Fazit: Viel zu tun

Ende letzter Woche trafen sich die Gleichstellungsbeauftragten der Länder und Bundesministerin Ursula von der Leyen in Karlsruhe. Sie sprachen unter anderem über „Chancengerechtigkeit durch geschlechtersensible Erziehung, Bildung und Ausbildung“, „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, „Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern“ und „Unterstützung des beruflichen Wiedereinstiegs“. Ergebnis nach zwei Tagen Beratung: Es herrscht Stillstand. Von wahrer Chancengleichheit könne auch nach über 40 Jahren nicht die Rede sein, fasst es tagesschau.de zusammen.

So mag zwar der Eindruck bei manchen Menschen ein anderer sein, denn allerorts gibt es Initiativen, Programme, Fördermaßnahmen für Frauen. Doch bewegen will sich unsere Gesellschaft deswegen noch lange nicht. In Deutschland ist Gleichstellungspolitik leider vor allem Symbolpolitik. Hier ein Initiativchen, dort ein Aktiönchen – anstatt verbindlicher Quoten und wirklich bemerkbarer Änderungen bei der Erziehung in Kindergarten und Schule.

Die Folgen: Viele Männer haben kein Verständnis mehr dafür, dass immer nur Frauen gefördert werden; diese sollen doch jetzt endlich mal aufhören, sich zu beschweren. Viele Frauen führen berufliches oder privates Scheitern nur auf ihr eigenes Unvermögen zurück – denn die Umstände können es ja nicht sein; die sind ja durch all die Initiativen schon so, dass es doch eigentlich jede Frau schaffen müsste.

Eine feine Lose-lose-Situation also.

24 Kommentare zu „Fazit: Viel zu tun

  1. Der Link zum „Ergebnis“ funktioniert nicht.

    Doch bewegen will sich unsere Gesellschaft deswegen noch lange nicht. In Deutschland ist Gleichstellungspolitik leider vor allem Symbolpolitik. Hier ein Initiativchen, dort ein Aktiönchen – anstatt verbindlicher Quoten und wirklich bemerkbarer Änderungen bei der Erziehung in Kindergarten und Schule.

    Ich komme wieder auf meine Bedenken gegen Quoten zurück und formuliere es mal folgendermaßen: Entweder sind verbindliche Quoten so lasch, dass sie auch nur Symbolpolitik sind. Oder sie sind so streng, dass sie zwar zu bemerkbaren Änderungen führen, aber gleichzeitig den fairen Wettbewerb auf kosten der Männer verzerren. Für die Männer kommt dann noch erschwerend hinzu, dass sie aufgrund schlechterer Schul- und Studienabschlüssen sowieso schon geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden.

    Die Folgen: Viele Männer haben kein Verständnis mehr dafür, dass immer nur Frauen gefördert werden; diese sollen doch jetzt endlich mal aufhören, sich zu beschweren.

    So ist es. Mein Verständnis ist da irgendwo erschöpft. Zumal ich oft miterlebe, wie die symbolischen Aktionen von jungen Frauen zum Teil angenommen werden. Die Mädelsgruppen, die ich so auf dem Girls-Day sehen durfte, waren meist das geballte Desinteresse. Ganz anders die Jungs, die mal im Zuge von Schulexkursionen an unserem Institut vorbeikommen.

  2. „Oder sie sind so streng, dass sie zwar zu bemerkbaren Änderungen führen, aber gleichzeitig den fairen Wettbewerb auf kosten der Männer verzerren.“

    Oder auf Kosten der Frauen, wenn man Dein VDI-Beispiel aus dem Quoten-Thread nimmt: „(…) E.on Ruhrgas: ‚Wir stellen zurzeit im Verhältnis 2:1 ein: Auf einen Mann kommen zwei Frauen.'“

    Auch solche Entwicklungen würden von einer Zwangsquote abgewürgt.

  3. Den Eindruck, dass zwar vielerlei „Aktiönchen“ hier und da stattfinden, aber sich im Großen und Ganzen nicht sehr viel bewegt teile ich. Dies liegt einerseits an meiner subjektiven Wahrnehmung (Medien, persönliches Umfeld etc.) und andererseits an den Zahlen zur Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen in Deutschland, die ich kenne.
    Wo sind denn die vielen vielen besser ausgebildeten Frauen? Ich sehe die nicht repräsentiert in den Daten zur Erwerbstätigkeit.
    Seit Jahren bleibt die Frauenerwerbstätigkeit auf einem ähnlichen Niveau stehen. Teilzeit ist Frauensache. Gering bezahlt ist Frauensache usw. Und obwohl auch Männer immer häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, strukturell sind die Frauen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin stark benachteiligt.
    Da nützt kein plakativer Aktionismus, keine „Selbstverpflichtung der Privatwirtschaft“.

    Dass letztendlich viele Männer (und bestimmt auch viele Frauen, weil sie nicht als solche wahrgenommen werden wollen, wenn es um den Beruf geht) dermaßen genervt sind von den vielen Aktiönchen und deshalb dieselben ablehnen ist wohl als ein Rollback-Katalysator zu betrachten.
    So jedenfalls passiert: gar nüscht!

    Daher tendiere ich immer mehr dahin, das Instrument der Quote zu befürworten. Darin besteht meiner Anschct nach vielleicht auch die Chance Arbeitskulturen zu verändern, in Richtung erweiterter Teilzeit als Normalarbeitsverhältnis, so dass die Vereinbarkeitsproblematik endlich endlich endlich beide Geschlechter „trifft“ und beiderseits „gelöst“ werden kann.

    @ Johannes: Da Du es selbst erwänst: An welchem Institut arbeitest Du denn?

    Es grüßt
    Antje

  4. @ Johannes
    Mit dem Girls Day ist so eine Sache.. natürlich sollen da Frauen gefödert werden, aber vor alles aus dem Grund, dass Technische Fachkräfte Fehlen. Da man mehr Menschen in diese Berufe haben will, betrachtet man die Gruppe, in der man noch das größte Potential sieht, und das ist eben bei den Frauen, da man davon ausgeht, dass die Jungs das eh schon machen.
    Das Ziel ist es ja auch, Mädchen von Technik zu BEGEISTERN. Da Jungen häufig schon diese Begeisterung mitbringen, ist es klar, dass sie am Anfang interessierte sind.
    Der Sinn solcher Veranstaltung ist es ja nicht, eine gleiche „Führung“ zu machen bei vielleicht eh durch Leistungskurse schon Interesse in dem Thema haben.
    Da ich häufig für solche Aktionen abgestellt wurde, habe ich da auch schon ganz andere Erfahrungen gemacht – in dem ich den Mädels spannende Beispiele aus ihrem Alltag gezeigt habe, in denen Technik, die wir entwickeln, eine Rolle spielen… Bei vielen Anfangs recht desinteressierten Mädchen konnte man so doch recht schnell Interesse wecken.
    „Langweilige“ Institusführungen sind eben wirklich Sinnlose Aktiönchen, die Überflüssig sind…

  5. Im Grunde teile ich die Einschätzung, es würde weitgehend Symbol (Pseudo-)politik gemacht ebenso.

    Bis auf den Bereich Bildung. Hier wurden wirklich Nägel mit Köpfen gemacht und die Jungs damit dann an den Boden genagelt damit die Mädchen unbefreit davonspringen können…

    Wirklich bewirken könnte man schon mit einigen wenigen Aktionen etwas:

    -> Abschaffung des Ehegattensplittings
    -> Abschaffung des nachehelichen Unterhalts
    -> Verpflichtende Aufteilung der Elternzeit auf 2×15 Monate jeweils Mutter und Vater -> Das Ausfallrisiko für den Arbeitgeber wäre damit nicht mehr Geschlechtsbezogen.
    -> Flächendeckende Krippenplätze (Rechtsanspruch) ab dem 4. Lebensjahr
    -> Flächendeckende Vollzeitkigas (bezahlbar!) und Vollzeitschulen
    -> Abschaffung der Koedukation

    DAS würde wirklich etwas bewegen in den Köpfen und in der Gesellschaft. Und zwar schon innerhalb einer Dekade.

  6. Wie soll den eine verbindliche Quote konkret aussehen. Eine, die besagt, dass bei gleicher Qualifikation die Frau bevorzugt werden soll, ist allenfalls symbolhaft, weil in den gehobenen Positionen die Qualifikation gar nicht mehr objektiv messbar ist.

    Was also sonst?

    * Eine starre Mindestquote? Die wäre unfair den Männern gegenüber, sobald die Frauenquote bei den Bewerbungen unterhalb der Mindestquote liegt, bzw. die Mindestquote vor der Vergabe des Jobs nicht oder nur knapp eingehalten ist.

    * Welche Gruppen werden quotiert und wie weit? Gehaltsklassen? Hierarchiestufen? Abteilungsweit? Betriebsweit? Inwieweit werden betriebsinterne Strukturen berücksichtigt?

    * Inwieweit werden Betriebe, die sich nicht an die Quote halten sanktioniert?

    Es gibt andere Maßnahmen, die ich nicht für problematisch aber trotzdem für effektiv halte.

    * Reduktion des Erziehungsurlaubes eines einzelnen Elternteils auf 1,5 Jahre, wobei dem anderen Elternteil ebenfalls 1,5 Jahre garantiert werden.

    * Elterngeld gibt es nur, wenn beide Elternteile gleich viel Auszeit nehmen.

    * Steuerreform hin zu einem System, das Elternschaft bevorzugt anstatt Ehe

    Quote ist einfach viel zu oberflächliche Arbeit am Symptom.

    @Antje:
    Bei dem Institut, von dem ich sprach, arbeite ich seit einigen Monaten nicht mehr. Es handelt sich um dieses: http://www.ww.uni-erlangen.de/

  7. Bis auf den letzten Vorschlag stimme ich Peter zu, es gäbe viele Institutionen die geändert werden könnten/müssten, die tatsächlich einen
    Wandel in Sachen Geschlechtergerechtigkeit anstoßen könnten.
    Zum Unterhalt würde ich noch hinzufügen: Auch die Konstruktion des ehelichen Unterhalts (Rechtsfigur des Unterhalts während Besteheneiner Ehe) im Sinne des Ernährermodells gehört abgeschafft. Diese Istitution sorgt z. B. dafür, dass bei der BErechnung des Anspruches auf Harztz IV Leistungen das PartenrInneneinkommen herangezogen wird, was für viele (meist Frauen!!) dazu führt, dass sie ihren Anspruch verlieren und vollständig von PartnerIn abhängig sind.

    Koedukation kann nicht ernsthaft eine Lösung sein!
    Das wurde ja letztens im Zuge der Zirkusnummer „Bildungsgipfel“ auch erneut vorgeschlagen!
    Ich bin da echt entsetzt.

    Gruppen absichtlich nach biologischem Geschlecht zu trennen halte ich für den verkehrten Weg, gerade in der Schule. Wie soll denn da eine Gesellschaft entstehen, die ihre Mitglieder als Menschen behandelt und nicht als Mann oder Frau.

    Mir ist bekannt, dass z. B. Mädchen in Physik bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie „unter sich“ lernen. Dass Mädchen auch in geschlechtsheterogenen Klassen gut in Physik sein können, kann aber auch durch eine entsprechende Qualifizierung des Lehrpersonals erreicht werden oder?
    Bisher ist in der Ausbildung von LehrerInnen dieses allerdings nicht verbindlich festgeschrieben.

    Stellt Euch mal vor dem Hintergrund Eures geballten Wissens über Geschlechterdiskriminierung vor, was das heißen würde, wenn Mädchen und Jungen getrennt unterrichtet werden!

    Es grüßt
    Antje

  8. @ Antje

    Stimmt, der Punkt Abschaffung des ehelichen Unterhalts muss noch dazu. Ausnahme: Die Zeiten der Elternzeit, also jeweils die 15 Monate für Vater und Mutter des Kindes (der Kinder).

    Zur Abschaffung der Koedukation: Es gibt bereits heute (bzw immer noch) zahlreiche Mädchenrealschulen und Mädchengymnasien. Landen die Absolventinnen alle unter der Brücke? Würden die Jungs untergehen, wenn es keine Mädchen mehr in der Klasse/Schule gäbe? Ich denke nicht.

    Dagegen würden allerdings die derzeit bestehenden Benachteiligungen durch den gemeinsamen Unterricht sowohl für Mädchen (Schavan-Vorstoß) als auch für Jungen (BMFSFJ-Studie) mit der Abschaffung der Koedukation vermieden.

    Sozialkontakte zum anderen Geschlecht sind ja im familiären Bereich (Geschwister) und im ausserschulischen Bereich immer noch möglich, da braucht es die Schule nicht dafür.

  9. Soweit ich mich erinnere, hat Frau Schavan durchaus auch gesagt, das in bestimmten Fächern die Jungen durch die Koedukation benachteiligt sind…

    Ich denke, es wäre durchaus auch sinnvoll, in bestimmten Fächern Mädchen und Jungen zu trennen und in anderen Fächern nicht. Das könnte auch von Schuljahr zu Schuljahr variieren, so könnte man die positiven Effekte beider Modelle kombinieren und die Nachteile der Modelle etwas abfedern.

    So bekommen Mädchen in einem Schuljahr mehr Selbstbewusstsein, was ihre Physik-Leistungen anbelangt, Jungs merken, dass Deutsch oder Fremdsprachen ihren Reiz haben können und im nächsten Schuljahr können sie mit diesen Erfahrungen dann vielleicht auch spuveräner mit den etwas anderen Verhaltensweisen des anderen Geschlechts im Unterricht umgehen.

    Komplette Trennung halte ich für Quatsch, denn man geht im Mitschülern dann doch anders um als mit Geschwistern oder Freunden aus dem Sportverein. Es ist schon wichtig, dass in allen Bereichen des Lebens gelernt wird, mit dem anderen Geschlecht umzugehen, will man Kindern mehr als ein Rollenverhalten als echte Option zur Verfügung stellen.

  10. Naja, ich verstehe Eure Argumente zur getrennten Unterrichtung zwar, aber: wenn Trennung, dann in allen Fächern, ansonsten würde Geschlecht mit bestimmten Themen/Fächern in Verbindung gebracht und genau da sehe ich das Problem.
    Stelle ich mir vor, dass getrennter Unterricht dafür sorgt, dass Mädchen dann besser in Mathe sind, heißt das im Umkehrschluss auch: Mädchen verhalten sich wie Mädchen, werden als Mädchen so wahrgenommen und deshalb sind sie im koedukativen Unterricht (warum auch immer) benachteiligt. Mit einer Trennung erkenne ich demnach auch an, dass in einer Gruppe von Mädchen und Jungs (später dann also Frauen und Männer) jedes Geschlecht in Abhängigkeit von dem jeweiligen Geschlecht dies oder das „gut“ kann bzw. lernt.
    Das ist mein Problem.
    Aus meiner Sicht sollte immer, wenn es darum geht geschlechtergerechte Räume zu schaffen, darum gehen, Unterschiede aufgrund des (in diesem Fall dezidiert das biologische) Geschlechts abzubauen. Und das fängt auch auf der organisatorischen oder symbolischen Ebene an.
    Getrennte Klassen symbolisieren getrennte (Geschelchts-)welten/sphären.
    Mädchen sollten lernen, ihnen sollte es zugetraut werden auch mit/vor Jungen das Gesetz der Schwerkraft zu verstehen und umgekehrt sollte es Jungen ermöglicht werden mit und vor Mädchen Werthers Sentimentalität zu diskutieren.

    es grüßt
    Antje

  11. @ Miriam,

    nun die Argumentation gegen die Koedukation ist aber doch gerade (auch von Frau Schavan), dass durch die Koedukation das Rollenverhalten an das biologische Geschlecht gekettet wird. Und das deswegen z.B nachweislich die anteilige Anzahl MINT Studentinnen aus Mädchengymnasien signifikant höher ist als aus koedukativen Gymnasien.

    Eine nach Schuljahren variierende Unterrichtsform scheint mir hier unzureichend. Wer will das definieren?

    Und wenn wir es konsequent nach Fächern trennen (nach dem derzeitigen Stand wer in welchen Fächern benachteiligt wird), dann bleiben am Ende eh nur noch Religion/Ethik und die große Pause koedukativ. Halte ich nicht für praktikabel, selbst wenn es dann noch ein/zwei Fächer mehr sind.

  12. ich halte es da mit und empfehle zu dem Thema: Hannelore Faulstich-Wieland – „Trennt uns bitte bitte nicht!“. Koedukation ist der einzig mögliche Weg, wenn man bei der Entdramatisierung der Geschlechterkategorie wirklich etwas erreichen will (und das sehe ich als Voraussetzung für alle weiteren Ziele an).

  13. Dann muss aber dringend, sehr dringend in den Klassenzimmern einiges passieren!

    Es gibt genug Untersuchungen, die zeigen, wie Lehrer und Lehrerinnen sich zb unbewusst den Jungs mehr zuwenden als den Mädchen, oder dass Jungs eben stören und Mädchen brav sind (sagen die befragten Personen in der Rückschau, obwohl eine neutrale Auswertung der Unterrichtsstunde andere Ergebnisse bringt). uswusf
    Von Lehrersprüchen wie: „Da gibt es doch so einen Asterix Band… Das können bestimmt die Jungs beantworten hier, die lesen das ja“ (das war in der 7ten Klasse und hat sich bei mir echt eingebrannt) mal ganz abgesehen. Und das war noch einer der harmloseren.

    Wenn ich in meine Schulzeit denke, dann würde ich behaupten, dass getrennte Geschlechter in einigen Fächern den Jungs wie den Mädchen mehr gebracht hätten. Das mag auch damit zusammenhängen, dass ich meine gesamte Schulzeit eigentlich nur LehrerInnen hatte, die kurz vor der Rente standen. Keine Ahnung.

    Ich bin auch nicht für eine komplette Trennung, denn für die soziale Entwicklung ist der Umgang mit dem anderen Geschlecht ja unerlässlich und ich persönlich kam auch ab der Mittelstufe mit den meisten Jungs besser klar als mit den Mädchen – ich wäre sehr unglücklich gewesen, wenn ich nur von Mädchen umgeben gewesen wäre…

    Aber Koedukation muss mehr sein, als nur beide Geschlechter gemeinsam zu unterrichten.

  14. Mein Statement zum Thread : Schön dass der Alphafeminismus in den überregionalen Medien angekommen ist!

    Das Thema Quote ruft bei jedem schnell Widerspruch und Ablehnung hervor, so wie auch bei mir. Und zwar aus folgendem Anlass :

    Ich denke viele fürchten eine Fortsetzung der „positiven Diskriminierung“ die auch – vielleicht mit etwas Häme – weiter hierzulande durch unsere Medien gehen würde. Es würde vielleicht wieder vergessen werden dass Männer dies mit unterstützt haben. Wir kennen die Berichte „Frauen sind besser…..“ Lobhudeleien die Manchem den Schaum vor den Mund getrieben haben. Aus diesem Grunde spielen m.E. auch Vergangenheitsbewältigung sowie Gesichtsverlusteffekte eine große Rolle.
    Daher kann die Strategie „Wir wollen gemeinsam mit und nicht gegen die Männer“ nicht oft genug betont werden genauso wie die Feststellung „Die Unterschiede zwischen Frauen und Frauen sowie Männern und Männern sind größer als…“.

    Erfolgreiche win-win Kooperationsstrategien gingen vor einigen Jahren durch die wissenschaftlichen Medien als „K2-Faktor“.

    Andererseits erinnert mich die Argumentationskette „mehr Freiheit auch für Männer“, Änderungen beim Ehegattensplitting u.a. an Passagen aus „Das Ende der Dressur“. Von daher ist die Argumentation in tagesschau.de taktisch gut und regt zum Nachdenken an.

    So mancher kennt das Spiel wenn ein neuer Chef zur Sicherung seiner Loyalitätsstruktur „seine“ Mitarbeiter mitbringt. Ich habe allerdings auch mehrmals erlebt dass auch Frauen in der Gefolgschaft dabei waren, also nicht Frau-oder-Mann den Ausschlag gab.

    Ich frage mich seit einiger Zeit wo es gläserne Decken gibt. Eine massive gläserne Decke hatte ich seinerzeit einmal beobachtet : Eine Assistentin (scheinbar damals von der Fraktion „Böse Mädchen“) wurde von ihrem Chef mitgebracht („Seilschaften“) und äußerte sich gerne wenn man sie um etwas bat „Ich bin nicht nett!“. Manche Leute beginnen eben gerne Sätze mit „Sind Sie so nett und…“ weil sie Untergebene nicht herumkommandieren mögen. Als der Geschäftsführer nicht mehr war dauerte es wenige Wochen bis sie als Nervenbündel den Aufhebungsvertrag unterschrieb. Sicherlich ein Beispiel für selbstgestricktes Leid.

    Mir sagte 1991 mal Jemand in den USA als man mich da mehrjährig hinschicken wollte „If you live by the sword you will die by the sword“. Ich kenne auf Anhieb 10 Beispiele dazu….

    Daß Frauen in Führungspositionen die bis abends acht Uhr arbeiten noch als Exotinnen wahrgenommen werden und unter Beobachtungsdruck stehen könnte man vielleicht als psychologische Barriere bezeichnen, wenn auch keine böswillige. Blöde Kommentare hörte ich von Männern UND Frauen.

    Ich hatte vor 4 Jahren einmal den Effekt beobachtet daß eine Frau bevorzugt Frauen gefördert und Männer als Beiwerk und Standard vernachlässigt hat. Das habe ich schon öfters auch bei anderen Frauen beobachtet. Das schafft keine Symphatien und lässt Männer über Solidaritäten nachdenken.

    Wenn wir versehentlich ein Geschlecht – also die Männer – als Verlierer dastehen lassen ist das m.E. nicht förderlich und provoziert Gegenstrategien oder im Falle der Aussichtslosigkeit passiven Widerstand. Andererseits lese ich hier immer wieder von weiblichen Betroffenen von ihren Betroffenheiten („Gefahr“ der Schwangerschaft etc.). Ich sehe es so wie eine Diskussionsteilnehmerin es hier mal sehr gut formuliert hat und nehme solche Erfahrungsberichte grundsätzlich wichtig. Ich werde in diesem Punkt aufmerksam bleiben – insbesondere im Hinblick auf die Zukunft meiner Tochter.

    Es spricht nichts dagegen Frauen gezielt für bisher als „untypisch“ angesehene Berufe zu interessieren wie beispielsweise mit „MINT“. Ebenso sollte man auch Neue Wege für Jungs nicht sofort zerreißen sondern darüber nachdenken wie Frauen und Männer dies gestalten könnten.

    Die Gemeinsamkeitsstrategie Frauen und Männer gemeinsam weg von überkommenen Bildern ist auf jeden Fall Prämisse und kann nur immer wieder betont werden. Kommunikation eben.

  15. Die höheren MINT-Anteile bei Absolventinnen von reinen Mädchengymnasien finde ich aber schon bedenkenswert. Gerade wo generell mal wieder festgestellt wurde, dass trotz zahlreicher Fördermaßnahmen Stillstand an der Front „Mehr-Frauen-in-Männerdomänen-schubsen“ herrscht. Was bringen denn Koedukationsbefürworter gegen das Argument des höheren Anteils von MINT-Frauen aus Mädchenschulen vor? Wissen die von einem zweiten oder dritten Einflussfaktor, den die anderen übersehen haben?

  16. Genau wie Anna wäre ich todunglücklich gewesen, im nach Geschlechtern getrennten Unterricht. Gerade „Tomboys“ (mir fällt jetzt kein deutscher Ausdruck ein) haben es sicher nicht einfach. Da kommen dann auch noch 2 andere Probleme hinzu. Wenn man Pech hat, endet es wie bei den Simpsons mit „Zahlen machen, dass wir uns besser fühlen“, bei dem ein vermeintliches Frauenbild erst festbetoniert wird. Und zum anderen werden so (mal wieder) intersexuelle und transsexuelle Kinder vergessen.

    Warum mehr Mädels von Mädchengymnasien MINT-Fächer studieren? Vielleicht weil sie Eltern haben, die eh mehr Wert auf Bildung legen? Weil denen nicht klar ist, dass ihre Chancen danach miserabel sind? Diskriminierung ist ihnen ja vorher nicht in dem Maße begegnet. Da wäre die bessere Frage zu schauen, ob die Mädels 1. ihr Studium auch alle beenden und 2. danach nicht überproportional arbeitslos sind, wie z.B. „normale“ Ingenieurinnen. Vielleicht sind die Lehrer da motivierter?

    Beim Thema Frauen sollen MINT-Fächer studieren, könnte ich eh immer kotzen. Die Einstiegsgehälter von Ingenieurinnen sind niedriger als die der Ingenieuere, ein Problem, das mit steigenden Dienstzeiten immer schwerwiegender wird. Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie bei Ingenieuren. Und wenn man dann nicht 30 ist und vielleicht noch einen Migrationshintergrund hat, sieht es richtig beschissen aus. Dieses Ganze Gejammer, dass es zuwenig Studenten und Studentinnen gäbe, ist so verlogen.

    PS: Es gibt einen Studiengang in Deutschland, dessen Absolventinnen und Absolventen gleich viel verdienen: Jura. Warum nur?

  17. So, zum Fazit ein kleiner Rundumschlag –

    Zum einen, die aktuelle Emma spricht Euch mal wieder die Fähigkeit ab, Euch sinnstiftend an dieser Diskussion zu beteiligen, Mädchenmannschaft… der Artikel ist online, aber verlinken will ich ihn lieber nicht.

    Zum anderen, über Koedukation, bzw. deren teilweise Reduktion sollte man unaufgeregt und soweit möglich ideologiefrei diskutieren. Neuere Erkenntnisse über das unterschiedliche Lernen der Geschlechter und ungleiche Lernergebnisse bei statistisch gleichem Lernerfolg sollten dabei eine Rolle spielen – Beispiel Mathe: Im Durchschnitt gleich, aber Frauen sind eher um den Durchschnitt geclustert, Männer eher richtig schlecht oder richtig gut. Ich halte es für wichtig, daß Koedukation nach wie vor als Grundsatz bestehen bleibt, aber ich kann mich auch der Erkenntnis nicht verschließen, daß es sinnvoll sein könnte, einen gewissen geschlechtlichen Freiraum zu schaffen. Eine Entdramatisierung der Geschlechterkategorie wird es nicht geben, solange sich die Menschheit geschlechtlich fortpflanzt – nur sollte sie die Freiheit jeder/jedes einzelnen so wenig wie möglich einschränken.

    Zum dritten, schon bei „deutsche Frauen“ verlinkt, aber weil er so gut ist und ein Fazit hat – auch hier noch mal – Robert Habeck, der kürzlich nicht für den Grünen Bundesvorstand kandidiert hat, um seine Familie zu versorgen und damit sich seine Frau weiter politisch engagieren kann, zieht sein persönliches Fazit und erklärt seine Angst vor dem „Backlash“ auch mit der scheinbaren Weigerung der Frauen, alternative „Männermodelle“ sexy zu finden –

    http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=do&dig=2008/10/25/a0008&cHash=2bcbca2037

    Und dann noch das Thema Quote – Ein interessanter Artikel aus dem Atlantic über weibliches Führungsverhalten und ihre Bereitschaft zum Wettbewerb, das die Quote bei aller Problematik vielleicht wirklich als eine potentielle Lösung erscheinen läßt.

    Alle wesentlichen Begründungen für die Quote sind institutionell, aber vor allem historisch begründet: Weil Frauen in der Vergangenheit im öffentlichen Leben oder der aushäuslichen ökonomischen Sphäre weniger stark vertreten waren, müssen sie heute besonders gefördert werden – und das zum einen aus Gerechtigkeitsgründen und zum anderen aus dem Willen heraus, weibliche Perspektiven in die Entscheidungsfindung der jeweiligen Institution einfließen zu lassen, und das direkt, nicht nur indirekt.

    Aber jede Form von positiver Diskriminierung ist natürlich gleichzeitig eine Form von negativer Diskriminierung und damit nicht unproblematisch. Und die historische, soziologische, Begründung hilft ja, wie man gerade an heutigen Problemen wie der sog. Glass Ceiling sieht, nicht weiter, weil Frauen schlicht das Spiel der Männer in diesen Positionen nicht spielen wollen (oder können).

    Wenn man sich also vom Gedanken wegbewegt, daß Frauen nur irgendwann die Regeln des männlichen Spiels verinnerlichen werden, wenn man sie nur lange genug bevorzugt, und akzeptiert, daß Frauen das nicht tun werden, werden Quoten zwar nicht unproblematisch, aber als institutionelle Reaktion sinnvoller.

    In dem Artikel geht es weniger um Quoten als meine Einleitung vermuten läßt – aber er stellt für mich diese Frage –

    http://www.theatlantic.com/doc/200811/women-rule-the-world

  18. jj: weil Frauen in der ökonomischen Sphäre (insbesondere da, wo die Musik spielt) weniger stark vertreten SIND…

  19. flawed,

    „jj: weil Frauen in der ökonomischen Sphäre (insbesondere da, wo die Musik spielt) weniger stark vertreten SIND…“

    Mag sein, aber die Tatsache allein ist ja nicht der Grund, der angeführt wird. Die Tatsache wird ja als Konsequenz historischer Diskriminierung von Frauen erklärt. Wenn es klar und unstreitig wäre, daß Frauen schlicht nicht wollen könnte man aufgrund der Unterschiedlichkeit der heutigen Verteilung allein sicher nicht auf Diskriminierung schließen.

  20. jj: Soweit d’accord.
    Deine Formulierung oben las sich für mich aber so, als ob Du behaupten wolltest, das Problem niedrigerer Teilhabe von Frauen gehöre der Vergangenheit an.

  21. Ausnahmsweise jetzt mal vom Internetcafe:

    Gefällt mir gut das Statement von Fr. Susanne Gaschke in der Zeit.

    @Soe: „Wenn man Pech hat, endet es wie bei den Simpsons mit “Zahlen machen, dass wir uns besser fühlen”, bei dem ein vermeintliches Frauenbild erst festbetoniert wird.“ Dies wäre für mich der absolute worst-case!!

    Manchmal habe ich das Gefühl alle möchten etwas ändern aber alle treten irgendwo im Kreis und auf der gleichen Stelle. Man will einen Schritt nach vorne machen und steckt im Morast fest und kommt nicht voran.

    Vielleicht liegt meine manchmalige Ungläubigkeit ja auch daran daß dort wo ich arbeite ich schon vor Jahren von Entscheidungsträgern gehört habe „Wir müssen da etwas für die Frau tun, …“ und bei einem Auditvorgespräch vor Jahren überrascht festgestellt wurde wieviele Frauen mit am Tisch saßen. Für mich also selbstverständlich. Ich weiß nicht wie es in anderen Firmen und anderen Branchen aussieht.

    Genauso werde ich manchmal als fast exotisch aber anerkennend angesehen wie ich mit meiner Tochter umgehe.

    Ich schaue mit erhöhter Aufmerksamkeit.

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