Zum Weltflüchtlingstag veröffentlichte die Initiative Queers For Evacuation einen offenen Brief an die queerpolitischen Sprecher*innen der Fraktionen im Bundestag. Die Mädchenmannschaft unterstützt die Forderungen, die griechischen Lager sofort zu evakuieren, die Geflüchteten dezentral zu unterbringen, einen uneingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem, das Grundrecht auf Asyl sowie sichere Fluchtwege zu gewährleisten und nicht zuletzt ein menschenwürdiges Leben für alle!
Offener Brief
Sehr geehrte Doris Achelwilm, Jens Brandenburg, Karl-Heinz Brunner, Sven Lehmann, Ulle Schauws, Alexander Vogt,
als queere Institutionen, Künstler*innen und Engagierte schreiben wir Ihnen als den queerpolitischen Sprecher*innen und Interessenvertretungen der demokratischen Parteien. Gerade weil viele von uns als lesbische, bisexuelle, schwule, trans*, inter* und queere Menschen Erfahrungen von Gewalt und Diskriminierung machen mussten und weil wir wissen, wie schwer es ist die eigenen Rechte erkämpfen zu müssen, stehen wir an dieser Stelle für Solidarität ein. Solidarität ist für uns universal. Sie hört weder an den deutschen noch an den europäischen Grenzen auf. Sie endet nicht bei der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung. Wir wollen mit diesem offenen Brief aber konkret unsere Solidarität mit geflüchteten Menschen und Menschen auf der Flucht ausdrücken und fordern sichere Fluchtwege und eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Aus diesem Grund schließen wir uns als #queers4evacuation zusammen.
An den europäischen Außengrenzen ereignet sich derzeit eine humanitäre Katastrophe. Die Situation in den Geflüchtetenlagern war schon menschenunwürdig bevor mit dem Covid-19-Virus eine globale Pandemie ausbrach. Jetzt droht die Situation endgültig zu eskalieren. Exemplarisch steht das Lager Moria auf Lesbos. Mit Unterbringungsmöglichkeiten für lediglich 2840 Menschen übersteigt die derzeitige Belegung des Lagers mit mehr als 20.000 Menschen die Kapazitäten um ein Vielfaches. Abstandhalten ist in dieser Situation nicht möglich. Es gibt zu wenige Masken, zu wenig Wasser, zu wenig Seife und Desinfektionsmittel und die Gesundheitsversorgung ist desolat. Die Ignoranz der europäischen Staaten ist beschämend, nicht zuletzt deshalb, weil die Politik der EU und insbesondere Deutschlands – v.a. durch den EU-Türkei-Deal – die Zustände auf den griechischen Inseln wesentlich mit zu verantworten hat. Seit Jahren wird den Menschen faktisch verwehrt, auf europäisches Festland zu gelangen und ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen. Praktisch wäre es möglich, die Menschen unverzüglich in Sicherheit zu bringen: Zahlreiche Kommunen in Deutschland und europaweit haben ihre Bereitschaft zur Aufnahme der Geflüchteten signalisiert. Es liegt also nicht an einem Mangel an Möglichkeiten, sondern einem mangelnden Willen. Die Erhaltung der Menschenrechte ist aber keine Frage der Laune, sondern eine Pflicht. Die Evakuierung von 47 Jugendlichen kann nicht mehr als ein Anfang sein.
Aber auch in den Sammelunterkünften in Deutschland ist die Situation desolat. Auf engstem Raum ist es kaum möglich, einfache Abstands‐ und Hygienemaßnahmen zum Schutz vor einer Corona-Infektion einzuhalten. Es gibt keinen regulären Zugang zum Gesundheitssystem. Mehrere Lager wurden bereits komplett unter Quarantäne gestellt. Die dort lebenden Menschen sind schlecht informiert und werden unter widrigen Bedingungen eingesperrt. All dies führt zu berechtigter Angst. Es gibt bereits mehrere Unterkünfte, in denen sich mehr als die Hälfte aller Bewohner*innen mit dem Virus angesteckt hat. Im Ankerzentrum in Geldersheim kosteten diese Zustände schon ein Menschenleben. Mehrere Gerichtsurteile haben bereits das Offensichtliche bestätigt: Die Coronaschutzverordnung kann in den Geflüchtetenlagern nicht umgesetzt werden und den Kläger*innen kann nicht zugemutet werden, dort länger leben zu müssen. Dass es dafür erst einen Gerichtsbeschluss braucht, ist ein Skandal.
Die menschenunwürdige Situation, in der geflüchtete Menschen an Europas Grenzen und in deutschen Sammelunterkünften leben, trifft gerade queere Menschen besonders hart. Häufig waren sie schon vorher sozial isoliert und Übergriffen ausgesetzt, durch Corona verschärft sich diese Situation noch. Genauso solidarisch erklären wir uns mit nicht-queeren geflüchteten/flüchtenden oder migrierenden Menschen. Wir sind überzeugt davon, dass queere Politik verschwestert sein muss mit anderen Kämpfen für Selbstbestimmung. Queere Politik muss intersektional und antirassistisch sein.
Wir dürfen in dieser globalen Krise niemanden zurücklassen #leavenoonebehind
Es ist höchste Zeit zu handeln, bevor es zu spät ist!
- Wir fordern die sofortige Evakuierung der griechischen Lager!
- Wir fordern die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Deutschland!
- Wir fordern den uneingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem für alle Menschen!
- Wir fordern die Gewährleistung des Grundrechts auf Asyl sowie sichere Fluchtwege!
- Wir fordern ein menschenwürdiges Leben für alle!
Die Liste der Erstunterzeichner*innen findest du auf queers4evacuation.net. Der Brief kann unter queers4evacuation@gmail.com mitgezeichnet werden.