Zwanzig Jahre nachdem Bikini Kill Frontfrau Kathleen Hanna sich das Wort ‚Slut‘ quer über den Bauch schrieb und das Riot Grrrl Manifest in einer Ausgabe eines Zines erschien, blicken wir zurück auf eine Bewegung, die ausgehend vom Nordwesten der USA weltweit neue Diskussionen zu Feminismus, weiblicher Selbstbestimmung und Frauen in männerdominierten Sphären wie Punk oder Rock Musik entfachte.
Ein Buch aus dem Mainzer Ventil Verlag wagt nun den ersten deutschsprachigen Rückblick auf diese popkulturelle Jugendbewegung, die erstmalig fast ausschließlich von Mädchen und jungen Frauen ins Leben gerufen wurde: „Riot Grrrl Revisited. Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung“.
Die Herausgeber_innen Katja Peglow und Jonas Engelmann haben eine Reihe an spannenden Interviews, Essays und Kurzporträts zusammengetragen und teilweise übersetzt. Ausgestattet mit wunderbaren Illustrationen mutet das Buch selbst streckenweise wie ein liebevoll-selbstgestaltetes Zine an.
Symphatisch beginnt das Buch mit einer Einleitung, in der sich die Herausgeber_innen von vermeintlicher Objektivität distanzieren, da sie sich nicht ganz von einer „Nineties-Nostalgie“ befreien können. Vielmehr wollen Peglow und Engelmann sich der Bewegung, die nach Europa meist nur in Form eines niedlich-gezähmten Mädchenkults oder als kapitalistisch verwertbare Girl Power rüberschwappte, mit den Fragen nähren:
Was ist von der Revolution übrig geblieben? Wo sind die Rebel Girls von heute? Denn: Geblieben ist einiges, verändert hat sich für Frauen im Musikgeschäft eher weniger.
Das Buch skizziert die Entstehungsgeschichte der Riot Grrrl Bewegung und beleuchtet diese in ihren verschiedenen Facetten kritisch: Wer waren die Akteur_innen und wo lebten sie, was waren ihre Ziele und Botschaften, welcher Ästhetik bedienten sie sich? Das Themenspektrum ist vielfältig und beleuchtet Musik, die Lyrics und die Filme der Riot Grrrls, befasst sich mit Körperpolitik, lesbischer Kultur und race/Rassismus innerhalb der Bewegung bis hin zu aktuellen feministischen Aktivitäten wie Ladyfeste oder das Girls Rock Camp. Am Ende haben die Herausgeber_innen noch ein „Who is Who“ und ein Riot-Grrrl-ABC zusammengetragen, in denen mensch stöbern kann und erfährt, was ‚Backlash‘, ‚Queercore‘ oder ‚Zines‘ sind.
Einen fetten Minuspunkt gibt es für die in den Übersetzungen verwendete Sprache: Wiederholt finden sich dort diskriminierende Wörter – selbst im Kapitel „Race & Riot“, das sich kritisch mit den Rassismen innerhalb der Community auseinandersetzt. Es ist schade, dass in einem Buch über Feminismus und Selbstermächtigung so wenig Wert auf diskriminierungsfreie Sprache und Selbstbezeichnungen gelegt wird.
Obwohl die sprachlichen Fehlleistungen das Lesevergnügen einschränken, ist das Buch empfehlenswert. Es bietet einen leicht verständlichen und bilderreichen Einstieg in die feministische popkulturelle Bewegung, die Musiker_innen und Aktivist_innen bis heute prägt und hält auch für all diejenigen unzählige Anekdoten und Insider-Berichte parat, die sich schon jahrelang mit den Grrrls beschäftigen.
So gilt damals wie heute: Revolution Girl Style Now!
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Habe ich mir nach der Lesung auf dem Melt auch direkt gekauft. Kam leider noch nicht dazu. Aber die/der Lesung/Vortrag gefiel mir sehr.