Schwanger in der Kriegszone

Auf religiondispatches.org berichtet Kathryn Joyce von einer in Fallujah (Irak) stationierten Marinesoldatin namens Amy, die schwanger wurde und sich für einen Abbruch entschied. Amy hatte nun folgende Möglichkeiten:

a) Sie erzählt ihrem/ihrer Vorgesetzten, dass sie schwanger ist und hofft auf medizinische Versorgung in einem Militärkrankenhaus. Auf Grund der starken Präsenz der AbtreibungsgegnerInnen im amerikanischen Kongress dürfen Militärkrankenhäuser Abtreibungen allerdings nur im Falle von Lebensgefahr, Vergewaltigung oder Inzest durchführen. Dies ist also keine Option.

b) Amy könnte auch einen medizinischen Ausgang in Fallujah beantragen und auf eigene Faust ein Krankenhaus suchen, welches Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Abhängig vom Gebiet kann dies mehr oder weniger sicher sein.

c) Oder: Amy wird zurück zu ihrem Heimatstandort nach North Carolina geschickt, wo sie privat eine Abtreibungsklinik finden muss.

In jedem Fall müssen Frauen wie Amy mit Konsequenzen oder gar Karriereeinbüßen rechnen.

So kann Amy beispielsweise abgemahnt werden, weil sie unerlaubten Sex hatte. Zwar existiert der so genannte „sex ban“ im Militär nun offiziell nicht mehr; auf Grund von diversen Einschränkungen findet er dennoch immer noch Anwendung. Nicht überraschend sind überdurchschnittlich viele Frauen von diesen Verwarnungen betroffen, da man nun einmal nur Frauen ansehen kann, wenn Sex Konsequenzen hat. Bei einer Verwarnung schwinden selbstverständlich die Chancen auf eine Beförderung bzw. kann dies sogar das Ende von Amy’s Karriere bedeuten. Als Frau in einem männlich dominierten Beruf ist man darüber hinaus eventuell auch Spott und Vorwürfen ausgesetzt, die darauf hinauslaufen, dass Frauen „ja nun einmal nichts im Militär zu suchen hätten“.

Aus diesen Gründen hat Amy mehrmals versucht, selbst eine Abtreibung durchzuführen. Mit online bestellten pflanzliche Abtreibungsmitteln und dem Putzstock ihres Gewehrs versuchte sie ein erstes Mal, einen Abbruch durchzuführen. Nach dem zweiten missglückten Versuch erzählte sie einer Vorgesetzten von ihrer Schwangerschaft und lieferte sich selbst ins Militärkrankenhaus ein, von dem sie in die USA ausgeflogen werden sollte, um dort privat eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Als man ihr dann mitteilte, dass sie dafür abgemahnt wird, dass sie Sex in einem Kriegsgebiet hatte, führte sie in der gleichen Nacht noch einen nun „erfolgreichen“ Schwangerschaftsabbruch durch.

Nachdem ein/e Psychater/in ihr in der Konsequenz bescheinigte, dass sie unter Depression und PTSD (posttraumatic stress disorder = posttraumatische Belastungsstörung) leide, erwirkte Amy ihre eigene Entlassung aus dem Dienst.

“They convinced themselves that anyone who would do a self-abortion is crazy,” Amy says. “It’s not a crazy thing. It’s something that rational, thinking women do when they have no options.”

(Zu deutsch: „Sie glaubten, dass eine Frau, die selbst eine Abtreibung durchführt, verrückt sein muss,“ sagt Amy, „aber es ist keine verrückte Sache. Es ist etwas, was rational denkende Frauen tun, wenn sie keine Optionen haben.“)

15 Kommentare zu „Schwanger in der Kriegszone

  1. wow, ich bin so unglaublich negativ beeindruckt von der Geschichte. Über diese Problematik habe ich bisher noch nicht nachgedacht, leider verwundert Amys Schicksal in diesem Umfeld nur wenig. Verachtungswürdig, vor allem ihr psychische Krankheiten zu bescheinigen, weil sie sich in einer beinah ausweglosen Lage beherzt selbst hilft, da aufgrund fragwürdiger und verstaubter Konventionen niemand sonst in der Lage dazu scheint.

  2. Ja, so ähnlich ist es in den USA auch – Sex zwischen Partnerin und Partner ist theoretisch in Ordnung. Neuerdings dürfen auch Unverheiratet miteinander schlafen – auch wieder nur theoretisch. Es heißt:

    Single men and women can now also visit each other’s living quarters, as long as everyone else who lives there agrees, and as long as visitors of the opposite sex remain in the open „and not behind closed doors, partitions or other isolated or segregated areas,“ according to the new regulation.

    Sex kann also in der Öffentlichkeit und bei offener Tür stattfinden – was dann aber laut UCMJ (Uniform Code of Military Justice) ein Vergehen wäre. Das Militär ist einfach so lustfeindlich ;-)

  3. ich weiß nicht. armee und krieg spielen ist keine puppenstube! wer da freiwillig rein will (ich nicht) weiß aber auch, was ihn oder sie erwartet. und daß sie sich im einsatz gleich hat schwängern lassen, ist ja nun auch, sagen wir künstlerpech? oder einfach nur dämlich? aber klar, in den usa wird keine verhütung gelehrt. :-(

  4. Sie hat sich nicht freiwillig schwängern lassen, sie wurde vergewaltigt (steht u.a. im verlinkten Text). Den Soldatinnen ist sicher bewußt, dass ein Kriegsgebiet nicht der beste Platz ist, ein Kind zu zeugen.

  5. hmpf, wieso steht das dann nicht da? das ändert die geschichte doch so sehr, das sollte die autorin auch hier erwähnen.
    habe mir den verlinkten text durchgelesen: sie sagt erst jetzt, daß es vergewaltigung war. macht sie jetzt was mit dieser neu gewonnenen erkenntnis? wie z.b. den soldaten verklagen? wäre ihr das damals schon aufgefallen (daß der sex eine vergewaltigung war), hätte sie die abtreibung sofort und kostenlos haben können.

  6. Vergewaltigung in der amerikanischen Armee ist ein ganz anderes Thema. In diesem Fall dürfte eine Soldatin abtreiben, aber dass ihr geglaubt wird oder es gar zu einer Verurteilung kommt, ist mehr als fraglich, s.a. http://www.feministe.us/blog/archives/2009/03/18/new-statistics-on-military-rape-and-reporting/

    Der Anteil der Soldatinnen, die Opfer von sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungen wurden, ist sehr hoch, einfach mal bei feministe oder feministing googlen.

  7. Im verlinkten Text steht zu dem Thema Vergewaltigung folgendes:

    From a remove of two years, Amy now sees the sex that resulted in her pregnancy as rape: something that may have qualified her for an on-base (though self-funded) abortion. However, at the time, because the rape wasn’t brutally violent, and because she had seen fellow servicewomen be ostracized for “crying rape” in the past, she imagined nothing but trouble would come of making a complaint.

    heißt: Damals hat sie die Vergewaltigung nicht als solche angegeben und wurde demnach auch nicht so behandelt (u.a., weil sie selber nicht ganz sicher war, ob man ihr glauben würde, dass es wirklich Vergewaltigung war, da es wie oben beschrieben nicht „zu brutal“ war. Es wird m.E. auch impliziert, dass sie selbst nicht sicher war, ob sie es selbst als Vergewaltigung sieht – was nicht verwunderlich ist, denn man glaubt ja Frauen nicht zwangsläufig, dass ihnen Gewalt angetan wurde, siehe Whoopi Goldberg und ihr komischer Kommentar, dass es „rape“ und „rape rape“ gibt. Klar hinterfragen Frauen dann, was mit ihnen passiert ist und ob sie ihren Gefühlen trauen können).

    (@ron:) Eine Vergewaltigung hätte die Situation auch nur leicht verändert – selbst bezahlen hätte sie die Abtreibung schon müssen.

    Eine Vergewaltigung ändert in vielen Fällen nichts daran, dass Frauen unehrenhaft entlassen werden, da ihnen entweder nicht geglaubt wird oder man die Sache schnell bereinigen will, sprich, die Frau und nicht der Vergewaltiger wird aufgefordert, zu gehen.

    Ich finde allerdings auch nicht, dass man jene Frauen bestrafen sollte, die zwar freiwillig Sex aber unfreiwillig schwanger wurden und sehe es ganz und gar nicht als „Künstlerpech“ an, vor allen Dingen nicht, wenn die schwangeren Frauen bestraft und die schwängernden Männer mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen haben.

  8. danke für diesen artikel. welchen solchen texten lese ich die mädchenmannschaft gerne, denn das sind themen, die sonst anscheinend nirgends angesprochen werden

  9. Ein altbekanntes Problem, jetzt aber zugespitzt. Gerade aus Deutschland hört man hin und wieder solche Fälle, US-Soldatinnen, die privat Praxen und Kliniken aufsuchen um abtreiben zu können, da es im Militärkrankenhaus nicht möglich wäre. Ist natürlich nur das kleinere übel, da man hier gut und relativ einfach an eine Abtreibung kommt.
    Das Problem der sexuellen Gewalt in der Armee ist eines, würde mal aus dem Bauch heraus behaupten in einem Land, in dem es für die Soldaten lebensgefährlich ist, im Ausgang ein Bordell zu besuchen kommt das häufiger vor. Es ist schrecklich, wenn die Armeeführung dagegen nichts unternimmt.
    Und natürlich soll jede Frau, egal auf welche Weise die Schwangerschaft entstanden ist, Zugang zu einer sicheren Abtreibung haben. Jedoch hält sich das Mitleid mit der genannten Soldatin bei mir im Grenzen, ohne jetzt die persönliche Tragödie runterspielen zu wollen. Sie hat einen Beruf ergriffen, in einer Armee die Kriegseinsätze liefert und dies erst noch aus frei erfundenen Gründen (wir erinnern uns, damals war es das Märchen von Massenvernichtungswaffen). Sie entscheidet sich in diese Armee einzutreten, ihr Geld verdient sie mit Blut, ein moderner Raubzug, Besetzung eines Landes um an seine Ressourcen zu kommen. Von diesem blutverschmierten Geld bekommt sie ihren Anteil in Form ihres Soldes. Der Irakkrieg hatte hunderttausende Opfer zur Folge. zu 99% auf der Seite der irakischen Bevölkerung. Die Konsequenz war für die Bevölkerung schrecklich, auch gerade Frauen leiden hefitig darunter, da sie unter der Diktatur ein für arabische Verhältnisse relativ selbstbestimmtes Leben führen dürfen – natürlich, die Verbrechen des Regimes dürfen nicht verharmlost werden. Die Frauen waren dabei aber nicht Opfer aufgrund ihrer Weiblichkeit. Im Vergleich zu befreundeten Staaten wie Saudi Arabien ging es ihnen gut. Jetzt leben sie häufig unter der Fuchtel von Islamisten, zusätzlich zur Gefahr jeder Zeit Opfer eines Anschlages von Seiten der Aufständischen oder einer amerikanischen Bombe zu werden, ist ihre Lage in von Islamisten kontrollierten Gebieten katastrophal. Das haben sie der US-Invasion zu verdanken. Das Verhältnis sollte gewahrt werden: Das Schicksal der Soldatin ist schlimm, aber im Vergleich zu dem was irakischen Frauen aufgrund der Invasion widerfahren ist, ein kleines Detail ohne hohen Stellenwert.

  10. @ Ariane

    Danke für deinen Kommentar, tolle Punkte, die du ansprichst!

    Nur kurz als Ergänzung: Wichtig ist, dass die meisten amerikanischen SoldatInnen ebenfalls nicht zu den Priviligierten der AmerikanerInnen gehören, sondern zum Großteil aus den unteren Schichten kommen und von den relativ großzügigen Zahlungen und der Aussicht, nach dem Einsatz studieren zu können, angelockt werden.

    Und da die Erfahrungen der Soldatin im Text keinesfalls ein Einzelfall ist, ist es m.E. schon ein Unrecht, welches sichtbar gemacht werden sollte. Wir berichten natürlich auch über das den Frauen angetanem Unrecht in Kriegsgebieten (hier und hier zum Beispiel)

    Gruß und erholsame freie Tage!

Kommentare sind geschlossen.

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