Südafrika hat eine vergleichsweise progressive Verfassung und war das erste Land Afrikas, welches die Homoehe 2006 erlaubte. Dass Gesetze nicht gleichzusetzen sind mit gesellschaftlicher Akzeptanz von öffentlich gelebter Liebe jenseits der heteronormativen Matrix, zeigt die anhaltende Gewalt gegen Lesben (und Schwule und Bisexuelle), die ihre Sexualität offen leben. Im US-amerikanische Time Magazin wurde am Internationalen Frauen(kampf)tag über die so genannten „korrigierenden“ Vergewaltigungen (corrective rape) berichtet, bei denen Frauen, die lesbisch sind oder dafür gehalten werden, von Männern vergewaltigt werden, um sie – der kruden Logik der Vergewaltiger nach – zur Heterosexualität “umzuerziehen” und so von ihrem „Lesbischsein“ zu „heilen“.
Offiziellen Zahlen nach sind seit 1998 Dutzende von lesbischen Frauen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vergewaltigt und ermordet worden. Die Dunkelziffer wird um ein Vielfaches höher geschätzt, auch auf Grund der Tatsache, dass homophob motivierte Verbrechen im südafrikanischen Strafjustizsystem nicht anerkannt sind. Selten wird Anklage erhoben, noch seltener kommt es zu Verurteilungen von Straftäter_innen. Die Polizei ignoriert gar Hilferufe, wie in einem verstörenden Video von nt-v beschrieben wird (Trigger-Warnung!).
Eine Gruppe feministischer/lesbischer Aktivist_innen um Ndumie Funda, die Gründerin der Organisation Luleki Sizwe, startete Ende 2010 eine Online-Petition, die bisher 170.000 Unterschriften aus 163 Ländern zählt. Diese wurde, wie queernews.at berichtet, letzte Woche dem südafrikanischen Parlament übergeben.
Gemeinsam mit über 100 weiteren NGO-Vertreter_innen aus Cape Town und den umgebenden Townships zog sie am 14. März zum Parlament Südafrikas, um vor dem Parlamentsgebäude eine Kundgebung und anschließend ein lange erwartetes Treffen mit Vertreter_innen des Justizministeriums abzuhalten.
Luleki Sizwe fordert nun, dass „korrigierende“ Vergewaltigungen offiziell als Hate Crime („Hassverbrechen“) klassifiziert und somit strafbar werden. Die Aktivist_innen setzen sich generell dafür ein, dass Gewalt gegen LGBTI stärker in den Fokus gerückt wird. Das Parlament Südafrikas sprach sich nun dafür aus in Zusammenarbeit mit Ministerien und NGOs an einem nationalen Aktionsplan gegen „korrigierende“ Vergewaltigungen zu arbeiten. Bis Mai 2011 hat Luleki Sizwe nun Zeit, Daten zum Thema zu sammeln. Danach wissen wir mehr.
Im obigen Text steht:
„Luleki Sizwe fordert nun, dass “korrigierende” Vergewaltigungen offiziell als Hate Crime (“Hassverbrechen”) klassifiziert und somit strafbar werden.“
Soll das bedeuten, dass ohne eine Einstufung als hate crime eine „normale“ Vergewaltigung in Südafrika nicht strafbar ist?
@ black
Vergewaltigung ist in Südafrika strafbar, auch wenn es Vergewaltigungsopfern – falls es überhaupt zur Anklage kommt – oft sehr schwer gemacht wird. Die Zahl der Verurteilungen im Falle einer Vergewaltigung sind gering; die Verurteilungen im Falle einer ‚korrigierenden‘ Vergewaltigung noch geringer.
Zu der spezifischen Problematik von ‚korrigierenden‘ Vergewaltigungen steht in der oben verlinkten Petition geschrieben:
Das würde heißen: Falls die Aktivist_innen erfolgreich sind, würde ein Gesetz verabschiedet werden, welches homophob motivierte Verbrechen im südafrikanischen Strafjustizsystem als solche anerkennt. Es geht den Aktivist_innen aber nicht nur um das Gesetz (welches eventuell so gar nicht zustande kommt), sondern auch um eine gesamtgesellschaftliche Debatte über Homophobie, Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI in Südafrika.
Soll es dann rechtlich zwei verschiedene Straftatbestände geben, also
1. Vergewaltigung
2. homophobe Vergewaltigung?
Mit dem Ziel eine Debatte auszulösen kann ich das ja verstehen, aber rein rechtlich scheint mir das nicht sinnvoll.
@ black
So habe ich es verstanden: Es gäbe dann gesonderte als Hassdelikte qualifizierte Straftaten.
Ob das „sinnvoll“ ist, können wir für Südafrika wohl nicht entscheiden. Das würde ich nur im jeweiligen Kontext und mit den Aktivist_innen und Politiker_innen diskutieren.
@black:
Mehr oder weniger. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es bei den meisten Straftaten ein „von – bis“-Strafmaß. D.h. die Richter_innen haben eine gewisse Angebotspalette (so nenn ich das jetzt mal), aus der sie wählen dürfen. Da wirkt es dann z.B. strafmildernd, wenn eine_r Ersttäter_in ist. Umgekehrt zählen gewisse Tatmotive natürlich als strafverschärfend, und darunter würde dann auch ein hate crime fallen.
@Keks
Daran habe ich auch gedacht. Aber das könnte zu dem zynischen Ergebnis führen, dass der Täter, der eine heterosexuelle Frau vergewaltigt hat milder zu bestrafen wäre, als der Täter, der eine lesbische Frau vergewaltigt.
Im deutschen Strafrecht gibt es zum Beispiel keinen extra Straftatbestand „Körperverletzung aus rassistischen Motiven“, trotzdem wird ein Richter bei der Strafzumessung rassistische Motive im Regelfall berücksichtigen.
@black: Er würde dann (eher) stärker bestraft, wenn diese Vergewaltigung (auch) geschieht aus Hass auf Homosexuelle. Wenn der Täter eine Frau vergewaltigt und z.B. erst im Nachhinein erfährt, dass sie lesbisch ist – und das vom Gericht so gewürdigt wird – sollte keine stärkere Strafzumessung wegen eines „hate crime“ erfolgen.
Die aktuelle Situation legt leider eher den Verdacht nahe, dieses „hate crime“ würde strafmindernd gewertet.
Die Kennzeichnung eines „Hate Crime“ hat bestimmt auch andere Effekte als nur das jeweilige Strafmaß. So sollte eine statistische Erfassung stattfinden, vielleicht auch um eine gesellschaftliche Debatte anzuregen oder Tendenzen sichtbar zu machen.
„Selten wird Anklage erhoben, noch seltener kommt es zu Verurteilungen von Straftäter_innen“
Na jetzt seid ihr aber unnötig päpstlicher als der Papst. Ich meine ich finde es einerseits gut, dass ihr weibliche Täter nicht ausblendet, die es dort auch gibt. Denn in Südafrika scheint vergewaltigung ein „Volkssport“ zu sein, wo jeder Täter sein und es jeden treffen kann.
Dennoch ist es übertrieben, selbst wenn 10 % der Täter Frauen sind (und das ist schon hoch geschätzt) von TäterInnen zu sprechen.
@John: Wir haben uns auf diesem Weblog schon öfters mit Täterinnen beschäftigt. Hier geht es um Vergewaltigungen, die Männer an vermeintlich lesbischen Frauen begehen, um sie zur Heterosexualität zu „bekehren“ – das schließt nicht aus, dass (lesbische) Frauen auch von anderen Frauen vergewaltigt werden, es ist aber einfach nicht das Thema.
@ Helga …ja eben. Deswegen von TäterInnen zu sprechen ist absurd.
Nicht das Frauen auch ihr dunklen Seiten haben, aber bei Vergewaltigungen sind sie doch eher die Ausnahme.
@John, also wenn bei einer Gruppe von Menschen der Frauenanteil <= 10 % ist, muss man diese dann nicht bennenen bzw. darf sie ausblenden? Das selbe bei einem Männeranteil von <= 10 % oder einem beliebigen Prozentsatz…
… aber wenn die motivation ein homophob ist und es um „corrective rape“ geht, dann wären weibliche täterinnen doch eher absurd wenn die opfer auch weiblich sind, oder?
@John, @Judith
In dem Beispiel oben, in dem ich speziell von ‚korrigierenden‘ Vergewaltigungen spreche, habe ich auf den Gender_Gap verzichtet und spreche von „Vergewaltigern“, weil es in der Tat keine Aufzeichnungen darüber gibt, dass Frauen daran beteiligt waren.
Wenn ich im Allgemeinen von homophob motivierten Straftaten und Straftäter_innen spreche, möchte ich aber nicht ausblenden, dass daran nicht nur Männer beteiligt sind. Deshalb der Gender_Gap.