!No Pasarán! – Pussy Riot, Aberglaube und ein Rottweiler, der bellt

Kurzer Prozess in sieben Tagen: Sie waren absurd, zäh und irgendwie auch komisch, wenn es nicht so ernst wäre. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft für die drei Feministinnen des Kollektivs. Am 17. August soll das Urteil gegen Pussy Riot verkündet werden. Auslöser war ihr regimekritisches Punk­rock­gebet in der Erlöser­kathedrale. Der Anklage­punkt „Rowdytum“ ist nicht richtig klar geworden, aber was soll’s. Der Prozess steht längst nicht mehr für Pussy Riot, sondern ist eine Bestands­aufnahme für das politische System unter Putin. Der Gerichtssaal und seine Richterin eine Mimesis für die Willkür im autoritären Regime, wenn es um Oppositionelle geht. Wer nach Regeln oder Gesetzmäßigkeiten suchte, hat spätestens mit dem Prozess­beginn damit auf­ge­hört oder begonnen in der sowjetischen Zeit nachzuschauen. Aber viel­leicht hat sie ja auch der anwesende Rott­weiler im Gerichtssaal ver­schluckt, er darf nämlich bellen, stören oder einfach nur träge in der Ecke rum liegen.

Für alle anderen Anwesenden gilt, „wem nach Lachen ist, kann in den Zirkus gehen“, sagt zumindest die Richterin Marina Syrowa. Bei Zeug_innen der Ver­teidigung ziert sich Syrowa, will sie nicht aufrufen und lehnt etwa die Ver­nehmung des Bloggers und Oppositionellen Alexei Navalny ab. Sie will lieber mehr über den Exzorismus, den Aberglauben, den orthodoxen Glauben und den Teufel hören. Auch eine ehemalige Bekannte Maria Alyokhinas, die zum Zeit­vertreib rechts­radikale Einträge für ihr Internet-Tagebuch verfasst, kommt zu Wort und darf sich über den negativen Lebens­wandel der Angeklagten äußern. Dass die Zeugin hin und wieder den Gerichts­saal flieht und Gerichts­diener sie einfangen müssen, sei hier nur eine Neben­information.

Als die Verteidiger_innen von Pussy Riot Kritik am undurchsichtigen Prozedere üben, zieht sich die Richterin zur Be­ratung – mit sich selbst – zurück. Zu­sammen mit Alter Ego entscheidet sie, dass der Prozess weiter­gehen kann. Aber es bleibt ein politischer Prozess, weil genau das Reden über Gott und die Welt sowie die Absurditäten das Macht­ge­fälle, die Will­kür und den Recht­snihilismus deutlich machen.

Im bewegenden Schlussplädoyer von Nadezhda Tolokonnikova wird das Vage klar und Sprache findet Worte, wenn sie da sagt, dass der Prozess eine „politische Unterdrückungsanordnung“ des Regimes sei. Parallelen zu Stalins Schauprozessen kenntlich werden und voraussagt, dass das Regime Brüche erlitten hat und zusammenbrechen wird. Sie werden nicht durchkommen, no pasarán, das steht auch auf ihrem blauen T-Shirt, welches sie trägt. Pussy Riot reiht sich ein, in die lange Schlange politischer Dissident_innen. Ja, und dann spricht sie von Rebellion und Freiheit, die nicht in den Grenzen des Aquariums liegen, sondern im Inneren: „Stoßt die Türen auf, werft die Fesseln ab und spürt den Wind der Freiheit mit uns“ – Pussy Riot.

Heute ist der Geburtstag von Yekaterina Samutsevich: Happy Birthday, Gurrrl.

6 Kommentare zu „!No Pasarán! – Pussy Riot, Aberglaube und ein Rottweiler, der bellt

  1. Sie hat Recht. In allem. Und alle wissen es. Ich hab Angst um sie, ehrlich gesagt. Und bin stolz auf ihren Mut! Es ist so schön, eine Frau zu sehen die widerspricht! und dabei so klar und bei sich selbst ist!

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