechen sich davon so einiges. Aber was? Und warum der ganze Zirkus? Einige Fragen könnte das Interview mit der Soziologin Nina Degele in der taz beantworten. Bleibt nur eine Frage übrig: Wie kriegen wir die blöden Role Models unserer Zeit dazu, sie endlich aktiv am Kampf gegen die überzogenen Schönheitsnormen zu beteiligen???

Zwei weitere interessante Meldungen aus der taz: Die Vorsitzende der Grünen in NRW hat Alice Schwarzer scharfzüngig angegriffen. Zündstoff, vor allem, da es ein bisschen nach Wahltaktik riecht, aber lest doch selbst. Die zweite Meldung betrifft das Gleichbehandlungsgesetz, das nun drei Jahre wirkt – oder wirken sollte.

Striptease! – Das ist das Thema eines Artikels im Freitag und – wir ahnen es: Wenn dieses Thema auch noch mit einer Geschlechterperspektive daherkommt, dann wird es ordentlich Zündstoff bieten. Die Kommentare gehen wieder stark auf die Hundert und mehr zu, denn Autorin Tanya Gold vom Guardian schreibt unverwunden: Wenn Frauen sich Striptease von Männern angucken, wollen sie ein bisschen Spaß. Männern hingegen geht es um Macht und Unterwerfung.

20 Kommentare zu „Unerhörtes und Bedenkenswertes aus einer Woche

  1. Arrgh! Kann man diesem Artikel von Frau Gold denn nirgendwo entgehen? Katrin, diesen Generstereotype bekräftigenden Schmarrn kannst du doch nicht im Ernst gut finden, nur weil Gold „unverwunden“ Klischees über männliche/weibliche Sexualität aufrecht erhält?

    Im übrigen ist das, was du „Geschlechterperspektive“ nennst, reinste Frauenperspektive: *Frau* Gold befragt beim Auftriit der Chippendales *weibliche* Besucher, in der Stripbar die *weiblichen* Stripper, und schließt darauf auf die *männlichen* Gründe.

    Ich dachte, wenigstens *du* wärst gegen dieses „Männer sind so, Frauen sind so“-Denken …

  2. Aus dem Artikel über Striptease über den Charakter von Striplokalen:

    Hier können die Männer erleben, dass wundervolle Frauen um ihre Gunst wetteifern, die dies im wahren Leben niemals tun würden.

    Richtig. So ist es. Bei Frauen ist das anders. Für Frauen ist es alltag, dass wundervolle Männer um ihre Gunst wetteifern. Männer erleben das im wahren Leben praktisch nie.

    Und was Matze sagt, trifft ein typisches Problem des Feminismus auf den Punkt: Frauen glauben zu wissen, was Männer wollen, was Männer antreibt und wie Männer denken.

  3. Übrigens, hier ist der Originalartikel mit 702 (teils gelöschten) Kommentaren. Man beachte die Kommentare, die teilweise über 500 Empfehlungen bekommen haben und sehr genau die Probleme des Artikels ansprechen.

    @Johannes: Ich habe mal irgendwo von einer Feministin gelesen, dass Frauen Männer besser kennen als Männer selbst, würde diese Einstellung aber jetzt nicht *dem* Feminismus grundsätzlich unterstellen. Tanya „am liebsten würde ich Teilnehmerinnen an Schönheitswettbewerben den Kopf abreißen und sie dann als Tampons benutzen“ Gold als „typische“ Feministin anzusehen ist doch etwas sehr beleidigend für den Feminismus.

  4. Matze, soweit ich das sehe, bezieht sich Katrin nur auf das, was Frau Gold gesagt hat und bezieht dazu keine Stellung. Es ist also nicht mit ihrer Meinung gleichzusetzen!

  5. @ Katrin: Hab grad festgestellt, dass „unverwunden“ eigentlich (wahrscheinlich) „unumwunden“ heißen müsste, aber das nur nebenbei.

    @ Magda: Sofern man zu einem vorgestellten/verlinkten Artikel nicht kritisches schreibt, sehe ich das (in einem seriösen Blog) grundsätzlich als Empfehlung des Artikels an. Mich würde interessieren, warum Katrin fand, dass der Artikel besonders erwähnenswert ist (mein innerer Zyniker flüstert mir grad zu, dass die Tatsache, dass dieser artikel Kommentare quasi von alleine erzeugt, ein Grund sein könnte), im Gegensatz beispielsweise zu diesem Artikel.

  6. Zum Spiegelartikel: Das (mal wieder) die Medien schuld sind halte ich hier für ziemlichen Quatsch. Das Mädel aus dem Artikel wird als die typisch ausgestylte Hip-Hop Tussi beschrieben. Diese Art von Mädchen sieht sich selbst gerne als „Lady“ und legt äußersten Wert auf Sexyness, weil sie sonst ncihts hat worauf sie stolz sein kann. Das steht ja auch im Artikel, dass sie ein sehr geringes Selbstwertgefühl hat und deswegen bei der kleinsten Beleidigung (oder eingebildeten beleidigung) anfängt zu schlägern. Ehrlich gesagt glaube ich, dass wenn sie nicht schlägern würde sie ander mobben und psychisch fertig machen würde um sich irgendwie toll zu finden. Mit Actionheldinnen als vorbild hat das imho wenig zu tun.

  7. „denn Autorin Tanya Gold vom Guardian schreibt unverwunden: Wenn Frauen sich Striptease von Männern angucken, wollen sie ein bisschen Spaß. Männern hingegen geht es um Macht und Unterwerfung.“

    Ich dachte beim erste Lesen echt, das sei eine Aussage um diese Ansicht zu kritisieren, da der Satz den Sexismus in dieser Ansicht so klar veranschaulicht.

  8. @ Sinamore: Man *kann* das aber auch (zusammen mit dem, was vorher stand) interpretieren als: „Tanya Gold sagt ohne Skrupel wie es beim Striptease aus Geschlechterperspektive ausschaut, und wird dafür, wie zu erwarten, heftig angegriffen.“

    Katrin, bitte Klarheit schaffen!

  9. Ich habe den Artikel mal gelesen, der schafft auch Klarheit wie Frau Golds Aussage gemeint war (ich dachte zunächst sie selbst kritisiere diese Ansicht). Was sie im Artikel schreibt ist nicht grundsätzlich verkehrt- aber die Schlussfolgerung finde ich doch etwas verfehlt. Das Männer im Gegensatz zu den Frauen im Artikel mit den Stripperinnen tatsächlich Sex haben wollen, sagt ja nichts darüber aus das es ihnen hauptsächlich um Unterwerfung gehen würde- sie verbinden Spass vielleicht nur selbstverständlicher mit Sex als die Frauen?

  10. „Dass Männer im Gegensatz zu den Frauen im Artikel mit den Stripperinnen tatsächlich Sex haben wollen …“

    Das ist doch genau die Pauschalisierung, die so nicht hinhaut. Im guardian gab es viele Kommentare von Leuten, die erzählen, dass es of (fast immer)t einige (ziemlich viele) Frauen gibt, die mit den männlichen Strippern Sex haben wollen (und auch haben), oder zumindest an den Strippern sexuelle Handlungen vornehmen wollen (und dann auch machen).

    Umgekehrt würde ich davon ausgehen, dass Männer, die Sex gegen Bezahlung wollen, eher in ein Bordell als in einen Stripclub gehen würden (falls alleine meine naive Weltsicht dafür verantwortlich ist, einen Unterschied anzunehmen, bitte ich um Richtigstellung).

    Die Aussage haut somit in beide Richtungen nicht hin.

    PS: Eine Aussage wie „Wenn Frauen sich Stripper ansehen hat das nichts mit Sex zu tun“ klingt ähnlich bescheuert wie die Behauptung, an einer Zigarette gezogen aber nicht inhaliert zu haben.

  11. @ Matze: Das Wetter scheint vielleicht unsere Köpfe zu erhitzen, aber vielleicht könnten wir hier beim Kommentieren doch wieder einen Gang runterschalten. Jemandem etwas zu unterstellen, ist schon mal überhaupt nicht die feine englische Art. Wenn man von jemandem ein Statement dazu haben möchte, ist eine Nachfrage natürlich angebracht und wird auch beantwortet. Dann aber weiterhin Behauptungen aufzustellen und sich über diese zu empören und anschließend noch so etwas wie Befehle erteilen („Katrin, bitte Klarheit schaffen!“) finde ich überhaupt nicht mehr okay. Kurze Erinnerung: Dieses Blog betreiben wir als HOBBY. Wir haben alle normale Berufe oder ein Studium am Laufen. Deswegen muss es doch möglich und auch von dir zu akzeptieren sein, dass Katrin vielleicht erst heute Abend oder auch morgen dazu etwas schreibt.

    Danke für die Aufmerksamkeit und jetzt kalte Minzlimo für alle!

  12. @Matze: Deshalb habe ich auch geschrieben „im Artikel“, sorry falls es nicht klar genug ausgedrückt war. Ich bin hier völlig deiner Meinung. Es ist nur ein einziges Feldbeispiel das nicht pauschalisiert werden kann, aber sogar innerhalb dieses einen Beispiels wird pauschalisiert- die Stripperinnen beschrieben ja verschiedene Gründe weshalb Männer in diesen EINEN Club kommen, und von diesen Gründen wurde wieder der am negativsten anmutende als „der“ Grund gewählt.

  13. Lieber Matze,

    nur kurz, denn ich habe in der Tat keine Zeit und bin Susanne sehr dankbar für ihr Statement zu deiner Art und Tonfall, das spart mir viel Mühe: Ich dachte ehrlich, dass jeder klar denkender und aufmerksam dieses Blog lesender Mensch weiß, was ich meine, wenn ich nur diesen Satz schreibe. Also Sinamore wusste es. Soll ich noch ein augenbrauenhochziehendes „AHA“ dahinter schreiben? Meine Güte.

  14. Minzlimo, bäh! (Und ja, die habe ich mal ausprobiert.)

    Ich bin *ernsthaft* daran interessiert, was Katrin über den Artikel denkt, vor allem, *weil* ich mir kaum vorstellen kann, dass sie diese (IMO) Bekräftigung von Geschlechterstereotypen in Ordnung findet.

    Ob und wann sie antwortet, ist natürlich ihre Sache, aber um ein Statement bitten sollte doch noch erlaubt sein, oder?

    Ich habe übrigens kühlen Eistee, selbstgekocht mit Eisteemischung von nem lokalen Teehaus, den gebe ich jetzt auch mal virtuell an alle aus.

  15. Katrin: Tut mir leid, falls ich den falschen Ton getroffen habe. Ein „Aha“ hätte mir viel weiter geholfen.

  16. Matze, um ein Statement bitten und eines einfordern, sind zwei Paar Schuhe. Und nachdem man um ein Statement gebeten hat, muss man auch mal ein wenig Geduld haben, bis für dieses Zeit gefunden wurde. Und diese Wartezeit kann man dann besser mit Minzlimo trinken und Eis essen überbrücken als dass man sich noch weiter in voreiligen Schlüssen und viel Aufregung verstrickt.

  17. Hmm, also den Freitagsartikel finde ich .. nun ja… weniger gelungen.
    Geschlechterklischees en masse:
    Ich weiß gar nicht über was ich mich am meisten Aufregen soll.
    Solche Sätze wie
    „Wir haben nur eine große Klappe, in unseren Schlüpfern tut sich nichts. “
    oder
    „Wir applaudieren uns selbst, weil wir lüstern und bestialisch sein und das überdies auch noch herausschreien können.“
    finde ich auch so richtig ätzend.
    Das ist dieses typische „Jaja, ich bin ganz ein wildes Mädchen, aber *kicher, kciher, augenklimper* in Wahrheit bin ich doch eine ganz liebe, keusche.“ :(

  18. Katrin,

    ich glaube, ein „unverwunden“ reicht nicht, um Mißbilligung für Männer verständlich auszudrücken, dafür wurde und wird männliche Sexualität von Feministinnen (und dem – in diesem Zusammenhang definitiv feministisch geprägten allgemeinen Diskurs!) immer wieder zu sehr negativ oder gleich gewalttätig dargestellt. Das Mißtrauen, wenn auch vermutlich ungerecht in Bezug auf Dich persönlich, ist eine natürliche Konsequenz der feministischen Behandlung des Themas. Wie es Naomi Wolf schon Anfang der 90er schrieb: Es gibt im Feminismus einfach kein Vokabular um männliche Heterosexualität positiv zu beschreiben, sie ist im Bestfall neutral (durch Nichterwähnung).

  19. @ jj: Aber gerade, wenn du ja selber schreibst „wenn auch vermutlich ungerecht in Bezug auf Dich persönlich“, solltest du nicht von DEN Feministinnen sprechen. Auch Naomi Wolf ist Feministin und hat ja eine differenzierte Meinung. Mir persönlich lieber und besser für jede Art von Diskussion ist es dann doch, „einige“, „ein Teil der“ oder „viele“ Feministinnen zu schreiben.

  20. Susanne,

    sorry, aber das hatten wir schon: Wer sich als Feminist/in bezeichnet, kauft die Vergangenheit mit ein, und zur sofortigen, eindeutigen Abgrenzung ist dann eben ein wenig mehr Explizität als „unverwunden“ nötig – sonst kann es eben leicht zu Mißverständnissen kommen. Ich kann die „gut reaction“ gut verstehen – gebrannte Kinder und so. Mit dem Erbe muß Naomi Wolf leben und ihr auch, ist ja offensichtlich auch nicht so, daß es heute keine Feministinnen mehr gibt, die sowas denken oder schreiben würden. Der Artikel ist schließlich von Montag dieser Woche, der Freitag-Artikel die Übersetzung.

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