Auf Papier gelesen
Fates and Furies (Riverhead Books, 2015) von Lauren Groff war sicher eines der heiß-erwartesten Bücher der Herbstsaison – und wurde kurz nach der Veröffentlichung auch direkt belohnt mit einem Platz auf der Shortlist für den (us-amerikanischen) National Book Award. Der Roman seziert die Ehe zwischen Lotto und Mathilde, dem Traumpaar auf jeder Party, er erst Schauspieler, dann erfolgreicher Dramatiker, sie erst in einer Gallerie arbeitend, dann ihn unterstützend. Zwischen Anspielungen auf griechische Mythologie erzählt der erste Teil zunächst die Geschichte aus Lottos Perspektive, um dann im zweiten Teil Mathildes – weitaus andere – Sichtweise und Erleben nachzutragen. Bereits im ersten Teil, in dem lange das perfekte Bild entworfen wird, zebröselt dieses auch schon wieder langsam. So sitzt Lotto auf einer Podiumsdiskussion zur „Zukunft der Literatur“ und führt – zum Erschrecken seiner Mit-Diskutant_innen – bräsig aus, dass Männer Literatur schaffen und Frauen ihren Kreativität ins Kindergebären stecken. Das Publikum ist aufgebracht, Mathilde verlässt den Raum. Genau in diesen Aspekten fand ich den Roman, in den ich ich erst nicht wirklich reinkam, am stärksten, wenn die Vorstellung des „männlichen Genies“ langsam entblößt wurde und stattdessen Groff die weibliche Arbeit hinter diesem offenbarte. Doch das Ende, welches stark auf eine Beziehungsebene zurückfällt, enttäuschte mich.
Weitaus mehr gefiehl mir das ebenfalls im September erschienene Dryland (Tin House Books, 2015) von Sara Jaffe (die auch in der Band Erase Errata spielt). Es ist das Jahr 1992 und die fünfzehn-jährige Julie Winter lebt im Portland. Regelmäßig geht sie in Zeitungsgeschäfte und blättert sich durch Schwimm-Magazine – nicht etwa, weil sie Schwimmerin ist, sondern weil sie immer auf der Suche nach Informationen über ihren ältern Bruder ist, der einmal sogar Teil des olympischen Teams war, nun aber in Berlin lebt und über den in ihrer Familie nicht gesprochen wird. Das Buch ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die ihren ganz eigenen Charme und gleich eine Reihe queerer Charaktere mit sich bringt.
Ein Buch, welches ich in nächster Zeit sicher häufig empfehlen werde, ist die Debut-Kurzgeschichten-Sammlung Happiness, Like Water (Mariner Books, 2013) von Chinelo Okparanto. Die meisten der Geschichten drehen sich um weibliche Charaktere in Nigeria oder der Diaspora (hier USA). Ihre Geschichte „America“ war bereits nominiert für den Caine Prize for African Writing, aber auch die anderen sind allesamt preiswürdig. Okparanta ist eine wundervolle Erzählerin, ihre Sprache ist gleichermaßen zugänglich und poetisch. In den Geschichten widmet sie sich einer ganzen Reihe großer „Themen“ (wie häusliche Gewalt, Reliogion, lesbisches Begehren, Schönheitsstandards), ohne dass sie ins Didaktische abruscht. Stattdessen schafft sie glaubhafte Charaktere und nicht jede Geschichte endet mit einer sauberen, einfachen Lösung – ganz so wie im Leben.
Okparantas Debut-Roman Under the Udala Trees, in welchem sich zwei Mädchen während des Biafra-Kriegs verlieben, erschien jetzt im September.
Im Netz gelesen
Zunächst einmal: Es läuft immer noch die Crowdfunding-Kampagne für Sharon Dodua Otoos Buch „Synchronicity“!
Ein Gespräch mit der Dichterin Poetra Asantewa über die Bedeutung von Lyrik als aktivistische Literatur und Feminismus:
Ausgehend von einer Besprechung des Kurzgeschichtenbands „A Manual For Cleaning Women“ von Lucia Berlin, schaut Literary Hub auf andere großartige us-amerikanische (Kurzgeschichten-)Autorinnen wie Dorothy Parker, Zora Neale Hurston und Jamaica Kincaid. (Englisch)
Im Guardian hat die Autorin Kirsty Logan (ihre Bücher „A Portable Shelter“ und „The Gracekeepers“ besprach ich hier im letzten Monat) ihre liebsten queeren literarischen Sexszenen. Zu Beginn stellt sie fest: „A confession: I wanted this to be a list of literary smut. I wanted to choose the 10 hottest, most realistic, most beautifully written queer sex scenes ever published. Another confession: despite being both a massive reader and a massive gay, I struggled to find 10 such scenes.“ (Englisch)
Nat.Books hat es sich zur Aufgabe gemacht seltene Texte bzw. Texte, die es kaum noch gedruckt gibt, online frei verfügbar zu machen. Ihre neuste Publikation sind drei Essays von Zitkala-Ša. (Englisch) (Mehr zur Autorin, Aktivistin, Musikerin und Lehrerin Zitkala-Ša könnt ihr in unserer Reihe „Wer war…“ erfahren.)
Ms. Magazine präsentiert sieben feministische Chicana Autorinnen, die eine gelesen haben sollte. (Englisch)
Hyperallergic schreibt über Druckerinnen des 16. bis 19. Jahrhunderts, die im Gegensatz zur ihren Kollegen häufig vergessen wurden. (Englisch)
Und für alle Comic-Freund_innen: Women Write About Comics stellt zehn LGBTQ Charactere vor und Hello Giggles freut sich: „We are madly in love with this body positive comic book superhero„.
Ich mag diese Rubrik ja sehr. Vielen Dank für so viel Lesestoff-Inspiration!
@cal: Das freut mich!