Letzte Woche war die Reihe TEDxChange zu Gast in Berlin und ich mit einigen anderen Bloggerinnen (u.a. Milena) eingeladen – unter dem Label „The Big Picture“ ging es neben Nachhaltigkeit vor allem um Frauengesundheit und Familienplanung (anzuschauen hier, auch auf Deutsch, leider ohne Untertitel).
Zunächst sprach Jeff Chapin von Ideo über den Design- und Vertriebsprozess für Sanitäranlagen in Entwicklungsländern. Auch wenn viele Leute sehr begeistert waren, ein gewisses „Duh“ oder „ne ernsthaft?“ kann ich mir nicht verkneifen, angesichts der Erkenntnis, dass Produkte nicht immer so verwendet werden, wie Designer_innen es sich gedacht hatten. Wenig Begeisterung weckte auch der Talk von Sven Giegold, Mitglied des EU-Parlaments für die Grünen. Das wichtige Thema „Energiewende“ vermittelte er den Zuhörenden leider nicht im Big Picture, sondern verzettelte sich in kleinteiligen Informationen.
Zwischenapplaus bekam dagegen Theo Sowa (PDF), die derzeit für den African Women’s Development Fund arbeitet und sich für Frauen- und Kinderrechte einsetzt. Sie erzählte von Konferenzen, die sich mit dem Einfluss von HIV und AIDS auf afrikanische Frauen beschäftigen, dabei aber keine afrikanische Frau anhören oder auf ihre Erfahrung zurückgreifen. Schuld daran sei, dass afrikanische Frauen immer noch als Opfer und schwach gesehen werden und niemand Opfern zuhören wolle. Mit Felicia Darkwa, Ida Mukuka und Gisele Yitamben stellte sie dann gleich drei Frauen vor, deren Arbeit viel bewirkt hat und auf die dringend gehört werden müsse.
Die Ausrede „wir haben eine Frau gefragt und die hatte keine Zeit“ kam mir leider nur zu bekannt vor. TED-Chef Chris Anderson erklärte danach, den Frauenanteil zu erhöhen sei bereits schwierig, afrikanische Frauen zu finden noch einmal schwieriger – die Jahrhunderte und Jahrtausende der Verbannung von Frauen aus der Öffentlichkeit und das Herabwerten Schwarzer Frauen im Besonderen sind aber leider nicht in wenigen Jahren und ohne Aufwand auszugleichen. Nach Sowas Talk gibt es hier jedenfalls keine Ausreden mehr.
Schließlich bewarb Melinda Gates die Wichtigkeit von Familienplanung im Allgemeinen und Verhütung im Besonderen. Besonders in den USA wird derzeit über Verhütung gestritten ohne Ende. Dass eine Kampagne derzeit also besonders kontrovers ankommen werde, sei ihr klar, so Gates – dabei dürfe es gerade Verhütung nicht sein. 98% der US-amerikanischen Frauen seien immerhin dafür. Unter nocontroversy.tedxchange.org gibt es daher nun eine Webseite, auf der Menschen berichten sollen, wie Verhütung ihr Leben verändert hat. Leider beruht die Strategie, Verhütung „wieder salonfähig“ zu machen auch darauf, sie vom Thema Abtreibung abzukoppeln. Dabei böte sich, angesichts der breiten Zustimmung und Nachfrage nach Verhütung von Seiten der Frauen, die Möglichkeit, Abtreibung als ein weiteres Mittel der Selbstbestimmung von Frauen zu etablieren. So aber geht man sehr auf Konservative und Kirchen zu – ob sich das auszahlen wird, bleibt abzuwarten.
Parallel zum TED-Vortrag verkündete das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dann, 20 Millionen Euro zu den Vorhaben der Bill & Melinda Gates Stiftung dazuzugeben. So sollen bessere Verhütungsspritzen und Implantate erforscht werden. Durch die Aufklärung von Frauen über Verhütungsmethoden erhofft man sich auch, dass diese den Druck auf ihre Regierungen erhöhen und bessere Verfügbarkeit einfordern. Im Sommer sollen dann Regierungen und NGO’s aus der ganzen Welt zusammenkommen und die bisherigen Strategien erötern. Dies dürfte ein wichtiger Schritt sein, nicht zuletzt seit die Weltbank für ihre Initiativen in die Kritik geraten ist.
Spannend ist nun vor allem die Frage, wie es weitergeht. Wie wird die Debatte um Verhütung und Abtreibung weitergehen? Welche konkreten Verbesserungen werden Frauen in Entwicklungsländern sehen, wenn es um die Verfügbarkeit von Verhütung geht?
Danke für den Bericht aus Berlin, Helga. Kleine Korrektur: Der verlinkte Blogpost des Guardian bezieht sich auf die Vorgehensweise der Weltbank, nicht auf die des Weltwährungsfonds.
Danke für den Hinweis, hab es korrigiert!