Sofja Wassiljewna Kowalewskaja wurde heute vor 160 Jahren in Moskau (Russland) geboren. Sie war eine russische Mathematikerin und wurde die erste Mathematikprofessorin Europas. Neben ihren mathematischen Werken schrieb sie auch gerne Dramen.
Kowalewskaja’s Interesse für Mathematik wurde auf ungewöhnliche Weise geweckt: Bei Renovierungsarbeiten im Haus reichte die Tapete nicht mehr für das Kinderzimmer. Flugs holte man altes Papier vom Dachboden und tapezierte damit das Zimmer. So zierte fortan eine Vorlesung von Differential- und Integralrechnung die Wand der jungen Sofja*.
Als sie sich dafür entschied, Mathematik zu studieren, arrangierte sie eine Scheinehe, um Russland verlassen und studieren zu können – gegen den Willen ihres Vaters. Zu dieser Zeit durften Frauen das Land nicht ohne die Erlaubnis des Vaters oder des Ehemannes verlassen. Kurze Zeit nach ihrer Hochzeit verließ Kowalewskaja im April 1869 Russland und studierte in Wien, Heidelberg und Berlin, wo Frauen meist nur als Gasthörinnern zugelassen waren. In Berlin wurde ihr gar der Zutritt zur Universität versagt, woraufhin sie Privatstunden von Karl Weierstrass erhielt. Kowalewskaja schrieb drei Arbeiten über partielle Differentialgleichungen, abelsche Integrale und Saturnringe und präsentierte diese der Universität Göttingen als ihre Doktorarbeit. 1874 wurde ihr dafür der Doktortitel mit summa cum laude verliehen.
Auf Grund ihres Geschlechts blieben ihr Anstellungen in der Lehre vorerst verwehrt, welches ihre Motivation und in der Konsequenz auch ihre Forschung lähmte. 1878 brachte sie eine Tochter zur Welt. Ab 1880 nahm sie das Studium der Mathematik wieder auf. Vier Jahre später erhielt sie auf Grund der Unterstützung des Weierstraß-Schülers Gösta Mittag Leffler eine Stelle als Privatdozentin in Stockholm (Schweden) und wurde im Juni des gleichen Jahres für fünf Jahre als außerordentliche Professorin angestellt. Kowalewskaja wurde somit die erste Mathematikprofessorin Europas. Im Februar 1891 verstarb sie in Stockholm.
*vgl. Kowalewskaja, “Erinnerungen an meine Kindheit”.
Mehr Informationen zu Mathematikerinnen gibt es auf mathematikerin.de.
Eine Literaturempfehlung dazu – die Kurzgeschichte „Too much happiness“ von Alice Munro im gleichnamigen Band ist eine biografische Skizze von Kowalewskajas Leben.
Und hier ein Porträt in der EMMA (3) 1993.
Es sind abelsche Integrale, nicht abelian’sche… Abelian ist Englisch für abelsch.
Was für eine Verschwendung von Talent und Potenzial
damals betrieben wurde. (Über heute sage ich mal nichts.)
@ Killerkitty
Lieben Dank, ich habe u.a. auch englische Quellen zur Recherche benutzt, daher der Fehler. Habe es geändert!
auf fembio http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/sofia-kowalewskaja/ findet sich ein sehr bezeichnendes zitat von sofja kovalevskaja: „Sie haben mich zur Prinzessin (der Naturwissenschaften) gemacht. Sie hätten mir besser ein Gehalt gegeben.“
es gibt auch eine sehr schöne Biographie von ihr, für Jugendliche verfasst:
Fürstin der Wissenschaft. Die Lebensgeschichte der Sofia Kowalewskaja von Cordula Tollmien
Sehr schön in der Berliner Humboldt-Universität: Dort hängen Fotos und Kurzporträts der ersten Professorinnen im Kanzlergang. Wer an der HU vorbeikommt: einfach reingehen, in den 1. Stock und genießen.
Sofja Kowalevskaja hatte übrigens noch eine Schwester, Anna, die mit ihr aus Russland ausgereist ist, und die dann eine politische Aktivistin in der Pariser Kommune wurde. Sie hat dort einen Franzosen geheiratet und ist deshalb nur unter dem Namen Anna Jaclard bekannt. Deshalb wissen die wenigsten von dieser Beziehung (dieses Drama der Nachnamensänderungen bei Frauen für die historische Forschung ist echt ein Problem). Sofja hat Anna durchaus politisch unterstützt, etwa als sie nach der Niederschlagung der Kommune verfolgt wurde, auch wenn sie keine so überzeugte Sozialistin war. Dieser politische Aspekt wird in den meisten Biografien leider ausgeblendet.
Achja, falls jemand sich für die große Rolle von Frauen in der Pariser Kommune interessiert, ich habe dazu einen Text im Netz: http://www.antjeschrupp.de/pariser_kommune.htm
Ihr wurden ja nur Steine in den Weg gelegt. Und da sagt heutzutage Marcel Reich-Ranitzki soll auf die Frage, ob Frauen genauso gut schreiben könnten wie Männer, gesagt haben: „Wie viele berühmte Schriftstellerinnen kennen sie? Und wie viele Schriftsteller?“