Samstagabendreflexion: One Billion Rising

Wer bei youtube die Suchwörter „One Billion Rising“ (wahlweise mit der Stadt oder dem Land eurer Wahl) eingibt, findet hunderte Videos – Musikvideos, Sprachbotschaften, Tanzanleitungen – die sich an der Bewegung gegen Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* beteiligen, die auch in vielen Städten in Deutschland stattfinden wird. Für unseren Samstagabendbeat wollte ich ein paar schöne Video raussuchen, denn nächste Woche, am 14. Februar, findet One Billion Rising statt.

Etwas irritiert war ich über so manches unglaublich gewaltvolles Video, bei dem ich mich schon fragen muss, ob diese krasse Inszenierung von (sexualisierter) Gewalt wirklich sein muss… Um Menschen ‚wachzurütteln‘? Menschen, die betroffen sind von dieser Gewalt müssen bestimmt nicht ‚aufgeweckt‘ oder ‚wachgerüttelt‘ werden, sondern werden im schlimmsten Fall re-traumatisiert. Ein anderer Aspekt ist die teils problematische Bezugnahme auf Gewalt, die i.d.R. nicht in westlichen Ländern verortet wird. In einer Bewegung, die primär von Initiator_innen aus Ländern wie den USA oder Deutschland getragen wird, stellt sich die Frage, wer an der Konzeption mitgearbeitet hat und aus welcher Perspektive Geschichten von Frauen* und Mädchen* weltweit erzählt werden. In ihrer Stellungnahme (PDF) zu One Billion Rising kritisiert GLADT e.V., dass in dem Kampagnenvideo der Initiatorin Eve Ensler rassistische Stereotype reproduziert werden: sexualisierte Gewalt wird nur von Schwarzen Männern ausgebübt, Weiße Frauen sitzen ordentlich gekleidet im Großraum-Büro, während Women of Color ohne jegliche Tätigkeit in der Wüste laufen.

Auch Nadia hat auf ihrem Blog Shehadistan aufgeschrieben, was sie stört: der Fokus auf’s Tanzen. Rambling Rose stellt in ihrem Blog ewig unzufrieden ebenfalls fest, dass der rassismus- und heteronormativitätskritische Blick fehlt.

Da wir Samstagabend für gewöhnlich einen Samstagabendbeat veröffentlichen, habe ich zwei Videos rausgesucht, die ich hingegen ganz schön finde.

„Break the Chain“ von V-Day

… und die Rapperin Sookee mit ihrem eigens für One Billion Rising geschriebenen Song:

Bei dem Videodreh war ich übrigens dabei, wer genau hinschaut sieht mich ab und zu mal abdancen ;) Im Vorfeld hatten ein paar Freund_innen und ich uns übrigens Gedanken gemacht, wie in dem Video mehr Sichtbarkeit für Körper geschaffen werden kann, die nicht der schlanken Norm entsprechen. Außerdem wollten wir etwas machen, was nicht mit Sport oder viel Bewegung zu tun hat, denn auch das ist ja etwas, was nicht für alle gleich attraktiv oder einfach ausführbar ist. Dazu hatten wir uns eine Szene ausgedacht, die es leider nicht ins Video geschafft hat: Zwei weiblich sozialisierte Menschen, eine davon fett* sitzen gemütlich irgendwo, essen Muffins, necken sich und schmieren sich den Zuckerguss ins Gesicht. Leider, leider taucht es nicht im Video auf, aber nun ist es eurer Phantasie überlassen, euch das vorzustellen.

* Selbstbezeichnung

35 Kommentare zu „Samstagabendreflexion: One Billion Rising

  1. Danke für den Artikel.
    Es freut mich, dass nun doch vermehrt Kritik auch in verschiedenen feministischen blogs an one billion rising sichtbar wird.
    gerade die mobi-videos, in denen eindeutig rassistische stereotype wiedergegeben werden und sexualisierte gewalt unnötig ausführlich und in szene gesetzt dargestellt wird, und das ohne triggerwarnung, haben mich ziemlich verärgert und ich habe mir anschließend die frage gestellt, was genau one billion rising eigentlich damit bezwecken will?. Ist es wirklich nötig, sexualisierte gewalt auf eine solche art und weise darzustellen? und dann noch mit dramatischem soundtrack? Sexualisierte gewalt brauch keine inszenierung für ein video, damit klar wird, was für ein ausmaß sie hat.
    und vorallem, ist es angebracht, dass weiße frauen auf die straße gehen und tanzen (!!) um gegen sexualisierte gewalt an women of colour, wie es im video dargestellt wird, zu protestieren??
    Diese Fragen habe ich übrigens auch sookee in einer mail gestellt, in der ich sie darum bitte, sich als unterstützerin von one billion rising zu der kritik zu äußern und sich zu positionieren. bis jetzt habe ich leider noch keine antwort bekommen.

  2. @Helena.

    Es ist wirklich nötig, sexualisierte Gewalt auf diese Art darzustellen, so darzustellen, wie sie ist. Warum beschönigen oder verschleiern? Wir müssen die Menschen wachrütteln, die Menschen, die nicht wissen, wie es ist, die verdrängen, wie es ist, nicht wahrhaben wollen. Menschen sind nun mal visuelle Wesen, die durch Bilder sehen, fühlen, denken. Jedes Bild bewirkt mehr, als tausend, schicke Blogartikel. Wenn wir eine Veränderung wollen, müssen wir so agieren.

    Es ist angebracht, dass weiße frauen auf die straße gehen und tanzen (!!) um gegen sexualisierte gewalt an women of colour, wie es im video dargestellt wird, zu protestieren. Ja, weil alle Frauen* auf die Straße gehen, egal, welcher Hauttönung, weil alle Frauen* betroffen sind, gemeinsam – solidarisch.

  3. Also das Thema Tanzen hat mich auch beschäftigt, und bei uns wird es wahrscheinlich niht zu einem Tanzmob kommen, weil es noch mehr Tanzscheue wie mich gibt. Musik als Element finde ich gut, aber ich bin einfach zu scheu und auch nicht gerade anmutig, so dass es mir eher unangenehm wäre.
    Aber eigentlich kommentier ich, weil ich es total schön finde, dass ihr euch Gedanken über Körpervielfalt im Video gemacht hattet, denn es war mir schon aufgefallen, dass das etwas fehlt. Sehr schade, dass die Szene nun nicht gezeigt wurde, denn sie hätte einen schönen Charakter gehabt (für so Menschen wie mich, die mit Skateboards eher wenig zu tun haben:-) ). Aber jetzt stelle ich sie mir einfach vor, das ist ja auch schon was.

  4. Etwas stört mich sowohl an der Stellungnahme von GLADT e.V. als auch in obenstehendem Text, der diese zitiert: Vielleicht ist das kleinlich, aber die Formulierung „Weiße Frauen sitzen ordentlich gekleidet im Großraum-Büro“ halte ich für eher unglücklich, da sie impliziert, dass alle schwarzen Frauen und Women of Colour im Video nicht „ordentklich gekleidet“ – was auch immer das sein mag – wären. Das liest sich für mich doch sehr überheblich, wenn nicht gar ebenfalls rassistisch.

  5. Ich habe nachdem ich die Stellungnahme von GLADT gelesen hatte, nun doch das OBR Video angeschaut. Ich steh eigentlich nicht auf diese dramatischen Videos und finde das nur unnötig schmerzend, deshalb hatte ich es mir gar nicht angeschaut bislang.
    Ich hatte mir auch gedacht, ja, die haben voll recht, es ist einseitig und rassistisch stereotyp, die weiße Frau als „Luxusbetroffene“ hinzustellen und die „wirklich bösen“ sind alles Männer of Color, denn es gibt in Europa und z.B. auch in Deutschland genug häusliche Gewalt, ausgeübt durch weiße „Biodeutsche“, die für viele Frauen jahrelange Gefangenschaft und am Ende sogar den Tod bedeutet. Das wird nur gern mal alles auf „die Fremden“ ausgelagert, weil „bei uuuns kommt das ja nicht vor etc“ (würg).

    Als ich das Video ansah wurde da aber genau das auch gezeigt, ein weißer Täter prügelt da auch eine weiße Frau in einer privaten Wohnung zu Boden. Nicht dass dadurch alles gut wird. Aber das musste ich schon zugute halten, dass die körperliche Gewalt nicht ausschliesslich auf PoC ausgelagert wurde sondern auch ein Weißer Gewalt ausübt.

    Was ich an dem Video wie erwartet total unangenehm fand, war diese unnötig ausführliche Darstellung von Gewalt an Frauen*. Und ich denke schon, auch wenn auch ein paar Weiße als Betroffene gezeigt wurden und halt nicht nur im Großraumbüro, sondern auch als Betroffene und Täter häuslicher Gewalt, existieren einfach in Deutschland massiv die Stereotypen, dass „wir hier“ es ja „besser“ haben und das wiederum reproduziert halt dieses in kolonialer Tradition stehende europäisch-weiße Sendungsbewusstsein, anderen irgendwie die Segnungen der Humanität charitymässig angedeihen lassen zu müssen.
    Ich hab ja neulich den Artikel von Nadine und Di Hia gelesen, (http://medienelite.de/2013/02/10/solidaritat-auf-2-000-km-luftlinie/) wo auch thematisiert wurde, wie solidarisch sein aus weißer, europäischer Perspektive gehen kann ohne in dieses Bevormunden zu kippen. Und genau da hat das Video, finde ich, total verkackt.

    Unterm Strich denke ich mir, OBR ist besser als gar nichts und ich hoffe schon, dass dadurch, dass es wirklich weltweit was geht, die Aktivist_innen of Color im globalen Süden und ihre Aktionen von uns in Deutschland wahrgenommen werden direkt mit ihren Stimmen und nicht mit den Bildern die dieses Mobi-Video von ihnen verbreitet hat.

  6. NEIN – ich werde NICHT spirituell tanzen… sorry. Das ist ne totale universalisierende Vereinnahmung von Menschen (auf verschiedensten Ebenen). Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Ich werde kein Teil dieser „Spiritualisierung“ von „Frauenpolitik“ über „Körperpolitik“ sein! Und wer weiss wie das dann medial weltweit verkauft wird? Als erfolgreiche spirituell-politische Aktion… neee… sorry, nicht meine Aktion. Glaube da würde ich mich eher Femen anschließen (lach – natürlich bin ich bei Femen auch inhaltlich weit weg, aber die haben zumindest religionskritisches Programm) und nackt gegen den homophoben Papst protestieren

    als einen auf „spirituelle Kuschel-Tanz-politik“ mit ansonsten konservativen Leuten zu machen. Durch diese Aktion wird Spiritualität als „Empowerment“ stilisiert und attraktiv gemacht…. ich sehe diesen Tanz als eine Art politisches Tanzgebet, gerade wenn man sich mal die mit christlicher Symbolik beschmückte Choreographin anschaut, die erklärt, dass das Heben der Hände symbolisch bedeute dass man sich an eine „spirituelle Macht“ zuwendet: http://onebillionrising.org/blog/entry/let-debbie-allen-teach-you-the-steps-to-the-break-the-chain-choreography

  7. Also ich finde One billion rising eigentlich schon gut, es erzeugt Aufmerksamkeit. Etwas indifferent bin ich bei dem Thema, ob es sein muss, dass Gewalt so deutlich gezeigt wird. Einerseits ist es natürlich gut, um den Menschen vor Augen zu führn, was los ist. Andererseits besteht natürlich die Gefahr der Retraumatisierung, wenn diese Darstellungen von Betroffenen gesehen werden…

    Was ich nicht gut finde, ist eure Idee, unterschiedliche Körper mit in das Video einzubringen. Das gesamte Video ist in Bewegung: Skateboard, Tanz… aber ausgerechnet Personen, die gewichtsmäßig nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen sollen wie es dem allgemeinen Klischee entspricht mit Süßspeisen gezeigt werden. Das geht mal gar nicht! Auch Leute mit etwas mehr Gewicht können tanzen, Skateboard fahren oder sich irgendwie anders bewegen. Dicke Menschen sind nicht nur am Essen!
    Wäre es wirklich darum gegangen, dass auch nicht alle Menschen sportlich sind (was zutrifft, aber nichts mit deren Körper zu tun hat) hätte man für diese Szene dann vielleicht der Vielfalt halber dünne Menschen nehmen sollen!
    So wie ich das hier verstehe wäre die einzige dicke Person beim klischeehaften Muffinessen gezeigt worden, sehr schade!

    Liebe Grüße,
    Miria

  8. @E.: Persönlich teile ich deine Kritik größtenteils, möchte aber zusätzlich zu Magdas Hinweis zu bedenken geben:

    Durch diese Aktion wird Spiritualität als “Empowerment” stilisiert und attraktiv gemacht

    Für viele Frauen *ist* Spiritualität empowernd, und Religionskritik, wie sie gerade aus weißer, global westlich-feministischer Perspektive erfolgt, hat oftmals auch mit Privilegien zu tun, die mit dieser Perspektive verbunden sind. Nicht umsonst gibt es gegen ein undifferenziertes „Religion unterdrückt Frauen“-Credo Einwände nicht zuletzt von Feministinnen of Color.

  9. Hallo Miria,

    hä? Wie kommst du darauf, dass es mir_uns *nur* darum ging, dicke Menschen beim Essen zu zeigen? Das war *eine* Szene, wo eine dünne und eine fette* Person (beide weiblich sozialisiert) ohne schlechtes Gewissen (!) und mit Spaß in der Öffentlichkeit essen, die es – wie ich beschrieb – nicht in das Video geschafft hat, obwohl dies eine Szene wäre, wo es mal nicht um viel Bewegung, sondern um Ruhe geht (was es ja wohl auch geben muss). Dass diese Szene nicht dabei ist, ist schade, wie ich schrieb, denn (sportliche) Bewegung ist auch ein Ausschlussgrund für viele.

    Wo schreibe ich, dass dicke Menschen nicht tanzen, skateboarden etc. können_wollen? Wenn du das Video gesehen hast, dann ist dir vielleicht aufgefallen, dass da ein paar waren, wenn auch leider nie im Vordergrund (wäre hier interessant zu fragen, warum das so ist). Eine wichtige Frage ist auch: Wer fühlt sich von viel Bewegung/Sport angesprochen? Wer hat schlechte Erfahrungen mit Sport_Bewegung gemacht (egal, wie sportlich die Person ist)? Obwohl ich besonders in meinen Teenagerjahren recht sportlich war, sind die meisten Formen von Sport für mich ein rotes Tuch, weil ich schlechte Erfahrungen in Sportgruppen gemacht habe inklusive Dickenfeindlichkeit, z.B. dass mir nichts zugetraut wurde oder ich gehänselt wurde etc. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich so wenige dicke und fette Menschen von dem Videodreh angesprochen fühlten: Nicht alle können ihre Körper selbstverständlich in der Öffentlichkeit präsentieren, denn einige von uns haben mit Sanktionen zu rechnen.

    Leider stellst du diese Fragen nicht, sondern meckerst über eine Szene, die sich eine fette* Person ausgedacht hat, weil sie das als Statement (unter vielen anderen Statements in diesem Video!) wichtig fand.

    PS: rein sprachlich hab ich schon ein Problem mit deinem Beitrag („Leute mit etwas mehr Gewicht“ – bitte? „Mehr Gewicht“ als wer?? Bitte nicht sprachlich die Norm bestätigen, die du eigentlich kritisierst)

    * Selbstbezeichnung

  10. @Magda: Ich habe mir das Video angeschaut und mir sind keine Menschen aufgefallen, die von ihrem körperlichem Gewicht nicht der Norm entsprechen. Vielleicht gab es diese im Hintergrund und ich habe sie nicht gesehen (weil zu weit im Hintergrund). Ich habe auch nicht behauptet, dass du davon ausgehst oder geschrieben hast, dass dicke Menschen nicht Tanzen, Skateboard fahren oder sich sonstwie bewegen können, nur dass es mit dieser Szene im Video so gewirkt hätte als ob diese das nicht könnten oder sollten…

    Vielleicht gab es ja noch mehr Szenen, in denen dicke Menschen ganz anders gezeigt werden und die es auch nicht ins Video geschafft haben. Aber da ich nicht an den Überlegungen beteiligt war, kann ich nur von dem ausgehen, was hier geschrieben wurde und da gibt es nunmal nur das Video und die Beschreibung dieser EINEN Szene. Ich habe auch nicht geschrieben, dass es *nur* darum ginge, dicke Menschen beim Essen zu zeigen, sondern dass durch diese Szene das Klischee bestätigt gewesen wäre. Ich bin mir nichtmal sicher ob dir oder euch das zu dem Zeitpunkt so bewusst war.

    Natürlich hast du Recht damit, dass sich nicht jeder von Sport angesprochen fühlt und vielleicht einige auch schlechte Erfahrungen mit Sport in Vereinen oder Gruppen gemacht haben. Aber meiner Meinung nach hätte das ganze Video dann anders gestaltet werden müssen. So wie ich das jetzt sehe, gibt es keine einzige ruhige Szene. Wie gesagt, ich weiß ja nicht, was es noch für Überlegungen gab. Ich fände es einfach nur unpassend, gerade in der einzigen (?) ruhigen Szene eine dicke Person essend zu zeigen.

    Ich meckere im Übrigen nicht, sondern kritisiere! Kleine Kinder meckern. Und nur weil die Person selbst auch dick ist, heißt es nicht, dass sie damit keine anderen Menschen verletzten kann! Wie bekannt sein müsste, können auch Frauen sexisitsch sein und genauso kann auch eine Szene, die von einer dicken Person erdacht wurde, andere dicke Menschen verletzen.

    Ps. Mit etwas mehr Gewicht, meine ich natürlich mehr als die „Norm“ (gesellschaftlich geltende Schönheitsnorm). Ich sehe nicht, wo ich da irgendwas bestätige, wäre dir hier für genauere Hinweise dankbar?

  11. @ Miria

    Wie gesagt: Es waren ein paar (wenige) dicke und fette Menschen da, die sich (unter anderem) mit ein paar dünnen Menschen auch eine Szene ausgedacht haben, in der ohne schlechtes Gewissen und mit viel Spaß gegessen wird – neben den 100.000 Tanzszenen, die es in diesem Video bereits gibt. So hatte ich das auch beschrieben. Das wäre auch eine der wenigen Szenen gewesen, wo mensch überhaupt eine Nahaufnahme von einer dicken Person gesehen hätte – ansonsten halt nur im Hintergrund. Dass es dann noch nicht mal diese Szene reingeschafft hat, ist traurig (insbesondere für die fat-Aktivistin). Ich frage mich also, warum diese Szene verletzend sein soll…? Ist ja nicht so, als hätten die Dünnen alle Sport gemacht und die Dicken alle gegessen (das fände ich auch schwierig), sondern alle haben getanzt, gesessen und Spaß gehabt und einige haben sich dann noch die Szene ausgedacht.

    Fand an deinem Beitrag einfach ärgerlich, dass du mir und der fat-Aktivistin etwas unterstellst, was einfach nicht in meinem Beitrag steht und dann auch noch (zumindest las ich das ohne kritische Einbettung) so etwas schriebst: „Auch Leute mit etwas mehr Gewicht können tanzen“ als würdest du mir oder anderen hier in diesem Kontext was neues erzählen.

    Zur Erinnerung, ich schrieb folgendes:

    Im Vorfeld hatten ein paar Freund_innen und ich uns übrigens Gedanken gemacht, wie in dem Video mehr Sichtbarkeit für Körper geschaffen werden kann, die nicht der schlanken Norm entsprechen. Außerdem wollten wir etwas machen, was nicht mit Sport oder viel Bewegung zu tun hat, denn auch das ist ja etwas, was nicht für alle gleich attraktiv oder einfach ausführbar ist.

    Wir wollten also 1. mehr Sichtbarkeit für Körper jenseits der schlanken Norm haben (was schwer ist in einem Rahmen, der bestimmte Körper implizit ausschliesst) und wir wollten 2. eine Szene machen, an der eine dünne und eine dicke Person beteiligt sind, die selbstbewusst essen. Finde also nicht, dass hier nur Dünne tanzen und Dicke essen. Finde gerade wichtig, dass Menschen mit unterschiedlichen Körpern dabei gefilmt werden, ohne schlechtes Gewissen zu essen.

  12. Anna-Sarah: Danke für diese Wortmeldung.

    Ich finde es auch völlig okay, wenn eine sagt, Spirikram ist nicht ihr Ding und sie mag da nicht mitmachen, aber gleich zu sagen „Da wird ja Spiritualität attraktiv gemacht“ als sei es völlig selbstverständlich, dass jede hier das abscheulich finden muss, finde ich vereinnahmend. Ich bin eine Frau* die Spiritualität empowernd findet, wenn ich mir auch mehr Spiritualität jenseits von biologistischen „Wir Frauen, die alle Vaginas haben“ wünschen würde. Die gibt’s ja auch, es könnte aber ruhig mehr und lauter sein :)

  13. In gewisser Weise muss ich hier E. beipflichten.
    Ich empfand den spirituellen Aspekt der Veranstaltung gestern als ausschließend.
    Und nein, ich möchte niemandem seine Spiritualität absprechen, Feministinnen, die sich durch ihren Glauben empowered sehen, christliche Feministinnen, muslimische Feministinnen .. wunderbar .. wirklich. Und wenn Ihr, liebe spirituellen Feministinnen Euren individuellen Glauben mit auf Veranstalutungen bringt, schön.
    Nur wenn diser spirituelle Aspekt *offizieller* Teil der Veranstaltung ist, Teil der offizielen Songs, Teil der offizielen Choreographien, wenn Leute mit OBR-Logo Plakaten rumlaufen auf denen My Body Is Holy steht. Ne, also, mein Körper ist nicht „heilig“, ich werde das nicht singen, tanzen oder unter Plakaten herlaufen, auf denen sowas steht.
    Abgesehen davon, sehe ich auch nicht, wo im Westen religionskritische Menschen priviligiert wären.

  14. „Abgesehen davon, sehe ich auch nicht, wo im Westen religionskritische Menschen priviligiert wären.“

    @judith

    Anna-Sarah schrieb, dass es sich um Religionskritik aus weißer, westlicher Perspektive handelt, nicht um religionskritische Menschen. Westlich geprägte Länder sind christlich säkularisiert, das Christentum ist „Staatsreligion“, Werte, Vorstellungen, Ideologien und Glaubensgrundsätze haben sich in Rechtsnormen, Diskurse über und gegen Religion (ja auch sogenannte atheistische) eingeschrieben und „leben“ dort sozusagen weiter, auch wenn nicht immer ein Bezug zum Christentum hergestellt wird. Wir sehen das bspw an liberalen Grundsätzen, die ständige Bezugnahme zu „Moral“ und „universalen“ „Werten“. Der Glaube an Gott ist nun mehr oder weniger der Glaube in Rechtsstaatlichkeit, in vom Staat legitimierte Autoritäten usw usf. Das heißt nicht, dass Atheismus oder Religionskritik immer obrigkeitsgläubig sind, sondern genau geschaut werden muss, woher die Kritik kommt. Aus der bürgerlichen Mitte operiert Kritik an Spiritualität und Religion in den meisten Fällen mit christlich geprägten Ideologien, auch in linken Kontexten sind liberale, christlich säkularisierte Diskurse in die Religionskritik eingeflossen.

    Das Christentum wird eng mit Europa und Weißsein verknüpft und seine heutige Verbreitung geht auf Geschichten der Vertreibung, von kolonialer Gewalt und gewaltvoller Expansion („Kreuzzüge“) zurück. Wenn Religion(en) und Spiritualität aus einer vermeintlichen religionskritischen, „atheistischen“ und v.a. deutschen Perspektive kritisiert werden, erfolgt diese Kritik aus einem weißen, westlichen (europäischen) Bezugsrahmen heraus, in den christliche Werte und Ideologien eingeschrieben sind, ebenso Rassismen und Kulturalisierungen und damit einhergehend die Abwertung „des Anderen, Orientalen, etc.“ Religions“kritische“ Diskurse sind anerkannte Diskurse in Deutschland, sie werden kaum kritisiert, die Trennung von Staat und Kirche ist nur scheinbar eine Trennung, wenn wir uns – wie ich oben schrieb – die strukturelle und diskursive Verankerung des Christentums in Deutschland anschauen, bestes Beispiel ist die Institution Kirche als größter „Arbeitgeber“, die weitestgehend von arbeitsrechtlichen Grundsätzen abweichen darf. Ich sage nicht, dass das nicht Teil von Religionskritik sein kann und ist, ich behaupte lediglich, dass es nicht DIE Ausübung von Religionen auf der einen und DIE Kritik daran auf der anderen Seite gibt. So wie in der DDR Menschen verfolgt und systematisch diskriminiert wurden, die katholisch oder evangelisch praktizierten, so wurde doch nach dem Mauerfall tunlichst darauf geachtet, gerade den christlichen Glauben wieder zu kultivieren. Religionskritische Stimmen stehen nicht außerhalb dieser Einschreibungen und Diskurse, haben keine Meta-Perspektive auf Religion. Nächstes Beispiel wäre die Verhandlung des Islam in Deutschland. Insofern ja, würde ich Anna-Sarah zustimmen. Religionskritik erfolgt häufig aus privilegierter Perspektive und darf jederzeit unsanktioniert geäußert werden, auch wenn z.B. krasse Rassismen darin mitschwingen.

  15. @Nadine
    Das ist mir auch schon öfters aufgefallen, dass Religionskritik und Rassismus öfters mal erschreckend vereinbar zu sein scheinen. Explizit wenn es um sogenannte „Islamkritik“ geht. Dem will ich überhaupt nicht widersprechen.
    Gleichzeitg ist (christliche!) Religionszugehörigkeit leider oft priviligierende Vorraussetzung um einem Job beim „größten Arbeitgeber“ Deutschlands zu erlangen (oder amerikanischer Präsident zu werden.) Also so ganz unsanktioniert geht das mit der Religionskritik im Westen auch nicht immer.

    Wie auch immer, dass der weibliche Körper „heilig“ sein soll, hat mich einfach auch zu sehr an die Rhetorik amerikanischer ProLifer erinnert.

    Ist jetzt aber auch nicht der einzige Kritikpunkt, den ich an One Billion Raising habe. Eher ein einzelner Aspekt, warum ich mich – unter anderem – da gestern nciht wohl gefühlt habe.
    Ich fand auch den Artikel von Natalie Gyte in der HuffPo ganz interessant:
    http://www.huffingtonpost.co.uk/natalie-gyte/one-billion-rising-why-i-wont-support_b_2684595.html?utm_hp_ref=uk

  16. @Judith

    Ich habe dir in diesem Punkt auch gar nicht widersprochen. Wollte nur sagen, dass in Religionskritik in Deutschland oft christliche Ideologien, die mit Rassismen verknüpft sind, stecken, die von Äußernden nicht hinterfragt werden, geschweige denn überhaupt bekannt sind. Und gerade in diesem Punkt ist diese Religionskritik bezogen auf einen deutschen Kontext „angesehen“.
    Dass die Kritik an der Vormachtstellung der Institution Kirche in der BRD nicht auf fruchtbaren Boden fällt, hängt damit zweifelsohne zusammen. Es gibt allerdings auch sehr viele Menschen, die diese Vormachtstellung kritisieren, ohne religionskritisch zu argumentieren.

  17. @Angelika

    Danke für den Link! Das trifft nochmal ein paar Gedanken, die auch beim Lesen hatte. Allerdings kam mir der auch hier der Gedanke, dass der Artikel von Spektra unterstellt, Natalie Gyte würde diese Awareness-Arbeit in ihrer eigenen Peer-Group nicht leisten. Es ist unbestritten, dass white allies sich nicht nur auf Empörung/Kritik konzentrieren sollten und dafür die Stimmen von Women of Color zu instrumentalisieren, allerdings merke ich selbst, wie unglaublich schwer es ist, Sensibilisierungsarbeit diesbezüglich zu leisten und Kritiken in die weiß dominierten feministischen Gruppen zu tragen, da sofort Spaltungsvorwürfe laut werden oder eine starke Abgrenzung passiert.

  18. @ nadine, ich verstehe den satz inhaltlich nicht: „Es ist unbestritten, dass white allies sich nicht nur auf Empörung/Kritik konzentrieren sollten und dafür die Stimmen von Women of Color zu instrumentalisieren,…“ nicht nur… sondern auch? sondern auch was? sollen sie überhaupt, wenn sie women of color instrumentalisieren?

  19. @kinky

    oh ich merke gerade, dass ich da unverständlich formuliert habe. das sondern bezog sich auf die vorschläge, die auf spectra speaks gemacht werden. also, dass weiße feminist_innen in erster linie sensibilisierungsarbeit bezüglich rassismen in ihren eigenen peer groups machen sollten und veränderungen erarbeiten bezüglich der reproduktion von rassismen in den „eigenen reihen“. ich glaube, gytes artikel richtete sich ja in erster linie an die eigene peer group, zumindest habe ich das so herausgelesen, dass sie dort WoC zitiert, bettet sie ja auch ein: sie war auf einer veranstaltung und wurde durch diese sensibilisiert. eine andere lesart ihres artikel ist ja, dass sie sich als weiße empörte hinstellt und womöglich menschen, betroffenen von rassismus, etwas erklärt, was diese womöglich eh schon lange wissen und darauf hinweisen. das kritisiert spectra speaks ja u.a. und mit dieser lesart kann das zitieren von WoC dann als instrumentalisierung dieser stimmen eingeordnet und kritisiert werden. zumindest ist der teil mainstream vs. grassroot feminism eindeutig an die eigene peer group gerichtet und in diesem zusammenhang fand ich gytes kritik richtig.

  20. @Nadine : „dass weiße feminist_innen in erster linie sensibilisierungsarbeit bezüglich rassismen in ihren eigenen peer groups machen sollten und veränderungen erarbeiten bezüglich der reproduktion von rassismen in den “eigenen reihen”.“ – so hatte ich spectra speaks u.a. auch verstanden.
    wobei ich dies für mich auch so verstehe, wenn es generell und speziell um die re-produktion von (verinnerlichten) oppressiven stereotypen geht – also auch z.b. sexismus, klassismus.

  21. Ich habe mir jetzt erst das Video angesehen, und ich finde es ziemlich abturnend. Es erinnert mich an diese Awareness-Videos, zb für Brustkrebs o.Ä., bei denen es wohl um die empowernde Komponente geht (was ja manchmal auch ganz gut funktioniert). Mir ist das alle zu spaßig. Ich habe schonmal gehört, dass Feministinnen ja immer so sauer und verkniffen wären (jaja) und natürlich wollte ihc insgeheim diesem Klischee nicht entsprechen und immer die sein, die miese Stimmung macht. Ich habe aber irgendwie das Gefühl, dass solche Videos oder solche Sachen wie SW, die sich ja auch irgendwie den Spaß am Feminismus (ich sag jetzt mal lieber nciht Spaßfeminismus, ich will das niemandem unterstellen), eine (vielleicht unbewusste?) Reaktion sind, um gerade noch massenkonformen feminismus zu betreiben, bei dem sich alle freuen, singen und tanzen. Soweit so gut. Aber steckt dahinter vielleicht auch die Angst, tatsächlich sauer und unbequem zu sein? Mir bleibt irgendwie die Freude im Halse stecken, wenn ich an das denke, das mir so im täglichen Leben an Sexismus und Benachteiligung begegnet, und mir ist dann nicht mehr nach tanzen. Es geht für mich zwar auch um Empowerment aber vor allem darum, diese verdammten Missstände anzuprangern, an denen einfach ncihts schön ist. Ich habe langsam ich darf nicht sauer sein, sondern muss mir einem Lächeln protestieren. Ich weiß, dass sicher nichts davon von der Kampagne so beabsichtigt war, aber warum hab ich dann dieses blöde Gefühl, dass ich mich nicht bei dem was Frauen so erleben müssen, singend und tanzend auf die Straße stellen will, damit die Gesellschaft sich weiterhin an mir erfreuen kann? Ich sehe in diesen Bewegungen eigentlich einen Rückschritt in Richtung Unterordnung und Sprachlosigkeit.

  22. Ohne OBR verteidigen zu wollen, finde ich es trotzdem etwas eurozentristisch und auch klassistisch, zu behaupten Tanz wäre „nur“ Spaß und zu wenig ernst für das Anliegen.

    Es gibt so viele Varianten des Tanzens, in denen auch soziale Kämpfe verschiedenster Art ausgedrückt, kommuniziert und symbolisch verhandelt werden (Pogo, Capoeira, Tango…), dass ich das „Tanzen = nur Spaß“-Argument nur bedingt nachvollziehen kann (wobei ich durchaus sehe, dass Ensler & die OBR-PR, das wahrscheinlich durch die Art und Weise wie sie übers Tanzen sprechen befeuert haben).

  23. Michi, ja darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht, zumal ich eher mit einer Kultur verbunden bin, in der Tanz viel präsenter ist, als in Deutschland, zumindest fällt mir immer auf, dass in Deutschland Proteste und Feiern ür mienen Geschmack etwas steif daherkommen. Und da finde ich die Idee an sich schon gut, das ganze am Vorbild des Protestes mit Tanz auszurichten. Es schient nur nciht zu funktionieren, anscheinend kommt es doch auf den Kontext an. Ich finde trotzdem, es wirkt einfach nur gefällig und „lustig“. Ich weiß nciht genau, ob es jetzt an der öffentlichen Wahrnehmung oder tatsächlich an der Organisation von OBR liegt, dass die Bewegung auf den Spaß reduziert wird. Aber dass ausgerechnet der gefälligste Part dieses Konzepts so betont wird.. Da frage ich mich, ob hier nicht hinter dem Gedanken einfach Kräfte stecken, die Frauen genau in dieser Postition eben haben wollen. Dass jetzt weiße Frauen/Gesellschaften einfach so Protestformen aus anderen Kulturen aufgreifen finde ich zwar wünschenswert, aber in diesem Fall irgendwie gedankenlos.

  24. schließe mich Michi an. es gibt sicherlich vieles an obr zu kirtisieren und man muss tanzen auch nicht mögen oder selbst tanzen wollen, aber ich finde es auch nicht richtig, dass tanz als sprachloser protest hingestellt wird. für mich, die ich selbst sexualisierte gewalt erfahren habe, ist tanz eine wichtige ausdrucksform und ganz und gar nicht sprachlos. das mag für ganz viele menschen, die ähnliches erlebt haben, nicht so sein, aber für andere eben schon. ich denke es ist platz für diese form des protests.
    ich selbst habe bei obr nicht mitgetanzt, da ich mich mit anderen dingen nicht identifizieren konnte, aber ich werde tanzaktionen ganz sicher nicht grundsätzlich ausschließen.

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