3 Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt als Mittel im Krieg sind alt, aber erst langsam werden sie explizit wahrgenommen und geahndet. So verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Juni 2008 die Resolution 1820. Seither gilt sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten als eigener Straftatbestand.
Im Guardian erschien vor kurzem eine Reportage von Will Storr, der in Uganda eine oft übersehene und verschwiegene Gruppe von Opfern besuchte: Vergewaltigte Männer (Triggerwarnung!). In drastischen Worten beschreibt er die Grausamkeiten, die sie erlitten haben und die psychischen wie physischen Probleme, die sie danach begleiten.
Leider hakt der Artikel an einigen Stellen. So werden das Tabu „männliche Opfer“ und der Stereotyp des starken Mannes einseitig afrikanischen Gesellschaften zugeschrieben. Dass diese Probleme auch im Westen bestehen, wird verschwiegen. Dabei gehören sie zu den Gründen eines weiteren Problems, dass Storr beklagt: Viele Hilfsorganisationen konzentrierten sich zu sehr auf weibliche Opfer und Kinder, teilweise würde versucht, die Definition von Vergewaltigungen auf Frauen zu beschränken. Wie problematisch Männlichkeitsbilder sind, lässt sich hier nur erahnen. Dazu gehörte auch die Reflektion über die männlichen Täter, die aber völlig fehlt.
Einen anderen Grund lässt er einen Betroffenen ebenfalls nur kurz ansprechen:
„There’s a fear among them that this is a zero-sum game; that there’s a pre-defined cake and if you start talking about men, you’re going to somehow eat a chunk of this cake that’s taken them a long time to bake.“
Da gibt es Angst [unter den Hilfsorganisationen], dass es ein Nullsummenspiel ist; dass es da einen vorgefertigen Kuchen gibt und wenn man anfängt über Männer zu reden, wird ein Stück des Kuchen rausgeschnitten, den zu backen es sie eine lange Zeit gekostet hat.
Dabei sind Hilfsprogramme für Menschen bis heute deutlich schneller gestrichen als Hilfsprogramme für Banken. Und es hat sehr lange gedauert, bis der Kampf gegen sexualisierte Gewalt ernst genommen wurde. Nun auch männliche Opfer ernst zu nehmen wird ebenfalls dauern – und nur erfolgreich sein, wenn eine kritische Betrachtung von Männlichkeit und männlichen Stereotypen erfolgt.
Der Artikel hat mich gefreut – Solidarität mit allen Opfern sexueller Gewalt tut not!
Eines aber habe ich nicht genau begriffen:
„…und nur erfolgreich sein, wenn eine kritische Betrachtung von Männlichkeit und männlichen Stereotypen erfolgt.“
Kritische Betrachtung der Männlichkeitsbilder bzw Stereotypen der Täter? Ist das gemeint?
http://blog.fabioreinhardt.de/equalism/eine-mauer-des-schweigens/
Er hat das auch schon in einen Gesamtkontext gesetzt? :-)
@ Ben: Ich denke, hier geht es nicht ausschließlich um die Täter, sondern auch um die Männlichkeitsbilder, die bei Gewaltopfern selbst und in Gesellschaften generell wirksam sind. Zumal es in der Praxis ja nicht selten so ist, dass ein und dieselbe Person sowohl der „Täter“- als auch der „Opfer“-Gruppe angehört. Sexualisierte Gewalt ist oftmals mit Demütigung verbunden, mit tiefen Verletzungen der persönlichen Integrität, die zu Traumatisierungen mit schwerwiegenden Folgen führen können. Das für sich selbst und andere anerkennen zu können, also „Schwäche“ und Verletzbarkeiten offen zu legen und einander zuzugestehen, geht nicht mit gängigen Männlichkeitsstereotypen konform, ist aber unabdingbare Voraussetzung dafür, sexualisierten Übergriffen die Bedeutung zukommen zu lassen, die angemessen wäre, um ihnen wirksam entgegen zu treten – sowohl politisch und gesamtgesellschaftlich als auch, wenn es darum geht, die individuell Betroffenen konkret zu unterstützen (juristisch, psychisch, medizinisch…). Daran denke ich bei der im Text geforderten kritischen Auseinandersetzung mit Männlichkeitsvorstellungen.
@Ben: Vorgaben wie „Männer müssen stark sein“ verhindern gerade das Anerkennen von männlichen Opfern, sowohl für sie selbst, als auch von anderen. Gleichzeitig sind diese Vorgaben es auch, die Gewalt von Männern legitimieren – zur Demonstration der Stärke gehört leider zu oft, andere Menschen brutal „an ihren Platz zu erinnern“. Es geht also nicht nur um Stereotypen von Tätern sondern ganz allgemein eine Auseinandersetzung mit Männlichkeitsbildern.
@ Helga
Gilt dasselbe auch für Frauen?
@ Sebastian: Ich bin zwar nicht Helga, möchte aber trotzdem antworten. Angesichts der Kommentare, die hier in letzter Zeit so von dir eingegangen sind und die sich leider eher auf dem Niveau unsachlicher, persönlicher Angriffe ohne jegliche Kenntnisnahme der Netiquette und ohne inhaltliche Bezugnahme auf die jeweiligen Artikel befinden, ist es leider schwierig, hinter deiner etwas unklar formulierten Frage
keinen uninformierten Derailingversuch zu vermuten. Da ich aber gerne glauben möchte, dass du tatsächlich an einer inhaltlichen Auseinandersetzung interessiert bist, werde ich genau einen Versuch der Beantwortung unternehmen – auch wenn nicht ganz klar wird, was genau du mit „dasselbe“ meinst. Die Frage nach dem „selben“ hat hier meines Erachtens drei mögliche Ebenen, die Antwort also auch.
1) Stereotypen und Bilder davon, wie Frauen „so sind“ bzw. „sein sollten“, gibt es natürlich auch zuhauf, damit befassen wir uns in diesem Blog ausführlich und kritisch, wie dir sicher schon aufgefallen ist.
2) Inhaltlich unterscheiden die sich aber von den als gegensätzlich konzipierten Männlichkeitsbildern – auch das brauche ich dir sicherlich nicht zu erklären.
3) Natürlich ist, wie ja auch im Text oben sowie im von laprintemps verlinkten Artikel steht, eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Männlichkeitsbildern notwendig – das schließt selbstverständlich auch Frauen mit ein.
Anderer Kontext, aber gleicher Problembereich: In der 3sat-Mediathek ist z.Zt. der Film „Und wir sind nicht die einzigen“ ansehbar, der gestern ausgestrahlt wurde und in dem vor allem ehemalige Schüler der Odenwaldschule zu Wort kommen.
Danke das das Thema hier angesprochen wurde.
Ich kann überhaupt nicht verstehen wie irgendjemand nicht klar ist das Männer ständig vergewaltigt werden. Es ist doch völlig logisch! Wenn man Frauen damit erniedrigen kann, kann man Männer damit auch erniedrigen, und darum geht es ja.
Ich glaube sogar das Männer die Männer vergewaltigen dabei sogar noch viel brutaler sind, weil es für männliche Opfer keine Stereotype gibt die wie bei Frauen und Kindern Mitleid gebieten. Stichwort: „Frauen schlägt man nicht!“ Männer können einfach „besiegt“ werden und der Gedanke das der Täter dabei etwas schlimmes tut kann vom Täter sehr leicht verdrängt werden. Und auch vom Umfeld, denn das Warum-wehrte-er-sich-nicht-Bla-Bla ist für Männer, denen man nicht per se Schwäche und Ängstlichkeit zuschreibt wie man es bei Frauen tut, noch schwerer zu entkräften.
Damals in der Schule habe ich im Politikunterricht bei irgendeinem Thema mal darauf hingewiesen das Männer auch vergewaltigt werden können und ein Mädchen drehte sich um, sah mich böse an und als wäre ich der größte Blödmann auf der Welt und sagte: „Ja klar!“
Ich hab selten so etwas gelesen, bei dem mir so Schlecht wurde… Die Triggergefahr ist wirklich, wirklich ernst zu nehmen!
Obwohl ich natürlich denke, dass so etwas keinem Menschenwesen geschehen sollte, habe ich mir aber öfters gedacht, dass Vergewaltigung an Frauen heruntergespielt wird – es gäbe ja vieeel mehr Hilfsangebote, und die bösen Frauen würden dann die Männer verlassen – als ob diese bei einer vergewaltigten Frau bleiben würden. Als ob Frauen nicht genauso verstoßen würden und entehrt wären. Als ob diese Hilfsangebote ( so schön es auch ist, dass es die gibt! ) diese Tat ungeschehen machen könnten.
@Torben G.
Bestreitet das wirklich jemand?
In Kriegen, in Gefangenenlagern, in Gefängnissen, in Heimen, in Schulen wird nicht selten vergewaltigt und die Opfer sind männlich. Ein Mann, der einen Mann vergewaltigt, zeigt männliche Stärke, Dominanz, erniedrigt den anderen dadurch auf die Stufe der Frau (in moslemischen oder anderen patriarchal strukturierten Gesellschaften) oder gar nur auf ein zu benutzendes Stück Dreck. Ihn am Leben zu lassen, ist ein größerer Schrecken für alle, denn das macht nicht nur ihn kaputt sondern auch sein (familiäres) Umfeld.
Entweder der Mann kommt später irgendwie damit klar, kann durch langer Therapie damit umgehen (obwohl ich bezweifele, das eine Vergewaltigung ertragbar ist) oder er dreht später als Täter den Spieß um, gibt die erlittene Gewalt weiter.
Und dass bei sexueller Gewalt gegen Männer es nur Täter gibt, halte ich für einen Mythos; in Situationen wie Kriegen, Lagern ist es egal welches Geschlecht sadistische Täter haben, zur Vergewaltigung braucht es schließlich nicht unbedingt Penisse.
Ich kann nur jedem wünschen, der in eine Vergewaltigungssituation kam, dass er Hilfe, Beratung und eine Therapie findet. Denn leider fokussierte sich die Unterstützung bei sexueller Gewalt zu oft auf weibliche Opfer, nicht auf Männer.
Und spezifische Angebote (Herkunftskultur z. B. bei Flüchtlingen, spezielles Lebensumfeld, Glaube etc.) gab und gibt es auch zu selten.
Und es gibt immer noch Leute, die halten die Vergewaltigung eines Mannes als Zeichen für seine Schwäche oder gar latente Homosexualität und verachten die Opfer.
Im Grunde genommen wird sich erst was ändern, wenn männliche Opfer das tun, was weibliche schon seit Beginn der Frauenbewegung taten: darüber reden, öffentlich werden – trotz aller Scham.
Meine Solidarität haben sie.