Alle Jahre wieder – oder warum der Equal Pay Day noch immer nötig ist

Collage an roten Taschen
Symbol des Equal Pay Day: die rote Tasche

Es gibt Gedenktage, bei denen man sich jedes Jahr aus Neue wünschen würde, die Welt hätte sich endlich so entwickelt, dass dieser Tag nicht mehr benötigt würde. Der heutige, mittlerweile neunte Equal Pay Day zum Beispiel.

Doch dieser ist leider nach wie vor unverzichtbar. Erst vor kurzem hat die OECD eine Studie veröffentlicht, der zufolge das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen auch im Jahre 2012 in keinem anderen europäischen Land so groß ist wie in Deutschland: 21,6 Prozent verdienen Frauen, die Vollzeit arbeiten, demnach im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. In den anderen untersuchten Industrie­staaten beträgt der Unterschied durchschnittlich „nur“ 16 Prozent. Das statistische Bundesamt beziffert den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen sogar wie in den Vorjahren mit 23 Prozent.

Wie dieser Pay Gap errechnet wird, ist hinlänglich bekannt. Genau wie die verschiedenen Gründe für sein Zustandekommen – Frauen arbeiten häufiger Teilzeit als Männer, sind öfter in schlecht bezahlten Branchen beschäftigt, müssen die Probleme bei der Vereinbarkeit von Job und Beruf eher ausbaden, treten in Gehaltsverhandlungen angeblich weniger durchsetzungsstark auf – können in unserer Faktensammlung zum Equal Pay Day nachgelesen werden.

Sie hier noch einmal aufzuführen, macht deshalb keinen Sinn – frau könnte jedes Jahr aus Neue einen alten Text per copy and paste einfügen. So wie Helga nicht mehr eigentlich selbstverständlichen Mini-Fortschritten applaudieren will, wäre es mir jedoch am liebsten, ich müsste mich gar nicht mehr über Missstände ärgern, die längst überwunden sein sollten. Denn das ist das eigentlich Bittere: Dass sich so wenig ändert! Und dass von denjenigen, die dazu in der Lage wären, anscheinend nicht einmal ernsthaft versucht wird, Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen!

Die einzelnen Faktoren hängen natürlich eng zusammen. So ist in Deutschland nicht nur der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen deutlich höher – auch in Sachen Teilzeitarbeit (okay, jetzt beschäftigen wir uns doch mal kurz mit diesem Punkt) liegen die deutschen Frauen weit über dem EU-Schnitt. Pünktlich zum vergangenen internationalen Frauentag am 8. März hat das Statistische Bundesamt (Destatis) neue Daten veröffentlicht: Danach arbeiteten in 2010 von den 69,6 Prozent der berufstätigen Frauen in Deutschland 45,6 Prozent Teilzeit – fast die Hälfte! Zum Vergleich: In östlichen EU-Ländern wie Bulgarien oder der Slowakei waren nur 2,4 Prozent beziehungsweise 5,1 Prozent teilzeitbeschäftigt. Innerhalb der Europäischen Union lag die Teilzeitquote nur bei den Niederländerinnen höher als bei den deutschen Frauen: Hier waren es sogar 74,4 Prozent, die nicht Vollzeit arbeiteten.

Allerdings gaben hier nur 5,5 Prozent an, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben und „unfreiwillig“ Teilzeit zu arbeiten – bei uns waren es 18,9 Prozent. Über die Hälfte der Teilzeit arbeitenden Frauen in Deutschland (51,3 Prozent) gaben jedoch die Kinderbetreuung oder andere familiäre Verpflichtungen als Grund dafür an, nicht voll berufstätig zu sein.

Und schon sind wir bei drei oft eng miteinander verknüpften Schritten, die viele Frauen deutlich mehr als nur ein angemessenes Gehalt kosten können:

  1. Frauen verdienen häufig schon mit dem Einstieg ins Berufsleben weniger als ihre gleich qualifizierten männlichen Kollegen oder sie arbeiten in schlecht bezahlten (oft aber so genannten „sozialen“ und für die Gesellschaft relevanten) Berufsfeldern.
  2. Frauen, bei denen Heirat (und das ist nun mal noch immer eine gesellschaftliche Norm, an die viele sich noch immer halten) und Familiengründung anstehen, wechseln dann häufig in die ungünstigere Steuerklasse – sie verdienen ja eh‘ schon weniger als ihr Ehemann, und das unsägliche Ehegattensplitting belohnt diese (vor allem in Hinblick auf mögliche spätere Arbeitslosigkeit, in die Brüche gehende Ehen und mickrige Renten) für die Frau oft fatale Entscheidung.
  3. Und weil die Frau in der ungünstigen Steuerklasse festsitzt und dadurch noch weniger rausbekommen würde, geht sie später halt höchstens noch Teilzeit arbeiten, widmet sich aber ansonsten der klassischen Rolle als Mutter. Sätze wie „Sonst zahlen wir ja geradezu drauf, wenn ich Vollzeit arbeite und dafür eine teure Tagesmutter bezahle“, dienen nicht nur zur Beruhigung des eigenen Gewissens, sondern entsprechen bei solchen Ehen leider oft genug auch den (selbst durch die Wahl der Steuerklasse mitgeschaffenen) Fakten!

Klischees? Leider nicht nur. Doch wer wie beispielsweise Bascha Mika in ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen“ darauf hinweist, dass wir Frauen uns teilweise ein wenig zu leicht von dieser unseligen Dreifaltigkeit aus Ehegattensplitting, mangelnder Kinderbetreuung und jeden Tag erlebbarer Diskriminierung (nicht nur) in Sachen Gehalt in der Berufswelt den Schneid abkaufen lassen, sieht sich heftigem Gegenwind ausgesetzt – der allerdings zumindest in Bezug auf den von der Publizistin angeschlagenen, selbstgerechten Ton durchaus gerechtfertigt ist.

Was bleibt also zu tun? Auf die Hilfe der Politik und insbesondere der Frauen- und Familienministerin ist wohl eher nicht zu rechnen: Kristina Schröder (CDU) lehnt ja genauso wie die mitregierende FDP die Frauenquote für Unternehmensvorstände weiterhin ab. Und das, obwohl nicht nur die OECD, sondern auch die EU Deutschland für die fortwährende Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt scharf kritisiert haben und die EU sogar eine gesetzliche Regelung für mehr weibliche Vorstände erwägt. „Ich bin kein Fan der Quote, aber mir gefällt, wie sie wirkt“, sagte etwa EU-Justizkommissarin Viviane Reding auf Spiegel Online.

Andererseits: Folgt man der absurden Logik der deutschen Arbeitswelt, hat die Ministerin vielleicht sogar Recht: Einer neuen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) an BeamtInnen im höheren Dienst, Ge­schäfts­führerInnen und AbteilungsleiterInnen werden nämlich auch weibliche Chefs deutlich schlechter bezahlt als männliche: Während eine Vollzeit arbeitende, weibliche Führungskraft im Jahre 2010 den Forschern zufolge durchschnittlich 3.860 Euro monatlich verdiente, standen auf der Gehaltsabrechnung ihres männlichen Kollegen im Schnitt satte 4.900 Euro. Zwar war die Differenz im Jahre 2001 noch deutlich größer (damals verdienten weibliche Führungskräfte im Schnitt 800 Euro weniger als männliche, 2010 waren es 600 Euro) – die Frauenquote alleine wird es wahrscheinlich auch nicht schaffen, die Kluft zwischen den Gehältern von Frauen und Männern hierzulande zu schließen.

Nein, vermutlich bleibt uns allen nichts anderes übrig, als selbst weiter dafür zu kämpfen. Indem wir dazu den Equal Pay Day nutzen. Indem wir heute mit der roten Tasche aus dem Haus gehen. Indem wir Politik und Wirtschaft weiterhin genau auf die Finger schauen, ob und was sie in Sachen Gleichstellung unternehmen. Aber auch, indem wir uns nicht über den Tisch ziehen lassen: nicht in der Gehaltsverhandlung – und nicht bei der privaten Lebensplanung mit dem doch eigentlich auch so modern denkenden und Gleichberechtigung befürwortenden Partner. Das Private ist politisch? Und wie!

Veranstaltungen zum heutigen Equal Pay Day gibt es hier.

5 Kommentare zu „Alle Jahre wieder – oder warum der Equal Pay Day noch immer nötig ist

  1. Leider etwas off topic!

    Die Meldung unten bedeutet, wenn das tatsächlich umgesetzt wird, dass die Frau eines muslimischen Mannes in Ägypten sich nur noch scheiden lassen kann, wenn sie nachweist, dass er länger als vier Monate keinen Geschlechtsverkehr mehr mit ihr hatte (was so gut wie unmöglich ist, da ihre Zeugenaussage nur die Hälfte der des Mannes wert ist) oder er ihr den ehelichen Unterhalt vorenthält, beispielsweise, wenn er sich hungern lässt, oder ihr Wohnung und Kleidung vorenthält.

    Damit wird die Frau zur rechtlich zur Sklavin ihres Mannes.

    http://zeenews.india.com/news/world/egyptian-lawmaker-proposes-to-limit-women-s-right-to-divorce_764438.html

Kommentare sind geschlossen.

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