TRIGGERWARNUNG: Rassismus, Antiromaismus, Polizeigewalt.
Vor einer knappen Woche haben wir über die rassistischen Übergriffe sowie den dagegen erstarkenden Widerstand in Duisburg #indenpeschen und Berlin #MaHe berichtet. In Duisburg hat sich die Lage seit dem letzten Wochenende leider deutlich zugespitzt. Während die Mainstreampresse die Schuld bei den Bewohner*innen der Häuser In den Peschen 3-5 sowie den Organisator*innen der mit ihnen solidarischen Nachtwache sucht, sind inzwischen mehrere Pressemitteilungen und Blogbeiträge von Seiten der Unterstützer*innen veröffentlicht worden.
Rassististische Stimmungsmache auf der „Diskussionsveranstaltung“ von „Bürger für Bürger e.V.“
Am Freitagabend veranstaltete der Verein „Bürger für Bürger e.V.“ eine sogenannte „Diskussionsveranstaltung“ über die Häuser In den Peschen 3-5. Hierbei ist es offensichtlich von vornherein nicht beabsichtigt gewesen, mit den Bewohner*innen statt über sie zu diskutieren, denn von ihnen ist bezeichnenderweise keine*r Einzige*r eingeladen worden. Auch die Moderation schien schon vor Beginn der „Diskussion“ einen klaren Standpunkt zu beziehen, so wurde bereits in der Anmoderation von Menschen gesprochen, die „kulturell nicht hierher passen“ (R. Karling) würden. Ebenso wenig wurden die wiederholten rassistischen Zwischenrufe unterbunden, ganz im Gegenteil zu den Versuchen, rassismuskritisch zu intervenieren. Dominiert wurden die Beiträge auf der letztlich etwa 100 Teilnehmer*innen umfassenden Versammlung unter anderem von Mitgliedern der rechtspopulistischen Partei „Pro NRW“. Es wurde außerdem mehrfach versucht, als Andersdenkende ausgemachte Personen einzuschüchtern und zu bedrohen, zum Beispiel in dem wiederholt Fotos von ihnen gemacht und während der Versammlung ein Hammer gezeigt wurde.
Auseinandersetzungen nach der Versammlung mit anschließendem Polizeieinsatz
Im Anschluss an die Veranstaltung eskalierte die Situation dann leider völlig. Menschen, die sich während der Veranstaltung rassismuskritisch geäußert hatten, wurden von Nazis verfolgt, konnten sich jedoch glücklicherweise in ein Wohnhaus retten. Als Folge der Vorkommnisse rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an, jedoch nicht um endlich die Bewohner*innen so wie ihre Unterstützer*innen zu schützen, was ihre Aufgabe gewesen wäre. Stattdessen stürmten sie scheinbar wahllos Wohnungen der Häuser In den Peschen 3-5. Teilnehmer*innen der Nachtwache schildern die Situation folgendermaßen:
Bei dieser Polizeimaßnahme – die maßgeblich durch z.T. vermummte Duisburger Hundertschafts-Polizist*innen durchgeführt wurde – drang die Polizei in mehrere Wohnungen ein, einige Kinder wurden aus dem Schlaf gerissen und mit Pfefferspray attackiert, außerdem erlitt eine hoch-schwangere Frau einen Nervenzusammenbruch und wurde ins Krankenhaus gebracht. Nach unseren Informationen wurde mindestens ein Mal aufgelegt, als versucht wurde einen Krankenwagen „In die Peschen“ zu rufen.
Drei Bewohner des Hauses wurden festgenommen, darunter ein Jugendlicher. Ebenso wurden zwei Personen, die sich an der Nachtwache beteiligten, von der Polizei in Gewahrsam genommen. Nach Zeugenaussagen hätten sich die beiden zu diesem Zeitpunkt schon an der Nachtwache beteiligt und würden folglich nicht als Tatbeteiligte in Frage kommen.
Während des gesamten Polizei-Einsatzes wurde nicht versucht mit den Bewohner*innen zu kommunizieren. Somit haben die Bewohner*innen über die ganze Polizeimaßnahme hinweg keine Information über das Vorgehen der Polizei oder einen Grund für das Eindringen in das Wohnhaus bekommen.
Ähnlich geschildert werden die Vorfälle auch vom Duisburger Bündnis gegen Antiziganismus und in einem Gastbeitrag bei der Landtagsabgeordneten Birgit Rydlewski (Edit: danke für die Hinweise, hier stand zu erst, dass der Beitrag direkt von ihr stammen würde). Bei Letztere schließt der Augenzeugenbericht mit dem Fazit, dass der Augenzeuge nicht glaubt, dass es unter den gegebenen Umständen auf Dauer möglich sein wird, einen Anschlag auf die Häuser zu verhindern, da es der Polizei viel eher darum zu gehen scheint, die Bewohner*innen zu diskriminieren und zu kriminalisieren, anstatt Übergriffe auf das Gebäude und die dort lebenden Menschen zu verhindern. Auch der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. setzt die aktuellen Geschehnisse in Duisburg in den Kontext der Progrome von Rostock- Lichtenhagen, Solingen, Hoyerwerda und Mölln.
Wie kann es jetzt weitergehen?
Die Antirepressionsgruppe Mülheim hat dazu aufgerufen, Gedächtnisprotokolle von Freitag Nacht einzusenden. Außerdem hat die rechtspopulistische Partei „Pro Deutschland“ für den kommenden Donnerstag, den 29. August, eine Demonstration vor den Häusern In den Peschen 3-5 angemeldet. Sobald es Informationen über Gegenveranstaltungen gibt, werden wir euch an dieser Stelle darüber informieren. Generell sollte aber nochmal betont werden, dass das weitere Vorgehen nun gut abgewogen, ausführlich mit den Bewohner*innen besprochen und keinesfalls über ihre Köpfe hinweg entschieden werden sollte.
Update: Die bisher in erster Linie durch ihre einseitige Berichterstattung aufgefallene Lokalpresse verweist inzwischen ebenfalls auf einige der hier verlinkten Gegendarstellungen.
Danke für den ausführlichen überblick! Nur ein kleiner Hinweis, die LA Birgit Rydlewski schreibt über ihrem Blogpost, dass der Text von einem Freund stamme, ist also nicht direkt von ihr selbst scheinbar. LG.
Danke für den guten Artikel. Nur eine kleine rein formale Anmerkung: es handelt sich bei dem Bericht auf der Website von Birgit Rydlewski nicht um einen Augenzeuginnenbericht von ihr selbst, sondern um den eines Freundes von ihr:
„Ein Freund von mir war gestern vor Ort in Duisburg. Hier sein Bericht:“ (Zitat von http://birgit-rydlewski.de/2013/08/24/in-den-peschen-duisburg-letzte-nacht/, zweite Zeile).
@Eleneli und sibiuaner: Danke für den Hinweis, habe ich im Text verändert.
vielen Dank für die Hinweise sehr interessant.