Hit the Bitch, oder: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, Dänemarkstyle

Frage: Wie klärt man junge Männer darüber auf, dass  Gewalt gegen Frauen falsch, kriminell und abstoßend ist?

Antwort aus Dänemark: Man programmiert ein kostenloses Videospiel, in dem der Nutzer mit einer animierten Hand ein aufreizend gekleidetes und provokant daher redendes junges Modell schlägt. Wenn er sie dann zu Boden geschlagen hat, sagt man ihm, er wäre übrigens ein Idiot. Das haut sicher rein, bei gewaltbereiten präpotenten Frauenverachtern da draußen.

Die Initiative „Hit the Bitch“ hat viel Aufsehen erregt, in Dänemark und weltweit. Dahinter steht eine dänische NGO, die sich gegen häusliche Gewalt einsetzt. Mittlerweile ist die Seite für Besucher außergalb Dänemarks gesperrt – was die Betreiber mit dem „heavy traffic“ erklären, was aber auch daran liegen kann, dass dieses Spiel bisher ausschließlich Kritik geerntet hat. Oder vielleicht wollen die Betreiber auch einfach nur verhindern, dass Blogger_innen, die kein Dänisch sprechen (so wie auch hochachtungsvoll, Eure) sich über die Seite aufregen. Aber was wir gesehen haben, ist was wir kriegen – und allein nach ästhetisch-psychologischen Kriterien gibt es an „Hit the Bitch“ jede Menge auszusetzen.

Mit jedem Schlag, den der oder die Spieler_in dem Modell in dem flash-animierten Spiel versetzt, steigen seine Punkte an. Am Anfang, also bevor es zu Gewalt kommt, steht der Zeiger bei 100% Pussy, am Ende kommt er bei 100% Gangsta an. Liegt das Modell endlich bewusstlos am Boden, springt dem Spieler ein Text ins Gesicht, der ihn als 100 % Idiot bezeichnet und erklärt, dass er von Anfang an ein Looser war. Im Hintergrund läuft ein melancholischer Raptrack und überhaupt scheint sich die ganze Aufmachung vor allem an Jugendliche zu richten, die Hip Hop hören und in Nachtclubs gehen.

Während die Intention der Spielemacher sicherlich richtig war – die Unmittelbarkeit von Gewalt zu verdeutlichen und die jungen Prügeltypen in ihrem eigenen Kontext zu erwischen, ist die Ausführung leider völlig misslungen. Tatsächlich ist das Spiel sehr eindrucksvoll – ich habe, als die IP-Adresse noch offen war, wirklich versucht, wenigstens bis zur Mitte zu kommen, konnte aber einfach nicht mehr als einmal „zuschlagen“ – ich fand es zu schrecklich. Doch ist schon der ganze „Look“ des Spiels völlig fehl und überhöht – das sexy Mädchen, der schlechte Rapbeat, die Gangstasprache und unterscheidet sich durch nichts von anderen gewalttätigen Videospielen. Wer seine Freundin in Wirklichkeit schlagen würde, der scheut auch nicht davor zurück, wenn er sieht, wie ein virtuelles Mädchen am Boden liegt und fühlt sich von einem Computerspiel vermutlich auch kaum angegriffen. Zudem ist die Sprache mit all dem Bitch-, Gangsta- und Pussy-Slang völlig trivialisierend und richtet sich, und das grenzt schon an Rassismus, an eine Subkultur, die gerade nicht vorrangig aus weißen, wohlhabenden Dänen besteht.

Gut möglich, dass einige Feinheiten verloren gehen, wenn man des Dänischen nicht mächtig ist, doch spätestens bei deutschen Nutzern ist das ja auch egal – vor allem wenn sie über eine deutsche Website ankommen, die „Hit the Bitch“ als tollen Zeitvertreib anpreist – wie ich gestern noch gesehen habe, was aber wieder offline ist.

Überhaupt ist das ganze Konzept einer Gewaltsimulation zur Gewaltprävention reichlich absurd: Wer sein ganzes Leben mit Internet und Computerspielen aufgewachsen ist, lässt sich von einem Bildschirm, der ihn mit der relativ harmlosen Invektive „Idiot“ belegt, wahrscheinlich eher nicht beeindrucken. „Hit the Bitch“ ist nicht nur als Aufklärungsmittel völlig fehl geschlagen, ich würde sagen, es is nichts als ein weiterer Beitrag zu der Gewalt gegen Frauen im Internet – und davon gibt es wirklich schon mehr als genug. Lieber 2pac fragen:

15 Kommentare zu „Hit the Bitch, oder: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, Dänemarkstyle

  1. hallo Meredith!
    hier:
    „Die Initiative “Hit the Bitch” hat viel Aufsehen erregt, in Dänemark und weltweit. Dahinter steht eine dänische NGO, die sich gegen häusliche Gewalt einsetzt. Mittlerweile ist die Seite für Besucher außergalb Dänemarks gesperrt – was die Betreiber mit dem “Heavy Traffic” erklären, was aber auch daran liegen kann, dass dieses Spie.“

    fehlt was!

  2. Richtig, wer seine Freundin schlägt wird durch so ein Spiel nicht vom Gegenteil überzeugt.
    und der einfache User, der seine Freundin nicht schlägt, wird dies auch nicht nach dem Konsum des Browsergames tun.

    Ich gebe euch völlig Recht, dass hier eine Gruppe, die sicherlich etwas sinnvolles tun wollten, sich einen Schildbürgerstreich geleistet haben.
    Ich stelle mir die Frage ob ich sowas spielen würde… jein.
    Anmelden aus Neugier sicherlich. und dann schnellstens den Account löschen.

  3. Drecksspiel, wird sicher der Renner in so mancher Klasse.
    Warum manche nicht nachdenken können, bevor sie in blinden Aktionismus verfallen.

  4. Ich will’s mal so sagen – was *mich* irritiert ist, daß sie da bleibt, um sich schlagen zu lassen. Vielleicht ist auch das brav aus einem Lehrbuch der Psychologie von häuslicher Gewalt entnommen, aber das finde ich hier besonders irritierend. Ich habe keine Ahnung was sie sagt, wenn die Hand zuschlägt, aber sie bleibt. Sie schluchzt, aber sie bleibt.

    Ich glaube nicht, daß so ein Spiel irgendjemanden zu einer Verhaltensänderung bewegt, weder in die eine, noch in die andere Richtung, aber was ich hier sehe ist vor allem die Aussage „Du kannst Deine Freundin schlagen und sie wird Dich nicht verlassen“.

    Auf einer Metaebene hat das Spiel allerdings genau so gut funktioniert wie der Anti HIV Clip mit Hitler vor ein paar Monaten. Schwachsinn verkauft sich gut, und wo viele Menschen drüber reden, wird immerhin von vielen Menschen drüber geredet…

  5. ich will das spiel auf keinen fall verteidigen, im gegenteil, ich finde sehr vieles daran äusserst kritisch (einiges wird hier auch genannt).

    aber zufälligerweise spreche ich dänisch, und, wenn mensch versteht, was da gesagt wird, wird zumindest das statement ziemlich eindeutig. (ich finde ja, mensch kann dem spiel vieles vorwerfen, aber nicht, dass es ohne dänische sprachkenntnisse mißverständlich ist. würdet ihr vermutlich bei ner deutschsprachigen kampagne ja auch nicht machen…)

    u.a. redet das mädchen in dem video nicht einfach „provokant“ daher, sondern erzählt z.b. am anfang, dass sie auf ner tollen party war, und (offensichtlich auf nachfrage) auch mit anderen getanzt hat und er ja nicht verbieten könne, dass sie mit anderen tanze, später (neben schimpfwörtern) z.b. „nein heißt nein“ und „wenn du mich wirklich lieben würdest, würdest du mich nicht dazu zwingen, dinge zu tun, die ich nicht will“ etc. – und auf diese äusserungen hin schlägt die hand zu…

  6. Das einzige bild, das hier vor allem gefestigt wird ist das vom Mann=täter, Frau=opfer. Nichts anderes wird hier bewirkt.

    Vielleicht ist es sogar absicht.

  7. way up north,
    das macht die Sache psychologisch ja noch blöder, wenn die Frau vernünftige Dinge sagt und dafür auch noch geschlagen wird.

    jj,
    seit wann wollen NGOs irgendwas „verkaufen“?
    Dass sie mit der Kampagne mehr Spendengelder oder Mitglieder kriegen als sie verlieren, halte ich für eher fraglich. Falls doch, hast Du natürlich recht.

  8. mich ärgert an diesem artikel so etwas dieser – ich weiß nicht wie ich das nennen soll? rhetorisch/journalistischer kniff? ka, ich zumindest finde dieses mädchen nicht besonders „sexy“ oder „aufreizend“ gekleidet und wieso soll der hiphop-beat „schlecht“ sein?
    das erinnert mich an einen furchtbaren artikel in der EMMA, wo Verena Kerth und Chrstina Aguilera kritisiert wurden (für die Kahn-partnerschaft bze. das Dirrty-video) und deren haare dann in einem nebensatz „strohig“ und ich glaub ihre nasen als „groß“ oder so bezeichnet wurden.
    naja.

    @nord:
    danke für die aufklärung!

  9. @illith: was soll man sagen, ein drang der schreiberin ist, zu beschreiben. ein minirock und ein knappes oberteil mit so ein bisschen discoaura geht glaube ich in der allgemeinen wahrnehmung durchaus als „sexy“-outfit durch – und gerade das ist ja auch meiner ansichtr nach problematisch: hier wird „sexy“ mit gewalt in einen ästhetischen zusammenhang gebracht.

  10. @jj:“Ich will’s mal so sagen – was *mich* irritiert ist, daß sie da bleibt, um sich schlagen zu lassen. Vielleicht ist auch das brav aus einem Lehrbuch der Psychologie von häuslicher Gewalt entnommen, aber das finde ich hier besonders irritierend. Ich habe keine Ahnung was sie sagt, wenn die Hand zuschlägt, aber sie bleibt. Sie schluchzt, aber sie bleibt.“

    Das hat mich auch ziemlich irritiert Ich habe mir das ganze angeschaut und immer iweder geacht:
    „Geht weg! Lauf weg! Verlass den Vollpfosten. Wehr dich!“
    Ich konnte das Video nicht bis zum Ende anschauen. Ich fand das echt zu arg.

  11. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieses video männl. `schläger` daran hindern wird, ihre aggressionen an frauen auszulassen. Gewalt ist in vielen (brutalo/porno) computerspielen gängig. Mit spass an gewalt wird hier ständig die hemmschwelle und die empathie herabgesetzt.

    Vielleicht kann dieses video aber mal zusätzlich auf die vielen gewaltinhalte i.d. virtuellen welt (medien) ( u.a. pornorap) hinweisen, wie schlagen, ballern, quälen , morden in unserer gesellschaft zum unterhaltungsfaktor – auch i.d. musikszene – mutiert ist .
    In den usa gibt es zahlreiche untersuchungen zu den auswirkungen von gewaltdarstellungen im fs auf kinder/jugendliche. Es hat sich gezeigt, dass jugendliche gewalttaten zumindest z.t. nach mustern von gewalthaltigen video-computerspielen inszenieren.
    Wer sich für gewaltlosigkeit einsetzt, müsste eigentlich auch die mediale welt im auge haben und mit einbeziehen.

Kommentare sind geschlossen.

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