Judith Butler lehnt den Zivilcourage-Preis des CSD ab – was für die Medien ein Eklat, ist für die Veranstalter_innen des Berliner CSD und dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) nicht mal eine Stellungnahme wert. Bis zu diesem Zeitpunkt findet sich auf beiden Homepages keine offizielle Entgegnung zu den Vorwürfen, die Butler an die deutsche schwullesbische Bewegung heranträgt. Das ist ärmlich. Lediglich CSD-Sprecherin Claudia Rische beklagt, dass sich Butler nicht vorher mit den Veranstalter_innen unterhalten hätte, Robert Kastl, Geschäftsführer CSD-Veranstalter-Komitees, will von Rassismus innerhalb der Community nichts wissen und Jan Feddersen, von 2005 bis 2009 Mitorganisator des CSD in Berlin, hängt sich lieber daran auf, dass Butler den Business-Class-Flug genoss, statt den Preis im Vorfeld abzulehnen und damit natürlich auch auf ihre Rede am Samstag hätte pfeifen können. Ich sehe hier keine konstruktive Auseinandersetzung mit Butlers Kritik, kein Aufgreifen ihrer Gedanken, nicht mal eine plumpe Rechtfertigung. Schlimmer noch: Subalterne Stimmen von LesMigras, GLADT, Suspect, ReachOut und dem Transgenialen CSD werden in der medialen Auseinandersetzung erneut unsichtbar gemacht, sogar negiert.
Doch noch einmal kurz zurück auf Anfang. Was hat die Butler denn nun eigentlich kritisiert? Neben der fast schon obligatorischen Kritik am CSD Berlin – eine zu kommerzielle, mainstreame und unpolitische Ausrichtung – hält Butler den Veranstalter_innen vor, rassistisch zu sein bzw. sich nicht von Rassismen innerhalb der schwul-lesbischen Community zu distanzieren, insbesondere anti-muslimische Ressentiments würden gepflegt, das Thema Mehrfach- oder auch intersektionelle Diskriminierung nicht berücksichtigt.
Fakt ist, dass die größeren schwul-lesbischen Veranstaltungen, parteipolitische Zielsetzungen und die im Diskurs wahrgenommenen Stimmen, die um das Thema Homosexualität kreisen, nach wie vor weiße, schwule Mittelschichtsmänner adressieren. Es geht um Halligalli, das frenetische Feiern einer Andersartigkeit, Adoptionsrechte, Gleichstellung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft und ein bisschen Grundgesetz-Schminke. Soweit so gut, aber schwullesbisch bedeutet weder ausschließlich gay noch eine ausgiebige Anbiederung an die Hetero-Norm mit einem kleinen Reserveparkplatz für das andere, bunte Treiben. Schwullesbische Themen und Probleme sind so vielfältig und die schwullesbische Community in sich so divers, dass man sich spätestens nach Butler einmal intensiv damit auseinandersetzen sollte, ob eine homogene, identitäre Gruppenpolitik überhaupt noch Sinn macht, um die Bedürfnisse aller sich irgendwie zugehörig Fühlenden zu befriedigen bzw. anzusprechen.
Egal, ob von Butler darauf hingewiesen werden muss, dass in der Theorie schon lange Intersektionalität neben Gleichheit, Differenz und Dekonstruktion einen Paradigmenplatz eingenommen hat: Menschen sind weder ausschließlich das eine noch das andere – Menschen sind Träger vieler Merkmale, ob selbst gewählt oder von außen zugeschrieben. Dieser Tatsache geschuldet engagieren sich schon lange u.a. oben genannte Vereine und viele Antidiskriminierungsverbände für die Problematik der Mehrfachdiskriminierung und setzen sich kritisch mit Unterdrückungsmechanismen innerhalb der schwullesbischen Community auseinander. Womit wir bei Butlers wohl gewichtigstem Vorwurf wären: Rassismus und Trans*phobie.
Sie benennt keine Beispiele, ich finde, das muss sie gar nicht – die Moderatoren, die nach ihr die Bühne betreten und in kolonialer Manier Hegemonialverhalten at its best präsentieren. Dabei sind beide Phänomene sind ein offenes Geheimnis. Ob Migrant_innen als hauptsächlich Homophobie und homophob motivierte Gewalt Ausübende stigmatisiert und damit als Homosexuelle unsichtbar gemacht werden, oder die merkwürdigen Versuche sich als Homos von Trans* zu distanzieren bzw. abzugrenzen: hier wird klar, Schwullesbisch will unter sich bleiben, Opferdiskurse bedienen und zum großen heternormativen Stelldichein dazugehören. Völlig logisch daher auch Butlers Beobachtung, dass Schwule und Lesben sich für Macht und Gewalt, ausgeübt von der Mehrheitsgesellschaft, instrumentalisieren lassen. Der Preis, der dafür gezahlt werden muss, ist hoch – eine Fortschreibung von Rassismus, Anti-Islamismus und Heteronormalisierung ist die Folge.
Hier werden Menschen ausgeschlossen und stigmatisiert, die keine Lobby haben, um endlich zu etwas dazu zu gehören, das schon lange nicht mehr von schwullesbischer Seite in Frage gestellt wird – der weißen, heteronormativen Mehrheitsgesellschaft. Ich wiederhole mich und ich kann es nicht oft genug sagen, wie absolut widerlich ich dieses Vorgehen finde. Es ist beinahe zynisch, dass hier nicht erkannt wird, dass eine vollständige Assimilation der schwullesbischen Community nie möglich sein wird. Homosexuelle werden immer das Konstrukt bleiben, das sie sind – eine Abnorm von Heterosexualität, die bunten verirrten Anderen, die Tucken und die Tunten, die männlichen Lesben, die Flanellhemd- und Stöckelschuh-Träger_innen, die obskure homogenisierte Masse, denen man auf einem CSD beim Schwanzlutschen zuschauen darf mit Kind und Kegel.
Dabei wäre doch der CSD oder die deutsche schwullesbische Stimme die ideale Plattform, weil mit viel Stimm- und Geldgewicht ausgestattet, um gemeinsam mit subalternen und bis dato ausgegrenzten Gruppen nicht mehr nur die volle Gleichberechtigung (und damit einhergehender Gleichstellung mit der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft) zu fordern, sondern gleichzeitig Rassismus, Antisemitismus, (Hetero-)Sexismus, Homophobie, Bodismus, etc. anzuprangen und zu bekämpfen. Nur dann wäre auch sichtbar, dass eine Mehrheitsgesellschaft keineswegs eine quantitative, sondern eine konstruierte Mehrheit ist, und dass eine „Anti“-Politik immer durch eigene, normunabhängige Zielsetzungen ergänzt wird. Ebenso würde sich diese Bewegung absetzen von der starren, ausgrenzenden Identitätspolitik, die in keinem Land dieser Welt bisher wesentliche Verbesserungen der Lebensqualität für queere Gruppen mit sich brachte.
Vielmehr noch wäre diese Bewegung ein herrschaftskritisches Bündnis, dass selbst die Menschen mit ins Boot holt, die bisher etwas orientierungslos in der Mehrheitsgesellschaft umher schwirren, weil sie nicht in die identitären, minderheits- und opfergerichteten Gruppen passen wollen oder können. Hoffentlich braucht es in Zukunft keine Judith Butler mehr, die daran erinnert.
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Linktipps:
Angela Davis äußert sich zu Judith Butlers Vorgehen
Das Mädchenblog dokumentiert die Diskussion in zwei Teilen
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Crosspost mit freundlicher Genehmigung des Missy Magazins!
Auch wenn ich Judith Butler im Kern zustimmen wuerde und das auf jeden Fall kein Thema fuer Unter-dem-Teppich ist, war ihre Rede zu allgemein gehalten. Die meisten haben es in dem Moment gar nicht verarbeiten koennen oder wollen und wussten nicht ganz um was es geht.
Dann sollten wir einen Fakt nicht vergessen: Wenn (weisse Mittelschicht-)Maenner in einem Boot in der Mehrheit sind (oder auch nicht), dann adressieren sie weisse Mittelschicht-Maenner und alles ist auf die hin angepasst. Das koennen wir quer durch die Gesellschaft sehen.
Ich selbst aber habe seit ca. 2 Wochen ein Problem mit Judith Butler. Eine Antisemitin (ja, Juedinnen koennen das auch sein) die gegen Rassismus spricht? Also wirklich, da muss schon jemand anders kommen, damit ich zuhoere …
An welcher Stelle äußert sich Butler antisemitisch?
Was war an Butlers Rede zu allgemein?
Was möchtest du damit sagen? Ich versteh den Kern deiner Aussage nicht.
An dieser Rede selbst war nichts antisemitisches, soweit ich das wahrgenommen habe. Aber ihre frueheren Aeusserungen, die ich recherchiert habe (Pro islamische Kleiderordnung fuer Frauen, Anti-Israel etc.).
Kritik an Israel und dem Burka-Verbot ist nicht per se antisemitisch, bitte Vorsicht mit Pauschaläußerungen. Vielleicht hast du noch ein paar Links, die du beisteuern kannst? Ansonsten findest du hier bei uns oder beim Mädchenblog ein paar Hintergrundinfos
Kritik an einem gesetzlichen Burka-Verbot ist das eine, Verstaendnis fuer Regime, Laender, Organisationen, die Frauen mit Kopftuch und Burka verhuellt wissen wollen zu auessern, ist das andere.
Ich habe es mir schwer gemacht, da ich Judith Butler bisher sehr geschaetzt hatte, wie man hier lesen kann: http://maedchenmannschaft.net/selbermach-sonntag-13-6-10/
Ansonsten moechte ich darauf verweisen:
http://www.youtube.com/watch?v=GO8GsPmoa50
http://www.welt.de/kultur/article8004293/Der-Islam-und-die-nuetzlichen-Idioten.html
Mir ist in den letzten Jahren die Toleranz mit den Intoleranten abhanden gekommen …
Naja… ganz ehrlich ist die Burka-Debatte a) ziemlich schwierig, weil sie von vielen Seiten instrumentalisiert wird, um eine antiislamische, (anti-)feministische, pro-israelische oder pro-westliche (oder sonst wie geartete) Argumentation zu stützen – um die Frauen geht es im Grunde weniger – und b) hat sie mit dem hier angesprochenen Thema wenig zu tun. Mag man zu Judith Butlers Äußerungen bezüglich Islam, Hamas und Israel stehen, wie man will, antisemitisch waren sie mMn nicht und sollten auch nicht ihr Urteilsvermöglichen bezüglich rassistischer Tendenzen innerhalb der Homo-Community mindern. Schließlich hat sie nur noch einmal mehr das wiederholt, was seit Jahren existent ist und angeprangert wird.
..immer dasselbe Lied: deutsche nicht-Juden entdecken die grossen Antisemiten unter niemandem anderen als den Juden selbst, ziemlich widerwaertig. Butler ‚anti-israelische‘, geschweige denn antisemitische Haltungen vorzuwerfen ist grotesk, fast muss man sagen: dumpf und zeugt davon, entweder nichts von ihr gelesen, oder aber GAR NICHTS von alldem verstanden zu haben, Butler haelt nichts von sog. ‚pro-israelischen‘ Haltungen, genausowenig, wie sie etwas von ‚pro-palaestinensischen‘ Haltungen haelt, genauer: sie glaubt gar nicht, dass beide siginifikant existieren, ich sehe nicht wie ihre Haltung weiter von ‚juedischem Antisemitismus‘ entfernt sein koennte.
Ich würde lieber Judith Butler Ablehnung des Preises für Zivilcourage als Symbol sehen, dass wir nutzen können, als mit der Glaubwürdigkeit der Person zu verknüpfen. Jetzt die Person „Judith Butler“ zu diskutieren, bringt keinen Menschen weiter – auch wenn Judith Butler nicht immer Recht hat, kann sie ja in dieser Sache Recht oder teilweise Recht haben.
Butler hat „uns“ damit schlicht die Chance gegeben, über Mehrfachdiskriminierung, Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft, Marginialisierung und Privelegierung nachzudenken.
Antje Schrupp hat dazu einen schönen Anfang gemacht.
@Nadine
Danke für die Zusammenfassung. Im Moment habe ich wirklich Probleme den ganzen verschiedenen Texten/Stellungnahmen zu folgen und bin froh wenn sich jemand die Arbeit macht das alles mal zusammenzutragen.
Eine Anmerkung habe ich aber noch, und zwar wegen einer Begrifflichkeit die ich vom Englischen her immer etwas anders gewohnt bin:
du schreibst von
„… das Thema Homosexualität kreisen, nach wie vor weiße, schwule Mittelschichtsmänner…“
im englischen wäre ich es aber eher gewohnt, das in der Art von
„…homosexuality is discussed mostly in the terms of gayness, whiteness, middleclass and maleness…“ zu formulieren.
Der Unterschied bei meinem Beispiel wäre das, sich die unterschiedlichen Machtzentren (also Weiß-sein, Mittelschicht-sein, usw.) auch unabhängig voneinander zueinander betrachten lassen, (also auch die Frage zulassen in wieweit Mittelschicht-Lesben zusammen mi den Mittelschicht-Schwulen ein Machtzentrum für Diskriminierungen bilden) während sich bei deiner Aufzählung alles auf den Gender-Aspekt fokussiert.
Ich bin mir selbst nicht sicher ob meine Überlegung hier vielleicht nicht zu haarspalterisch ist und es ist auch nicht auf diesen Text speziell bezogen sondern auf die unterschiedlichen Formulierungen im englisch- und deutschsprachigen Raum im allgemeinen.
Sollte Dir mein Einwurf also zu kleinlich erscheinen, ignorier ihn einfach bitte! :)
@Stephanie
Wenn Du schreibst:
„Jetzt die Person “Judith Butler” zu diskutieren, bringt keinen Menschen weiter – auch wenn Judith Butler nicht immer Recht hat, kann sie ja in dieser Sache Recht oder teilweise Recht haben.“
hast Du dann aber nicht schon für dich die Person Butler diskutiert? Für dich hat sie in dieser Sache recht, andere sehen das aber vielleicht unter einem anderen Blickwinkel.
Ich würde es nicht gut finden jetzt ein allgemeines Gesetz ala: „Wir diskutieren die Person Butler nicht – nur die Ablehnung des Preises!“ zu beschließen. Wenn sich einzelne Gruppen (wie z.B. die Mädchenmannschaft) auf so eine bestimmte Art festlegen diese Sache zu diskutieren finde ich das nach vollziehbar, wenn sich aber andere Gruppe auf eine andere Art festlegen würde ich das auch begrüßen.
Ich glaube was mich an deinem Beitrag etwas stört ist die Formluierung
„bringt keinen Menschen weiter“
Das kling so absolut und endgültig. Für manche Menschen/Sichtweisen wäre es ja vielleicht doch nützlich über die Person Butler zu diskutieren. Und es ist ja auch so das es meistens verschiedene Diskussionen mit eben verschiedenen Diskussionsschwerpunkten zu einem Thema gibt.
Nur nochmal zur Klarstellung: Ich finde die Aktion von Butler, soweit ich darüber informiert bin, sehr gut und sie hilft dabei mehr über Intersektionalismus und die Verwobenheit von Machtstrukturen nachzudenken, aber mir ist eben mulmig dabei jetzt eine quasi „globale“ Regel aufstellen zu wollen, wie alle Menschen diese Sache zu diskutieren haben.
@Cassandra
Jaein. Die Macht das Diskussionsthema und die Weise zu diktieren habe ich nicht. Daher fand ich meine „totale“ Äußerung nciht schlimm. Das da für die perfekte Formulierung ein „meines Erachtens“ reingehört, damit hast Du schon Recht. Ich dachte nur bei einem Kommentar von mir ist das klar :-).
Meines Erachtens habe ich damit jedoch Judith Butler nicht diskutiert, da für mich manchmal oder immer Recht haben für mich generell für Personen gilt (dies ist eher philosophischer NAtur, schlicht weil jede Person irgendwann schonmal was richtiges sagt und sei es nur „Es regnet“ wenn es regnet ;-)).
Ich finde es immer schade, wenn Positionen über die Person abgelehnt werden. Da scheuten die jeweiligen schlicht die Diskussion, indem die Person diskreditiert wird. Das ist zwar ein lohnenswertes und effektives rhetorisches Modell, nur bringt es bei der Sachfrage schlicht nicht weiter.
Was die globale Regel betrifft: Selbstverständlich stehen rhetorische Kniffe allzeit bereit, aber ich persönlich empfinde diese auch nur als rheotorische Kniffe.
Die Sprecherin des CSD ist keineswegs anonym, sondern Claudia Rische:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/die-regenbogen-party-und-ein-eklat/1864012.html
Und aus dem Verhalten der – in dieser Situation gewiss überforderten – Moderatoren koloniales Hegemonialverhalten at its [kein Apostroph] best herauszulesen, das gleichsam für den gesamten CSD stehen soll (war das so gemeint?), ist für mich selektive Wahrnehmung.
Was Butler insgesamt anmahnt, finde ich wichtig und gut, genau wie die Diskussion, die sie angestoßen bzw. neu entfacht hat. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob die Art, in der sie ihre Kritik geäußert hat, die richtige ist.
Ja, der CSD bewegt sich innerhalb eines weiß und männlich dominierten Raumes – den Veranstaltern aber direkt vorzuwerfen, Rassisten zu sein und insgesamt Rassismus zu unterstützen, geht weiter und ist ein sehr schwerer Vorwurf – und ich finde schon, dass sie diesen genauer hätte belegen sollen.
Danke für die Hinweise, habe ich korrigiert.
Die Personen geben sich als offizielle Stimmen des CSD aus, wieso stehen sie dann nicht für das gesamte Team? Das ist ein bisschen billig, finde ich. Und wer der Butler zujubelnden Menge am Ende nur ein „ihr seid eh nicht die Mehrheit“ zuschwafelt und damit die Kritik einfach unter den Teppich kehrt, ja der übt sich in hegemonialer Manier.
Butler wirft der Community nicht vor rassistisch zu sein, weil sie weiß und männlich dominiert ist, sondern weil sie Rassismen äußern und/oder sich nicht davon distanzieren, geschweige denn das Thema überhaupt auf der Agenda haben. Wie ich bereits im Text dargelegt habe, geht es schon Jahre so, dass hauptsächlich Migrant_innen adressiert werden, wenn es um homophobe Gewalt geht und berechtigte Kritik an bestimmten Politiken und Personen im Ausland, sowie die Darstellung von Homosexualität im außereuropäischen Kulturkreis schnell mal ins rassistische abgleitet. Das Thema von vornherein zu negieren à la „gibt’s bei uns nicht“ ist hegemonial, im besten Fall naiv. Mit selektiver Wahrnehmung hat das wenig zu tun.
Im Tagesspiegel wird Rische mit dem genau gleichen Satz wie in dem hier verlinkten Artikel zitiert: „Wir hatten keine Zeit, uns ausführlich mit ihr zu unterhalten“ – die Quelle ist also nicht anonym. Aber das nur nebenbei.
Den Satz, der sinngemäß ausdrückte „Ihr seid hier nicht die Mehrheit, die so denkt“, fand ich auch daneben, keine Frage. Ansonsten hat der Moderator in dem kurzen Statement rundweg abgelehnt, dass der CSD rassistisch sei – aber was hätte er in diesem Moment auch anderes tun sollen? Butler ist ja auch nicht auf genaueres eingegangen. (Überhaupt hat sie sich ihre Meinung erst kurzfristig, in den letzten Tagen in Berlin, gebildet: http://www.youtube.com/watch?v=LbpPfC35W4o… )
Ob das Thema nun wirklich unter den Teppich gekehrt wird – die Organisation des CSD Berlin ist btw für alle offen – wird sich erst jetzt zeigen.
„…geht es schon Jahre so, dass hauptsächlich Migrant_innen adressiert werden, wenn es um homophobe Gewalt geht und berechtigte Kritik an bestimmten Politiken und Personen im Ausland, sowie die Darstellung von Homosexualität im außereuropäischen Kulturkreis schnell mal ins rassistische abgleitet.“
Okay, alles verstanden. Aber wo sind die Hinweise, Belege, die rechtfertigen, dieses Verhalten genauso der Organisation des CSD Berlin anzulasten?
Ich finde Butlers Vorwurf einfach zu krass – und von den Berliner CSD-Kritikern größenteils zu polemisch weitergeführt.
Erster Absatz zurück, unsere Beiträge haben sich überschnitten.
Hm. Ich finde Butler hat nicht mehr oder weniger wiederholt, was viele Vereine, Verbände, Queers, Trans* und Schwule, Lesben selbst seit Jahren einfordern, aber immer wieder überhört werden. Ihre Kritik richtete sich auch nicht gegen die Organisator_innen des CSD allein. Rassismus äußert sich nicht nur in Aussagen, sondern in Praxen, die letztlich People of Colour, Schwarze marginalisieren und stigmatisieren, aber nicht unmittelbar rassistisch sind. Der CSD hat hier die wichtige Aufgabe, weil er eine Plattform bietet, genau diese Gruppen aber mitzudenken, wogegen er sich verweigert, was sich an der Reaktion der Moderatoren sehr gut ablesen lässt. Diese hätten zunächst die Kritik annehmen können, statt ihr eigenes Publikum zu verhöhnen.
Was an den Reaktionen „der Betroffenen“ polemisch sein soll, erschließt sich mir nicht. Ich finde die plumpe Kritik an Butlers Person, ihrem Vorgehen und das blanke Negieren ihrer Vorwürfe eher polemisch. Das Eingeständnis zu Rassismus tut weh, hilft aber letztlich allen Beteiligten. Geht es allerdings nach wie vor darum, welche Gruppe von Herrschaftsopfern jetzt das größere Stimmrecht hat, naja, dann wirds wohl dabei bleiben: Homosexuelle Identitätspolitik wird sich weiterhin nur um sich selbst drehen.
Ich denke, man hätte von den CSD-Leuten in dem Moment kaum erwarten können, dass sie sich hinstellen und sagen: „Ja, zugegeben, irgendwie ist das ja schon ein bisschen rassistisch – wir werden uns bessern… “ Sie haben bekanntgegeben, dass sie offen für Gespräche sind – was daraus wird, zeigt sich erst noch.
Ansonsten sehe ich das ja alles auch so, und Butlers Kritik ist grundsätzlich schon berechtigt, bezogen auf den Mainstream auch der schwulen Kultur (ich schreibe bewusst „schwul“ und nicht „queer“). Aber so wie es gelaufen ist, hat das eher zu einer Frontstellung geführt, hier die vermeintlich Guten vs die Bösen, und ich bin mir nicht sicher, dass das am Ende irgendwas bringt.
Naja, was ich in diversen Blogeinträgen gelesen habe (sind alle hier aufgelistet: http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/22/judith-butler-ueber-soziale-gerechtigkeit-sowie-high-und-happy-in-den-strassen-feiern-interview/#comment-42627 ) – u.a. dass Butler vor einer „betrunkenen Masse“ reden musste oder Begriffe wie „Imperialismusphantasien“ oder die Unterstellung, die CSD-Leute verbergen sich in der Anonymität – ja, das finde ich teilweise polemisch. (Wohlgemerkt nicht alles, siehe: http://antjeschrupp.com/2010/06/22/rassismus-und-homophobie-einige-gedanken-zu-judith-butler-und-dem-csd/ )
Das schließt natürlich nicht aus, dass auch von der anderen Seite Polemik kam.
„Blank“ war zunächst Butlers Vorwurf, wie schon bemerkt. Und wie gesagt, wie der CSD mit der Kritik umgeht, zeigt sich noch.
„Geht es allerdings nach wie vor darum, welche Gruppe von Herrschaftsopfern jetzt das größere Stimmrecht hat…“
Ich kann nur hoffen, dass dies nicht passiert. Aber es hängt eben auch davon ab, wie die Diskussion geführt wird.
ich bin völlig bei dir, was deine kritik anbelangt, denke darüber hinaus allerdings, dass formfehler nicht vom inhalt ablenken, solange man sich mit letzterem beschäftigen will. dass das zuweilen eine sehr emotionale diskussion ist, ist selbstverständlich.
von den csd-leuten hätte man direkt danach eine sachliche und ruhige reaktion erwarten können und nicht: aber die butler hätte ja vorher, aber sie hat doch keine beweise, aber ihr seid doch nicht die mehrheit, wir lass uns nicht die party versauen. das ist unsachlich, polemisch und ganz ehrlich: dummdreist.
Vielleicht noch ein Aspekt: Ich finde es irgendwie arm, wenn jetzt erst Diskussionen und Reaktionen abgewartet werden sollten, bevor ein Urteil gerechtfertigt wäre – das Rassismus/Ausschlussproblem ist wie gesagt seit Jahren bekannt, aber unbeachtet. Es ist eher peinlich, wenn es Judith Butler braucht, die dieser Tatsache endlich Gehör verschafft – und wieder kommt die Abwehrreaktion. Ich sehe bisher keinen Willen, sich wirklich ernsthaft mit den Verbänden und Gruppen zusammen zu setzen. But we’ll see.
Aus der „betrunkenen Masse weißer schwuler Mittelschichtsmänner“ kam erstaunlich viel Applaus für Butlers Kritikpunkte, dass die Reaktion der Moderatoren Panne war ist keine Frage und das bestimmte Problemfelder von diesem CSD vernachlässigt werden auch nicht. Aber leider sind im Grunde diese Kategorisierungen in „weiße Mittelstandsschwule“ und „people of colour“ an und für sich auch schon sexistisch und rassistisch
ja, pusht den transgenialen csd, schließlich werden dort israelflaggen verbrannt. da können wir mal schön besinnungslos links sein.
wie ja auch judith butler hamas und hisbollah supertolle linke progressive organisationen findet:
http://video.google.com/videoplay?docid=-1054740516888584797#
Similarly, I think: Yes, understanding Hamas, Hezbollah as social movements that are progressive, that are on the Left, that are part of a global Left, is extremely important. That does not stop us from being critical of certain dimensions of both movements. It doesn’t stop those of us who are interested in non-violent politics from raising the question of whether there are other options besides violence. So again, a critical, important engagement. I mean, I certainly think it should be entered into the conversation on the Left.
Super, welche Leute ihr hier pusht.
I.
Beleg? Wann? Wo? Wer/welche? Falls es überhaupt stattfand: Wie repräsentativ ist das für den ganze tCSD?
Wurden auch andere Nationalfahnen verbrannt?
II.
Man/frau/lesbe muß nicht Butlers in dem Zitat eingenommene Haltung zu Hamas und Hisbollah teilen, um die Eingemeidung von Schwulen, Lesben und Trans in die ‚westliche Wertegemeinschaft‘ zu kritisieren.
Im Gegensatz zu diesen spiegelbildlichen Identifizierungen – queers gehörten zur ‚westlichen Moderne‘ vs. Hamas gehöre zur Linken – käme es darauf an von einer eigenständigen feministischen, antikapitalistischen sowie gegen Rassismus und Antisemitismus gerichteten Position aus scharfe Distanz zu beiden Lagern zu markieren:
http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/20/dis-identification-means-to-transform-the-imperialist-war-into-revolutionary-civil-war/
und
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/20/fuer-antiimperialismus-ohne-gegennationalismus/
Danke, Daniel. Ich sehe das auch so. Ich bin dafuer, dass Judith Butler nach Gaza reist und dort die Menschen ueber Rassismus & Co informiert. Das klingt jetzt sarkastisch aber wo haben die Menschen mehr unter Rassismus und Repression zu leiden? Deswegen sollte man die Probleme, die sie in ihrer Rede angesprochen hat, nicht ausblenden oder zurueckstellen. Nein, aber wer nette Worte zu einem Terrorregime hat und zu den anderen Menschen sagt „seid auch nett zu denen!“ kann sich nicht hinstellen und den Moralapostel spielen. Tut mir leid, aber da hat sie bei mir gruendlich verspielt.
@all: ein bisschen weniger Pauschalisierungen und Diffamierungsversuche würden der Diskussion sehr gut tun.
Nahost ist hier by the way auch nicht das Thema.
Die nächsten Kommentare in beide Richtungen werden gelöscht.
@Stephanie
Ah, ich glaube ich hätte meine Kritik auch differenzierter stellen müssen. Ich wollte dir natürlich nicht unterstellen quasi wie Superwoman jetzt von Diskussion zu Diskussion zu fliegen um allen deine Vorstellungen aufzudrücken, sondern mir ging es nur um die konkrete Formulierung „bringt doch keinen Mensch weiter!“, die für mich sehr aggressiv rüberkam. Aber das hätte ich glaube ich besser formulieren müssen, sorry! :)
Was deinen Punkt über die Ablehnung von Diskussionen über die Person betrifft kann ich dir zur Hälfte zustimmen. Ich finde es erstmal auch schade wenn eigentlich wichtige Diskussionen durch nichtige Gründe nicht zustande kommen und ich kann auch deinen Gedanken nachvollziehen, das eine „Kritik“ an der Person dazu genutzt werden kann eine Diskussion abzuwürgen („ad hominem“-Argument nennt man das glaub ich in schlaueren Kreisen), andererseits ist eine Stellungnahme ja nie völlig losgelöst von der Person die sie abgibt. Ich finde eine gewisse Offenheit auf für die Kritik an der Person schon sinnvoll.
Vielleicht als Beispiel für meine Überlegungen:
Als Mary Daly anfang dieses Jahres verstarb gab es viele Nachrufe (Beispiel hier:
http://shakespearessister.blogspot.com/2010/01/rip-mary-daly.html
oder auch von Antje Schrupp
http://antjeschrupp.com/2010/01/09/zum-tod-von-mary-daly/ )
es gab aber auch Kritik daran das viele Nachrufe nicht auf die Transphobischen Aspekte von Mary Dalys Arbeiten eingegangen sind. (Beispiel hier:
http://kittywampus.wordpress.com/2010/01/07/frankenstein-necrophilia-and-the-final-solution-how-transphobic-was-mary-daly-really/ )
Die Diskussionen die daraufhin entstanden fand ich schon interessant und fruchtbar. Das wäre also ein Beispiel wo die Kritik an der Person richtig und sinnvoll gewesen ist, jedenfalls meiner Meinung nach. :)
@Cassandra
Das „bringt keinen Menschen weiter“ war nicht aggressiv gemeint, aber ich verstehe warum das so rüber kommen kann.
Ansonsten gebe ich Dir komplett Recht, da es gerade bei Deinem Beispiel aus meiner Perspektive um etwas anderes geht. Bei einem Nachruf und Ähnlichem geht es ja um die Person, da würde ich diese auch diskutieren.
Wenn’s jedoch um einen symbolischen Akt geht – also um eine bestimmte Kritik – finde ich nicht, dass dann eine Diskussion zur Person notwendig ist. Einen „Unfehlbarkeitsanspruch“ zu postulieren, ist da äußerst kontraproduktiv.
@Stephanie
Ich würde die Kritik an einer Person jetzt nicht in die Richtung interpretieren, das nur „unfehlbare“ Personen sich öffentlich äußern dürfen. Ich denke weiterhin, das eine Äußerung nie kontextlos ist sondern auch immer die sich äußernde Person mit in die Betrachtung miteinbezogen werden muss.
Aber wie gesagt ich kann auch deinen Einwand verstehen, das eine Kritik an der Person von der Diskussion über die eigentliche Äußerung wegführen kann.
Vielleicht können wir uns einig sein, das wir uns in diesem konkreten Fall uneinig sind? ;)
@Nadine
Nahost ist hier nicht das Thema? Was ist denn das für ein enger Politikbegriff? Bin ich ausfällig geworden? Habe ich irgendwen beleidigt? Ist es pauschal, wenn man es wagt, Judith Butler dafür zu kritisieren, dass sie Organisationen unterstützt, deren Zielsetzungen nicht gerade feministisch sind.
Oder zweifelst Du das an?
Meines Erachtens nach muss sich die Glaubwürdigkeit von Butlers Aussagen natürlich an dem messen lassen, was sie sonst so sagt.
Was die verbrannten Israelflaggen auf dem transgenialen CSD betrifft: Ich habs gesehen. Freunde haben es gesehen. Aber gefilmt hat es keiner. Darum nehme ich die Aussage zurück, ich kann sie nicht intersubjektiv überprüfbar belegen.
@TaP In welchem Kontext man allerdings theoretisch guten Mutes eine Israelflagge verbrennen kann, das hätte ich dann schon gerne noch einmal von Dir dargelegt.
Nur noch zum Abschluss: Ich halte engagierte Israelfreunde, Antideutsche etc. ja eigentlich oft für Hysteriker aber die Reaktionen hier lassen dann doch ein wenig an meiner Haltung zweifeln.
@Daniel
Ich bitte dich noch einmal am Thema zu bleiben und deinen Ton ggü. allen Diskussionsteilnehmer_innen zu mäßigen.
Ich sehe bisher keinen Zusammenhang zwischen Butlers Hamas-Liebäugelei, vermeintlich verbrannten Israel-Flaggen und Rassismus-Vorwürfen an Homosexuelle. Vielleicht magst du uns allen näher (und sachlich) erläutern, worum es dir geht.
By the way ist Butler nicht der Maßstab aller Dinge, egal ob im Feminismus, oder bei Themen wie Rassismus und Nahostkonflikt. Darüber hinaus hat niemand angekündigt, den transgenialen CSD zur antiisraelischen Butler-Ikonisierung zu nutzen. Kein Grund also, hier ausfällig und fordernd zu werden.
Ich habe bei der ganzen Diskussion so zwei „Gefühle“, die zu Ende zu denken mir gerade leider die Zeit fehlt.
– Begriff „Rassismus“: Kann es sein, dass hier eine gewaltige Kommunikationsstörung vorherrscht und beide Seiten von unterschiedlichen Begriffen ausgehen? Zum Teil mag da dadurch bedingt sein, dass die „Butler-Fraktion“ durch englischsprachige Diskurse geprägt sind, die einen weiteren Rassismus-Begriff verwenden als die deutschsprachige Diskussion, die etwas plump gesagt, erst von Rassismus spricht, wenn es zu gewalttätigen Übergriffen kommt.
– Butler zu Nahost und Butler auf dem CSD: Die beiden Dinge haben schon etwas miteinander zu tun (auch unabhängig von der Person). Butler wendet sich bei beiden Thema u.a. ausdrücklich gegen eine verkürzte Ablehnung des Islam (in dem einen Fall als terroristisch, in dem anderen Fall als homophob). Es geht in beiden Diskussionen darum, ob das einfache Muster: „Der Westen“ (liberal, schwulenfreundlich) gegen „den Islam“ (homophob, terroristisch) die Realität in ihrer Komplexität abbildet.
@Nele: wer sind beide Seiten? wer oder was ist/bestimmt die deutschsprachige Diskussion um Rassismus? Es gibt sicherlich nicht DIE Definition von Rassismus, aber ein verkürztes Verständnis von Rassismus ist angesichts der Realität einfach nicht mehr hinnehmbar.
Danke für deinen Gedanken zu Butler. Leider geht es in der Diskussion auch viel darum, ihre Kritik an der Islamkritik als antiisraelisch oder explizit pro-palästinensisch zu deuten und damit ihre Aussagen zu diskreditieren. Dagegen verwehre ich mich, weil es mit der Kritik am CSD so gut wie nichts mehr zu tun hat.
Das hat ja Nele auch nicht gesagt. – Trotzdem ist doch augenscheinlich wichtig, den weiteren Rassismus-Begriff überhaupt erst einmal zu vermitteln, wenn viele anscheinend nicht verstehen (oder nicht verstehen wollen), wie man/frau/lesbe so etwas wie den CSD überhaupt als „rassistisch“ zu krisieren kann – wo doch vermeintlich alles das gleiche ‚liberale‘, ‚fortschrittliche‘ – was auch immer – soziale Bewegungs-Spektrum ist.
Vgl. dazu auch: http://rosazelle.blogsport.de/?p=55
Ich weiß es nicht, aber es ist doch sehr plausibel, was Nele sagt: Daß Butler selbst diesen Zusammenhang zwischen ihrer weltpolitischen und ihrer lokalpolitischen Islamophobie- und Rassismus-Kritik sieht. Und sie kam ja in ihrer Rede auch direkt auf Kriegs-Rechtfertigungen zu sprechen.
Und dann ist es doch wohl auch eine zulässige Frage, ob sie mit ihren Islamophobie- und Rassismus-Vorwürfen zu schnell bei der Hand ist, oder nicht? – zumal sie diesen Vorwurf in Bezug auf den Berliner CSD mit keinem Satz begründet hat.
Nadine, Du schreibst zwar: „Sie benennt keine Beispiele, ich finde, das muss sie gar nicht – die Moderatoren, die nach ihr die Bühne betreten und in kolonialer Manier Hegemonialverhalten at its best präsentieren.“
Die Kritik an den Moderatoren finde ich schon überwiegend richtig – nur: Was sollen die denn groß antworten auf den einen Satz ‚Ihr seid rassistisch.‘
Sollen die anfangen, auf der Bühne spontan zu rekonstruieren: ‚Oh, es könnte sein, Du beziehst Dich auf diese Auseiandersertzung … oder diese Auseinandertzung … oder diese … Und für den Fall, daß Du a) meinst, sagen wir dazu: …; und falls Du b) meinst … usw.‘?!
Kritik zu äußern, bedeutet auch immer Verantwortung zu übernehmen; auch für den Fortgang der Diskussion – zumal, wenn einE ProminenteR von Ferne in eine lokalpolitische Auseinandersetzung eingreift:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/20/abschrift-der-preis-annahme-verweigerungsrede-von-judith-butler-beim-csd-in-berlin/ (mit Anmerkungen).
Hmm. Vielleicht gar nichts? Wenn ihnen schon nichts Qualifiziertes einfällt, statt ihre Gäste zu beleidigen?!!
Das sind doch alles Metadiskussionen. Die eigentliche Frage sollte sein, ob hier der Wille da ist, sich mit internen Macht- und Exklusionsmustern auseinander zu setzen oder nicht. Und eine lokalpolitische Auseinandersetzung finde ich Fragen um Rassismus ganz und gar nicht. Egal, in welchem Kontext das stattfindet.
Vielleicht nochmal zur Erinnerung: Butler hat lediglich wiederholt, was schon seit Jahren nicht nur auf lokaler Ebene angeprangert wird (siehe Neles Kommentar). Mit dem Unterschied, dass sie die leider die gewichtigere Stimme hat. Damit erübrigen sich Diskussionen um ihren Rassismus- und Islamophobiebegriff, die Hamas und verbrannte Flaggen an dieser Stelle und können gern woanders, weil berechtigt, weitergeführt werden.
Aber, Deine Artikel-Überschrift lautet doch auch: „Judith Butler und die schwul-lesbische Dekonstruktion“ – und Du bringst keine Zusammenstellung der Diskussionen der letzten Jahre, und die Erklärungen der von Dir verlinkten Organisationen sind ähnlich allgemein wie die Rede von Butler.
Wenn nun Butler schon die Aufmerksamkeit auf eine alte Diskussion lenkt, dann wäre es doch auch sinnvoll, diese Aufmerksamkeit zu nutzen, um diese alte Diskussion zu erschließen – statt einfach nur eine Meinung zu sagen (die mir ja durchaus irgendwie sympathisch ist).
Was meinst Du denn damit genau? – Nicht, daß ich nicht eine Vorstellung davon hätte, was „Exklusionsmustern“ sind – aber was heißt das denn in Bezug auf den CSD genau?
Was ich noch nachvollziehen kann, ist eine Kritik an der Ethnisierung homo- und transphober Gewalt und deren Grundierung mit einem geschichtsphilosophischen Modell von Fortschrittlichkeit und Rückschrittlichkeit.
Statt dessen käme es darauf an, heutige hiesige trans- und homophobe Gewalt aus den heutigen hiesigen gesellschaftlichen Verhältnissen zu erklären.
Was ich auch noch verstehe ist, daß: Wenn trans- und homphobe Gewalt bspw. als muslimische Gewalt dargestellt wird, sich dann auch lbgt-Muslime und (andere) lgbt-Anti-RassistInnen von den Orten, wo derartige Diskurse gefahren werden, fernhalten – also wenn Du so willst ‚exkludiert‘ werden (ob wohl sie ‚eigentlich‘ dazugehören sollten/könnten).
Soweit, so schlecht. Aber darüber hinaus – speziell in Bezug auf den CSD? (Mein Anliegen ist im übrigen nicht den CSD zu verteidigen: Ich war einmal vor Jahren und dann nie wieder da – dieses Massenbesäufnis, das sich nicht entscheiden kann oder will, ob es Demo oder Open Air-Party sein will, ist als solches schon mal gar nicht meine politisch-kulturelle Ausdrucksform. Und politisch-inhaltlich erwartete ich vom CSD genauso viel oder genauso wenig wie in etwa von Grünen, und aus denen bin ich vor noch längerer Zeit ausgetreten.)
Oder geht es gar nicht mehr speziell um den CSD, sondern um eine grundsätzliche Abrechnung mit der schwullesbischen Szene, weil sie nicht antirassistisch, nicht pazifizistisch* (?) / nicht antiimperialistisch (?), nicht antikapitalistisch und nicht feministisch (kommt bei Dir im übrigen genauso wenig vor, wie bei Butler**) ist? Dann sollte das allerdings auch so deutlich gesagt werden, und dann wäre ich auch mit voller Begeisterung dabei.
Oder fast – denn ein Bedenken hätte ich auch dann noch: Was ist denn genau der Maßstab, an dem Du diese Szene mißt? Bzw. welche Alternative hälst Du ihr entgegen?
Du schreibst:
Und Du weist auf die Diskussionen über Intersektionalität hin. Kann ich mehr oder minder unterschreiben – nur:
Eine Bewegung ist keine Partei mit gesamtgesellschaftlichen Anspruch. Was eine Bewegung von einer Partei (neben dem geringeren Organisierungsgrad) unterscheidet, ist gerade das, daß sie Betroffenheit (und nicht ein gesamtgesellschaftliches Programm) artikuliert.
Der CSD – und auch der tCSD – ist eben keine revolutionäre 1. Mai-Demo und erstrecht keine FemAntiraKP. –
Oder noch mal anders: Eine Kritik daran, wie der LBGT-mainstream auf seinem eigenen Feld Politik macht (Gleichberechtigungs- und Staatsorientierung; falsche Erklärung trans- und homophober Gewalt usw.), findet ich richtig und nachvollziehbar –
aber vom LBGT-mainstream zu erwarten, er solle sich als LBGT-mainstream auch um alle anderen Macht- und Exklusionsmustern kritisch kümmern – das finde ich, geht an der Logik von Bewegungspolitik vorbei. —
Was würde denn ein solcher Anspruch bspw. am Punkt der von Butler und den von ihr gelobten Gruppen angesprochenen Anti-Kriegspolitik heißen? Keine Bündnisse mehr mit LBGTs, die NATO-Kriege befürworten – egal für welches konkrete Anliegen das jeweilige Bündnis geschlossen werden soll?
Oder kein Bündnisse mehr, keine gemeinsamen Veranstaltungen mehr, keine gemeinsame Unterschriftensammlung mehr usw. bspw. für die von Dir angesprochenen „Adoptionsrechte“ und „Gleichstellung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft“ (oder Abschaffung der Ehe), wenn unsere BündnispartnerInnen nicht zugleich auch für Offene Grenzen und die Auflösung der Bundeswehr sind?!
Es liegt doch einfach in der Logik von Bündnispolitik, daß Bündnisse je nach Ziel immer wieder neu zusammengesetzt werden.
* http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/20/dis-identification-means-to-transform-the-imperialist-war-into-revolutionary-civil-war/#comment-42643
** http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/20/eine-radikale-geste-mit-schalem-nebengeschmack/; Abs. 6 bis Ende.
Zum Rassismus-Begriff:
@Nadine:
wer sind beide Seiten? wer oder was ist/bestimmt die deutschsprachige Diskussion um Rassismus?
Da habe ich natürlich stark vereinfacht. Die Definition von zwei Seiten bildet die Realität sicher nicht angemessen ab. Ich meinte (wie gesagt: vereinfacht) die Vertreter_innen des CSD und die Butler-Anhänger_innen. Dass es da viel grau und wenig schwarz/weiß gibt, ist mir schon klar.
Wer die deutschsprachige Diskussion um Rassismus bestimmt? Ich weiß es nicht. Mein Eindruck ist halt, dass der Begriff geprägt wird von der Beschäftigung mit Neonazis. Also Initiativen, die sich mit der Bekämpfung von Neonazis beschäftigen, einschließlich dem Verfassungsschutz.
(Ich kann mich da täuschen, wenn jemand dazu was Seriöses kennt: Her damit!)
Zu wenig wird die Diskussion bestimmt von Nicht-Weißen, die in Deutschland leben, und damit Rassismus ständig ausgesetzt sind.
Ich denke, dass die Bedeutung des Wortes Rassismus im englischsprachigen eine andere ist. Ob das daran liegt, dass Nicht-Weiße in Diskursen mehr gehört werden, kann ich nur vermuten.
Ich bin mir nicht sicher, ob es im deutschsprachigen Diskurs so schlau ist, immer mit dem „Rassismus“ anzukommen. Vielleicht fiele es manchen Leuten leichter, zuzugeben, dass sie rassistisch sind und daran zu arbeiten, wenn man das nicht so nennen würde.
(Auf deutsch spricht niemand von „Rasse“, es geht immer nur um „Race“.)
@ TaP: Danke für den Link. Hätte mich auch gewundert, wenn da niemand vor mir drauf gekommen wäre.
Zur Frage, wie man mit Exklusionsmechanismen umgeht, noch folgender Gedanke von mir:
Butler zu lesen und halbwegs zu verstehen bedarf eines gewissen Bildungsgrads, auch wenn dieser natürlich nicht formal erworben sein muss. Nicht jede_r versteht, was Mehrfachdiskriminierung heißen soll. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich von jede_r Deutsche_n erwarten kann, dass sie versteht, wie über Homosexualität Islamophobie betrieben wird.
Mein Eindruck ist, dass es bei Queer-Diskussionen selten unter dem Niveau eines geistes- oder sozialwissenschaftliche Uni-Seminars geht.*
Queer ist ein komplexes Konzept, von dem ich trotz inzwischen einiger Beschäftigung damit, nicht behaupten würde, es vollkommen verstanden zu haben. Ist das Konzept trotz seiner Komplexität in der Lage inklusiv zu sein?
Man könnte auch anders fragen: Muss das Konzept überhaupt inklusiv sein? Mit der Kritik am Mainstream-CSD stellt es immerhin den Anspruch darauf.
In Deutschland hängen bedauerlicherweise die Bildungschancen stark von der sozialen Herkunft ab. Das bringt meiner Meinung nach die „Class“-Komponten in die Diskussion mit rein.**
Deshalb meine Frage an die, die sich da besser auskennen, wie klassenübergreifend ist ein Trans-CSD?
Mein Eindruck vom Mainstream CSD ist der, dass sich hier zwar einerseits die schwule Mittelschicht feiert, andererseits aber auch viel „working class“ rumläuft. Gibt es Leute, die sich vom CSD aufgrund von Klassenzugehörigkeit ausgeschlossen fühlen?
Und noch ganz konkret: Gibt es Initiativen/Texte a la „Queer für Anfänger_innen“?
* Auch das ist eine Vereinfachung: Nicht wenige Diskussionen in Uni-Seminaren sind wohl nicht niveauvoller als die Kommentare der Moderatoren der Butler-Preisverleihung. (Nicht-repräsentative Stichprobe und teilnehmende Beobachtung)
** Mir ist klar, dass die Annahme: Zugehörigkeit zur Working Class -> Geringere Bildung eine diskriminierende ist. So ist mein Gedanke nicht gemeint. Mir geht es um die Frage, wie praxistauglich Queer ist.
@ Nele:
I.
Wie gesagt, Deinen Eindruck würde ich bestätigen. Fundierte Untersuchungen, wie die Wörter „Rassismus“ und „rassistisch“ im Deutschen verwendet werden, kenne ich auch nicht.
Aber einen ersten Eindruck gibt der Deutsche Wortschatz der Uni Leizipg:
http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=10&Wort_id=1707873&Wort=rassistisch&stpw=0&verweise=7&kanz=48
Zusammen mit „rassistisch“ wird von „Übergriff“, „Nazis“, „Gewalttaten“, von „Überfall“ und „Doppelmord“ gesprochen. Es werden die Namen von Opfern derartiger Gewalttaten und die Orte, an denen diese Taten stattfanden, genannt.
Rassismus als gesellschaftliche Struktur, als Ideologie/Identität fällt dagegen weniger ins Auge.
Andererseits gibt es seit mindestens Ende der 1980er Jahre in feministischen und linksradikalen, politischen und akademischen Kontexten eine Rezeption der angelsächsischen und francophonen Rassismus-Diskussion – um hier nur einen der frühen politischen Texte zu nennen:
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/id-verlag/BuchTexte/DreiZuEins/DreiZuEinsViehmann.html.
Auch wer/welche sich die Literaturliste, die Fußnoten und die Weblinks des dt. Wikipedia-Artikels zu „Rassismus“ ansieht, kann sich jedenfalls nicht über einen Mangel an Lesestoff beklagen.
Aus der älteren feministischen Diskussion wäre bspw. noch zu nennen: Das Buch von Jenny Bourne, From Resistance to Rebellion, Berlin, 1992 (nur der Titel ist auf Engl.) oder das Rassismus-Heft der beiträge zur feministischen theorie und praxis. Im Orlanda Verlag sind jede Menge Bücher zum Thema erscheinen.
Also: Einerseits kann zwar keineR behaupten, er/sie könne es nicht besser wissen als die mainstream-Medien und der Verfassungsschutz. Andererseits ist aber auch klar, daß sich politische Erfahrungen und theoretisches Wissen nicht einfach von alleine weitertragen, sondern wer/welche eine ‚Botschaft‘ hat, sie auch verbreiten muß.
Und zumal in politischen Fragen kann nicht erwartet werden, daß alle einen „Forschungsstand“ kennen und berücksichtigen – schließlich geht es immer auch um eingespielte Strukturen und Rituale, Bequemlichkeiten, Netzwerk von Leuten/BündnispartnerInnen, die sich schon kennen – und nicht zuletzt staatliche Fördergelder.
II.
Einführungen in queer – nicht, daß ich wüßte.
Es gibt mittlerweile zwei Butler-Einführungen, die ich aber beide nicht gelesen habe:
Hannelore Bublitz, Judith Butler zur Einführung, Junius, Hamburg 1. Auf.: 2002, 2. Aufl.: 2005.
Paula-Irene Villa, Judith Butler, Campus, Frankfurt am Main / New York 2003.
Zur Entstehung von queer in den USA gibt es den Text, den ich neulich schon zitiert hatte (und weitere Texte der gleichen Autorin):
Corinna Genschel, Fear of Queer Planet: Dimensionen lesbisch-schwuler Gesellschaftskritik, in: Das Argument, H. 216, 4/1996, 525 – 537.
Ich selbst hatte mal versucht, eine möglichst klare/schematische Gegenüberstellung des Feminismus ‚vor und ab Butler‘ zu schreiben – allerdings eher mit Schwerpunkt auf „De-Konstruktion“ (und auch das in einer politisch sehr spezifischen Lesart) als auf queer.
Und Gruppen – da fallen mir die ein:
http://widerdienatur.blogsport.de/ und http://www.gender-killer.de/ (keine Ahnung, ob es letztere noch als Gruppe gibt, jedenfalls ist die homepage ziemlich unaktuell).
III.
Ich weiß es nicht, aber ich würde sagen: Der tCSD ist eher weniger working class als der mCSD. Die Differenz ist m.E. eher eine politisch-kulturelle als eine Klassendifferenz.
IV.
Und noch zwei Literaturlisten:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/10/17/kurz-und-buendig-zwei-einfuehrungen-in-den-feminismus/
und
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/03/weil-sachkenntnis-jeder-diskussion-nur-gut-nun-gut/.
Nele, wer die mangelnde Bestimmtheit antirassistischen Diskurses durch deutsche PoC kritisiert, sollte es immerhin geschafft haben, sich darueber klar zu werden, wie der Diskurs genau dieser PoC in Deutschland das Wort ‚Rassismus‘ definiert, das weisse Privileg beinhaltet immerhin auch die Tendenz, den weissen Binnendiskurs nie verlassen zu muessen und jedwede Begriffe von dessen Diskursniveau aus auszumessen/zu bestimmen, vielleicht mal hier nachlesen:
http://blog.derbraunemob.info/
zu jenem anderem Punkt: Butlers Kritik muss sich natuerlich an ihrem Diskursrahmen messen, deshalb ist es einerseits legitim, diesen hier anzufuehren und zu beleuchten und anderereits sehe ich nicht, wie dieser Diskursrahmen sich zu einer Diskreditierung ihres Rassismusbegriffes nutzen liesse, wie erwaehnt ist ihre angeblich plump pro-palaestinensische Haltung ein dunkler (deutscher) Mythos:
„Many important distinctions are elided by the mainstream press when it assumes that there are only two possible positions on the Middle East, the ‘pro-Israel’ and the ‘pro-Palestinian’. The assumption is that these are discrete views, internally homogeneous, non-overlapping, that if one is ‘pro-Israel’ then anything Israel does is all right, or if ‘pro-Palestinian’ then anything Palestinians do is all right. But few people’s political views occupy such extremes. One can, for instance, be in favour of Palestinian self-determination, but condemn suicide bombings, and find others who share both those views but differ on the form self-determination ought to take. One can be in favour of Israel’s right to exist, but still ask what is the most legitimate and democratic form that existence ought to take. If one questions the present form, is one anti-Israel? If one holds out for a truly democratic Israel-Palestine, is one anti-Israel?“
http://www.lrb.co.uk/v25/n16/judith-butler/no-its-not-anti-semitic
I.
Ja, Andreas, das ist sehr gut: Es werden Begriffsunklarheiten festgestellt – und dann wird auch noch eine neue Abkürzung ohne Erklärung eingefügt:
.
Wirklich sehr schön. Ich vermute mal, Du meinst in der BRD praktizierte Postcolonial Studies – aber warum heißt es dann „PoC“ und nicht „PoCSt“???
II.
Das scheint mir nicht so sicher zu sein. Wenn wir noch mal auf das Butler-Zitat, daß Hamas zur Linken gehöre, zurückkommen, dann gibt es m.E. drei Lesarten:
a) Entweder hat Butler einen sehr weiten Begriff von „links“
oder
b) sie findet vielleicht, zu sagen, daß Hamas eine reaktionäre, antifeministische und auch kein Stück antikapitalistische Gruppierung ist, sei bereits rassistisch, eurozentristisch oder jedenfalls nicht „differenziert“ genug.
oder
c) es war einfach nur ein Ausrutscher, der ihr in einer mündlichen Diskussion passierte. (Hat sie denn später dazu noch mal etwas gesagt oder geschrieben?).
Sollte Lesart b) zutreffen, so würde ich schon sagen, daß wir es mit einem untunlich weiten Rassismus-Begriff zu tun hätten. Und da sie auch nicht ausgeführt hatte, was sie am CSD nun genau für „rassistisch“ hält, könnte dann weiter vermutet werden, daß auch diesem Rassismus-Vorwurf ein zu weiter Rassismus-Begriff zugrundeliegt.
Aber nichts genaues wissen wir nicht. Für eine Intervention in eine politische Kontroverse reicht es aber nicht, eine gut Theorie zu haben (z.B. Postcolonial Studies, Intersektionalität usw.), sondern es sollte schon benannt werden, welcher Zusammenhang zwischen den konkreten politischen Streitpunkten (Äußerungen/Zitate, Handlungen, Nicht-Distanzierung usw.) und der Theorie bestehen.
III.
Und zu dem von Dir angeführten Butler-Zitat: Sie kritisiert dort die Mittel beider Seiten.
Aber was ist denn mit den Zielen und Interessen? – Vielleicht werden ja die Mittel gerade deshalb angewendet, weil die Interessen antagonistisch sind…
Würden aber die Ziele beider Seiten in Frage gestellt (und das gilt für andere Konflikte genauso) und statt dessen eine dritte Position definiert (am Ende deutet sie das mit „a truly democratic Israel-Palestine“ an), dann stellt sich allerdings die Frage, ob die Mäßigung der Mittel allein ausreicht, um der Realisierung der dritten, eigenständigen Position näherzukommen.
Das scheint mir das grundlegende Problem an queer / De-Konstruktion zu sein:
Wenn über Politik gesprochen wird, dann wird auf einmal die Ganze theoretische Radikalität vergessen und statt dessen für allseitige ‚Inkulsion‘ und allseitiges Miteinanderreden plädiert. Die gesellschaftliche De-Konstruktion von Ausbeutung und Herrschaft ist aber nicht allein mit schönen Worten zu erreichen.
Und das gilt auch für rassistische Herrschaft und Ausbeutung; aber gerade deshalb müssen die Konfliktpunkte konkret angesprochen werden.
@TaP
PoC heißt People of Colour. http://en.wikipedia.org/wiki/Person_of_color
Die Rassismusvorwürfe wurden hier mehrmals dezidierter ausgeführt. Der Rassismusbegriff als solcher ist in Deutschland schon relativ klar. Er umfasst Mechanismen, die Schwarze oder PoC marginalisieren, bishin zu Gewalt. Der Link zum Braunen Mob von Andreas darf ruhig gelesen werden.
@Nele
eine Einführung zu queer: Gender@Wissen und Gender/Queer Studies vom UTB Verlag.
Danke für die Abkürzungserklärung.
„mehrmals dezidierter ausgeführt“ – anscheinend leide ich unter Leseschwäche: Wo steht bei Dir, bei Butler, bei den von Butler gelobten Gruppen „dezidiert“, was der CSD getan oder unterlassen hat?
Wenn keine Lust besteht, alte Details noch mal ausführen (was ich verstehen kann), müßte es doch zumindest den an dieser (alten) Diskussion beteiligten Gruppe möglich sein, ein kleine link-Liste mit – sagen wir drei, fünf oder zehn – früheren Kritiken am CSD zusammenzustellen, damit alle, die das mangels Ortansässigkeit oder wegen Desinteresse am mCSD bisher nicht rezipiert haben, nachvollziehen können.
Wenn es um Kritik an einer konkreten Veranstaltung und konkreten Gruppen geht, muß doch wohl auch die Kritik etwas konkreter sein als der allgemeine Hinweis, daß wir in einer rassistischen Gesellschaft leben, in der „Schwarze oder PoC marginalisier[t]“ werden,
und wir alle diese Verhältnisse reproduzieren, solange wie wir sie nicht umstürzen (wie wir auch trotz tollstem feministischen und kommunistischen Bewußtsein und tollster queerste Praxis [hetero/a]/sextische und kapitalistische Verhältnisse reproduzieren),
oder nicht?
butlers momentane überlegungen und veröffentlichungen scheinen mit dekonstruktivismus wenig zu tun zu haben. und das oben von andreas angeführte zitat stellt einen anspruch, dem butler in ihrer eigenen praxis so aber nicht gerecht wird.
ihre durchaus berechtigte kritik an westlicher politik führt sie zu einer affirmation anti-westlicher positionen.
in ihrem aufsatz „gefährdetes leben“ fuehrt sie an, dass die abbildungen schleier-befreiter muslimischer frauen in den westlichen medien als triumpf und symbol fuer den erfolgreich aus amerika exportierten kulturellen fortschritt ausgelegt werden. und dieser hinweis ist berechtigt. aber er spricht den jungen frauen eben auch das gefuehl einer tatsächlichen befreiung ab. butler bleibt eben nicht „zwischen den stühlen“, sondern bezieht durchaus position. und hier stellt sich die frage, inwieweit ihre theorie und ihre politische praxis ueberein gehen.
ich moechte die gefahr von islamophobie keineswegs abstreiten, aber butler tut der debatte gerade keinen gefallen damit, tendenziell eine anti-westliche position einzunehmen und damit eben auch reakionäre bewegungen zu verklären. einerseits die hamas als progressiven teil einer linken bewegung anzuerkennen (sowas ist kein ausrutscher!), andererseits einen boykott gegen israelische universitäten auszurufen und einen kuehnen plan auszuhecken, wie slavoj zizek auf einem israelischen filmfestival eine rede halten kann, ohne als gast des israelischen staates aufzutreten, das ist nicht unparteiisch.
und ich denke nicht, dass es noetig ist – und diese tendenz scheint in der diskussion hier manchmal durch – butler gegen sich selbst in schutz zu nehmen. vielmehr scheint es mir wichtiger, diese widersprüchlichkeiten anzuerkennen. um zu wissen, „wie weit“ man mit butler mitgehen moechte und wo die eigenen grenzen sind.
es hilft (mir zumindest), bestimmte rhetoriken zu durchschauen und eventuell darunterliegende intentionen zu erkennen. mir geht es dabei nicht ums „madig machen“.
auch wenn es sich wieder auf den nahost-koflikt bezieht, moechte ich kurz noch einen satz aus oben genanntem aufsatz zitieren, weniger um den inhalt zu thematisieren, als vielmehr um ihre perfide rhetorik zu zeigen, die mich sehr hat staunen lassen:
„und ungeachtet der furchtbaren bedingungen, die palästinensische selbstmordattentäter zu ihren mörderischen taten animieren, entlaste ich diese sprengstoffattentäter keineswegs.“ (gefährdetes leben, 2005, s.176)
Das Problem ist m.E. nicht, daß sie (angeblich) anti-westlich ist. Es ist/wäre vielmehr richtig, anti-westlich zu sein, in dem Sinne, daß
— ‚der Westen‘ eine homogenisierende Konstruktion ist, die alle inner-westlichen Widersprüche, d.h. Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse, ausblendet
und
— die hegemonialen Kräfte in ‚dem Westen‘ seit Jahrhunderten ein ökonomisches, militärisches und kulturelles Herrschaftsprojekt in Richtung Süden und Osten betreiben.
Und in diesem Sinne läßt sich auch sagen, daß alle die sich ‚dem Westen‘ zugehörig fühlen, objektiv rassistisch oder eurozentristisch sind – nur wenn es, darum und nicht um Berliner Lokalstreitigkeiten gegangen ist, hätte auch das besser mit ein paar Sätzen ausgeführt werden sollen. (Und darüber hinaus wäre eine unzweideutige Klarstellung der eigenen Position, von der aus ‚der Westen‘ kritisiert wird, gut gewesen.)
eine ganze Batterie von Unklarheiten, beginnen wir hiermit:
“und ungeachtet der furchtbaren bedingungen, die palästinensische selbstmordattentäter zu ihren mörderischen taten animieren, entlaste ich diese sprengstoffattentäter keineswegs.”
‚perfide Rhetorik‘- ich erinnere an das offensichtliche: Butler ist Juedin, sie ist aufgewachsen mit den Vorbehalten, die Juden in der westlichen Welt, auch heute, und zwar jeden Tag entgegenschlagen. Sie distanziert sich vom juedischen Staat Israel weil er, objektiv betrachtet, die Gruende hierfuer einmal undiskutiert, gewiss furchtbare Bedingungen, unter denen es zu Selbstmordattentaten kommt, zumindest mitverantwortet. Es ist keine ‚perfide Rhetorik‘, auf die Situation hinzuweisen, die Palaestinensische Selbstmordattentaeter zu ihrem Tun verleitet, der deutsche Diskurs blendet allzuoft aus, dass insbesondere jene ‚pro-israelischen‘ Diskurse, die sie kritisiert, oft am allerwenigsten das Wohlergehen der Juden in Israel zu Ziel haben, darueber sollte jeder, der einmal bei PI vorbeischaute, im Bilde sein.
Die Hamas ist insofern zunaechst ‚progressiv‘, als dass sie sich fuer eine konkrete ‚Leidenssituation‘ einer bestimmten, im weitesten Sinne ‚unterprivilegierten‘ Gruppe einsetzt, dass Gewalt sicherlich reaktionaer ist, aendert nichts daran, dass ‚linke Gruppen‘ niemals nur pazifistisch waren, ihr Begriff von ‚links‘ ist also nicht weiter als das Selbstverstaendnis der meisten linken Gruppierungen weltweit. Dass sie die Hamas ‚links‘ einordnet bedeutet also nicht, dass sie die Gewalt in linken Gruppierungen ‚gut findet‘, oder hat sie das jemals gesagt.
noch zu TaP: Begriffe des antirassistischen Diskurses betroffener Gruppen zu ignorieren, ist ein gutes Stueck Hegemonialverhalten. Butler sagt nirgends, es sei Rassismus, gewaltvolles Vorgehen zu kritisieren oder zu verdammen, sie identifiziert (im Gegensatz zur Unterstellung TaPs) nirgends die Hamas mit ‚dem Islam‘ oder gibt an, ihr Rassismusvorwurf an den CSD leite sich daraus ab, die Hamas in irgendeiner Form kritisiert zu haben. Wer die Verlautbarungen des LSVD in Bezug auf den Islam in Deutschland kennt, weiss, dass sich Butler hier nicht gerade auf einen Mangel an ‚pro-palaestinensichen‘ Positionen im LSVD bezieht, im Gegenteil schrieb der LSVD in beispielhaften Diskussionen den genannten PI-Diskurs fort (‚Scharia an Berliner Schulen‘ etc.), link gern auf Anfrage.
im uebrigen sehe ich nicht, dass sich Butler in dem obigen Zitat auf die blosse Kritik an ‚Mitteln‘ beschraenkt haette oder dass sie die Ziele einer der beiden Gruppen im Nahostkonflikt unumschraenkt teilte, worauf TaP evtl. hinauswill (?), jedenfalls diskrediert aus meiner Sicht nach wie vor nichts von dem von ihr Gesagten ihren ‚Rassismusbegriff‘.
„Butler ist Juedin,“ – mich würde es sehr wundern, wenn sie selbst diesen Satz so schlicht aussprechen würde; in Anbetracht wie sehr sich weigert, schlicht zu sagen „ich bin Frau“, „ich bin Lesbe“.
„sie ist aufgewachsen mit den Vorbehalten, die Juden in der westlichen Welt, auch heute, und zwar jeden Tag entgegenschlagen. Sie distanziert sich vom juedischen Staat Israel weil er, objektiv betrachtet, die Gruende hierfuer einmal undiskutiert, gewiss furchtbare Bedingungen, unter denen es zu Selbstmordattentaten kommt, zumindest mitverantwortet.“ – und wo liegt jetzt der Zusammenhang zwischen den beiden Sätzen?
Satz 1 dreht sich um Antisemitimus in der westlichen Welt, den Du zurecht ansprichst. Satz 2 dreht sich um Selbstmordattentate in Israel. – Was hat beides miteinander zu tun?
„Sie distanziert sich vom juedischen Staat Israel weil er, […], die […] Bedingungen, unter denen es zu Selbstmordattentaten kommt, zumindest mitverantwortet.“ – Auch das wirft lauter Fragen auf:
a) Ist das ihr Grund? Und das dann die Distanzierung die logische Schlußfolgerung? Oder müßte sie sich dann nicht vielmehr als israelische Regierungsberaterin bewerben, damit es Israel in Zukunft besser versteht, seine „objektiven“ Interessen einzusehen?
b) Oder kritisiert Butler vielmehr die israelische Besatzungspolitik als solches (weil sie die unabhängig von deren Rückwirkungen auf Israel für falsch hält) (wogegen ich wiederum gar nichts einzuwenden habe, solange denn die Begründung stimmt [vgl. meine vorhergehenden Kommentare]).
c) Und was hat es denn nun mit der Logik der ‚Mitverantwortung‘ auf sich? Das ist doch auch wieder nur ein Appell zur Mäßigung, aber keine Analyse eines Konflikt und keine Strategie. – Mal ganz grundsätzlich gefragt (unabhängig vom Nahost-Beispiel):
Ist Eskalation immer falsch? Ist es immer richtig, noch die andere Backe hinzuhalten? Sind alle Leute, Guerillabewegungen und Regierungen, die Gewalt anwenden, einfach nur blöde, während allein eine handvoll von PazifistInnen weiß, wie schön einfach doch Politik funktionieren könnte – wenn denn alle Menschen ‚guten Willens‘ wäre?
Zurück in den Nahen Osten: Sind die dortigen Konfliktparteien ‚guten Willens‘ (und wissen es nur nicht besser)? Oder ist eine oder sind mehrere der Konfliktparteien ‚bösen Willens‘ – und was folgt dann daraus für eine dem wirklichen (nicht idealisierten) Funktionieren von Politik angemessene Strategie?
Sondern? Was haben sie Deines Erachtens vielmehr im Auge?
Was habe ich mit PI zu tun? Was Nele? Was andere Leute, die finden, daß Butler ihren Rassismus-Vorwurf besser begründen sollen?
Und was ist das überhaupt?
Das ist doch ein völlig unpolitischer und un-dekonstruktivistischer Opferdiskurs. Welche Feministin würde heute Frauen so flach als ‚Leidende‘ adressieren und alle Diskussionen über Täter/Opfer und Mittäterinnenschaft (Chr. Thürmer-Rohr; F. Haug) vergessen?!
Aber bei ‚den PalästinenerInnen‘ ist das auf einmal wieder okay.
Hamas kocht seine reaktionäre Suppe auf der Situation; und das sollten und können Linke kritisieren, ohne das geringste Zugeständnis an die israelisches Besatzungspolitik zu machen:
http://maedchenblog.blogsport.de/2009/10/28/antisexismus-maennlichkeit/#comment-34379.
Genau das ist der Fehler. Nicht jede Gewalt ist reaktionär, sondern reaktionär sind sowohl die Ziele von Hamas als auch der israelischen Regierung, für die sie Gewalt einsetzen.
Dagegen wäre es wünschenswert, daß sich eine säkulare, feministische, antikapitalistische israelisch-palästinensische Linke konstiuiert, die versucht, mit beiden Seiten aufzuräumen – aber das würde sicherlich kein Zuckerschlecken.
Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe behauptet, daß Butler keine Begründung für ihren Rassismus-Vorwurf gegen den mCSD genannt hat, und das ist wahr! Und ich habe gesagt, daß in Anbetracht anderer vager Äußerungen (ich habe ausdrücklich von drei möglichen Lesarten gesprochen) nicht auszuschließen ist, daß ihrem Rassismus-Vorwurf gegen den mCSD evtl. ein zu weiter Rassismus-Begriff zugrundeliegt.
Auch das ist wahr, solange sie sich nicht konkreter äußert.
„Wer die Verlautbarungen des LSVD in Bezug auf den Islam in Deutschland kennt, weiss, dass sich Butler hier nicht gerade auf einen Mangel an ‘pro-palaestinensichen’ Positionen im LSVD bezieht, im Gegenteil schrieb der LSVD in beispielhaften Diskussionen den genannten PI-Diskurs fort (‘Scharia an Berliner Schulen’ etc.), link gern auf Anfrage.“
Ja, bitte + links, wo das schon mal kritisiert worden ist, + Info, welche Stellung der LSVD genau in der Vorbereitungsstruktur für den Berliner CSD + in der Preisverleihungsstruktur hat.
.. die Tatsache, dass Butler die Hamas betreffend von einer ‚linken‘ Bewegung spricht, heisst also nach deinem obigen Punkt 2., dass sie die Kritik, die Hamas trage ‚antifeministische und reaktionaere‘ Zuege als ‚rassistisch empfaende‘, aber was ist das fuer eine Unterstellung. Um deine duch ein, wie ich es verstehe, logisches, also nicht exklusives ODER verbundene Punkte 1.+2. im vorletzten Post zu vereinen und gleichzeitig zu widerlegen, koennte man vielleicht einfacherweise vermuten, dass Butler zu viel Erfahrung mit reaktionaeren, antifeministischen und gewaltvollen Tendenzen in linken (westlichen) Stroemungen haette, um diese Stroemungen nicht noch als insgesamt progressiv bezeichnen zu koennen. Abgesehen davon, dass ihr isoliertes Zitat mitnichten ihre durchweg anti-alarmistische Haltung im Nahost-Konlikt widerspiegelt, ist ihr Begriff vom ‚Links-sein‘ vielleicht simplerweise realistischer als der anderer.
a)-c): ich bin nicht Butler. du koenntest im uebrigen noch einmal versuchen, deinen grundsaetzlichen Schluss von Butlers statement ueber die ‚linke und progressive Hamas‘ mit der Behauptung, ihr Rassismusbegriff bezogen auf die Haltung der CSD-Organisatoren in gewissen Dingen sei zu ‚weit‘ zu erlaeutern, ein Gutteil meiner letzten Betrachtungen diente vor allem dazu, wohlwollend ein Argument und dessen Annahmen zu rekonstruieren, das mir durchweg abstrus erscheint:
„Und ich habe gesagt, daß in Anbetracht anderer vager Äußerungen (ich habe ausdrücklich von drei möglichen Lesarten gesprochen) nicht auszuschließen ist, daß ihrem Rassismus-Vorwurf gegen den mCSD evtl. ein zu weiter Rassismus-Begriff zugrundeliegt.“
also noch einmal, ist deine Argumentation:
(zu) weiter Begriff von Links sein => zu weiter Begriff von Rassismus
oder vielleicht
A UND B := (zu) weiter Begriff von ‚Links sein‘ UND (linke) Kritik an Hamas als Rassismus empfinden => zu weiter Begriff von Rassismus
oder aber
A und B und C=> zu weiter Begriff von Rassismus,
wo C eine mir unbekannte oder von mir bisher unberuecksichtigte Annahme ist und wenn ja welche?
noch zu diesem offensichtlichen Punkt: der Antisemitismus in der westlichen Welt, zumindest aber in Europa, heute und damals, ist die notwendige, nicht die hinreichende Bedingung fuer die Selbstmordattentate in Israel heute, sicherlich streiten das gewisse linke antizionistische Kreise ab und genau das ist dann meine Version von linkem Antisemitismus. Deshalb sprach ich von einer blossen Mitverantwortung Israels. Die unterliegende Intention Butlers ist doch nicht, Konflikte zur ‚heilsamen‘ Eskalation zu fuehren, wie es TaP hier phantasiert, sondern Kausalitaeten wieder sichtbar zu machen. Jeglichen Widerstand der Palaestinenser zu diskreditieren, wie es die ‚pro-israelische‘ Haltung erforderte, bedeutet doch auch, die (nicht-juedische) Gewalt, die das Zustandekommen Israels moeglich oder noetig machte, auszublenden, es geht ihr also womoeglich gerade um diese Sichtbarmachung von Gewalt und Gegengewalt und dabei meint sie auch die Gewalt des israelischen Staates, aber viel grundlegender eben jene ‚frames of war‘.
@ Andreas:
I.
Lies‘ einfach meinen Beitrag noch mal:
► Ich habe nicht behauptet, daß Lesart b) aus Lesart a) folgt.
► Ich habe vielmehr Lesart a), b) und c) als drei unterschiedliche – beim gegenwärtigen Informationsstand nicht entscheidbare – Alternativen gegenübergestellt.
► Und ich habe für den Fall, daß Lesart b) die zutreffende sein sollte, daraus eine hypothetische Schlußfolgerung gezogen:
„Sollte [!] Lesart b) zutreffen, so würde ich schon sagen, daß wir es mit einem untunlich weiten Rassismus-Begriff zu tun hätten. Und da sie auch nicht ausgeführt hatte [! = wir wissen es nicht!], was sie am CSD nun genau für “rassistisch” hält, könnte [!] dann weiter vermutet [!] werden, daß auch diesem Rassismus-Vorwurf ein zu weiter Rassismus-Begriff zugrundeliegt.“
II.
Das verstehe ich nun – wohlwollend gelesen – dahingehend:
► Weil es den NS gab und als Konsequenz dessen Besiegung die Gründung Israels durchsetzbar wurde, werden heute Selbstmordattentate durchgeführt.
Meinst Du das so? Und was folgerst Du politisch daraus? Daß Selbstmordattentate, die Du ‚eigentlich‘ für grundfalsch hältst, doch irgendwie ein bißchen sozialarbeiterisch verständlich sind und deshalb nicht klar und deutlich kritisiert werden sollen, sondern vielmehr herumlaviert werden soll?
Und welche Rolle spielt der heutige europäische Antisemitismus in diesem mutmaßlichen Entschuldigungs-Schema?
III.
Wie sieht es denn mit Deinem angboten LSVD-link aus, um zum Ausgangsthema der Rassismus-Vorwürfe gegen den Berliner mCSD zurückzukommen.
..in der Tat, du behauptetest lediglich
b) => Butler hat einen zu weiten Rassismusbegriff =: D
Hier ist sowohl die Hypothese fraglich, wie du ja zugestehst, als auch die Implikation, wie du nicht zugestehst. Deine weitere Hypothese ist dann, dass mangels genauerer Angaben auch Butlers Kritik am CSD dieser weite Rassismusbegriff zugrundelaege. Meine Vorschlaege zielten darauf ab, dass Butler bei einer ‚zu weiten‘ Auffassung von ‚links sein‘ eher zu der Einschaetzung b) kommen koennte, also die Kritik an Hamas als rassistisch empfinden koennte und dass dann die Praemisse in a) UND B) => D vielleicht etwas bessere Chancen haette, erfuellt zu sein, aber lassen wir das.
„Weil es den NS gab und als Konsequenz dessen Besiegung die Gründung Israels durchsetzbar wurde, werden heute Selbstmordattentate durchgeführt.“
Nein, das waere genau die umgekehrte Implikation, also die Verfolgung als hinreichende Bedingung fuer Selbstmordattentate, das ist objektiv betrachtet falsch. Ich sagte, die Verfolgung sei logisch notwendig fuer Selbstmordattentate, also
es gibt heute Selbstmordattentate in Israel => es hat eine Judenverfolgung in Europa gegeben (und gibt es noch)
denn haette es keine Judenverfolgung gegeben, haette es aus meiner Sicht auch keinen Zionismus und damit keine heutigen Selbstmordattentate gegeben, genau das streiten die genannten antizionistischen (antisemitischen) Linken aber ab, die behaupten, der Zionismus habe sich als juedisches nationales Projekt von selbst entwickelt.
zu den links, typische durch den LSVD gepflegte Diskurse, und es geht hier wirklich um die Art und Weise der Argumentation sind solche:
http://www.queer.de/detail.php?article_id=9163
„“LSVD fürchtet Einführung der Scharia an Berliner Schulen“
oder auch
http://www.homosexualitaet.de/glaube.htm
„Im Islam gibt es keine vergleichbare theologische Diskussion über Homosexualität. Die konventionelle islamische Bewertung von Sexualität geht von einem klaren Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern aus: männliche Dominanz und weibliche Unterordnung. Die Ehe ist auf Fortpflanzung angelegt und folgt keinem Ideal der romantischen Liebe nach westlichem Verständnis. “
Diskurse darueber z.B. hier
http://www.darkmatter101.org/site/2008/05/02/racism-in-the-closet-interrogating-postcolonial-sexuality/
„By commissioning this survey, the LSVD – as Germany’s largest gay and lesbian organization – played a part in consolidating a ‘progressive’ conception of German values through the rejection of the Muslim subject. Homophobia is thus simultaneously nationalized and racialized. “
Ich suchte vor ein paar Tagen lediglich 20 min per google nach links, es findet sich wahrscheinlich noch bedeutend mehr und zweifelhafteres, auch bzgl. maneo etc.
Doch – noch einmal zum Mitlesen: „könnte [!] dann weiter vermutet [!] werden, daß auch diesem Rassismus-Vorwurf ein zu weiter Rassismus-Begriff zugrundeliegt“.
„Vermute[n]“, nicht „wissen“! Und ich schreibe „könnte“.
Ich mache mir nicht einmal diese hypothetische Schlußfolgerung zu eigen. Ich versuche nur zu erklären, warum Butlers Kritik nicht allen Leuten evident erscheint.
(Ich für meine Teil kann mir sogar gut vorstellen, daß sich der Rassismus-Vorwurf bei genauerer Kenntnis der Auseinandersetzungen um den Berliner mCSD begründen ließe. Nur – das müßten die Leute, die sich auskennen, mal tun.)
Und was soll der Pfeil besagen?
Das ist in meinen Augen eine völlig a) unerhebliche und b) spekulative Fragestellung.
zu b): Über was-wäre-wenn-Geschichte lassen sich kaum abgesicherte Aussagen treffen.
zu a) Es ist bspw. sowohl möglich, den Zionismus für eine falsche Antwort auf den Antisemitismus zu halten (dies gegen die pro-Israel-Fraktion), als auch einen ‚endogenen‘ (nicht erst aus der Verfolgung zu erklärenden) Zionismus für genauso legitim (oder illegitim) wie alle anderen Nationalismus auch zu halten (dies gegen die ‚Antiimp‘-Fraktion).
Das ist nur ein weiteres Beweis dafür, wie legitimatorische Ursprungserzählungen auf beiden Seiten dazudienen, von einer Analyse der heutigen Situation und der heute auf dem Spiel stehenden Interessen abzulenken.
noch einmal, entschuldigung fuer dieses Stueckwerk, das fuehrt allerdings vom Thema des Rassismus ab:
„Daß Selbstmordattentate, die Du ‘eigentlich’ für grundfalsch hältst, doch irgendwie ein bißchen sozialarbeiterisch verständlich sind und deshalb nicht klar und deutlich kritisiert werden sollen, sondern vielmehr herumlaviert werden soll?“
ist nicht was ich daraus folgere, es geht darum, und das glaube ich auch als Butlers Intention erkannt zu haben, dass die Situation der Palaestinenser und damit die Gewalt der Hamas auf die notwendige Bedingung von initialer Gewalt und damit auf Europas Gesellschaften zurueckfaellt. Butler erwaehnt den Holocaust offenbar selten direkt, aber indem sie Israels Gewalt sichtbar macht, die ja eine direkte Folge von juedischen Erfahrungen im Holocaust ist (jahrhundertelange Politik des Aussitzens von Verfolgungen etc. muendet in der eigenen Vernichtung), macht sie den Holocaust fuer den Diskurs sichtbar. Die deutschen pro-Israel-Haltungen sind doch in Teilen jene, die die blosse Tatsache vergessen machen wollen, dass es jemals eine ueberaus gewaltvolle Gruendung des Staates Israel gegeben hat und damit auch, wer die Gewalt eigentlich saete.
nein, tut mir leid, die unsichere Implikation die ich meinte, war:
„Sollte [!] Lesart b) zutreffen, so würde ich schon sagen, daß wir es mit einem untunlich weiten Rassismus-Begriff zu tun hätten.“
=> bedeutet eine logische Implikation, keine temporale, es geht auch nicht um legitimatorische Urpsrungserzaehlungen, sondern um die Frage, wer die Hauptverantwortung fuer die Lage im Gaza-Steifen traegt und das sind, vielleicht sollte ich es so deutlich sagen, aus meiner Sicht die Rechtsnachfolger der europ. Nationalstaaten der ersten Haelfte des 20. Jahrh. So trivial das klingt, aber bei alldem geht es doch um die Frage: was macht man mit Millionen von bitterarmen Palaestinensern und meine Antwort darauf ist, dass der erste Schritt zur Loesung der Probleme eine Entschsedigung der P. duch die Europaer ist. Dabei geht es nicht darum, ob der Zionismus ‚falsch‘ war, sondern darum, dass er ohne die Verfolgung niemals existiert haette, deshalb ist mir diese Feststellung gegen die deutsche Zionismus=Nationalismus-Linke/Rechte so wichtig. Dass fuer den Zionismus die Verfolgung notwendig war, ist aber bei Hilberg etwa ausfuehrlich nachzulesen, alles andere ist pure nonsense, vielleicht auch ‚Dekonstrukivismus‘, fuer mich aber einfach Antisemitismus.
I.
Wegen Halbsatz 1 ist aber nicht gesichert, daß „indem“ + Halbsatz 3 tatsächlich tatsächlich Butlers Intention trifft.
II.
„nein, tut mir leid, die unsichere Implikation die ich meinte, war:
‚Sollte [!] Lesart b) zutreffen, so würde ich schon sagen, daß wir es mit einem untunlich weiten Rassismus-Begriff zu tun hätten.'“
Diese Implikation scheint mir in der Tat nicht unsicher sein zu sein. Lesart b) war: „sie findet vielleicht, zu sagen, daß Hamas eine reaktionäre, antifeministische und auch kein Stück antikapitalistische Gruppierung ist, sei bereits rassistisch, eurozentristisch oder jedenfalls nicht ‚differenziert‘ genug.“
Dann verteidige mal bitte die von mir verworfene, hypothetische Aussage, „Daß Hamas eine reaktionäre, antifeministische und auch kein Stück antikapitalistische Gruppierung sei, ist bereits rassistisch, eurozentristisch oder jedenfalls nicht ‚differenziert‘ genug.“ Ich bin gespannt.
III.
Und was impliziert was?
Du schriebst: “es gibt heute Selbstmordattentate in Israel => es hat eine Judenverfolgung in Europa gegeben (und gibt es noch)”
Implizieren die Selbstmordattatentate, daß es in Europa Antisemitimus gegeben hat und gibt? Was soll daran logisch sein?
Oder ist es vielmehr umgekehrt? Und was unterscheidet das dann von der von mir kritisierten Aussage?
Um zum Anlaß zurückzukommen – auf die LSVD-links (http://maedchenmannschaft.net/judith-butler-und-die-schwul-lesbische-dekonstruktion/#comment-29455) gehe ich morgen mit einem separaten Text ein.
„Dann verteidige mal bitte die von mir verworfene, hypothetische Aussage, “Daß Hamas eine reaktionäre, antifeministische und auch kein Stück antikapitalistische Gruppierung sei, ist bereits rassistisch, eurozentristisch oder jedenfalls nicht ‘differenziert’ genug.” Ich bin gespannt.“
man koennte vielleicht sagen, dass sie (die Hamas) nicht reaktionaerer, antifeministischer und weniger antikapitalistisch ist als andere in ihrem Selbstverstaendnis und nach allgemeiner Auffassung linke Befreiungsbewegungen der juengeren Geschichte sind oder waren und dass deshalb mit zweierlei Mass, i.e. rassistisch gemessen wuerde. Das setzt natuerlich einen realistischen oder kritischen Begriff dieser linken Bewegungen voraus, aber ich sehe nicht, wo diese nicht jemals Maenner-dominiert, gewalttaetig und im Effekt auch nicht besonders politisch emanzipativ gewesen seien. Meiner Meinung nach hat Butler einen distanzierteren Begriff vom ‚links-sein‘ als ihre Fans es wahr haben wollen, aber genau deshalb kann sie auch richtig einordnen, ich glaube Arendt vertrat aehnliche Haltungen.
„Implizieren die Selbstmordattatentate, daß es in Europa Antisemitimus gegeben hat und gibt? Was soll daran logisch sein?“
das ist so logisch, wie es eine notwendige Bedingung eben sein kann, viele logisch klare Aussagen klingen dem Laien unsinnig, aber formuliert man das um per Kontraposition (A=> B ist aequivalent zu (nicht B)=> (nicht A) ) kommt man zu der Aussage, ohne den Antisemitismus in Europa haette es keinen Zionismus (und damit keine Selbstmordattentate) gegeben und das ist exakt, was ich Hilberg entnahm. Ich kann nur jedem dringend empfehlen, sich die Grundlagen logischen Schliessens anzueignen.
Ich störe ja ungern eure hochtheoretische Diskussion, wenn ich das richtig verfolge, sind wir mittlerweile bei der NS-Zeit und Selbstmordattentaten in Israel gelandet. Thema anyone? Es wäre der Diskussion förderlich, denn offensichtlich seid ihr ja an dieser interessiert, wenn wir zum eigentlichen Thema, nämlich Butlers Vorwürfen an die schwullesbische Community zurückkämen, damit auch andere Leser_innen sich wieder eingeladen fühlen, mitzudiskutieren. Wie ihr sehen könnt, ist es ziemlich einsam geworden im politisch-logischen Elfenbeinturm.
Andreas hat interessante Links gepostet, die genau das spiegeln, was auch mein Eindruck ist. Wie versucht wird die eigene westliche Heteronormalisierung vermeintlich anderen Kulturkreisen zuzuschreiben. Hier werden Nationen, Ethnien, Glaubensgemeinschaften zunächst homogenisiert und dann stigmatisiert und bipolare Kategorien vom toleranten Westen und homophoben „Nicht-Westen“ konstruiert. Dies wird anhand der Differenzlinien Religion und Race/Ethnie/Migrationshintergrund getätigt – islamophob und rassistisch beschreiben genau diesen Vorgang. Und dieser ist mitnichten neu oder unerklärt geblieben, TaP! Da muss Butler gar nichts ausführen. Vielleicht ging ihre Kritik dahingehend etwas an die falschen Köpfe, sie hätte es allgemeiner formulieren können und nicht den CSD e.V. direkt anklagen. LSVD und Maneo wären sicherlich die besseren Ansprechpartner gewesen, sogar Parteien und politische Verbände, auch auf supranationaler Ebene – aber dann hätte wiederum niemand verstanden, was eine solche Rede auf dem Berliner CSD zu suchen hätte. Konkret hat die hiesige Homocommunity ein Problem mit Rassismus, Exklusion und mangelnder theoretischer Unterfütterung. Ich habe nicht den Eindruck, dass der CSD in irgendeiner Weise die Homocommunity in ihrer Vielfalt repräsentiert (denn dafür ist der CSD ja eigentlich gedacht, deswegen hat er sich den Schuh auch anzuziehen bzw. eine Mitverantwortung), geschweige denn progressiv agiert und aus dieser Haltung (Diversity und Progressivität) heraus politische Forderungen formuliert. Manchmal komme ich mir auf entsprechenden Veranstaltungen vor wie ’74 in San Francisco. Das wirkt alles so traditionell, so weiß, so schwul und so stereotyp, dass ich mich frage, wen oder was da überhaupt repräsentiert werden soll und wie es zu solch einer Homogenität kommen kann, wenn doch angeblich Partizipationsgleichheit aller Gruppen herrscht? Mir scheint, hier sind Stimmgewichte ungleich verteilt – das hat Ursachen, sowas passiert nicht aus Desinteresse oder Zufall heraus. Diese sehe ich u.a. bei Rassismus und einem normativen, hegemonialen Identitätsgebaren homosexueller Gruppierungen.
I. Zur Logik
Daß es Selbstmordattentate in Israel gibt, hat nicht zur logischen Implikation, daß es in Europa Antisemitismus gab und gibt.* Es gilt nicht ‚Wenn Selbstmordattentate, dann Antisemitismus in Europa’.
Der europäische Antisemitismus ist keine logische Voraussetzung der Gründung Israels, sondern deren historischer Kontext. Rein logisch betrachtet hätte Israel auch unabhängig von europäischem Antisemitismus entstehen können – und auch dann könnte es Selbstmordattentate in Israel geben.
Folglich haben die Selbstmordattentate auch nicht zur logischen Implikation, daß es in Europa Antisemitismus gab und gibt. –
Daß der europäische Antisemitismus zum historischen Kontext der Entstehung Israels und damit zur Vorgeschichte heutiger Selbstmordattentate gehört, ändert aber nichts an der Verantwortung heutiger TäterInnen für ihr heutiges Tun. Ein politisches Mittel ist dann legitim, wenn es für ein legitimes Ziel eingesetzt wird und tatsächlich geeignet ist, diesem legitimen Ziel zu dienen.
Trifft das auf die Praxis von Hamas zu – ja oder nein?
II. Zu nationalen Befreiungsbewegungen
Das ist doch absurd:
1. Hamas ist in Konkurrenz zum bürgerlich-sozialdemokratischen mainstream und dem linken („marxistisch-leninistisch“ angehauchten) Flügels der PLO (DFLP, PFLP) entstanden. Unbenommen ist, daß auch deren Politik noch kritisiert werden kann – und zwar gerade u.a. wegen deren späterer Bündnispolitik ggü. Hamas. Aber auch Bündnis heißt noch nicht Identität.
Vgl. http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/03/weil-sachkenntnis-jeder-diskussion-nur-gut-nun-gut/#comment-2075.
2. Andere Guerillabewegungen als Hamas gründeten, soweit sie als links anerkannt waren, m.W. nicht auf einer religiösen Ideologie, sondern auf einer Mischung von Marxismus und beim-Wort-nehmen der ‚Werte‘ der europäischen Aufklärung.
Seitdem die nicaraguanische ESLN (Sandinisten) Bündnispolitik u.a. mit der katholischen Kirche macht, wird sie von vielen Linken kritisiert wird. Andere Linke verteidigen sie aus aller Anhänglichkeit; aber auch dieser Anhänglichkeit liegt der Irrtum zugrunde, Antiimperialismus als solcher sei bereits links.
3. Auch jene Mischung von Aufklärung und Marxismus war zwar weder antikapitalistisch noch feministisch, aber implizierte doch immerhin eine reformistische Absoftung von Kapitalismus (verbunden mit einer vagen Transformationsperspektive in Richtung Kommunismus) und Patriarchat. Daß das auch für Ideologie und Praxis von Hamas gilt, kann Andreas ja gerne mal versuchen nachzuweisen.
4. Daß es möglich und richtig ist, Antiimperialismus und Anti-Rassismus nicht mit einer Identifizierung mit Gegen-Nationalismus und dem Verschweigen von Kritik an den Programmen nationaler Befreiungsbewegungen zu verbinden, zeigte eine der letzten Erklärungen der Roten Zora:
Warum soll es bitte sehr nicht möglich oder zulässig sein, Hamas mindestens in der gleiche Schärfe zu kritisieren?
5. Solidarität mit den ‚Opfern’ des Imperialismus ist also in erster Linie eine negative Aufgabe der Kritik am hiesigen Imperialismus und weder eine positiv Aufgabe der Identifizierung mit Gegen-Nationalismus und des Verzichts auf die eigene gegen Herrschaft und Ausbeutung gerichtete Programmatik noch die Aufgabe eines paternalistischen Alternativ-Imperalismus, der meint weltweit die eigene Programmatik durchsetzen oder Weltpolitik betreiben zu sollen (vgl. dort).
So, nach diesem – wie mir scheint notwendigen („Butler selbst diesen Zusammenhang zwischen ihrer weltpolitischen und ihrer lokalpolitischen Islamophobie- und Rassismus-Kritik sieht“ / „Kriegs-Rechtfertigungen“) – Umweg, mache ich mich jetzt an die Arbeit wegen LSVD-links. Entweder wird es heute noch kurz vor 10 h fertig oder es wird morgen erst etwas..
* Implikation = Verknüpfung von Aussagen a und b zu einer Aussage der Form ‚wenn a, dann b’.
„Hier [in den von Andreas geposteten links] werden Nationen, Ethnien, Glaubensgemeinschaften zunächst homogenisiert und dann stigmatisiert und bipolare Kategorien vom toleranten Westen und homophoben ‚Nicht-Westen‘ konstruiert. Dies wird anhand der Differenzlinien Religion und Race/Ethnie/Migrationshintergrund getätigt – islamophob und rassistisch beschreiben genau diesen Vorgang.“
Grundsätzlich würde ich dem zustimmen – nur: Genauso wenig wie Butlers De-Konstruktion der Geschlechter heißt, diese seien bloßer Schein oder würden gar nicht existieren, so gilt auch für Nationen und Religionen, daß sie als Produkt sozialer ‚Konstruktion‘ machtvolle ideologische Realitäten sind, die hinsichtlich ihrer internen Hegemonialverhältnisse und externen (vergleichenden) Unterschiede analysiert und kritisiert werden können.
Daß diese Kritik mitnichten neu ist, glaube ich unbesehen. Was ich nur sage, ist: Für diejenigen, die sich seit Jahr und Tag an mCSD und LSVD abarbeiten, sollte es doch ein leichtes sein, ein kleines Dossier, das die bisherige Debatte dokumentiert zusammenzustellen.
Da Butler ja anscheinend nicht aus Eigeninitiative angefangen hat, im Berliner Lokalsumpf zu recherchieren, sondern die von ihr gelobten Gruppen sich ihrerseits an Butler gewandt hatten (Butler: „Gruppen Gespräche […], die mich kontaktiert haben“),
wäre es doch wohl nur sinnvoll gewesen, die durch Butlers Exponierung entstandene Aufmerksamkeit auszunutzen und ein solches Dossier/Pressemappe schon am vergangenen Wochenende bereitzuhalten – oder es zumindest in der seitdem vergangenen Woche nachzureichen.
Nur hatte ihr CSD e.V. den Preis angetragen – oder wer/welche sind die PreisstifterInnen?
Also ein nicht zu Ende durchdachter Fall von Feuerwehrpolitik. Den Verdacht hatte ich schon letztes Wochenende:
„4. Zweifelsohne ist es von Berkeley aus schwierig, sich zu solchen Berliner Lokalstreitigkeiten fundiert und mit konkreten Belegen zu äußern. Aber das zeigt nur wieder einmal, wie schwierig ist es, weltweit politisch intervenieren zu wollen.
Fundierte Diskussionen, zumal wenn es um Details konkreter politischer Auseinandersetzungen geht, benötigen den Austausch von Detail-Wissen, und dieser Austausch benötigt auch unter heutigen Bedingungen erhebliche Zeit. Das internationale Feld sollte auch heute in allererster Linie ein Feld der theoretischen Diskussion (ohne Zeitdruck), nicht des direkten politischen Intervenierens (unter Zeitdruck) sein.
5. Jedes Intervenieren von Ferne beinhaltet die Gefahr von Paternalismus und Alternativ-Imperialismus. Wenn auch meine Sympathien alles andere als bei der reformistischen, konsumistischen und kommerzialisierte Praxis des mainstream-CSD liegt (und erstrecht jede Sorge vor einer Kolonialisierung deutscher CSD-Veranstaltungen durch us-amerikanische Intellektuelle fehl am Platze wäre), zeigt dies Beispiel von Rassismus-Vorwürfen ohne Belege doch, daß diese Methode des Intervenierens von Ferne als solche problematisch ist. Die falsche Methode wird nicht richtig, wenn sie für die gute Sache angewendet werden.“
(http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/20/abschrift-der-preis-annahme-verweigerungsrede-von-judith-butler-beim-csd-in-berlin/)
Das repräsentiert halt die, die da hingehen.
Das mag sein – nur wird im Moment gerade die Chance verschenkt, aus Butlers Intervention etwas zu machen. Und das liegt nicht an mCSD & Co. KG, sondern an denjenigen, die ihrer Kritik nicht Butter bei Fische geben.
(Und was ich mir darüber hinaus vorstellen könnte – aber keine Ahnung, wie linsradikal die von Butler gelobten Gruppen eigentlich sind; aber in autonomen Zusammenhängen ist das ja ein bekanntes Phänomen:
Erst wird sich nicht effektiv organisiert; es wird nicht verbindlich in Bündnisverhandlungen interveniert – und anschließend gibt es einmal wieder das große Lamento, daß ‚die Reformisten‘ einen/r über den Tisch gezogen hätten.)
@TaP
Ganz ehrlich, ich hab keinen blassen Schimmer, was du eigentlich sagen willst. Hier wurden bereits alle Kritikpunkte aufgenommen, erläutert und zum Teil widerlegt. Deinen Ausführungen entnehme ich seit gefühlt 10 Kommentaren dieselben Argumente, ungeachtet dessen, was hier angeführt wird. Das macht die Diskussion sehr ermüdend.
Ich am Fr., den 25.6. um 10:46 h: „Wo steht bei Dir, bei Butler, bei den von Butler gelobten Gruppen ‚dezidiert‘, was der CSD getan oder unterlassen hat?“
Du am Fr., den 25.6. um 23.52 h: „LSVD und Maneo wären sicherlich die besseren Ansprechpartner gewesen, sogar Parteien und politische Verbände, auch auf supranationaler Ebene – aber dann hätte wiederum niemand verstanden, was eine solche Rede auf dem Berliner CSD zu suchen hätte.“
Verzeihung, falls ich zwischendurch eine Antwort auf meine Frage übersehen hatte. Hatte ich?
Jedenfalls – meine Schlußfolgerung aus Deiner Antwort: Heute, Sa., den 26.6., 9:16 h: „Also ein nicht zu Ende durchdachter Fall von Feuerwehrpolitik.“
Du, heute, Sa., den 26.06.2010 um 10:21 h: „Ganz ehrlich, ich hab keinen blassen Schimmer, was du eigentlich sagen willst.“
Also, mich würde im Moment nur noch interessieren, ob Du meiner Schlußfolgerung zustimmst, und falls nicht, warum nicht. –
Meine Stellungnahme zum von Andreas zusammengestellten Material zum LSVD ist noch in Arbeit; gehe jetzt erst einmal zum tCSD.
TaP, rein logisch muss gar nichts passieren, nicht das ‚allersicherste‘ Naturgesetz, etwa dass morgen die Sonne wieder aufgeht oder Planeten auf Ellipsenbahnen kreisen oder die Erde morgen noch annaehernd rund ist oder dass veraenderliche Magentfelder Stroeme in Leitern induzieren, all das ist blosse (gut begruendete) Empirie und Glaube an gewisse Entitaeten von raeumlicher und zeitlicher Kontinuitaet. Wenn ich also sage, ohne die Judenverfolgung in Europa haette es keinen Zionismus gegeben (lassen wir das Selbstmordattentat einmal fuer den Moment aussen vor), so ist das simplerweise eine MEINUNG, die in eine logische Implikation gegossen wurde. Die Annahme, dass diese Implikation wahr ist, also B wahr, wenn A wahr ist in A=> B, ist also meine *Meinung* und fusst auf dem Studium von Hilbergs Buch ‚Die Vernichtung der Juden in Europa‘, sollte jeder mal genauer reingeschaut nebenbei gesagt, zumindest in D. Ich lege allein deshalb Wert darauf, logisch exakt zu argumentieren, weil B => A, wenn B die Judenverfolgung und A der Zionismus ist, eine VOELLIG andere Aussage ist. Es ist ein grobes Missverstaendnis, logisch exakte Argumentation in der Philosophie, im echten Leben, in der Physik etc. fuer eine Art Wahrheitsfindungsmethode zu halten, logisch exakte Argumentation ist auch dann logisch exakt, wenn sie auf voellig absurden Praemissen beruht. Das ist aber nicht der Fall in dieser Frage, wie ich glaube. Ich frage mich, warum Deutsche verschiedener Lager heute soviel Wert darauf legen festzustellen, dass es die heutigen Probleme im Nahen Osten auch ohne den Terror der Europaer gegen Juden im letzten Jahrhundert gegeben haette, ich halte das fuer sehr unwahrscheinlich, logisch ist natuerlich, wie erwaehnt, auch das absurdeste moeglich, aber du koenntest ja einmal versuchen zu begruenden, was historisch darauf hinweist, dass der Zionismus wenig oder nichts mit den europaeischen Verfolgungen zu tun haette, dann kommen wir naemlich zu dem eigentlichen taeglichen Antisemitismus der Linken, ich bin gespannt.
Ich ‚verteidige‘ hier die Hamas nur insofern wie ich glaube, hiermit Butlers Haltung, die Hamas sei eine ‚linke‘ Bewegung, verstehen zu koennen. Ich halte ihre Haltung angesichts des Gruendungskontextes der Hamas (soziale Ausrichtung etc.) fuer vertretbar und glaube allerdings, dass Butler weder die europ. Aufklaerung noch Marx etc. ihrem Begriff von ‚links‘ sein als notwendig zugrundelegt. Ich vermute, dass sie ideologische Radikalisierung, Religion und Gewalt nicht als hinreichende Ausschlussgruende fuer ‚links sein‘ betrachtet, weil ihr Begriff von ‚links sein‘ offensichtlich auf anderen Praemissen gruendet (die sie offenbar nicht bei jeder Gelegenheit breittritt) und sehe auch nicht, dass ihr hier diskutiertes statement ausschliesst, dass sie sich andernorts kritisch ueber die Hamas geaeussert hat. Butler hat sich wie ich sehe nicht eigentlich positiv ueber die Hamas geaeussert oder sich mit ihr identifiziert (im uebrigen auch ich nicht) sie sagte, die Hamas sei ‚links und progressiv‘ und eine ’soziale Bewegung‘, mag der Betrachter daraus herauslesen, dass sie sagte, die Hamas sei Mutter Theresa.
..in uebrigen intervenierte Butler auch indem sie den Preis angenommen haette, sie befand sich, wie ich annehme in einer unvorhergesehen Zwickmuehle, innerhalb derer ihre Annahme den CSD und wesentliche Haltungen seiner Organisatoren affirmiert haette und die Affirmation dieser Haltungen eine Intervention in Diskurse bedeutet haete, die weitaus weniger in Butlers Sinne lag als die Intervention, die aus der Ablehnung des Preises folgte. Haette Butler die Anreise verweigert waere auch das eine inhaltliche Stellungnahme gewesen, das zeigt, dass Diskursmacht immer auch ‚imperialen‘ Charakter hat in Zeiten der ‚Globalisierung‘.
Wow, Andreas, die Deutschen sollen was? Am „deutschesten“ verhaeltst du dich mit deinen hochtheoretischen Gedankengaengen hier und schon respektlos. Gut, meine Meinung. Die Maedchenmannschaft.net sollte das aber locker schlucken koennen, ohne sich zu verschlucken. Auf der ganzen Welt verteilt (besonders in der BRD, USA, Russland, Cuba) sitzen die grossen ExpertInnen, die genau wissen was in Israel und Palestina so laeuft und was man machen muss, damit sich alle Konflikte in Luft aufloesen. Das ist vermutlich die Sicht von aussen, denn dann hat man zwar keine Ahnung und war nie vor Ort, hat aber die gute Patentloesung. Pech, dass gerade in Israel selbst – laut dieser Diktion – nur Menschen sind, die alles falsch machen.
Da ich selbst betroffen war/bin, mag man meine Sichtweise nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist aber auch in Ordnung!
Um auf den Zionismus zurueckzukommen und der seltsamen Theorie, dass Israel als Staat nicht wieder auferstanden waere, haette es keine Judenverfolgung gegeben, heisst das im Umkehrschluss, dass es dann – ohne Israel – im geographischen Israel alles toll waere. Juden gaebe es dort dann vermutlich keine mehr und sonst waere alles so wie in der Diktatur von Syrien, die sich auch als „Links“ bezeichnet? Das unsaegliche Leid im Iran, Kurdistan … auch weg?
Unsinn bleibt Unsinn, sage ich. Fuer mich zaehlen in erster Linie die Menschenrechte und dann kann man ueber alles andere sprechen. Zu den Menschenrechten zaehle ich auch die Freiheit, keine Diskriminierungen wegen Geschlecht, sexueller Praeferenz etc.
Und wer ein Terror-Regime, welches dem diametral entgegensteht und taeglich die Menschenrechte verletzt, in irgendeiner Form verharmlost ist fuer mich kein Diskussionspartner. Das nicht, weil ich keine anderen Meinung dulde, sondern weil ich meine Energie und Zeit – aus meiner Sicht – sinnvoller einsetzen zu gedenke.
Ich glaube ich spreche da für einige wenn ich mal einfach frage: Häh?
Ok. Ich weiß, da gibt es in Berlin grobgesagt zwei Gruppen, die sich nicht abkönnen. Grobe Erinnerung: Da war mal vor ein paar Jahren was bei Indymedia (!) zum alternativen CSD durch Kreuzberg, was einigen Menschen (schätzungsweise Antideutschen) aufgrund der Beteiligung einiger Menschen (vermutlich Antiimps) nicht gefallen hat.
Die linke berliner Politszene ist extrem gespalten. Das weiß ich auch.
Dann gibt es da eine amerikanische Wissenschaftlerin, die ihre Theorie politisiert hat und deswegen von vielen Anhänger_innen bewundert und von vielen anderen beachtet wird, wenn sie etwas politisches äußert.
Diese Wissenschaftlerin hat jetzt mit einigen der einen Gruppe geredet, die haben sie auf die krassen Fehltritte der anderen hingewiesen. Vermutlich ohne größere Beweisketten, denn dafür reichte die Zeit ihres Aufenthalts in Berlin nicht aus. Also lehnt sie den Preis der anderen Seite ab.
Sie begründet das nicht genauer, aber scheinbar wissen viele Leute die dazu schreiben um was es ihr ging, weil sie entweder zu einer der beiden sich nicht leiden könnenden Gruppen gehören, oder sich an alte Debatten zu genau dem selben Punkt erinnern.
Die Person Judith Butler müsste aber doch völlig egal sein, wenn es schon seit Jahren um Rassismus innerhalb schwullesbischer Bewegung ging, oder?
Ich erinnere mich, dass mir ein schwuler Freund vor Jahren schon eine Unterschriftenliste gegen eine Organisation für schwule Gewaltopfer vorgelegt hat, die wollte dass es Kennzeichnungen für arabische Läden gibt.
Ein anderer Freund hat mir Kontaktanzeigen mit erotischen Bildchen gezeigt, die am Holocaustmahnmal als Kulisse aufgenommen wurden.
Jetzt frage ich mich als außenstehender (nicht in die Debatte eingelesener) Mensch warum denn diese rassistischen Leute immer noch als Sprachrohr gelten dürfen. Ist es wie überall in der linken ein Streit zwischen Verteidiger_innen der Moderne gegen die der Postmoderne? Trotzki gegen Bakunin? Luxemburg gegen Zetkin? Was lähmt die schwullesbische Bewegung zu handeln?
Das bleibt aber unbeantwortet. Lieber streitet ihr euch über eine Philosophin, deren Theorie aber anscheinend bei eurer Debatte völlig egal scheint.
Das verstehe ich nicht. Erklärts mir wer?
@ „Erklärts mir wer?“
vielleicht ist es bei inzwischen 69 Kommentaren untergegangen: es gibt inzwischen eine Stellungnahme vom CSD in der auch aus einer Kommunikation mit Butler zitiert wird, die sie nach der Verleihung geführt haben:
http://www.csd-berlin.de/index.php?m=25&id=257&&UID=2e7861567761fac77fbb6516ad0bb0ab
das ist jetzt natürlich die Perspektive des CSD und keine allgemeingültige Bewertung des Ganzen, aber vielleicht hilft’s ja beim „Erklärungen finden“? :)
hm, Gan-chan, ich verstehe nur Bahnhof, offenbar wurde da einiges missverstanden. Ich habe nicht gesagt, dass ich grosse Teile der Hamas nicht fuer ‚terroristisch‘ hielte oder dass ich sie, noch einmal: ‚gut faende‘, aber ‚links und progressiv‘ kann auch diesen Terror bedeuten, das sollte die Geschichte gelehrt haben. Ich habe irgendwann aufgehoert, die Linke allgemein als ‚gut‘ anzusehen, nachdem etwa Blaetter wie die taz im Durchschnitt rassistischer, Bezirke wie Berlin-Kreuzberg maennlich-dominierter, Parteien wie die SPD oder die LINKE antisemitischer agieren als der jeweilige Durchschnitt. Bezueglich des Zionismus interessieren mich tatsaechlich die historischen Fakten, wenn mich hier jemand ueberzeugen kann, dass dieser nicht wesentlich auf die europaeische Judenverfolgung zurueckgeht, bin ich ja bereit, belehrt zu werden. Anonsten interessiert mich eben gerade nicht die Intervention Europas im Nahostkonflikt, mich interessiert viel eher, dass sich Paelaestinenser und Israelis gemeinsam ueberlegen, wie sie Europa zur Rechenschaft ziehen, denn fuer mich ist die Gewalt dort nichts anderes als der transformierte, abgeschobene Hass der Europaer, uns geht es so gut, weil es diesen so schlecht geht.
@ Andreas:
Dann haben wir uns teilweise wohl missverstanden. Das mit den Linken sehe ich auch so wie Du und musste es auch erst lernen.
Was den Zionismus angeht, kann dir niemand konkrete Beweise liefern, denn das waere ein Was-waere-wenn-Spiel. Haette es keine Judenverfolgungen gegeben … haette es so oder so sein koennen.
Die Judenverfolgungen haben aber vermutlich den Zionismus bestaerkt. Genaue Zahlen zu nennen (wieviel % etc.) halte ich aber nicht fuer relevant. Es wurde beschlossen einen alten Staat (Israel) wiederherzustellen und einen kuenstlich zu bilden (Jordanien). Ich bin froh, dass es Israel, den einzigen demokratischen Staat in der Region gibt, denn Freiheit, Menschenrechte und Demokratie sind mir sehr wichtig geworden!
Anti-Islamismus? Islamismus kritisieren ist als verwerflich?
Andreas (25. Juni 2010 um 19:59):
Andreas (25. Juni 2010 um 20:49):
@ Andreas (26. Juni 2010 um 22:59)
Dann laß es doch einfach, logische Kategorien dort anzuwenden, wo sie nicht hingehören.
Während es Sinn hat zu sagen: „Daß es regnet, hat zur Implikation, daß die Straße naß wird.“, hat es keinen Sinn zu sagen, „Daß es heute Selbstmordattentate in Israel gibt, hat zur Implikation, daß es eine Judenverfolgung in Europa gegeben hat (und noch gibt).“
Dein Satz ist genauso Quatsch, wie es Quatsch wäre zu sagen, „Daß die Straße naß ist, hat zur Implikation, daß es geregnet hat.“ Nein, es kann auch Straßenreinigung dagewesen, der Schnee geschmolzen sein, einen Wasserrohrbruch gegeben haben oder oder oder.
Und haargenauso so ist der europäische Antisemitismus keine „Implikation“ palästinensischer Selbstmordattentate.
Andreas (27. Juni 2010 um 14:59):
Gan-Chan (27. Juni 2010 um 18:08):
Na is ja schön, daß Ihr Euch da als Nicht-Linke einig seid. Für Linke besteht allerdings aus den schon genannten Gründen kein Anlaß sich mit Hamas zu identifizieren oder sich mit Hamas identifizieren zu lassen.
@ yourenlightenment (28. Juni 2010 um 16:10):
Du bist also bekennender Anti-Islamist? Und wie würdest Du Deine Kritik des fundamentalistischen Christentums bezeichnend? Anti-Christismus? Oder hast Du diesbzgl. gar keine Kritik? –
Ergo: Es dürfte wohl sinnvoll sein, zwischen (liberaler) Islamismus-Kritik und (atheistischer) Islam-Kritik einerseits und Anti-Islamismus oder Islamophobie, die bspw. das Christentum als bessere Alternative anpreisen oder jedenfalls aus der Schußlinie nehmen, andererseits zu unterscheiden.
Bist Du nun Islamismus-Kritiker? Oder Anti-Islamlist?
So,
hier jetzt eine Zusammenfassung meiner Stellungnahme zu den drei links von Andreas, die die Rassismus-Vorwürfe belegen sollen:
Auch die drei von Andreas genannten links belegen die Rassismus-Vorwürfe gegen den Berliner CSD nicht, denn um diesen geht es in den drei Texten gar nicht.
Auch der LSVD, um den es dort tatsächlich geht, läßt sich mit den dort vorgebrachten Argumenten und Belegen nicht als rassistisch bezeichnen. Zwar enthalten die LSVD-Stellungnahmen einige fragwürdige Aussagen. Auch läßt sich einigen Sätzen eine – von dem jeweiligen Gegenstand des Satzes nicht gedeckte – einseitig anti-islamische Stoßrichtung bei gleichzeitig geschönter Darstellung der christlichen Religionen entnehmen. Auch gibt es eine Tendenz zu Panikmache in der Darstellung des islamistischen Einflusses in der BRD.
Es findet in diesen Stellungnahme aber keine einseitige Verknüpfung bestimmter Religionen mit bestimmten Ethnien oder Nationen statt. Folglich läßt sich aus dem (berechtigten) Islamophobie-Vorwurf kein (berechtigter) Rassismus-Vorwurf ableiten.
Die Verknüpfung der Kategorien Nation und Religion wird vielmehr in dem dritten von Andreas genannten Text erst von außen an den LSVD bzw. dort einem Bericht der Süddeutschen Zeitung herangetragen. Es wird ein Pappkamerad von den KritikerInnen aufgebaut, um ihn dann umhauen zu können.
Wer/welche die fragliche Studie, über die die Süddeutsche berichtet, mit den Argumenten des von Andreas verlinkten darkmatter-Textes als „rassistisch“ verwirft, handelt genauso haltlos wie StalinistInnen, die die Genetik oder die Psychoanalyse als „bürgerlich“ verwerfen, weil diese deren vorgefaßter ‚Meinung’ oder deren ‚Interesse’ widersprechen.
Rassismus und Islamophobie sind auch verschiedene Dinge, finde ich. Ich selbst beispielsweise lehne jede monotheistische Religion ab. Glaeubige Moslems versuchen mich allerdings immer frueher oder spaeter zu bekehren. Die Religion an sich ist kein Kriterium fuer mich. Wenn sich jemand Frauenfeindlich verhaelt oder gegen die Menschenrechte agiert oder agitiert, dann halte ich dagegen. Egal welche Religion da im Spiel sein mag. Es ist aber so, dass es bei ueber 90 % der Faelle um den Islam geht und dieser auch noch als Begruendung genommen wird. Deswegen habe ich keine Phobie, und bin auch nicht rassistisch, denn nationalistisch sortiere ich nicht.
Beleg für die 90 %-Zahl?
Siehe dagegen bspw. hier: http://maedchenblog.blogsport.de/category/sexismus/
Frage mal bei einer Beratungsstelle nach, wo sich Frauen hinwenden, die maennliche Gewalt erfahren mussten.
Und – was erfahre ich da? Daß christliche und atheistische Männer keine Frauen schlagen und vergewaltigen?
@TaP
Was ist denn Islamophobie? Zu deiner Frage: Islamkritiker.
Liebe Kommentator_innen,
ist es möglich, dass ihr zum Thema zurückkehrt? Das ist jetzt bereits das zweite oder dritte Mal, dass der Thread völlig wegführt und in Grundsatzdiskussionen endet. Nochmal möchte ich nicht daran erinnern.
Einen schönen Abend noch!
Liebe Nadin_*e,
Islamophobie war einer der Ausdrücke Butlers in ihrer denunziatorischen Rede.
..wenn Butler die Konstruktion ‚anti-islamischer Rassismus‘ benutzt, und das tat sie doch, ist es offenbar, dass sie von einer Konstruktion von Rassismus ausgeht, die das Verbreiten von Vorurteilen gegenueber den Traegern einer bestimmten Religion und/oder Kultur als Rassismus ansieht. ‚Ethnie und Nation‘ sind schon lange nicht mehr blosser Inhalt des Rassismusdiskurses, das wuesste TaP sicherlich, wenn er sich mal bequemen wuerde, Rassismusforschung und die dazugehoerigen Diskurse wahrzunehmen.
Zur Frage der Logik: ich kann es dir nicht erklaeren, TaP, weil du glaubst Logik duerfe nur Tautologien des Alltagsverstaendnisses formulieren. Versuche zu verstehen, dass die Unterscheidung zwischen ’notwendigen und hinreichenden Bedingungen‘ ein logisches Werkzeug ist, mit dem man Dinge *formuliert*, nicht beweist, ausserhalb formaler Systeme gibt es keine Beweise.
@yourenlightenment,
danke für deine Belehrung. Das Wörtchen „ist“ soll übrigens auch in Butlers „denunziatorischer“ Rede vorgekommen sein. Nächste Kommentare in die Richtung werden gelöscht.
Wenn sie dem CSD Islamophobie vorwirft, muss man über diesen Begriff – den ich für absolut sinnlos halte – diskutieren, sowie auch den des Rassismus, der inflationär benutzt wird und auf alles Mögliche ausgebreitet wird (Klassismus), ohne dass es sinnvoll wäre oder man sich mit der Geschichte des Rassismus auseinandergesetzte hätte.
@yourenlightenment
alles kann, nichts muss. es wäre für die diskussion schöner, wenn diese ohne pauschalisierungen, (ab)wertungen und destruktiver begriffskakophonie (endet nämlich häufig in s/w und bagatellisierung) auskäme. außer bashing hast du bisher nichts zur diskussion beitragen können. vielleicht erläuterst du mal dein anliegen oder dein problem mit butlers preisablehnung, statt von anderen kommentator_innen rechtfertigungen und definitionen zu fordern, die nichts mit dem eigentlichen thema zu tun haben.
@Andreas
etwas mäßigung im ton bitte, ja? vielleicht hast du ein paar links für die anderen statt ihnen bequemlichkeit vorzuwerfen. ansonsten: d’accord!
@Andreas
Da fängt es doch schon an. Der angebliche Rassismus ohne Rassen, der sich auf alles übertragen kann, so dass alles dann rassistisch ist und der Begriff noch mehr verwässert. In der Rassismusforschung gilt Rasse dan als soziales Konstrukt, ganz so, als würde ein Rassist sich nicht an etwas natürlichem, nicht-identischen wie der Hautfarbe orientieren und daraus seinen Wahn der verschiedenen Wertigkeiten der Rassen, die es nicht gibt, ableiten.
@yourenlightenment
ist es möglich, dass du deine postings ohne pauschalisierungen und unterstellungen formulierst?
rassismus war schon immer ein soziales konstrukt, da es „rassen“, wie du schon richtig schreibst, nicht gibt. alle -ismen basieren auf zuschreibungen sozialer subjekte, alle -ismen objektivieren und homogenisieren menschen zu konstrukten. der/die rassist_in naturalisiert und essenzialisiert (zugeschriebene) unterschiede, insofern ja, bezieht er/sie sich auf natürliche phänomene, phenotypische merkmale, die jedoch nichts mit biologie und/oder „natürlichkeit“ gemein haben. beim anti-muslimischen rassismus, so habe ich dieses konzept verstanden, passiert nicht mehr oder weniger, als mit schwarzen passiert: muslime werden als ethnie/race konstruiert, „muslimisch aussehende menschen“, um diese dann rassistisch zu diskriminieren. hier vermischen sich islamfeindliche und islamophobe gedanken mit rassistischen. opfer rassistischer diskriminierung sind nicht nur schwarze, sondern people of colour generell. vielleicht würde es sich wirklich anbieten, wie andreas das bereits formuliert hat, sich mit den postcolonial/critical whiteness studies zu beschäftigen oder einfach gesagt: eine antirassistische website zu besuchen. http://www.m-strasse.de/
yourenlightenment (30. Juni 2010 um 00:24):
(Beispielsweise) eine einseitige Ablehnung des Islams, obwohl das zum Anlaß der Ablehnung des Islams genommene Merkmal auch auf andere Religionen zutrifft.
Nadine (30. Juni 2010 um 00:37):
Es ist mir ziemlich unangenehm, daß ich anscheinend zum erneuten Male dazu beitrage, daß Du es für notwendig hälst, einen derartigen Hinweis zu bringen.
Ich für meinen Teil würde denken, daß die Vielfältigkeit der Gesichtspunkte der Kommentare damit zusammenhängt, daß Butler in ihrer Rede auf einer sehr allgemeinen Ebene argumentiert, die vielfältige Anknüpfungspunkte bietet.
Aber vielleicht würde es helfen, wenn Du Dein Thema noch mal präzise benennst, sodaß wir mehr über Deinen Text und weniger über Butler diskutieren.
Andreas (30. Juni 2010 um 00:50):
a) Wow, „offensichtlich“ – das ist wirklich ein tolles Argument!
b) „dass sie von einer Konstruktion von Rassismus ausgeht,“ – „Konstruktion“ (Deines Erachtens) = Definition? – Oder was meinst Du?
c) „die das Verbreiten von Vorurteilen gegenueber den Traegern einer bestimmten Religion und/oder Kultur als Rassismus ansieht.“ – Und? Selbst, wenn es so wäre, wäre ja wohl noch die Frage erlaubt, ob das eine sinnvolle Definition ist, oder nicht?
Würde es nicht sowohl der wissenschaftlichen Analyse als auch der – auf die tatsächlichen Streitfragen konzentierten – Austragung politischer Differenzen dienen, wenn unterschiedliche Phänomene auch mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnet werden.
Vgl. grundästzlich zum Nutzen von Begriffs-Definitionen:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/07/26/ueber-den-nutzen-von-definitionen-ein-paar-andere-anmerkungen/ (bes. Nr. 2).
Ja, ich bin blöde (verstehe die Logik nicht) und habe Scheuklappen. – Nenn‘ doch einfach Argumente und Informationsquellen anstatt herumzupöbeln.
So blöde, daß ich den Unterschied zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen nicht verstehen würde, bin ich dann doch nicht.
Nur ist der europäische Antisemitismus weder hinreichende (das gibt’s Du selbst zu, oder?) noch notwendige Bedingung der – von Dir kritisierten (?) / skeptisch aufgenommenen (?) – anti-israelischen Selbstmordattentate. Diese Attentate könnten hypothetisch auch stattfinden, wenn es niemals europäischen Antisemitismus gegeben hätte. – Und die Frage, welchen Anteil der europäische Antisemitismus an der heutigen Durchführung dieser Attentate tatsächlich hat, ist eine empirische und keine logische Frage.
yourenlightenment (30. Juni 2010 um 01:46):
„typisch“ – das würde ich nicht sagen. Eine solche Pauschalisierung ignoriert sowohl die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der gender studies im allgemeinen als auch die unterschiedlichen Verständnisse von de-konstruktiven Feminismus im besonderen.
yourenlightenment (30. Juni 2010 um 02:01):
Gegen diesen Begriff (wenn damit ein Rassismus, der nicht mit Hautfarbe, Genen o.ä., sondern nationalen kulturellen Gemeinschaften argumentiert, gemeint ist) hätte ich meinerseits nichts einzuwenden.
Vgl. http://theoriealspraxis.blogsport.de/andere/ (Abschnitt IV.1.) .
Nadine (30. Juni 2010 um 02:36):
Wer/welche ’sieht denn muslimisch aus‘? Und wer/welche behauptet denn auch nur, daß es muslimisch aussehende Menschen gäbe? Und v.a. [s. Ausgangsthema]: Wer/welche behauptet das im CSD-Spektrum? Für diese Behauptungen müßten sich doch irgendwelche Belege/Zitate anführen lassen, wenn sie denn überzeugen sollen.
Auch, wenn das nicht mein momentaner akademischer Arbeitsschwerpunkt ist, bin ich doch überzeugt durch Lektüre von Texten und Besuch von Veranstaltungen ziemlich auf dem Stand der Debatte zu sein. Nur scheint mir auch dieser Stand der Debatte und die bisher angeführten Belege nicht zu begründen, daß der CSD „rassistisch“ ist.
Wer/welche das anders sieht, müßte (1.) seine/ihre Definition von „Rassismus“ offenlegen und (2.) nachweisen, daß tatsächlich gemachte Äußerungen aus dem CSD-Spektrum unter diese Definition fallen. –
Einfacher ist der Rassismus-Vorwurf nicht zu begründen.
ach, der rassismus kommt also einfach direkt aus der natur von den hautfarben her?
“ Wenn jemand meint Weißsein würde bedeuten, von Natur aus besser zu sein, ist das eine biologische Konstruktion. Nur weil Menschen sie tätigen, ist es längst nicht eine soziale Konstruktion.“
was soll denn bitte an einer normativen wertung („besser“) eine „biologische konstruktion“ sein? und was sind das überhaupt – mir fielen nur dinge ein, die tiere herstellen, wie ein bienenstock etwa – wie soll denn die biologie etwas „konstruieren“?. meinst du etwa „biologistisch“?
guck dir mal die geschichte des anti-irischen rassismus an. meinst du, da haben sich die engländer an der hautfarbe orientiert, um die iren rassistisch abzuwerten?
@bigmouth
Der Rassismus kommt nicht unmittelbar aus den Hautfarben, unterscheidet sich unter anderem dadurch aber vom Antisemitismus, dass er sein Objekt nicht beliebig wählt.
„was soll denn bitte an einer normativen wertung (“besser”) eine “biologische konstruktion” sein? und was sind das überhaupt – mir fielen nur dinge ein, die tiere herstellen, wie ein bienenstock etwa – wie soll denn die biologie etwas “konstruieren”?. meinst du etwa “biologistisch”?“
Das besser sein wird aus dem Biologischen abgeleitet. Viele Rassismen wurden ja sogar von der Medizin und Biologie unterstützt. Biologie ist die Lehre vom Leben, nicht das unmittelbar naturhafte, wie du es wohl denkst, wenn man sich dein Beispiel durchliest. Naturhaft wären lediglich alle Differenzen des Aussehens.
„guck dir mal die geschichte des anti-irischen rassismus an. meinst du, da haben sich die engländer an der hautfarbe orientiert, um die iren rassistisch abzuwerten?“
Kenne ich zu genüge. Auch bei Irren gab es aber biologische Konstruktion bezüglich des Kinns und der Abstand zwischen Augen und Nase, woraus dann auf ihren kindlichen und rebellischen Charakter geschlossen wurde.
Die These vom Coming Out als Schwarzer wird dadurch erst recht nicht wahrer.
@TaP, @yourenlightenment
Offenbar habe ich mich wieder einmal unklar ausgedrückt. Hier letztgültig (m)eine Definitionen von Rassismus: http://andersdeutsch.blogger.de/stories/1483679/ – http://www.ida-nrw.de/Diskriminierung/html/hglossar.htm#
In der antirassistischen Arbeit sind diese Definitionen weitestgehend Konsens. Insofern verstehe ich nicht, warum von in diesem Bereich tätigen Menschen eine Definition abverlangt werden, die dann letztlich doch immer wieder bezweifelt werden – von denen, die offensichtlich eine Bildungslücke aufweisen.
Für Beweise bitte noch einmal die Kommentare durchforsten oder schlicht: googlen oder auch eine Möglichkeit: bei den ins Gespräch gekommenen Verbänden nachfragen. Weder ich, noch die anderen Kommentator_innen sind in der Pflicht, Bildungslücken zu schließen.
Und damit bitte zurück zum Thema und einen Blick auf den Ausgangspost werfen. Sonst sehe ich mich gezwungen weiter zu moderieren und darauf habe ich keine Lust.
Voilà:
Auch nach dieser Definition ist also nicht jede kulturelle Diskriminierung, (strukturelle) Benachteilung, Stigmatisierung, Herrschaft etc. Rassismus, sondern das, was kulturalistisch-rassistische von anderen kulturellen Diskriminierung usw. unterscheidet, ist die Verschmelzung von Kulturellem und Ethnisch-Nationalem („natio-ethno-kulturellen Herkunft“).
Texte, die über Religion reden, ohne eine ethnisch-nationale Zuordnung vorzunehmen, fallen also nicht unter diese Definition.
Derartige Texte mögen bestimmte Religionen diskriminieren usw., aber sie sind nicht rassistisch. Die Schärfe der politischen Kritik reduziert sich dadurch nicht. Vielmehr wird durch klare Begriffsverwendung dafür gesorgt, daß sich die Debatte auf die tatsächliche Kontroverse konzentriert kann und nicht aneinander vorbeigeredet wird.
Wer/welche etwas will, z.B. eine Kritik führen, muß das begründen. Wer/welche sein Anliegen nicht begründet, muß sich nicht wundern, wenn er/sie nicht ernstgenommen wird.
‚Kritik‘ zu üben, ohne überhaupt den Gegenstand (die gemeinten [‚kritisierten‘] Äußerungen, Handlungen, Unterlassung) zu nennen, ist keine Kritik, sondern – ich kann mich nur wiederholen – üble Nachrede: http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/Butter_bei_die_Fische.pdf, S. 9 f.
Wer/welche öffentlich Kritik übt, sollte öffentlich seine/ihre Argumente und Beweise vorbringen, und kann ich erwarten, daß die Leute die Kritik unbesehen glauben oder sich individuell nach den Argumenten und Beweisen erkundigen.
„und kann ich erwarten,“ sollte heißen: „und kann nicht erwarten,“
Da auf die Rassismusdefinition auf meinem Blog verwiesen wurde:
Antimuslimischer Rassismus ist eine spezifische Form von Rassismus. Die Definition von Mecheril kann zur Analyse genutzt werden.
>blockquote>“Antimuslimischer Rassismus ist eine spezifische Form von Rassismus.“
Und was heißt das?
Es gibt Rassismen, die zugleich antimuslimisch ist?
Oder: Jeder Anti-Islamismus ist als solcher Rassismus?
Und falls letzteres: Was ist der heuristische Vorteile der weiteren, also unspezifscheren Definition?
@ TaP:
Ich bin Nadine’s Links gefolgt und es ist so, dass Anti-Islamismus vom Rassismus-Begriff abgedeckt wird. Das ist einerseits logisch, da Rassismus ein fiktives, soziales Konstrukt von Rassisten ist. Andererseits ist das fuer einen sinnvollen Diskurs natuerlich nicht gut.
Nein, die Definition bei dem zweiten link von Nadine genannten link ist weiter als bei dem ersten, und deshalb solltest Du nicht das ganze theoretische Feld über einen Leisten brechen.
Vgl. dazu auch http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/29/noch-einmal-zu-den-rassismus-vorwuerfen-gegen-den-berliner-csd/#comment-2134:
@Gan-Chan
Warum ist es ein soziales Konstrukt? So wie Gender?
Anti-Islamismus zwangsläufig unter Rassismus zu fassen ist falsch, denn die Rassisten, wie PI, nehmen den Islam immer nur als Vorwand um vom Musel mit seinen dreckigen Genen zu reden etc.
falls noch wer diskussionsstoff braucht: http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/ich-bin-fuer-spass-und-genuss/
Und das hat dann natürlich nichts mit Rassismus zu tun…
@Nadine
Lies es noch mal. Offensichtlich hast du den Punkt nicht verstanden.
Doch ich habe deinen Punkt verstanden, ich sehe allerdings nicht, warum beides nicht zusammengedacht werden kann und muss. Wie ich hier bereits schrieb: http://maedchenmannschaft.net/judith-butler-und-die-schwul-lesbische-dekonstruktion/#comment-29611
Wenn man Anti-Islamismus unter Rassimus fasst, wird jedes Bestreben gegen den Islam, ja gegen den Islamismus zum Rassismus erklärt.
Ich wüsste nicht, warum es ein Bestreben gegen den Islam geben sollte/müsste. Statt pauschal gegen den Islam und seine Glaubensanhänger_innen zu hetzen (und ja, hier überschneiden sich Rassismus und Anti-Islamismus) sollte mensch sich lieber mit konkreten Unterdrückungsproblematiken, die innerhalb des Islams, Christentums, Judentums etc. in gleichem Maße auftreten zur Wehr setzen.
Ich habe einen Link zu einem Interview mit Judith Butler gepostet, vielleicht hilft das.
I.
„TaP sagt:
[M]ein Kommentar wartet auf Freischaltung.
1. Juli 2010 um 09:42“
II.
@ Nadine (30. Juni 2010 um 02:36) via Nadine (1. Juli 2010 um 10:24):
Meinetwegen – so halbwegs, allerdings:
– „alle -ismen basieren auf zuschreibungen„: Sind die Zuschreibungen wirklich grundlegender („basieren auf“) als die materielle rassistische Arbeitsteilung, die damit durch Naturalisierung versucht wird zu legitimieren?
– „er/sie sich auf natürliche phänomene, phenotypische merkmale“: Trifft das nicht auch auf biologistischen Sexismus zu? Ist es also nicht mehr sinnvoll, beides analytisch und begrifflich zu unterscheiden? Oder weist dies vielmehr darauf hin, daß es notwendig ist „Rassismus“ spezifischer, nämlich unter Hinweis auf Ethnie und Nation zu definieren?
– „muslime werden als ethnie/race konstruiert„: Das mag es hypothetisch geben. Aber: Wo ist der Beweis (Beleg/Zitat), daß das wirklich passiert? Vorliegend: Wo ist der Beweis (Beleg/Zitat), daß das im CSD-Spektrum passiert?
– „‚muslimisch aussehende menschen‘„: „Wer/welche ’sieht denn muslimisch aus’? Und wer/welche behauptet denn auch nur, daß es muslimisch aussehende Menschen gäbe? Und v.a. [s. Ausgangsthema]: Wer/welche behauptet das im CSD-Spektrum? Für diese Behauptungen müßten sich doch irgendwelche Belege/Zitate anführen lassen, wenn sie denn überzeugen sollen.“ (30. Juni 2010 um 03:46)
III.
@ yourenlightenment (1. Juli 2010 um 10:01):
Nadine (1. Juli 2010 um 10:13):
yourenlightenment (1. Juli 2010 um 10:15):
Nadine (1. Juli 2010 um 10:24):
Ja, es muß zusammengedacht werden, wenn es zusammen auftritt (Anscheinend „PI“. Aber trifft es auch auf das CSD-Spekrtum zu?). Und es muß unterschieden werden, wenn es nicht zusammen auftritt.
Es hat doch weder analytisch noch politisch Sinn, alles in einen Topf zu werfen (s. Abschnitt II. zu Rassismus und Sexismus).
Die Wahrheit ist immer konkret. Siehe noch einmal: 29. Juni 2010 um 16:38.
IV.
Nadine (1. Juli 2010 um 11:03):
Als Atheistin bin in der Tat (argumentativ) gegen jede Religion, was nicht heißt, daß ich gegen Religionsfreiheit (der Leute, die sich nicht überzeugen lassen) bin.
„Ich wüsste nicht, warum es ein Bestreben gegen den Islam geben sollte/müsste.“
Weil der Islam als Ideologie bereits einen politischen Anspruch vertritt. Nicht nur im Koran, sondern auch in der Meinung der Gelehrten und den Gottesstaaten wird dies deutlich. Es gehört immer noch zum Wesen des Islam, auch wenn es Muslime geben mag, die liberal sind. Um die geht es auch nicht. Vielmehr geht es darum, zu verstehen, welche Implikationen der Islam hat, zum Beispiel, was ihn vom rabbinischen Judentum massiv unterscheidet: Die irdischen Gesetze stehen immer unter denen des Gottes. Allah hält das Schicksal in der Anhand. Dagegen muss agnositisch vorgegangen werden. Insofern sind Islamismus und Islam nicht diametral entgegengesetzt, es gibt eine alle islamischen Richtungen verbindendes Element (die Aleviten sind die Ausnahme). Daher muss auf Veränderungen eingewirkt werden. Mit Butler ist das nicht möglich, weil der Islam bei ihr Leerstell ist oder nur relativierend vorkommt. Nicht gegen die Muslime als konkrete Personen muss sich Islamkritik richten, sondern die Abschaffung des gegenwärtigen Islam hin zu einem privatisieren, der zwischen dem Glauben und der weltlichen Ebene unterscheiden kann und den Einzelnen als Individuum anerkennt. Das andere Thema wäre der islamische Antisemitismus, worauf ich jetzt nicht weiter eingehe, weil mir die Zeit fehlt.
@yourenlightenment
Achso. Und wie die muslimische Glaubensrichtung zu deuten und in Zukunft zu handhaben ist, entscheiden Agnostiker_innen und westliche Theoretiker_innen :-) Fundamentalistische Bestrebungen gibt es in allen Religionen. Mit diesen umzugehen und auszuhandeln sollte in erster Linie Aufgabe der Glaubensanhänger_innen selbst sein, um Fremdbestimmung und westliche Hegemonie zu vermeiden. Weitere Pauschalaussagen über und Hierarchisierungen zwischen den Religionen bitte ich zu unterlassen.
@Nadine
Warum sollen denn in erster nur die Glaubensanhänger darüber verhandeln, wie mit mit Fundamentalisten umzugehen ist, wenn es doch viel mehr Leute auch außerhalb des Glaubenskreises betrifft? Warum muss man jedesmal auf den Allgemeinplatz verweisen, dass alle Religionen fundamentalistische Bestrebungen haben? Oberflächlich betrachtet stimmt das begrenzt. Allerdings wird man beim Vergleich der Religion nicht um eine Bewertung sich drücken können. Wenn man Säkularisierung vernünftigerweise befürwortet, wird man die Religionen, die gegenwärtig nicht oder nur wenig säkularisiert sind, als schlechter betrachten müssen. Was soll denn westliche Hegemonie sein? Dass der Westen den Islam kritisiert?
„Weitere Pauschalaussagen über und Hierarchisierungen zwischen den Religionen bitte ich zu unterlassen.“
Pauschalisierungen? Wo denn?
„erster Linie“ muss es heißen.
„Auch nach dieser Definition ist also nicht jede kulturelle Diskriminierung, (strukturelle) Benachteilung, Stigmatisierung, Herrschaft etc. Rassismus, sondern das, was kulturalistisch-rassistische von anderen kulturellen Diskriminierung usw. unterscheidet, ist die Verschmelzung von Kulturellem und Ethnisch-Nationalem (“natio-ethno-kulturellen Herkunft”).“
TaP, du solltest deine Praemissen klarer fassen, du vermutest offenbar in dem Begriffs-4-tupel ’natio-ethno-kulturelle Herkunft‘ wuerde ein logisches UND zwischen den drei vorderen Attributen stehen, so ist das aber zweifellos nicht gemeint, wie Urmila anmerkte und wie aus der Benutzung der Def. im Diskurs folgt, ist das ganze so zu verstehen:
„Erstens, werden Menschen aufgrund bestimmter physiognomischer und/oder sozialer Merkmale differenziert(..)“
die Voraussetzung ist also die soziale Differenzierung; von Seiten des LSVD, maneos etc. hinreichend durch Vermutungen, gewisse ‚Migranten‘ neigten intrinsisch staerker zur Schwulenfeindlichkeit, in gewissen Kreisen gaebe es keine ‚romantischen Ehen‘ oder wuerde die Scharia an Schulen favorisiert etc. exemplifiziert. Da ist also zunaechst einmal die Differenzierung und dann kommt es zu einer kulturellen Zuschreibung, die ueber einen kulturalistischen Begriff des Islam erfolgt, also nicht allein ueber Religion, sondern ueber deren Kulturalisierung
„und diese einer bestimmten natio-ethno-kulturellen Herkunft zugeschrieben (Prozess der Rassifizierung).“
das soziale wird also auf die Kultur, sicherlich nicht auf die Nation und nur mit Einschraenkungen (maneo) auf die Ethnie zurueckgespielt. In solchen Dingen ist also Logik, wir wir sehen, immens wichtig, dort steht ein ODER, kein UND, die Kulturalisierung des Sozialen.
Zu Judith Butlers taz-Interview von gestern (30.4.)
Welche Organisationen? Welche Sponsoren? Welche Äußerungen? – Hat die taz derartige Angaben weggekürzt? Oder weiß es Judith Butler nicht genauer?
a) Welche Webseiten? b) „einigen der prominentesten Figuren beim Berliner CSD“ – wer denn nun? Bei aller De-Konstruktion des Subjekts dürften sich doch da wohl ein paar Personen namhaft machen lassen.
I. Nein, Leute, die keine AntisemitInnen sind, beschuldigen nicht „alle Juden, wenn eine jüdische Person etwas Falsches getan hat“.
Aber es müssen drei Dinge unterschieden werden:
1. Das Fragen nach dem ethnischen Hintergrund des Angreifers. Das Fragen ist nicht rassistisch.
2. Das empirische Ergebnis der Befragung.
a) Das Ergebnis kann wahr oder falsch sein. Es kann sein, daß Leute aufgrund Irrtums oder von Vorurteilen falsche Angaben machen. Aber das ist das Risiko jeder Erhebung. Daß eine Erhebung dieses Risko beinhaltet macht sie nicht, ohne daß für den konkreten Fall nachgewiesen wird, daß sich dieses Risiko realisiert hat, rassistisch.
b) Vorausgesetzt die Zahlen sind zutreffend, ist das Ergebnis weder rassistisch, wenn das Ergebnis ist, daß weiße Deutsche überproportional unter homophoben Tätern vertreten sind, noch wenn das auf schwarze Nicht-Deutsche zutrifft.
Es ist im übrigen auch kein anti-männlicher Sexismus, wenn festgestellt wird, daß die Täter zu allermeist Männer sind (wie mir sehr wahrscheinlich scheint).
3. Die politische Bewertung. Rassitsisch wäre in der Tat die Verallgemeinerung; es wäre rassistisch, wenn von ’schwarze Nicht-Deutsche sind im Durchschnitt homophober als weiße Nicht-Deutsche‘ auf ‚alle schwarzen Nicht-Deutschen sind homophob‘ geschlossen würde.
II. „Wenn jemand etwas Kriminelles getan hat, ist die Handlung kriminell, nicht die Person, und nicht der ethnische oder religiöse Hintergrund einer Person.“
Das vergißt doch alle theoretischen Einsichten, die Judith Butler sonst hat. Handlungen tauchen doch nicht aus dem Nichts auf, sondern sind von gesellschaftlichen Strukturen determiniert. Und was heißt denn Intersektionalitäts-Forschung anderes als zu untersuchen, wie sich Sexismus, Homophobie, Antisemitismus usw. klassen- und rassenspezifisch unterschiedlich artikulieren – und umgekehrt.
Auch wenn das Fragen nach diesen Kategorien immer schon zu deren Reproduktion beiträgt, führt analytisch und politisch kein Weg daran vorbei, sie als – wenn auch ‚konstruierte‘ (gesellschaftlich hervorgebrachte) – machtvolle Realitäten zur Kenntnis zu nehmen.
In Bodies that matters schrieb Butler:
„[…] it would be not enough to claim that for Venus [einer Darstellerin aus dem – von Butler analysierten – drag-Film Paris is burning] gender is markedy by race and class, for gender is not the substance or primary substrate and race and class the qualifying attributes. In this instance, gender is the vehicle for the phantasmatic transformation of the nexus of race and class, the site of its articulation“ (S. 130).
In diesem Sinne kann doch nicht vergessen werden, daß Homosexualität ein Einsatz sowohl in fundamentalistischen religiösen (christlichen wie islamischen) Diskursen über moderne Dekadenz ist, und daß sich diese Diskurse auch in homophober Gewalt materialisieren, als auch ein Einsatz in den Diskursen über die angebliche westliche (insb. europäische) Fortschrittlichkeit und Toleranz gegenüber dem rückschrittlichen Islam (oder auch den konservativen, prüden usw. USA) ist.
Queer ist es nicht, aus Gründen der politischen Opportunität (der Sympathie für die eine oder andere Seite) diese Einsichten zu verschweigen, sondern eine unzweideutige, eigenständige Position jenseits dieser beiden Lager einzunehmen.
III. „Handlungen […], die sicherlich genauso häufig von rechtsextremen Deutschen begangen werden,“: Mal abgesehen von Einwänden, die gegen den „Extremismus“-Begriff gemacht werden könnten (vgl. bspw. 1 und 2): Ist denn ausgemacht, daß das im CSD-Spektrum ignoriert wird? Eine Eingabe von „Homophobie rechtsextreme“ bei google führt zu fast 300.000 hits und als erstes zur Seite von Volker Beck, der sicher für das CSD-Spektrum repräsentativ ist. In seinen Überlegungen zu einem Nationalen Aktionsplan gegen Homophobie heißt es:
„• Homophobie bei Rechtsextremimus-Bekämpfung nicht vernachlässigen
Ein Brennpunkt von Homophobie ist der Rechtsextremismus. NPD und DVU hetzen auch gegen Homosexuelle. Wo Rechtsextreme „national befreite Zonen“ zu erprügeln versuchen, schaffen sie Angsträume für Migrantlnnen, Angehörige nicht-rechter Jugendszenen aber eben auch für Schwule und Lesben. In den zivilgesellschaftlichen Programmen gegen Rechtsextremismus kommt das Thema Homophobie bislang zu wenig zum Tragen. Das muss sich ändern.“
Ja, Vorsicht ist immer gut, und in der Wissenschaft Skepsis. Aber gibt es irgendeinen konkrete Hinweis darauf, daß mit der Untersuchungsgesamtheit der Studie etwas nicht in Ordnung ist? Und noch einmal: Gibt es keine Studien zum „Zusammenhang zwischen Homophobie und rechtsextremen Bewegungen“? –
Für Möglichkeiten, die Studie konkret zu kritisieren s. dort (S. 10).
Und – hat sich da jemandE gegen ausgesprochen?
Nicht jeder Antikolonialismus und jeder Antiimperialismus ist links. Das Problem an Hamas und Hisbollah sind nicht die gewaltsamen Mittel, sondern die Inhalte.
Vgl. http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/20/fuer-antiimperialismus-ohne-gegennationalismus/ und http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/03/weil-sachkenntnis-jeder-diskussion-nur-gut-nun-gut/#comment-2075.
Beleg?
Butler sagt bei diesem Interview unter anderem, dass man sich auch den Rassismus in der CDU und katholischen Kirche ansehen muss. Aber damit verstoesst sie gegen ihr eigenes Prinzip die Gruppe hinter den einzelnen Menschen mit zu beurteilen. Denn nicht alle katholischen Priester sind rassistisch und auch in der CDU mag es nette Menschen geben.
Der Islam an sich beruft sich auf den unveraenderbaren und ewig gueltigen Koran. Von innen ist somit keine Aenderung zu erwarten, denn jede Bestrebung dahin waere unislamisch und wuerde von dem Rest der Gruppe sanktioniert werden. Denn wenn as als unveraenderbar deklarierte Fundament veraendert wuerde, waere es nicht mehr der Islam.
Dazu ein Vortrag von Dr. Hiltrud Schroeter:
http://www.youtube.com/watch?v=lmtkeioOtAw
„Der Islam an sich beruft sich auf den unveraenderbaren und ewig gueltigen Koran. Von innen ist somit keine Aenderung zu erwarten, denn jede Bestrebung dahin waere unislamisch und wuerde von dem Rest der Gruppe sanktioniert werden. Denn wenn as als unveraenderbar deklarierte Fundament veraendert wuerde, waere es nicht mehr der Islam. “
Schön, dass hier auch mal Aussagen getroffen werden, denen man voll zustimmen kann.
man sollte viellecht zwischen Butler als Gendertheoretikerin und Butler als politische Person unterscheiden, sie verneint an keiner Stelle, dass es sinnvoll ist Homophobie in ‚Migrantencommunities‘ diskursiv zu besetzen, sie weist aber mit einigem recht darauf hin, dass eine hegemoniale Vorgehensweise die ist [das sagt sie nicht explizit, aber implizit], die Diskurse ueber die Quellen der Homophobie innerhalb der jeweiligen Hegemonieareale zu vernachlaessigen. Etwa habe ich noch nie irgendwo, weder in der taz, noch in der SZ, noch im tagesspiegel, einen eine empirische Untersuchung zitierenden Artikel darueber gelesen, der anhand dieser Untersuchung die Auspraegung und Art der Homophobie im (weissen) deutschen Mittelstand, der weissen deutschen ‚Unterschicht‘, den weissen deutschen Medien etc. und ihre spezifischen Manifestationsformen untersucht. Im Gegenteil schwadroniert der Tsp. oder die SZ bei jeder Gelegenheit (stereotyp: das Gewaltverbrechen) vom ‚homosexuellen Milieu‘, obwohl dies seit Jahrzehnten schwul-lesbische Organisation offen anprangern, im naechsten Artikel geht es dann wieder um die ‚Homophobie‘ unter ‚Migranten‘.
Aehnliches gilt, etwas off-topic, fuer familiaere, durch Maenner veruebte Gewalt, die von weissen Deutschen begangen wird, auch hier gibt es objektive kulturelle Hintergruende, die aber nie diskutiert werden in der dt. Oeffentlichkeit, stattdessen berichtet man ausladend von den boesen Dingen, die deutschen Wettermoderatoren durch Frauen widerfahren wuerden. Es geht Butler (und mir) also nur um die Objektivitaet der oeffentlichen Diskurse, und das ist Butlers politische Agenda, nicht ihre wissenschaftliche.
„Homophobie ernst zu nehmen, heißt zu akzeptieren, dass sie auf unterschiedlichen Ebenen existiert und in verschiedenen Schichten der Gesellschaft. Wir sollten uns für die Homophobie innerhalb der CDU oder innerhalb der katholischen Kirche interessieren, aber auch unter Liberalen der Mittelklasse und neuen rechtspopulären Organisationen. Wenn wir dann vielleicht Homophobie innerhalb von Migrantencommunitys in Betracht ziehen, würden wir eine Art und Weise des Nachdenkens über Homophobie haben, die Rassismus nicht wiederholt.“
Liebe Leser_- und Kommentator_innen,
in Anbetracht der Tatsache, dass auch die Diskussion durch Butlers neuerliche Äußerungen in der taz, die hier verlinkt wurden, keinen weiteren Schub bekommen hat und wieder nur versucht wird, zu verschleiern und Diskriminierungsformen gegeneinander auszuspielen, darüber hinaus Pauschalaussagen über „den“ Islam getroffen werden, werde ich diesen Thread nun schließen. Konstruktive Diskussionsstränge wurden leider zu oft im Keim erstickt.
Ich wünsche allen ein schönes und sonniges Wochenende!