#MeToo, #TimesUp und andere Interventionen: Wie Frauen die Filmindustrie verändern

Die Veröffentlichung der Vorwürfe gegen Hollywood-Produzent Harvey Weinstein Anfang Oktober hat eine Lawine ins Rollen gebracht. Mehr denn je bringt sich die Film- und Fernsehindustrie mit #metoo und #timesup in die feministische Kritik an sexistischen Strukturen, typen-dominierten Räumen und sexualisierte Gewalt ein,  Frauen in der Industrie sprechen öffentlich über herrschende Zustände vor und hinter der Kamera. Im Rahmen des diesjährigen Sundance Film Festivals fand ein Panel zu eben diesen Themen statt: Die Schauspielerinnen Tina Lifford (Scandal, Queen Sugar), Octavia Spencer (Hidden Figures,  Shape of Water), Sandra Oh (Grey’s Anatomy, Killing Eve), Produzentin und Präsidentin von „Women in Film“ Cathy Schulman sowie Kamerafrau und Regisseurin Reed Morano (Lemonade, Handmaid’s Tale) geben Einblicke in ihre Arbeit, Grenzen, an die sie gestoßen sind und welche sie überwunden haben und diskutieren über Möglichkeiten der Veränderung.

Tina Lifford, Octavia Spencer, Cathy Schulman, Sandra Oh und Reed Morano (v.l.n.r.)

Ich möchte exemplarisch ein paar Punkte jeder Panelistin herausgreifen:

  • Cast und Crew der von Ava Duvernay und Oprah Winfrey produzierten (und von Duvernay entwickelten) Serie Queen Sugar sind zum überwiegenden Teil mit Frauen, vor allem Schwarzen Frauen und Frauen of Color, besetzt. Queen Sugar war die erste Serie im US-Fernsehen, die ausschließlich Regisseurinnen beschäftigt. Tina Lifford erzählt, dass es Duvernay und Winfrey von Beginn an darum gegangen sei, Queen Sugar als gemeinsame und empowernde Erfahrung von Cast, Crew und Zuschauer_innen zu etablieren und welchen Einfluss diese Intention darauf hat, welche Storys und Perspektiven in Queen Sugar vorkommen und wie diese künstlerisch umgesetzt werden.
  • Octavia Spencer weist darauf hin, dass die Diskussionen um gleiche Bezahlung unter Schauspieler_innen oft nur weiße Frauen meint und plaudert aus dem Nähkästchen: Als sie und Freundin und Schauspielkollegin Jessica Chastain die Köpfe zusammensteckten für ein neues Projekt, gab es für Chastain kostenfreie Bildung in Sachen rassistische Gagenpolitiken. Spencer stellte eine Bedingung: Ich bin nur dabei, wenn ich die gleiche Gage erhalte wie du. Chastain, die auch ausführende Produzentin des Projekts sein wird, machte daraus eine Doppelpack-Strategie: Spencer nahm gemeinsam mit Chastain an allen Pitches teil, statt Einzelgagen wurde eine Zahl genannt. Am Ende sind 20th Century Fox, Paramount Pictures und Universal in einen Bieterkrieg eingestiegen. Beide werden das Fünffache(!) ihrer ursprünglich genannten Gage erhalten. Das Beispiel zeigt: weiße Frauen haben mehr Macht, als sie meistens wahrnehmen und nutzen wollen.
  • Cathy Schulman gruselte das Publikum zunächst mit kurzen Anekdoten von Männern, die sie immer dann vor Gericht schleiften, wenn sie selbst einen Erfolg verbuchen konnte und erörterte den Einfluss von Kapitalismus auf Geschlechterverhältnisse in der Filmindustrie, kleine Geschichtsstunde inklusive.
  • Als Sandra Oh eine Rolle in der bald anlaufenden TV-Serie Killing Eve angeboten bekam, suchte sie im Script instinktiv nach rassistisch codierten Neben-Charakteren, denn sie war sich sicher, eine davon sollte sie spielen. Sie fiel aus allen Wolken, als man ihr erklärte, dass man sie für die Hauptrolle haben will und beschreibt die Zusammenarbeit mit Cast und Crew für sich selbst als einzigartig: „Ich hatte noch nie 70 Prozent des gesamten Tages Spaß.“ Auf die Frage, ob mehr Frauen am Set einen positiven Einfluss auf das Verhalten von anwesenden Männern und das üblicherweise sexistische Klima habe, antwortete sie trocken: „Ehrlich gesagt interessiere ich mich nur dafür, welchen Einfluss ich auf die anwesenden Frauen habe“
  • In diesem Jahr wurde mit Rachel Morrison erstmalig eine Frau in der Kategorie Kamera für einen Oscar nominiert. Frauen, die filmen? Bis heute hält sich der Mythos hartnäckig, dass Frauen körperlich nicht in der Lage seien, mit schweren Kameras umzugehen. Reed Morano dazu: „Im Film ist es wie in jedem anderen Job. Ich mache ihn und mein Körper stellt sich darauf ein. Wenn ich den ganzen Tag filme, ist mein Körper selbstverständlich dazu in der Lage.“ Und ergänzt nonchalant, dass sie mit zwei Kindern im 7. Monat schwanger noch geshootet hat. Und wer sich am Set daneben benimmt, wird unter ihrer Führung auch schon mal gefeuert.

Die erste Hälfte des einstündigen Talks macht wirklich Spaß, die zweite Hälfte leider weniger. Dezidiert zum Einfluss von #MeToo und aktuellem feministischen Aktivismus befragt, holen Lifford, Spencer und Schulman zum großen #notallmen und „MeToo darf nicht zu einem Männer gegen Frauen werden“ unter Beifall von anwesenden Typen aus. Besonders Schulman dominiert fortan die Diskussion mit sprachlich sehr problematischen Denkmustern („Hexenjagd“ in Bezug auf Typen / „diverse women“ als Bezeichnung für alle Frauen, die keine weißen Heten sind). Wer ein dickes Fell oder genügend Apathie für diesen Mist mitbringt, wird zwischenzeitlich u.a. mit coolen Antworten auf die Frage nach den Rolemodels der Panelistinnen belohnt.

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