Tagesschau: Komische Kronzeugin gegen die Quote


Trotz der aktuellen Ereignisse in Ägypten fand auch gestern das Thema Quote den Weg in die Hauptnachrichtensendungen, allen voran das Flaggschiff (oh, oder ist das jetzt ein schwieriger Begriff?) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: die ARD-tagesschau um 20 Uhr, Garant für ausgewogene und seriöse Berichterstattung.

„Umstritten“ sei die gesetzliche Frauenquote (wir berichteten) in der Koalition, hebt der Beitrag von Andrea Zückert an, um dann einer neutralen Kronzeugin für oder vielmehr gegen die Quote das Wort zu überlassen: Marie Christine Ostermann, Leiterin einer mittelständischen Firma und Bundesvorsitzende „Die Jungen Unternehmer“, ist gegen eine Frauenquote und darf auch gleich erklären, warum: Durch die Quote nämlich würde sie sich allein auf ihr Geschlecht reduziert fühlen und abgestempelt als Quotenfrau. Das wäre schlimm, denn schließlich sollen in der Wirtschaft Leistung und Qualifikation zählen. Und die hat Ostermann erbracht, um an ihre Position zu erlangen, wie der tagesschau-Beitrag uns in gebührender Neutralität und journalistisch sauber nahebringt: Sie ist jetzt die Chefin, kommt aber von ganz unten, „hat sich aus eigener Kraft an die Spitze gearbeitet“.
Oder, wie man es auch sagen könnte, sie ist Unternehmertochter, für die immer klar war, „dass ich einmal ins Unternehmen einsteigen werde.“ Sorry, liebe tagesschau, ererbter Reichtum und Familienbesitz in allen Ehren, aber nur weil man zwischendurch mal bei Aldi Kartons schleppt, hat man sich noch nicht aus eigener Kraft hochgearbeitet.

Aber weiter im Beitrag. Nicht nur Ostermann, auch die FDP ist ja gegen die gesetzliche Quote. Und ebenso Familienministerin Schröder, die nun ihre Kollegin von der Leyen vom Sinn und Nutzen der „flexiblen“ Quote überzeugt hat, also jener, die die Unternehmen selbst definieren dürfen. Alles andere wäre auch womöglich gefährlich, denn – das sind die letzten warnenden Worte des Beitrags: Die FDP befürchtet, dass eine gesetzliche Quote verfassungswidrig ist. Ach ja, die FDP oder die „Freunde der Freiheit“, wie Marie Christine Ostermann, die Kronzeugin gegen die Quote, sie nennt.

Danke für den Hinweis!

17 Kommentare zu „Tagesschau: Komische Kronzeugin gegen die Quote

  1. Das ist wirklich ein Problem, wenn man sich länger auf diesem Blog umhergetrieben hat.
    Dann stellt man plötzlich fest, dass solche Beiträge z.B. in der Tagesschau unerträglich hanebüchen sind.
    Ich habe zwei ähnliche Beiträge in zwei verschiedenen Nachrichtensendungen gesehen: Beide interviewten Anti-Quoten-Unternehmerinnen entsprachen dem Barbie-Ideal (langhaarig, blond, hübsches Gesicht, geschminkt, schlank). Ich frage mich wie lange die nach denen gesucht haben …

  2. Die FDP hat offenbar keine Ahnung. Quotierungen sind nicht verfassungswidrig. Sonst gäbe es ja das Bundesgleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst gar nicht. Mehr Infos zu EuGH-Entscheidungen und die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hier [PDF]

  3. Ich bin auch nicht uneingeschränkt FÜR eine Quote *duck*

    Ehrlich gesagt kann ich die Befürchtung, dass dann, da es ja je nach Branche durchaus unterschiedliche Anzahlen von Bewerbern und Bewerberinnen gibt, verzweifelt nach einer „Quotenfrau“ gefahndet wird, statt auf Qualifikationen zu achten, durchaus verstehen.

    Deswegen ist eine flexible Quote nach Branchenzugehörigkeit, die, falls der Frauenanteil mal wieder steigt (was ja in den MINT-Fächern eigentlich seit Jahren der Fall sein soll), ebenfalls angepasst wird, meiner Meinung nach besser als gleich auf Teufel komm raus eine Zahl festzulegen. Gut, wer sich bisher um Frauenförderung und Gleichstllungspolitik bemüht hat, wird sicher keine Probleme haben, die Zahl zu bringen, aber das sind nun mal nicht viele.

    Dann gab es ja auch noch das Argument, dass eventuell am Schluss einige wenige top ausgebildete Elite-Frauen (realistisch betrachtet haben Männer nun mal weniger Hindernisse und Auszeiten während der Karrierefindung zu bewältigen, weswegen ganz oben nur unglaublich wenige Frauen ankommen) mehrere Aufsichtsratsplätze auf sich vereinen. Find ich ebenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen, in dem Fall wäre die Quote reine Symptombekämpfung.

    Und ehe ihr mich falsch versteht: Ich finde eine Quote gut. Nur sollte man realistisch bleiben.

  4. Dass die FDP dagegen ist, dürfte klar sein. Ich glaube irgendwo gelesen zu haben, dass die Partei zum Rückzugsgebiet für die Kräfte geworden ist, die sich nie richtig mit Arbeitnehmerrechten abgefunden haben.

    Der freie und unreglementierte Kapitalismus ist das Ideal.

    Nach „mehr netto vom Brutto“ ergo Sondersteuer für Holteliers und anschließende großzügige Spenden des Lobbyverbandes an die Partei sind die Umfragewerte derzeit auch meines Wissens nach unter die 5% Hürde gerutscht.

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-01/fdp-spende-hotel-unternehmen

    Meine persönliche Meinung : Solch ein Klüngel und solche „Freiheiten“ müssen weg.

  5. Vor allem ist die FDP die Partei, die sich zumindest in Teilen ein Mindestmaß an Verständnis dafür bewahrt hat, dass die Politik dem Bürger dient, weswegen Gesetzesmaßnahmen zu begründen sind, statt sie in Gutsherrenart von oben zu verordnen. Und die Mehrheit in Deutschland will keine Quote.

    Obiges kann man von den Grünen oder der SPD mittlerweile leider nicht mehr behaupten – da wird paternalistisch administriert, dass es nur so die Freude der Bürokraten ist.

    Und wieso bei zwei Prozent Frauen unter Bewerbern auf Toppositionen diese zwei Prozent Frauen vierzig oder mehr Prozent der Posten bekommen sollen, kann man halt einfach nicht begründen.

    Die Begründungen, die man hier liest, a la „Die Hälfte des Himmels für „, „es gibt ja auch eine Männerquote“, „Frauen werden die Arbeitswelt zugunsten von Familienfreundlichkeit ummodeln“ sind einfach nur …. Wunschdenken, wenn nicht sogar bewußtes Verfälschen bzw. falsche Hoffnungen weckend.

    In der SPD und bei den Grünen hat übrigens die Quote mittlerweile tatsächlich dazu geführt, dass die wirklich dümmsten Frauen schnell Parteikarriere machen können, schlicht und ergreifend, weil es zu wenig kompetente Frauen gibt, die als geeignete Kandidatinnen zur Verfügung stehen und fähige Männer oft nicht kandidieren dürfen.

    Das sagte auch neulich eine Parteienforscherin – der Anteil der Frauen in Spitzenpositionen erreicht exakt die Quotenmarke, aber nie mehr. Ein Durchbruch sieht anders aus, schloss sie …

  6. „..die sich zumindest in Teilen ein Mindestmaß an Verständnis dafür bewahrt hat, dass die Politik dem Bürger dient, weswegen Gesetzesmaßnahmen..“

    Diese Angabe ist so leider nicht ganz vollständig. Sie dient m.E. den Lobbyisten. Was die Belange der Bürger für eine Rolle spielen, das haben „Sparpakete“ und Gesundheitsreformen ala Rösler ja eindrucksvoll demonstriert.

    http://www.direkte-demokratie.de/tabelle/weiter/neben.htm

    http://www.rp-online.de/politik/Ex-Minister-haben-mehrere-Aufsichtsratposten_aid_245895.html

    Ist doch eigentlich klar, dass niemand wirklich möchte, dass gesetzliche Vorgaben wie z.B. die Frauenquote hier die „wirtschaftlichen Freiheiten“ einschränken! Denn schließlich müssen ja Vorstände/Aufsichtsräte ausschließlich aufgrund ihrer Kompetenzen berufen werden….

    Wer wird sich denn da bei soviel einvernehmlicher Gemütlichkeit gegenseitig weh tun?

  7. Vielleicht fürchten aber auch einige der Frauen, die es geschafft haben, Führungspositionen zu besetzen, selber weibliche Konkurrenz. Von Freundinnen und durch eigene Erfahrungen weiß ich, dass es durchaus Chefinnen gibt, die gerne selber die Zügel in der Hand behalten und es ihren Untergebenen, ob männlich oder weiblich, auch nicht immer leicht machen. Auch wenn davon gesprochen wird, dass Frauen solidarisch sein und untereinander selber Netzwerke bilden sollen, so frage ich mich, ob das wirklich jede Frau will, die es in eine Führungsposition geschafft hat. Auch Frau Merkel ist letztendlich nur ein Machtmensch.

  8. Ein kleiner Hinweis: In diesem Beitrag geht es nicht vordringlich um Sinn oder Unsinn der Quote. Dazu haben wir diverse andere Texte, die oben und im Dossier rechts verlinkt sind, und dort kann prima darüber diskutiert werden. Hier geht es vor allem um eine sehr spezifische mediale Aufbereitung des Themas.

  9. Zum Thema mediale Aufbereitung…

    Zwei Dinge, die ich in der Diskussion *immer* vermisse.

    Auch wenn ich *theoretisch* die Vorteile einer höheren Beteiligung von Frauen sehe, halte ich die Quote für rechtlich unangemessen, aber vor allem für praktisch gesellschaftlich problematisch:

    a) es scheint immer angenommen zu werden, daß die Einführung einer Quote *keinen* Effekt auf die Partnerwahlentscheidungen hat, weil dieses Thema geradezu *nie* auch nur am Rande erwähnt wird, wenn über dieses Thema geredet wird. Dabei ist bei bestehenden Partnerwahlmustern (Frauen daten up, Männer daten down) dazu führen wird, daß es mehr Alleinstehende und damit tendenziell unzufriedene Menschen geben wird. Ich sehe nicht, daß die per Quotierung zum Status gebrachten Frauen ihr Paarungsverhalten ändern werden und sich für die durch ihren gesetzlichen beruflichen Erfolg zurückgesetzen Männer interessieren werden. Sie werden sich weiterhin nach oben orientieren, und weil es oben weniger Männer gibt, wird es noch interessanter für Männer da hoch zu kommen als bisher (und wer zu der Gruppe der Männer gehört, hat ja auch grundsätzlich Interesse an der Quote).
    b) Das dürfte zu einer Verstärkung des männlichen Konkurrenzkampfes um die verbliebenen Positionen und damit auch zu einer impliziten Bevorzugung genau des Revier- und Verdrängungsverhaltens führen, das auch als Argument für die Einführung einer Quote herhalten muß.

    Ich denke, nichts ist sicher in diesem Zusammenhang, aber es sollte allen Beteiligten bewußt sein, daß es sich bei einer solchen Maßnahme um ein Spiel mit dem Lebensglück ganzer Generationen handelt. Derartige Feldversuche haben etwas imannent Gewalttätiges – das scheint nur wenigen in der Debatte klar zu sein.

  10. also jj, da zieht’s mir ja echt gleich die schuhe aus. die quote sollte nicht eingeführt werden, damit einige betroffene personen keine schwierigkeiten bei der partnerfindung bekommen??? selbst wenn es so wäre, wie du oben beschreibst (was ich erstmal ganz stark bezweifeln würde), so kann doch jeder – ja, auch jede quotenfrau – selbst entscheiden, welches „risiko“ sie für die zukünftige partnerschaft eingehen will…

  11. HD,

    kann sie? Der Punkt an der Quotierung ist doch der Zwang. Wenn sich nicht genug Frauen finden, werden sie halt „gekeult“ und zu ihrem Glück gezwungen. Und andersherum auch. Aber die Kanzlerin hat ja abgewunken, das Thema ist vom Tisch.

  12. Weißt du, jj, wenn man deine Argumentation logisch zuende führt, wäre die Lösung ein komplettes Verbot der (beruflichen) Ausbildung für alle Frauen. Wenn keine Frau irgendeine Ausbildung hat, wäre jeder Mann „oben“ und wir hätten erfolgreich das Problem der einsamen Karrierefrauen und sitzengelassenen Arbeitermänner gelöst.
    Es gibt genug solcher Gesellschaften. Interessanterweise geht es in den meisten sowohl Männern als auch Frauen erheblich dreckiger als in Deutschland.

    Also hab vielleicht ein bisschen mehr Vertrauen in den menschlichen Trieb Bindungen einzugehen.

  13. Neeva,

    „Also hab vielleicht ein bisschen mehr Vertrauen in den menschlichen Trieb Bindungen einzugehen.“

    habe ich durchaus, nur gehen derartige Veränderunen organisch vor sich – das ins kalte Wasser geworden werfen ist das Problem. Auf jeden Fall will ich keine Quotenfrau hören, die sich dann à la Maureen Dowd darüber beschwert, daß es nicht genug CEOs für sie gibt während sie sich nicht für Männer mit weniger Status interessiert, weil sie sie zuhause nicht als Mann akzeptieren kann. Oder gibt es für Männer dann auch eine Quote…

  14. Vor allem ist die FDP die Partei, die sich zumindest in Teilen ein Mindestmaß an Verständnis dafür bewahrt hat, dass die Politik dem Bürger dient, weswegen Gesetzesmaßnahmen zu begründen sind, statt sie in Gutsherrenart von oben zu verordnen. Und die Mehrheit in Deutschland will keine Quote.

    Dann erwarte ich jetzt jeden Tag die selbstuaflösung der Fast Drei Prozent Partei (F.D.P.). Die Mehrheit in Deutschland (97%) will keine F.D.P.

Kommentare sind geschlossen.

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