Sonia Sotomayor ist momentan Richterin am United States Court of Appeals und wurde im Mai von Barack Obama für den amerikanischen Supreme Court nominiert. Sie wäre insgesamt die dritte Frau – und erste Latina –, die in der Geschichte der Vereinigten Staaten für den Supreme Court nominiert und auf Lebenszeit vereidigt wird. Momentan kann man unter anderem hier live die Anhörung von Sotomayor verfolgen, bei der sie eine Vielzahl an Fragen zu ihrer oftmals angezweifelten „Objektivität“ beantworten muss (auf Feministing.com vermutet man, dass mit Objektivität wohl eher ‚weiß‘ und ‚männlich‘ gemeint ist). Folgender Satz hatte besonders weiße RepublikanerInnen zittern lassen:
„Ich hoffe, dass eine kluge Latina mit ihren reichen Erfahrungen häufiger zu besseren Urteilen gelangt als ein weißer Mann, der nicht ein solches Leben geführt hat“
Dass Sotomayor wohl lediglich darauf hinweist, dass eine Frau – und dazu noch Latina – wohl spezifische Erfahrungen macht, die ein weißer Mann aufgrund seiner priviligierten Position in einer rassistischen und sexistischen Gesellschaft nicht macht, ging unter dem entsetzten Aufschrei des sogenannten ‚reverse racism‘ völlig unter. Stattdessen wurde mit ein wenig Sexismus hier und ein wenig Rassismus da geantwortet.
Bei der Anhörung heute sagte sie zu dem oben zitierten Satz Folgendes:
Damit ruderte sie dann doch wieder etwas zurück und verdeutlichte (oder revidierte?) ihre damalige Aussage. Ob das mit einem wirklichen Missverständnis ihrer Aussage zu tun hat oder doch eher damit, dass man den (meist) Herren bei der Anhörung so diplomatisch wie möglich entegegen treten wollte, ist da eher ungewiss. Was denkt ihr?
Vorneweg: Ich finde sie gut. Aber: Ich denke eher, dass es ein diplomatisches Zurückrudern war. Allerdings (hoffentlich) gar nicht mal so sehr gegenüber den weißen Männern, die ihr da gegenübersitzen sondern der Rolle, die sie bald einnehmen wird. Klar kann und soll sie auch im Supreme Court ihre Identität nicht vergessen. Aber etwas mehr nach Überparteilichkeit Streben steht einer solchen Postition schon gut.
Das Problem ist doch einfach: Wenn wir weder weißen Männern noch Latinas zugestehen, Fragen des alle betreffenden Rechts sinnvoll auszulegen, dann können wir die Gerichtsbarkeit doch abschaffen. Soll man dann als Latina einen Befangenheitsantrag stellen dürfen, weil der Richter ein weißer Mann ist oder als weißer Mann, wenn eine Latina der Richter ist? Sicher spielt die eigene Lebensgeschichte eine Rolle bei der Interpretation, aber wenn das zu einem bedeutenderen Kriterium wird als die juristische Qualifikation und die Fähigkeit, von der eiegenen Perspektive zu abstrahieren, dann ist die Justiz so politisiert, daß ihr Sinn fraglich ist. Dann ist Justizia wirklich nicht mehr blind.
@jj: Gerade das Kriminalsystem in den USA ist keineswegs blind — „color-blind“ schon gar nicht. Ein paar gute Literaturtipps:
Angela Davis: Are Prisons Obsolete?
Mike Davis: Hell Factories in the Field: A Prison-Industrial Complex