Amina – alles nur gelogen

Im Mai berichtete CNN über ihren Kampf für LGBT-Rechte, im Juni verschwand sie: Amina Arraf. Nur dass nun klar ist, dass A Gay Girl in Damascus eigentlich ein weißer, heterosexueller Mann ist, der gerade in Istanbul im Urlaub ist. Er bat gestern auf dem Blog um Entschuldigung und betonte, er habe nur versucht, dem westlichen Publikum die Kämpfe in Syrien näher zu bringen. Nun hätten sich seine Befürchtungen der oberflächlichen Berichterstattung und eines „liberalen Orientalismus“ bestätigt. Er denke aber nicht, dass er mit seiner Aktion irgendjemandem geschadet hätte.

Tatsächlich hat es eine Weile gedauert, bis klar war, dass Amina doch nicht existiert. Gerade in dieser Situation von Oberflächlichkeit zu sprechen ist allerdings zu kurz gegriffen, müssen syrische Blogger_innen und Aktivist_innen stets befürchten, wirklich im Gefängnis zu landen. Der syrische Teilnehmer der DW TV Arabia-Talkshow konnte aus Angst um seine Familie nur anonym mitmachen; Bloggerin Razan vom Young Media Summit wohnt aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht mehr Syrien.

Nun ist nach Angaben syrischer Blogger_innen genau das eingetreten, was die Verifizierung so schwer machte: Mit der internationalen Recherche nach Amina hat auch das syrische Regime begonnen, wieder LGBT-Aktivist_innen nachzuforschen. Sollte das Ziel gewesen sein, Aufmerksamkeit auf die derzeit Inhaftierten zu richten und für ihre Freilassung zu kämpfen, ist das gründlich schief gegangen, über sie redet kaum jemand, Aktivist_innen sind gefährdeter als je zuvor und Assad schießt weiter auf das syrische Volk. Syrischen Blogger_innen wurde die Stimme genommen, nun müssen sie zu ihrem eigenen Schutz schweigen und eine Menge Menschen haben sehr viel Zeit damit verbracht, einer Lüge auf den Grund zu gehen, statt sie sinnvoll zu nutzen. Vertrauen in Aktivist_innen und untereinander wurde zerstört. Ein libanesischer Blogger etwa fürchtet in einem offenen Brief, sollte er eines Tages verschwinden, könnte es niemanden mehr kümmern.

Ich möchte seinem Brief noch etwas hinzufügen: Hey Arschloch, dass die Reaktion so unerwartet groß wurde, liegt daran, dass viele syrische Blogger_innen sich echte Sorgen gemacht haben. Es liegt daran, dass sie sich mit Aktivist_innen auf der ganzen Welt vernetzt haben, die ihnen vertraut und sie unterstützt haben. Anstatt jetzt gutbezahlte Exklusivinterviews zu geben, solltest Du anerkennen, dass Du Dir mit einem ausgefeilten System das Vertrauen vieler Menschen erschlichen hast; um dann für sie zu sprechen, weil Du ihnen das augenscheinlich nicht zugetraut hast. Du hast schließlich immer neue falsche Identitäten erschaffen und mit ihnen Interviews gegeben, um nicht enttarnt zu werden. Tu uns allen jetzt den Gefallen und halt einfach den Mund.
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PS: Auch L-talk hat sich noch einmal ausführlich mit den Vorgängen auseinander gesetzt.

22 Kommentare zu „Amina – alles nur gelogen

  1. Wenn Männer auf Kosten und mit der vermeintlichen Bedrohungslage von Frauen und anderen wichtigtuerisch auf sich aufmerksam machen wollen und das Politik nennen.
    Zum Kotzen und höchst gefährtlich.

    Kein Wunder, dass manchen nicht geglaubt wird, wenn Männer wie der Lügen verbreiten und eine Verfolgung vortäuschen.

    Man sollte ihn mal in einen syrischen Knast sperren, damit er weiß wie das ist, verfolgt zu sein und eine Freude für die Wärter zu sein.

    Grrr….

  2. Schon erstaunlich in welchen Situationen sich Menschen immer weiter vormachen, sie hätten niemandem geschadet. Wahrscheinlich so lange, bis sie sich selbst schaden. Erst dann tut es weh, vorher ist es abstrakt.

  3. @Sammelmappe, genau das ist der Punkt. Die Echtheit von Blogs werden in Frage gestellt.
    Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass sich hier ein gelangweilte US-Studenten Internet einen Scherz erlaubt hat.

  4. Vielleicht wäre auch mal Selbstkritik angebracht, schließlich habt ihr den Fake-Zirkus gerne mitgemacht. Der „Amina“-Fake hat bei euch (wie bei der Mainstreampresse) auf die richtigen Knöpfe gedrückt (konventionellen Schönheitsnormen entsprechende junge lesbische Frau, die von bösem Regime aus der Achse des Bösen und bösen islamischen Männern unterdrückt und verschleppt wird), was bei vielen Leuten alle Sicherungen durchknallen hat lassen. Schreibt doch in Zukunft nicht einfach ab, was aus irgendwelchen Blogs stammt, sondern ergänzt wenigstens „angeblich“, „mutmaßlich“ und „behauptet“. Dann steht ihr hinterher auch nicht so blöd da. Das gilt natürlich noch in viel stärkerem Maße für den selbsternannten Qualitätsjournailsmus.

  5. ich finde die reaktion hier ein wenig übertrieben. klar, heute im nachhinein wirkt das alles ziemlich dumm & so, nur wer kann bitte für jede seiner entscheidungen die folgen im voraus abschätzen.

    manche dinge beginnen im spiel und enden in einer tragödie. hoffentlich ist das hier nicht auch der fall.

  6. Und wieder einmal wird klar, dass man nicht bei jedem Blogger_In nachvollziehen kann, wer er ist und ob die Accounts, die er sich gegeben hat, der Wahrheit entsprechen.
    Dass dies aber in einer solch politisch explosiven Zeit geschehen musste ist wirklich Schade. Schließlich haben sich die vielen Bürger in der Arabischen Welt erst Dank Vernetzung in einer neuen Generation auf die Barrikaden gegen das einseitige Regime getraut. Dass man mit einem solchen Vertrauen spielt ist, wie ich auch finde, einfach gefährlich und total unangebracht.

  7. Die Website lezgetreal.com (“A Gay Girl’s View on the World”) wurde ebenfalls von einem Mann betrieben. Dazu berichtet die WaPo folgendes Detail:

    In the guise of Paula Brooks, Graber corresponded online with Tom MacMaster, thinking he was writing to Amina Arraf. Amina often flirted with Brooks, neither of the men realizing the other was pretending to be a lesbian.

    Ob die zwei das wohl fortsetzen…?

  8. @Nayirah: Ich habe den ursprünglichen Text verfasst, weil u.a. mir persönlich bekannte (syrische) LGBT-Aktivist_innen darauf aufmerksam gemacht haben, CNN darüber schon vorher über die Bloggerin berichtet hatte und dort, so wie bei der BBC, Berichte über das Verschwinden zusammen kamen. Ich finde dass zu einfach, sich zu denken, ha, das nächste Mal schreib ich ein „mutmaßlich“ mehr dahinter, dann bin ich fein raus. Denn die Kritik, auch des Hoaxers, an „den Medien“ (ob klassisch oder Blogs) ist hier zu kurz gegriffen. Er hat diese Fake-Identität über Jahre hinweg aufgebaut, mit vielen Leuten interagiert, das Ganze in einem Land angesiedelt, in dem Journalismus und Blogs verboten sind und dann noch darüber berichtet, dass die Geheimpolizeien ihr auf den Fersen seien. Nach dem ersten Verdacht ist es dann relativ schnell (dank Blogger_innen und Journalist_innen) herausgekommen. Aber: Er hat da soviel Energie über Jahre reingesteckt und ein derart plausibles Szenario kreiert, dass zunächst niemand einen Grund hatte die Geschichte anzuzweifeln. Und er hat das Vertrauen ausgenutzt, dass Blogger_innen aus der ganzen Welt in ihn und untereinander hatten. Das ist ein Schaden, bei dem ein mutmaßlich mehr oder weniger echt keinen Unterschied macht.

  9. @Nayirah: eh! es sind immer die gutgläubigen die schuldigen! die arschlöcher, die ihr ego auf kosten derjenigen ausleben sind natürlich einfach cool. lustig, ein bild von jemand fremden geklaut und das als syrische bloggerin ausgegeben! haha. wie doof die medien doch alle sind. wenn die tussi auch so blöd ist und ihre bilder auf facebook online stellt. und hey, du hast ja so recht! wieso auch eine bloggerin ernst nehmen, lieber sicherheitshalber, bevor man sich am ende dann noch als gutgläubig heraus stellt, ein paar mal die leute im syrischen knast verrecken lassen, als einmal zu viel gewarnt. da kann man diesem tollen 40jährigen echt keinen vorwurf machen, dass er das jetzt alles SO SUPER entlarvt hat, während andere krepieren. danke!

  10. Jetzt posten hier schon gefakte Leute!
    Nayirah ist der Name eines lügenden Mädchens kuwaitischer Herkunft, das behauptete im Iraker würden Säuglinge ermorden.
    Zufall?

    So ganz zufällig postet niemand mit solchem Pseudonym hier.

  11. @boxi: Das Gegenteil von gut gemacht ist eben oft gut gemeint. Und gerade bei Dingen wie „Hetero-Mann gibt sich als Lesbe aus, weil den Lesben keiner zuhört“ sollte einem Heteromann auffallen, dass „sich als Lesbe ausgeben und dann hören die Leute wieder keiner Lesbe zu“ eben nicht die Lösung ist.

    @Ali Schwarzer: An wen richtet sich Dein Kommentar?

  12. @ali schwarzer, wenn du kein @alex davor setzt, fühl ich mich nicht angesprochen. folgend die entsprechenden textstellen:
    „Vielleicht wäre auch mal Selbstkritik angebracht, schließlich habt ihr den Fake-Zirkus gerne mitgemacht. Der “Amina”-Fake hat bei euch (wie bei der Mainstreampresse) auf die richtigen Knöpfe gedrückt (konventionellen Schönheitsnormen entsprechende junge lesbische Frau, die von bösem Regime aus der Achse des Bösen und bösen islamischen Männern unterdrückt und verschleppt wird), was bei vielen Leuten alle Sicherungen durchknallen hat lassen. Schreibt doch in Zukunft nicht einfach ab, was aus irgendwelchen Blogs stammt, sondern ergänzt wenigstens “angeblich”, “mutmaßlich” und “behauptet”. Dann steht ihr hinterher auch nicht so blöd da. Das gilt natürlich noch in viel stärkerem Maße für den selbsternannten Qualitätsjournailsmus.“

  13. Ich werde ganz sicher nicht den Namen des direkten Vorposters notieren, wenn ich mich genau auf ihn beziehe, oder wenn inhaltlich der Bezug klar ist. Schließlich ist das für mch eindeutig.

    Und die Hose ziehe ich mir übrigens auch nicht mit der Kneifzange an. Für dich noch mal zum mitmeißeln: Kannst du bitte mal die betreffenden Textstellen zitieren, in denen Nayirah genau das behauptest, was du ihr vorwirfst?

    Konkret: Wo steht, dass die Gutgläubigen die Schuldigen sind? Wo steht, dass der Typ, der sich als lesbische Bloggerin ausgegeben hat, „cool“ und „toll“ in den Augen der Person, die du so leidenschaftlich unterirdisch angreifst? Wo steht, dass der „Tussi“ Vorwürfe wegen des Hochladens ihrer eigen Bilder gemacht werden? Wo steht, dass ein paar Leute im syrischen Knast verrecken sollen?

    Ich weiß, es sind viele Fragen auf einmal. Aber hey, schlaf doch mal ’ne Nacht drüber, nimm ein bisschen Nervennahrung und vielleicht noch einen Beruhigungstee und dann lass die Hirnzellen arbeiten.

    Ist ja schlimm, dein Diskussionsniveau. Aber wahrscheinlich bist du gar nicht an einer Diskussion interessiert. Wenn dir wirklich daran gelegen wäre, dann hättest du dich auf dem Niveau von Helga bewegt.

  14. @alibaba:

    ich werde ganz sicher nicht die impilziten beschuldigungen notieren, die aus diesem posting hervor gehen, wenn sie für den aufgeweckten leser doch so eindeutig sind oder wenn inhaltlich der bezug klar ist. schließlich ist das für mch eindeutig.

    wenn jemand das niveau verlässt wie nayirah, dann bleibe ich auch nicht auf niveau. mag sein, dass helga da ehrenwerter ist. schön, dass du sie dir als vorbild nimmst.

  15. @Ali Schwarzer: Eine @-Antwort ist eigentlich immer sinnvoller, weil zum einen nicht jede_r davon ausgeht, dass der Bezug zum vorherigen Kommentar besteht. Zum anderen weil es öfters vorkommt, dass mehrere Leute gleichzeitig schreiben und dann auf einmal ein oder mehrere Kommentare dazwischen stehen.

    Und auch wenn es ein emotionales Thema ist, möchte ich vor weiteren Kommentaren bitten, noch einmal in die Netiquette zu schauen und auf den Tonfall zu achten (das gilt für alle).

    Schließlich noch eine Anmerkung: Gerade die deutsche Mainstreampresse hat sich zu diesem Fall gar nicht geäußert. Auf Spiegel Online gab es erst sehr spät einen Bericht, der sich ein „haha die Blogger sind voll drauf reingefallen“ gerade noch verkneifen konnte. Außerhalb der queer-feministischen Szene gab es ebenfalls kaum Echo. Stattdessen sind auch bekhsoos.com und Samya von MuslimahMediaWatch auf den Hoax hereingefallen. Die englisch-sprachige Blogosphäre (bzw. anders-sprachige Blogosphären, die die englischen Blogs verfolgen) sind heute schon so unglaublich gut vernetzt, es war unglaublich viel Vertrauen da und es ist einfach ziemlich hart, dass jemand sich das so ausnutzen konnte (ob er das nun gewollt hat oder nicht).

  16. @helga: und ist es wirklich so schlimm, wenn ich jemandem, der anstatt zu reflektieren, warum man solche syrischen bloggerinnen vielleicht ernst nimmt oder zumindest weiter verfolgt, was sie schreiben, etwas heftiger zu sagen, dass er/ sie sich sein/ ihr s o r r y dämliches geschwurbel a la „ihr könntet auch ein bisschen selbstkritischer sein“ als das benenne, was es ist?

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