In früheren Artikeln der Serie „Gender und Rechtsextremismus“ hat accalmie unterschiedliche Rollen autonom organisierter rechten Frauen aufgezeigt (Teil 1/ Teil 2). Eine Frage, die sich daran anschließt: Kann es einen „rechten Feminismus“ geben?
Geschlecht und insbesondere Vorstellungen zur Rollenausgestaltung von Männern und Frauen sind wichtiger Pfeiler (extrem) rechter Ideologien. Dabei steht die Vorstellung im Mittelpunkt, dass es genau zwei Geschlechter gibt und dass Frauen und Männer jeweils spezifische Rollen, die in „ihrer Natur“ lägen, zu erfüllen hätten. Diese geschlechteressentialistischen Annahmen halten starke, gewaltbereite Männer hoch und verweisen Frauen in die Küche, auf den Spielplatz zur Kinderbetreuung und an die aktionistische Seitenlinie. Auch diese Betätigungsfelder „im Hintergrund“ sollten natürlich nicht unterschätzt werden: Die nationalistische Erziehung der Kinder, direkter Einfluss in Schulen und Sportvereinen, und andere Tätigkeiten halten die rechten Gemeinschaften zusammen und üben darüberhinaus „unauffällig“ gesellschaftlichen Einfluss.
„Emanzipation“ im Nationalsozialismus
Aber auch in der extremen Rechten gibt es Frauen, die sich nicht auf die vorgeschriebenen Rollen festlegen lassen wollen oder diese für sich anders ideologisch ausgestalten. Dies ist kein neues Phänomen. Birgit Rommelspacher zeigte solche Tendenzen bereits für die NS-Zeit auf:
Auch im Nationalsozialismus gab es Frauen, die gleiche Rechte und gleiche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen forderten; man sprach von den »oppositionellen Faschistinnen« (Korotin 1994). Ihr Argument lautete, im Kampf um die deutsche Vormacht werde jeder Mann und jede Frau gebraucht. Die Organisation und ihre Zeitschrift, »Die deutsche Kämpferin«, wurden relativ schnell verboten. Dennoch weist der Fall der »oppositionellen Faschistinnen« darauf hin, dass Frauen sich durchaus Chancen ausrechneten, im NS-System aufzusteigen. In den Interviews, die Claudia Koonz mit einigen dieser Frauen geführt hat, sagten viele von ihnen auch im Nachhinein, sie hätten im NS-Deutschland eine gute Zeit gehabt. (Koonz 1986)
Rommelspacher zeigt auch wie die Konstruktion der „emanzipierten“ rechten Frau, an rassistische Begründungen geknüpft war (und ist). So wurde und wird unter anderem mit Rückbezug auf Germanen oder Wikinger argumentiert, bei denen es „Geschlechtergleichheit“ gegeben hätte. Die Einführung des Patriarchats wird nach „außen“ verlagert und beispielsweise während der NS-Zeit konkret an das Judentum gebunden. „Emanzipation“ ist dabei untrennbar an die Vorstellungen einer überlegenen Nation und „Rasse“ gebunden, die es wiederherzustellen, zu stärken und zu schützen gilt. Rommelspacher sieht dabei zwei unterschiedliche Formen der Ausfüllung von Frauen: „Das gilt für den beziehungsorientierten und den individualistischen Frauentyp gleichermaßen. Die Mutter ist nicht mehr nur die Mutter für ihre Kinder, sondern Mutter für ihre ganze Nation oder Rasse. Die Individualistin sieht in Nation und Rasse eine Herausforderung, ihre eigene Überlegenheit zu beweisen, und zwar als Auswirkung und als Verkörperung der Überlegenheit des Kollektivs.“ Das Sprechen von „Emanzipation“ aber war und blieb ein Randphänomen. So schrieb accalmie hier zu aktuelleren Entwicklungen:
Weibliche* Selbstverwirklichung liegt für die Mehrheit extrem rechter Frauengruppen in der Mutterschaft. Die Idee zur Emanzipation komme im „natürlichen Denken“ der “deutschen Frau” nicht vor, schrieb zum Beispiel die GDF 2008 mithilfe schlecht verhohlener antisemitischer Codewörter, sondern sei eine “von außen” in die deutsche Gesellschaft hineingetragene, “fremde Lehre”. Erneut wird eine Bipolarität von Männern und Frauen stilisiert: Diese seien zwar “gleichwertig“, aber nicht “gleichartig”.
„Nationaler Feminismus“ der 2000er
Doch trotz der Randständigkeit des Themas „Emanzipation“ ist es nie ganz verschwunden.. Ab den 2000ern veränderte sich der Diskurs dann noch einmal. Ein neues Phänomen war zu beobachten, nämlich die Übernahme und Aneignung bestimmter feministischer und linker Konzepte. Überhaupt wurde von „Feminismus“ geredet. So verkündete der Mädelring Thüringen (Zitat aus dem Text „Düütsche Deerns, wir kriegen euch!“ übernommen):
Wir müssen uns endlich eingestehen, dass ein Frauenbild, das vor allem im Dritten Reich geprägt worden ist, nicht mehr im vollen Umfang vertretbar ist. Deshalb ist die Zeit gekommen, diese Missstände zu beseitigen und eine Alternative anzubieten und diese stellt der nationale Feminismus dar. Daher … Deutsche Frauen wehret euch – gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit! Nationaler Feminismus voran!
Der Text wurde offline genommen, doch zeigt er veränderte Rhetoriken auf, welche auch in Österreich zu finden sind. Dort sprach eine extrem rechte Politikerin für die Beibehaltung der Fristenlösung und monierte die Degradierung von Frauen zu „Gebärmaschinen“ – „ein Ausspruch, der grundsätzlich vom linken Feminismus geprägt worden war“ (Irmi Wuschter). Dieser neuere „rechte Feminismus“ wiederum ist auch kein klares eindeutiges Konzept, sondern unterteilt sich in unterschiedliche Strömungen, denen aber gemein ist, dass sie (unterschiedlich begründet) eine Gleichwertigkeit der Geschlechter (natürlich immer zwei) postulieren. Dabei beziehen sich einige auf differenzfeministische Ansätze, welche nutzbar gemacht werden durch ihre Zuschreibung von Unterschieden mit einhergehenden Wertungen. Ein Vorgehen, welches für Frauen der extremen Rechten nicht nur hinsichtlich von Geschlecht anschlussfähig ist. Andere speisen ihr Feminismusverständnis aus gleichheitsfeministischen Ansätzen. Dies funktioniert, da im rechten Kontext die Unterscheidung zwischen dem eigenen „Volk“ und anderen gezogen wird und die Überlegenheit der eigenen Gemeinschaft auch daraus resultiere, dass alle Teile der Gemeinschaft – also Männer und Frauen – gleichwertig (überlegen) seien. (Siehe Rezension von Anja Wehler-Schöck zu „Braune Schwestern?“) Irmi Wuschter fasst die Tendenzen und Themen zusammen:
Die Entwicklung des „Völkischen Feminismus“ oder auch „Feminismus von Rechts“ bringt mit sich, dass viele der Aktivitäten und Ansprüche rechter Frauen Ähnlichkeiten zu jenen linker Organisationen aufweisen: Sexismuskritik wird artikuliert, es werden Selbstverteidigungskurse angeboten, es gibt Proteste gegen Frauenhandel oder auch gegen sexuelle Gewalt an Frauen. Durch diese Positionierungen lassen sich linke und rechte Ideologien an der Oberfläche kaum mehr unterscheiden. Rechte Argumentationen rufen nach Gleichberechtigung, nach Beseitigung von Diskriminierung von Frauen, nach Hilfe für Alleinerzieherinnen etc. Sieht man sich diese Argumentationen jedoch genauer an, ist sehr schnell erkennbar, dass diese Gleichberechtigung nur für die „deutsche Volksgemeinschaft“ bzw. für die „weiße Rasse“ gilt.
„Rechtsextremer Feminismus – und wir?“
Und wenn es nun Strömungen in der extremen Rechten gibt, die Feminismus für sich reklamieren, was bedeutet das für andere Feminist_innen, fragte bereits Rommelspacher in ihrem Aufsatz. Die Autor_innen des Buchs „Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten.“ definieren ‚einfach‘ den Feminismus der extremen Rechten aus ihrem Verständnis von Feminismus heraus, in dem sie (richtigerweise) darauf hinweisen, dass sich der „Feminismus“ in der Rechten nur auf eine „Volksgemeinschaft“ bezieht und nicht darüberhinaus Herschaftskritik einbezieht. Ganz klar ist das, was extrem rechte Frauen unter Feminismus verbreiten, sehr beschränkt und reproduziert mehr Machtverhältnisse als was es hinterfragt. Dieses sehr schnelle herausdividieren aber kann auch den Blick auf eigene feministische Praxen aussparen. Doch wäre hier an dieser Stelle nicht auch zu fragen, warum es überhaupt möglich ist bestimmtes feministisches Vokabular und Konzepte aus rechter Perspektive als anschlussfähig zu erachten? Rommelspacher schreibt dazu pointiert:
In rechten Bewegungen geschieht dies [emanzipatorische Beegungen/ Feminismus] jedoch in einem patriarchalen Zusammenhang, so dass Frauen, auch wenn sie in gewisser Weise an Boden gewinnen, dies im Rahmen männlicher Überordnung tun. Auf kurze Sicht können sie sich auch gegenüber ihren Männern stärker fühlen, sie können sich befreit fühlen von traditionellen weiblichen Beschränkungen, indem sie für die Ziele eines Kollektivs kämpfen; sie bleiben jedoch unter männlicher Herrschaft und verbessern ihre Stellung immer nur auf Kosten anderer. Das Problem liegt darin, dass all dies auf den westlichen, liberalen Feminismus genauso zutrifft, jedenfalls in seiner vorherrschenden Form. Je erfolgreicher er wird, desto mehr orientiert er sich an den führenden Werten und Kräften.
Feministische Ideen sind eben gerade dann anschlussfähig für die Rechte, wenn sie alleinig auf Formeln beruhen wie „Feminismus = Gleichberechtigung für Männer und Frauen“, wie sie oft verkürzt dargestellt und verbreitet werden. Wenn nicht auch die Konstruktion von Geschlecht an sich mit hinterfragt wird und Hetero_ sowie Cis_Sexismus niemals benannt werden, wenn der Blick Kapitalismus und seine Machtverhältnisse ausblendet, wenn Rassismus und Ableismus als Themen zweiter oder gar dritter, vierter, fünfter Reihe behandelt werden, die in keinem direkten Zusammenhang ständen mit Sexismuskritik ™ ständen. In Anlehnung an Flavia Dzodan könnte es dazu heißen: Mein Feminismus wird intersektional sein oder bullshit ( der von der extremen Rechten angenommen werden kann).
Weiterlesen:
„Rechtsextremer Feminismus – und wir?“ von Birgit Rommelspacher.
„Düütsche Deerns, wir kriegen euch!“ auf Lola für Lulu.
„Faschofeminismus?“ von Irmi Wutscher.