Zum 100. Todestag der Rebellin Rosa Luxemburg

Dieser Text ist Teil 139 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

Es ist einer dieser Jahrestage, der an Grausames erinnert: Vor genau hundert Jahren, am 15. Januar 1919, wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von deutschen Soldaten ermordet. Luxemburg war Sozialistin und ent­schiedene Gegnerin von Krieg, vom deutschen Militarismus und Imperialismus. Die folgenden Bücher befassen sich mit dem Leben, dem Werk und der Person Rosa Luxemburg und werfen ein intimes, ehrliches Licht auf eine Frau, die sich für ihre Ideale nicht ver­biegen ließ.

Rebellin und Denkerin

Die Malerin und Schriftstellerin Simone Frieling befasst sich in ihrem neuesten Buch nicht mit einer, sondern gleich drei Kämpfer­innen für die Freiheit: Rosa Luxemburg, Hannah Arendt und Simone Weil, die aus assimilierten jüdischen Familien stammten, in denen Bildung das höchste Gut war. Sie hatten einen Sinn für die Künste und alle drei, das ist hin­länglich bekannt, waren Denker­innen, die sich gegen die herr­schenden Verhältnisse auf­lehnten, was sie mit­unter zu Einzel­kämpferinnen machte. In den biographischen Essays zeichnet Frieling eindring­liche Bilder der Rebellinnen. Dabei verliert sie sich nicht in einer bloßen Aufzählung von Errungen­schaften, Jahreszahlen oder einem Anspruch an Voll­ständigkeit, sondern zeichnet intime Bilder, die Ein­blicke in die teils dunklen Gedanken­gänge dieser Frauen geben. Ja, Luxemburg, Arendt und Weil waren unermüdliche Kämpfer­innen gegen unhalt­bare Zustände, aber sie erlebten auch das, was viele Menschen ausmacht: unglückliche Lieben, Depressionen und mangelndes Vertrauen in andere Menschen und die Welt. Obwohl die Politiken, die Ideale und die gesellschaft­lichen Verhältnisse immer Kontext der Essays sind, liegt der Fokus eher auf den kleinen Anekdoten, zum Beispiel was sich Rosa Luxemburg neben Büchern und Schreib­zeug noch ins Gefängnis bringen ließ, als sie während des 1. Welt­krieges inhaftiert war.

Simone Frieling (2018): Rebellinnen. ebersbach & simon, Berlin.

Unbequem und leidenschaftlich

Die englische Originalausgabe von Kate Evans erschien bereits 2015 unter dem Titel „Red Rosa“. Seit 2018 können wir das Meisterinnenwerk nun auch auf Deutsch in den Händen halten.

Für mich war es Liebe auf den ersten Blick: Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind unglaublich lebendig, Rosas Darstellung realistisch und nicht künstlich ver-norm-schönt. Wir lernen Rosa als kluge, wort­gewandte, manchmal unbequeme und leiden­schaftliche Person kennen, die sich gegen arrogante linke Männer wehrt und auch im Gefängnis das Beste aus ihrer Situation zu machen scheint. Sie liebt die Natur und Tiere und das Schreiben und Reden. Neben den eindringlichen Bildern findet die*der Leser*in am Ende dutzende Seiten mit Anmerkungen zu den historischen Fakten und interessanten Rahmungen des Erzähltem. So verschweigt Kate Evans nicht, dass die Antiimperialistin Rosa Luxemburg zwar das überlegene europäische Selbst­verständnis kritisierte, sich selbst aber auch kolonialer Sprache bediente. Ein andere Szene zeigt ein­drücklich, wie die sozialistische Intellektuelle gedanken­verloren über „Reform oder Revolution?“ sinniert, während ein Dienst­mädchen den Tisch deckt und einen Kessel Tee anfeuert. Das ist die Stärke dieser Graphic Novel: Sie zeigt die unter­schiedlichen Facetten Luxemburgs auf, macht sie stark, nimmt sie aber nicht aus der Verantwortung.

Kate Evans (2018): Rosa. Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg. Dietz Berlin.

Briefe aus dem Gefängnis

Knapp dreieinhalb Jahre war Rosa Luxemburg während des 1. Weltkriegs inhaftiert, ein Jahr im so genannten Berliner Weibergefängnis für eine in Frankfurt gehaltene Rede über Soldaten­miss­handlungen sowie zwei Jahre und vier Monate in so genannter Schutz­haft in Berlin, Wronke und Breslau. In dieser Zeit war sie von der Außenwelt weitest­gehend abgeschnitten, Besuch war selten und nur unter Aufsicht erlaubt. Luxemburg hatte aber ihre Bücher und Briefe. Im Gefängnis arbeitete sie weiter und veröffent­lichte politische Schriften. Im regen Austausch stand sie mit den Sozialistinnen Sophie Liebknecht und Luise Kautsky, die Luxemburgs Briefe nach deren Tode veröffent­lichten, da die Menschen ein „Recht“ darauf hätten „den Reichtum ihres unermüdlich quellenden Herzens zu kennen.“ In den Briefen lernen wir eine nachdenkliche, manchmal lyrische, aber politisch unerschütter­liche Rosa kennen sowie ihre innige Liebe zur Natur und Tieren. „Ich habe manchmal das Gefühl, ich bin kein richtiger Mensch, sondern auch irgendein Vogel oder ein anderes Tier in Menschen­gestalt.“, schreibt sie im Mai 1917 aus Wronke an Sophie Liebknecht.

Am Anfang des Buches gibt es eine kurze Einführung und eine biographische Notiz zu Luxemburg, aber es ist hilfreich, sich mit der Person Luxemburg auseinander­zusetzen, bevor man sich den Briefen widmet, damit man diese leichter ei­nordnen kann.

Rosa Luxemburg (2017): Briefe aus dem Gefängnis. Anaconda Verlag, Köln.

Revolutionäre Zitate

Du bist eh schon Luxemburg-Fan? In deiner Lesegruppe nerven die Theorie-Macker und du willst sie mit einem thematisch passenden Zitat platt machen? Prima, dann ist das kleine Büchlein „Luxemburg to go“ deine neue ständige Begleiterin für viele Lebenslagen. Die Heraus­geberin Franziska Kleiner hat wichtige Zitate nach Luxemburgs viel­fältigen Talenten und Interessen sortiert: Revolutionäre Marxistin; Propagandistin, Lehrerin und Rednerin; Stilistin und Rhetorikerin; Lyrikerin; Übersetzerin und Sprach­künstlerin; Malerin sowie Botanikerin.

Das Buch punktet mit einer ansprechenden und modernen Aufmachung und passt in jede Rock­tasche, allerdings gibt es keine biographischen Angaben oder inhalt­liche Ein­bettungen der Zitate. Wer wenig über Luxemburg und ihr Leben oder die politischen Verhältnisse der Zeit weiß, wird beim Lesen einige Fragezeichen haben. Ansonsten ist die Zitatesammlung eine kurze, aber umfangreiche Zusammen­stellung von Luxemburgs Forderungen und Leiden­schaften. Empfehlens­wert!

Franziska Kleiner (Hrsg. 2015), LUXEMBURG to go. Verlag Neues Leben, Berlin.

Zum Weiterlesen und -hören

»Wer war … Rosa Luxemburg«? Eine Kurzbiographie.

Broschüre: »Ich werde sein« LuXemburg, Gesellschaftsanalyse und linke Praxis 3/2018, Broschüre (online verfügbar).

Podiumsdiskussion: »Lasst uns über Sozialismus reden« (12. Januar 2019) mit Katja Kipping, Co-Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Ceren Türkmen, Soziologin an der Alice Salomon Hochschule Berlin, und Daniela Dahn, Journalistin und Autorin, über die Bedeutung Luxemburgs für linke, feministische, migrantische Kontexte und darüber, wie ein Sozialismus heute denkbar wäre.

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