Gestern morgen wurde sehr überrschend mit der Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule, die seit knapp 1,5 Jahren von Refugees besetzt wird, in Berlin-Kreuzberg begonnen. Die Polizei twitterte fröhlich von einem „freiwilligen Umzug“ der organisiert würde – und rückte mit etwa 900 Polizist_innen (aus mehreren Bundesländern) an. Nachdem das Gebäude massiv von Polizei umstellt worden war, sollten Informationszettel an die Bewohner_innen ausgeteilt werden, um diese davon zu „überzeugen“ in Heime zu ziehen.
In einem Interview mit der taz machte Ahmad Al-Nour gestern deutlich, dass der Umzug in ein Heim für viele gleichbedeutend mit der Abschiebung ist. Auch betonte er, dass Orte wie die besetzte Schule Möglichkeiten zur politischen Organisation böten – in den Heimen käme es wieder zur Vereinzelung. Ein Teil der Bewohner_innen hat gestern das Gebäude verlassen, ein anderer Teil befindet sich weiterhin in der Schule – teilweise auf dem Dach, wo sie auch die Nacht verbracht haben. Von dort aus gaben sie gestern Abend ihre Forderungen bekannt (FB-Link):
For us it is clear why we are staying here. We know how Kolat did it at O-Platz. Nothing changed. Abolish Lagers. Abolish Residenzpflicht. We want documents for us. We are not leaving the roof before we have our demands. And if there is a person who want to, they jump from here. All of the politicians have to take the responsibility for it. We want the right to work. Even we do not get only one chance. We want asylum. We are all together about 80 people. Today in the morning the mothers were not allowed to go inside the school for looking after their children and collect the things. And the children were also not allowed to go to the school.
Für uns ist klar, dass wir hier bleiben. Wir wissen, was [Integrationssenatorin] Kolat am O-Platz gemacht hat. Nichts hat sich verändert. Lager abschaffen! Residenzpflicht abschaffen! Wir wollen Ausweise für uns. Wir werden das Dach nicht verlassen, bis unsere Forderungen erfüllt sind. Und falls eine Person gehen will, dann springt sie. Alle Politiker_innen werden die Verantwortung dafür tragen. Wir wollen Recht auf Arbeit. Auch wenn wir keine einzige Chance bekommen. Wir wollen Asyl. Wir sind über 80 Personen. Heute morgen [24.06.2014] wurde den Müttern nicht erlaubt, in die Schule zu gehen, um nach ihren Kindern zu sehen und ihre Sachen zusammen zu sammeln. Und den Kindern wurde nicht erlaubt, in die Schule zu gehen.
Heute Vormittag sollte eigentlich auf dem Dach der Schule eine Pressekonferenz stattfinden, doch diese wurde verhindert. Pressevertreter_innen wurden gar nicht erst in die Schule gelassen. Das Bezirksamt wollte eine Pressekonferenz erst erlauben, wenn die Refugees das Dach verlassen. Letztenendes konnte wenigstens mit Hilfe von Telefon und Skype die Pressekonferenz beginnen. Auf dieser machten die Bewohner_innen noch einmal deutlich, dass sie das Dach erst verlassen, wenn es für alle in der Ohlauer und auf dem Oranienplatz Bleiberecht gibt. Innensenator Henkel ist derweil nicht erreichbar.
Unterstützen vor Ort
Es werden weiterhin Unterstützer_innen rund um die Ohlauer-Straße und aber auch am Oranienplatz benötigt. So hieß es heute morgen zum Oranienplatz bei der ISD Berlin:
Am Oranienplatz wird dringend Unterstützung benötigt! Der #OPlatz ist heute ab 10 Uhr nicht mehr besetzt. Es werden Menschen gesucht, die kurzfristig Schichten übernehmen können.
Bitte meldet euch beim Infotelefon:
015210653380
Auch wird täglich ein warmes Frühstück (Grießbrei, usw.) und Obst benötigt… Bringt Schirme vorbei, denn es regnet!
Von der Pressekonferenz an der Ohlauer twitterte @Sassyheng: „Essen, Klopapier und Planen werden an der Schule benötigt.“ Wenn ihr mehr wisst zu den Bedarfen, bzw. diese sich ändern, schreibt uns doch bitte einfach in die Kommentare.
Und dazu passend: (a gentle nudge)* – Ein Gedicht von Sharon Otoo zu den Protesten und (fehlenden) Unterstützer_innen.
Zum Weiterlesen/informieren (weitere_neue Texte gern ergänzen!):
- Der March for Freedom hat ebenfalls eine Erklärung veröffentlicht und die Räumung in einen weiteren Protest-Kontext gestellt. Protestierende wurden in Brüssel heute verhaftet.
- „Der Flüchtlingsrat Berlin fordert Senat und Bezirk auf, den heute begonnenen Polizeieinsatz sofort zu beenden und den BewohnerInnen der Schule sowie den Oranienplatz-Flüchtlingen ein faires und transparentes Angebot zu unterbreiten. Dazu gehört ein Aufenthaltsrecht in Berlin.“, schreibt der Berliner Flüchtlingsrat in seiner Pressemitteilung.
- Es auch eine Erklärung des Refugee Schul- und Unistreiks. Das Bündnis ruft am 1.Juli um 10:00 Uhr am Roten Rathaus in Berlin zu einer Demonstration in Solidarität mit den Geflüchteten auf.
- „Ein Kampf um alles oder nichts„, konstatiert Christian Jakob in einem Kommentar bei der taz.
- Bereits gestern erschien ein Interview mit Ahmad Al-Nour in der taz: „Das hier ist kein Spiel für uns. Wir gehen nicht zurück in die Lager. Wir wollen unsere Freiheit, keine Abschiebung.„
- Ebenfalls gestern schrieb die Berliner Zeitung über die Räumung und Proteste.
- Bilder der gestrigen versuchten Räumung und abendlichen Demo.
- Aktuelles lässt sich unter dem Twitter-Hashtag #ohlauer nachverfolgen. (Obwohl sich dort natürlich auch Menschen mit rassistischen und anderen diskriminierenden Aussagen versuchen breitzumachen.)
Offensichtlich überschlagen sich seit gestern die Ereignisse. Schon während ich das hier geschrieben habe, sind parallel sicher einige Dinge passiert. Darum nutzt die Kommentare um Informationen zu teilen.
Heute und morgen gibt es am Oranienplatz natürlich wieder „ROSES FOR REFUGEES“. Dazu heißt es (FB-Link):
Außerdem zwei weitere Artikel zum Lesen: „Bleiben oder Springen“ beim Freitag und „Rechtsgutachten: Versprochen ist versprochen“ bei der taz.
Es gibt jetzt einen Twitteraccount, der die aktuellen infos verteilt: OhlauerInfo.