Produktion und Reproduktion

Über die aus westdeutscher Sicht vermeintlich vorbildlich gleichberechtigten DDR-Frauen gab es diese Woche in der Zeit einen interessanten Artikel zu lesen. Darin heißt es unter anderem:

„Die starke, emanzipierte Genossin? Fehlanzeige. Die Familienpolitik der DDR war auf ein traditionelles Bild der Frau ausgerichtet. Das einzig Neue daran: Frauen mussten nun das Doppelte leisten. Produktion und Reproduktion, so nennt Babett Bauer diese Aufgaben. Die Historikerin hat im Familiengesetzbuch der DDR nachgelesen, dass die Aufgaben der Frau sogar gesetzlich geregelt waren: „Die Frau sollte ihre berufliche und gesellschaftliche Tätigkeit, die immer in Zusammenhang mit dem Aufbau der sozialistischen Gesellschaft stehen musste, mit der Mutterschaft vereinbaren können. Von Vaterschaft ist hingegen nie die Rede.““

Oder, etwas kürzer zusammen gefasst:

„Was heißt schon Emanzipation. Natürlich sind wir alle arbeiten gegangen. Aber die Kinder in die Krippe gebracht, abgeholt, der Haushalt, das blieb an uns hängen.“

In der DDR fand so politisches Engagement teilweise quasi unter umgekehrten Vorzeichen statt: Gerade die Frauen, die sich dafür entschieden, zu Hause zu bleiben – „auch und gerade, um ihre Kinder von den Institutionen der ideologischen, staatlichen Erziehung fernzuhalten“ – setzten damit mehr oder weniger direkt ein politisches und gesellschaftliches Statement und „kamen so auch mit der westdeutschen Frauenbewegung in Kontakt“.

Heutzutage profitieren jedoch Frauen wie Männer von der in der DDR sowohl verordneten als auch halbherzigen Emanzipation. So ist zum Beispiel für die Kinderbetreuung eine andere, bessere Infrastruktur vorhanden als im Westen, Hort- bzw. Kitaplätze sind keine Mangelware. Auch das Selbstverständnis sei bei beiden Geschlechtern ein anderes:

„Daniel Erler ist Mitautor der Studie, die sich mit der Lebenssituation und den Perspektiven junger Frauen in den neuen Bundesländern auseinandersetzt, und erklärt: „Das Selbstverständnis der jungen Frauen im Osten ist sehr viel stärker am Arbeitsmarkt orientiert. Beruf und Familie schließen sich nicht aus, sondern gehören zusammen.“

Außerdem seien Ost-Männer „offener gegenüber arbeitenden Frauen“.

Und weiter heißt es:

„Darüber hinaus zieht das Argument, dass Männer im Westen gerne anführen, ihr höheres Gehalt nämlich, im Osten einfach nicht. Die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern sind im Osten sehr gering, zeigt die Studie „Frauen machen neue Länder“. Und wenn es selbstverständlich ist, dass beide Partner arbeiten, ist es auch selbstverständlich, dass beide Partner den Haushalt erledigen.“

Daniel Erler gibt sich allerdings optimistisch:

„In diesem Fall bewegt sich der Westen auf den Osten zu. Denn das Selbstverständnis der jungen Frauen im Westen ändert sich in diesem Punkt natürlich auch.“

Sein Wort in wessen Ohr auch immer.

Ein Kommentar zu „Produktion und Reproduktion

  1. Das ist eine ganz interessante Studie, die übrigens hier zu finden ist:

    http://www.frauenmachenneuelaender.de/

    Unten links ist sie als PDF abrufbar.

    Bemerkenswert ist allerdings auch der Umstand, dass man in dieser Studie- das Gefälle in der Einstellung gegenüber dem traditionellen Rollenmodell zwischen ost- und westdeutschen Frauen ist übrigens markant!- nicht auf ganz alltägliche Gründe eingeht, weshalb diese Unterschiede so krass ausfallen: Die Neuen Bundesländer weisen eine erheblich höhere Arbeitslosenquote aus, als die Alten. Zudem müsste das Lohngefälle zwischen Ost und West ebenfalls in die Argumentation miteinbezogen werden, finde ich. Stattdessen Modernismus- und nicht (weiblich-ökonomischer) Pragmatismus. Anyway- dem Schlusswort von Daniel Ehrler schliesse ich mich vorbhaltslos an:

    „In diesem Fall bewegt sich der Westen auf den Osten zu. Denn das Selbstverständnis der jungen Frauen im Westen ändert sich in diesem Punkt natürlich auch.“

    Oder besser: Er wird es wohl müssen- sonst kommt es auf lange Sicht gar nicht gut raus!

    Vielen Dank für den Artikel- die Studie ist bereits auf der Festplatte ;-)

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