[ Dieser Text erschien zuerst am 7. März auf queer.de. Mit freundlicher Genehmigung der Autor_innen. ]
Wir schreiben diesen Beitrag als Autor*in im bzw. Mitherausgeber*in der Buchreihe „Angewandte Sexualwissenschaft“ des Gießener Psychosozial-Verlags. Wir waren von einer kürzlich eintrudelnden „Aufforderung zur Unterlassung“ doch sehr überrascht.
Konkret: Es geht um das Buch „Mit schwulen Lesbengrüßen: Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ)“ von Lara Ledwa. Auf dem Cover ist das Venussymbol in lesbischer Variante mit einer kämpferischen Faust zu sehen, der Kreis wird gesprengt. Außerdem wird als Untertitel, einer historischen Studie angemessen, der Schriftzug „Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ)“ verwendet.
Dagegen haben drei angebliche Gründerinnen des LAZ nun über eine Rechtsanwaltskanzlei die Forderung nach einer Unterlassungserklärung verschickt. Sie behaupten, sie seien die Urheber*innen des Logos, die Cover-Gestaltung verletze ihre Urheber*innenrechte, und sie fordern die Einstellung des Buchvertriebs und „Schadenersatz“.
Inhaltlicher Streit wird juristisch ausgetragen
Forderungen nach Unterlassung – gegen queerfeministischen Aktivismus: Zuletzt hatte auch queer.de darüber geklagt, dass es von konservativer Seite mit Unterlassungsandrohungen überzogen und durch die Abwehr solcher Androhungen in der ökonomischen Existenz bedroht und die eigentliche Arbeit erheblich behindert wird.
Inhaltliche Gründe scheinen auch bei der Abmahnung des Psychosozial-Verlag vorzuliegen: Einige der ehemaligen LAZ-Aktivistinnen hatten sich zuletzt deutlich von den historischen Forschungen Lara Ledwas distanziert, weil sie nicht alle Ausführungen für gerechtfertigt hielten. Denn Ledwa war bei ihrer historischen Aufarbeitung auch auf „problematische Tendenzen im LAZ wie Rassismus, Klassismus und Transfeindlichkeit gestoßen“ (S. 14/15) und hatte in ihrem insgesamt gegenüber dem LAZ dennoch sehr wertschätzenden Buch auch kritische Selbstreflexion in Bezug auf die eigene Geschichte angeregt und eingefordert.
Eine Bewegung und ihre Symbole gehören niemandem
Mit der jetzigen Aufforderung zur Unterlassung wird eine Grundsatzfrage aufgeworfen: Wem gehört der lesbische Aktivismus? Das kämpferische Lesbensymbol ist weit verbreitet – und war es schon, bevor sich das LAZ überhaupt gründete. Aus unserer Sicht können eine Bewegung, die aus vielen Menschen besteht, und ihre Symbole niemandem gehören. Geschichte(n) basieren auf vielen Perspektiven und Stimmen, und es ist immer wichtig, darauf zu achten, welche Stimmen in der Geschichte und in den Geschichten nicht präsent sind oder kaum erzählt und gehört werden.
Um stetig lernen zu können und weiterzukommen, sehen wir es als hilfreich an, Bewegungen und deren Geschichten zu reflektieren und auf eventuelle Ausschlüsse oder diskriminierende Praxen hinzuweisen. Kritische Selbstreflexion ist für solidarische Bündnisse unabdingbar – und sollte stetig in den eigenen Reihen stattfinden und gern auch durch wissenschaftliche Arbeiten angeregt werden.
Die Lesbenbewegung war und ist vielfältig, und es ist wichtig, die Geschichte(n) und Stimmen zu betonen, die die Vielfalt dessen, was unter „Lesbe“ und „lesbischer Politik“ verstanden werden kann, herausstellen und die Heterogenität der Bewegung abbilden. Es wird problematisch, wenn einige wenige anfangen, die Deutungshoheit zu beanspruchen – und viele andere Perspektiven von Lesben – auch gewaltvoll – ausschließen wollen.
Hohn gegenüber einer vielfältigen Bewegung
Ein Begriff von „Lesbe“, der Trans*-Perspektiven ausschließen will, wäre keiner, den wir für richtig hielten. Es handelt sich dabei auch nicht um ein „Generationending“, sondern es geht um verschiedene Verständnisse von Lesben und lesbischer Politik. Dabei erscheint es uns wichtig, dass „lesbisch“ und „queer“ nicht als einander ausschließend gedacht werden, sondern eher in ihrer Offenheit und ihren Verbindungen. Gewiss lässt sich hier lustvoll streiten – aber doch wohl solidarisch und nicht auf eine Weise, eine andere streitende Position mit einer Klageandrohung „ausschalten“ zu wollen.
Lesbischer – und auch schwuler – Aktivismus sollte aus unserer Sicht stets auch versuchen antikapitalistisch, antirassistisch und feministisch zu agieren. Auch das LAZ ging in diese Richtung. Dass nun ein transfrauenfeindlicher Verein – das „LAZreloaded xx“, verbandelt mit der umstrittenen Initiative Queer Nations – die Deutungshoheit über lesbischen Aktivismus beansprucht, ist Hohn gegenüber einer vielfältigen Bewegung und schließt viele Perspektiven aus dem LAZ und im Anschluss an das LAZ aus.
Wie auch immer: Wo kommen wir hin, wenn inhaltliche Streitfragen in einer Bewegung nun juristisch ausgetragen werden sollen?
Die Autor_innen
Lara Ledwa ist Geschlechterforscherin und in Berlin lesbisch und queerfeministisch aktiv. Heinz-Jürgen Voß ist Professor für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg und seit Ende der Neunzigerjahre queerpolitisch engagiert.