Nachdem ein Frauenarzt vor dem Münchner Landgericht zunächst erfolgreich auf Unterlassung klagte, weil ein Abtreibungsgegner vor seiner Klinik Flugblätter verteilte und mit Plakaten auf die angeblich „rechtswidrigen Abtreibungen“ des Arztes aufmerksam machte, hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dieses Urteil nun aufgehoben. Der Abtreibungsgegner darf nun vor der Klinik protestieren.
In der Meldung auf tagesschau.de heißt es, dass das Bundesverfassungsgericht das Urteil aufhob, weil
die Äußerungen des Abtreibungsgegners „wahre Tatsachenbehauptungen“ [seien], die den betroffenen Arzt „weder in seiner besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre treffen“.
So lange Patientinnen durch solche Protest-Aktionen nicht belästigt oder die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Gynäkolog_innen nicht verletzt werden, dürfen Abtreibungsgegner_innen demnach vor Arztpraxen demonstrieren, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, da ein Verbot sonst ihr Recht auf Meinungsfreiheit einschränken würde.
Die Verfassungsrichter_innen wiesen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass jeder Fall einzeln entschieden und stets die Rechte beider Seiten geprüft werden müssen.
»Der Mann wies darauf hin, dass der Gesetzgeber die Schwangerschaftsabrüche zulasse, sie also legal seien, aber von ihm als rechtswidrig eingestuft würden.«
Und das sind also wahre Tatsachenbehauptungen? Hm.
Was ist daran denn nicht legal?
@ M.S.
Ich kann mich irren, aber soweit ich weiss, werden die Privilegierungen in § 218a StGB so interpretiert, als stünde dort nicht z. B. „nicht rechtswidrig“ sondern lediglich „wird nicht bestraft“ (wie in Absatz 4). Dann wären Schwangerschaftsabbrüche weiterhin rechtswidrig, aber nicht mit Strafe bedroht. Sollte mich meine Erinnerung nicht täuschen, wäre die Aussage des Demonstranten also dogmatisch richtig.
@ Ben
Hier ist der Text zu § 218a „Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“, den du meinst. Die ersten Beispiele zeigen Situation auf, in denen die Schwangere entweder vergewaltigt oder Opfer von Inzest wurde oder in Lebensgefahr ist (alles rechtmäßige Abtreibungen im Sinne des Gesetzestext). Der letzte Fall ist jener, bei dem die Schwangere Beratung bekommt und entscheidet, aus anderen Gründen abzutreiben, siehe:
Diese Abtreibung wird, wie du richtig sagst, nicht bestraft, und ist auch nicht explizit als rechtmäßig eingestuft.
Der Aktivist hatte allerdings per se gegen „rechtswidrigen Abtreibungen“ demonstriert, was einerseits nicht korrekt ist, da in dieser Praxis höchstwahrscheinlich auch im Sinne des Paragraphens rechtmäßige Abtreibungen durchgeführt werden und zum anderen – und das ist mein Hauptkritikpunkt – werden Frauen terrorisiert, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.
Gesetzestexte wälzen ist ja eigentlich nicht meine Spezialität, hoffentlich habe ich alles korrekt zusammenbekommen – ist ja schon spät :)
@Magda
So wie ich das Urteil verstanden habe, gilt die Erlaubnis nur solange die Patientinnen nicht belästigt werden – also werden ja keine Frauen terrorisiert. Und ich glaube nicht, dass sich eine zur Abtreibung entschlossene Frau durch Demonstranten zwingen lässt, auch nur den Arzt zu wechseln. Zumindest solange das Ganze für sie nicht zum Spießrutenlauf wird.
Das Problem mit § 218a ist, dass ich meine mich zu erinnern, dass er trotz des eigentlich eindeutigen Wortlautes im oben dargestellten Sinne (nämlich vom Wortlaut abweichend) ausgelegt wird und es deshalb keine (im rein dogmatischen Sinn) rechtmäßigen Abtreibungen gibt. Aber da Strafrecht echt nicht mein Spezialgebiet ist, schaue ich morgen nochmal in einen Kommentar… wenn ich dran denke. :-)
@ Ben: Ich frage mich gerade, wie du dir eine „zur Abtreibung entschlossene Frau“ vorstellst.. Frauen, die einen Abbruch durchführen lassen wollen, sind so verschieden. Klar gibt es welche, die sich von Demonstranten vor der Praxis nicht stören lassen. Manche aber, obwohl sie innerlich fest entschlossen sind, haben totale Angst, dass andere sie verurteilen.