Katja Kipping flirtet nicht, sie macht Politik

Frauen scheinen nicht in der politischen Öffentlichkeit stehen zu können, ohne dass ihr Frausein Thema ist. Immer wieder wird darüber verhandelt, ob sie zu weiblich oder vielleicht nicht weiblich genug sind (wofür eigentlich? Um als Frau anerkannt zu werden oder um vernünftige Politik zu machen?), und generell scheint ihren Körpern viel mehr Beachtung zuzukommen, als das bei ihren männlichen Kollegen der Fall ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat all dies bereits am eigenen Leib erfahren müssen; von unzähligen Dikussionen im Bezug auf ihren Haarschnitt über den Medienrummel um ihr Dekolleté bei einem Opernbesuch bis hin zu der Frage, was ihr denn nur einfällt, ein und dasselbe Kleid gleich zweimal (!) in der Öffentlichkeit zu tragen.

Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, muss gerade ähnliche Erfahrungen machen, wenn auch auf einer anderen Ebene. Bei ihr ist es nicht das Outfit, über das diskutiert wird, sondern die bestimmte Art und Weise, auf die ihr Frausein in Medienberichten herausgestellt und inszeniert wird. „Linken-Spitze flirtet mit SPD“ titelt Spiegel Online, „Linke und Piraten: Geht das was?“ fragt die Deutsche Welle (übrigens mit Vermerk auf ihre „hochhackigen roten Schuhe“) und der Freitag ist der Meinung, dass es eine gute Idee wäre, wenn die beiden Parteien sich „näher kommen“ würden, und wirft deshalb ein: „Willst du mit mir gehen?“ in den Raum.

Katja Kipping ist aber nicht Parteivorsitzende geworden, um mit Politikern zu flirten, sondern – mensch staune! – um Politik zu machen. Und vertritt dabei konsequentere und radikalere Forderungen als so manche ihrer Parteigenossen. Zum Glück wirkt sie nicht wie eine, die sich schnell unterkriegen lassen würde – und dass sie Sexismen gut zu kontern weiß, hat sie in der Vergangenheit ebenfalls bereits bewiesen (Minute 03:19).

6 Kommentare zu „Katja Kipping flirtet nicht, sie macht Politik

  1. und die BILD kürte neulich eine „Miss Bundestag“… tja. Allerdings wurde auch bereits ausführlich über die Haarfarbe eines Hr. Schröder und die dreiteiligen Anzüge von Joschka Fischer berichtet.

  2. Während ich ja einsehe, dass so Flirtsprech im Fall Kipping unangebracht war, find ich es merkwürdig, dass eine Klatschspalte (oder als was auch immer man süddeutsche.de/stil/ auch bezeichnen will) dafür kritisiert wird Klatsch zu schreiben.

    Genau dafür sind sie doch da? Ähnliches gilt vermutlich für spiegel/panorama/leute etc.

    Ich verstehe die Maxime hier nicht ganz. Dass man im politischen Kontext Referenzen bezüglich Aussehen, Frau oder Mannsein etc. vermeiden soll? Aber warum dann bei Merkel auf die Klatschkolumnen verlinken, die vermutlich genauso bei Schröder über seine gefärbten Haare berichtet haben?

  3. Jedes Mal, wenn es einen Beitrag zu Sexismus in den Medien gibt, wird das Schröder-Beispiel mit den Haaren rausgeholt. Bravo! Und nun? Ist Sexismus nun aufgehoben, weil bei ein paar Herren nun auch mal genau hingeschaut wird? Ich verstehe diese Verweise nicht. Die Sexismen, die Politikerinnen in diesem männlich-dominierten Feld erleben, werden nicht besser oder weniger oder erträglicher, nur weil es ein paar Artikel zu Schröders Haaren gibt.

    Für alle weiteren Kommentator_innen gilt: Bitte erst die Links in dem Text lesen bzw. das Video anschauen. In einer Post-Gender-Utopia befinden wir uns noch nicht, also bitte ich von individualistischen: „Aber über Joschkas Anzug wurde auch berichtet !!1einself!“ abzusehen.

  4. Im Bezug auf die Kleiderfrage ist der entscheidene Punkt, dass es sich im Fall von Merkel eben nicht nur um Klatsch handelt. Hier wird unterschwellig so viel mehr mitverhandelt; Schönheitsnormen, Vorstellungen von Weiblichkeit, Erwartungen an eine Frau, die in eine Männerdomäne vordringt. Es ist schwer, sowohl als Frau, als auch als Politikerin Wertschätzung zu erfahren und ernst genommen zu werden. Schröder muss nicht befürchten, in der Politik weniger ernst genommen zu werden, weil er sich die Haare färbt. Merkel hingegen wandert auf einem schmalen Grat zwischen der Anerkennung ihrer Weiblickeit und der Anerkennung ihrer politischen Kompetenz.

  5. Klar wird auch ab und an über das Aussehen männlicher Politiker geschrieben, aber doch in anderem Kontext. Schröder ist damals dem Steisand-Effekt anheim gefallen, als er gegen Spekulationen klagte, ansonsten wäre die Debatte schnell gestorben. Dass die Anzüge von ihm und Fischer unter die Lupe genommen wurden, hing mit dem Bild des Turnschuhpolitikers Fischer zusammen, sowie einer gewissen Häme, dass die „Linken“ am Ende eben auch Luxusgüter tragen. Das Geschlecht von Politikern spielt aber in den wenigsten Fällen eine Rolle, während es bei Politikerinnen dauernd verhandelt wird.

    Klar – davon gibt es weniger, sie haben kaum Vorbilder und müssen sich ihre Rolle selbst schaffen. Ein deutliches Zeichen, dass wir von echter Gleichberechtigung und Post-Gender noch weit weg sind, dann wären diese Fragen nämlich schon durch. So aber muss jede Politikerin mindestens eine Debatte aushalten, die sich an ihrer Weiblichkeit aufhängt: Kipping wird mit „Flirt-Überschriften“ überhäuft. Vom Make-Up bis zum Ausschnitt gibt es keine Äußerlichkeit an Angela Merkel die nicht mal zu unweiblich oder zu weiblich war. Ich weiß von keinem Politiker, wieviele Enkel er hat, aber dass Renate Schmidt gleich vier hat, steht fast in jedem Artikel.

    Schließlich: Die unsägliche Häme über den Doppelnamen von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die augenscheinlich die wenigen Möglichkeiten genutzt hat, die das deutsche Namensrecht Frauen lange Zeit zugestand. Und nachdem ihr Mann gestorben ist, fragen sie Journalist_innen noch ernsthaft, ob sie jetzt ihren Namen ändern wird. Not kidding.

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑