Nach der Verstümmelung auch noch allein gelassen

Beschnittene Frauen haben in Deutschland ein großes Problem: Weibliche Genitalverstümmelung und daraus resultierende Folgen sind nicht im medizinischen Diagnoseschlüssel aufgenommen und tauchen auch im Abrechnungsverzeichnis der Krankenkassen nicht auf. Werden die Betroffenen krank, brauchen die Krankenkassen die Kosten für Behandlungen und Operationen nicht zu übernehmen. Auch ist bisher nicht klar, wieviele Frauen nun genau beschnitten sind, da ihre Zahl nicht erfasst wird – Terre des Femmes geht derzeit von rund 20.000 Frauen aus.

In diesem Jahr gibt es daher eine Unterschriftenaktion für die Aufnahme in den Diagnoseschlüssel, sowie die Einordnung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Unterstützen kann man die Aktion online, die Unterschriftenliste (PDF) steht aber auch zum Ausdruck bereit.

14 Kommentare zu „Nach der Verstümmelung auch noch allein gelassen

  1. Zum Thema Genitalverstümmelung kam am 09.05. eine Reportage über einen ehemaligen Extremsportler, der sich engagiert und Teilerfolge erzielt hat :

    http://www.focus.de/focustv/presse/programmankuendigung-ohne-limit-die-vielen-leben-des-ruediger-nehberg-am-9-mai-2010-um-0-30-uhr-bei-rtl_aid_494378.html

    „Mit 75 Jahren überzeugt er muslimische Geistliche, die weibliche Genitalverstümmelung zu verbieten.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Nehberg

    http://de.wikipedia.org/wiki/TARGET_(Menschenrechtsorganisation)

    „Target rief auch die Initiative Pro-Islamische Allianz gegen Weibliche Genitalverstümmelung (PIA) ins Leben, die in der „islamischen Welt“ gegen die Genitalverstümmelung der Frauen kämpft. Sie ist ein Zusammenschluss namhafter muslimischer Autoritäten, die mit ihrer Unterschrift Targets Unvereinbarkeitsthese entschlossen mittragen:

    „Weibliche Genitalverstümmelung ist mit dem Koran und der Ethik des Islam unvereinbar. Sie ist Gottesanmaßung und eine Diskriminierung des Islam.“
    Zusammen mit einflussreichen Rechtsgelehrten des Islam möchte Target es als Dogma durchsetzen. Diese Botschaft und die des mauretanischen Großmufti Hamden Ould Tah, „Der Islam sagt Nein zur weiblichen Genitalverstümmelung. Sie ist Sünde.“, verbreitete Rüdiger Nehberg während seiner Aktion „Karawane der Hoffnung“ in Mauretanien, um so auch die entlegensten Oasen zu erreichen. Unterstützt wurde diese Aktion durch die Schirmherrschaft von Ole von Beust,…“

    Seine Organisation :

    http://www.target-human-rights.de/

    und der erreichte Vorstoß :

    http://de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung_weiblicher_Genitalien

    s.u.: „Auf Initiative des Menschenrechtsaktivisten Rüdiger Nehberg fand am 22. und 23. November 2006 eine internationale Konferenz von Islam-Gelehrten in der al-Azhar-Universität Kairo unter Führung des ägyptischen Großmufti Ali Gum’a statt. Die Gelehrten beschlossen in einer Fatwa, dass die Beschneidung weiblicher Genitalien nicht mit der Lehre des Islams zu vereinbaren sei.[74][75]

    „Die Genitalbeschneidung bei Frauen ist eine ererbte Unsitte… ohne Grundlage im Koran respektive einer authentischen Überlieferung des Propheten… Daher müssen die Praktiken unterbunden werden in Anlehnung an einen der höchsten Werte des Islam, nämlich den Menschen unbegründet keinen Schaden zufügen zu dürfen.“

    – Dr. Sheikh Ali Gum’a

    Bereits im Jahre 2005 hatten islamische Gelehrte in Somalia – wo die Infibulation nahezu flächendeckend praktiziert wird – eine Fatwa veröffentlicht, die sich gegen die Beschneidung an Mädchen richtet.“

    Wäre es sinnvoll, Vernetzungen mit terres des femmes u.a. voranzutreiben – falls nicht schon geschehen?

  2. Hallo, eine Freundin, die viel mit beschnitten Frauen gearbeitet hat, hat mich damals darauf hingewiesen, dass die meisten nicht als „verstümmelt“ bezeichnet werden wollen. Das Wort trifft zwar m.e. die Handlung und trägt zu deren Ächtung bei, aber als ich darauf hingewiesen wurde, das es die Frauen noch mehr belastet als „verstümmelt“ zu gelten, hab ich das Wort Genitalverstümmelung“ nicht mehr benutzt. Nicht die beschnittenen Frauen sollten den Makel tragen, sondern diejenigen, die Beschneidung verlangen und durchführen. Seht ihr das auch so?

  3. Das Ende der Genitalverstümmelung im Islam – zu schön um wahr zu sein!

    Leider hat sich bis heute wenig geändert und die Chance dass sich da etwas grundsätzlich ändert ist eher gering.

    In einer sunnitischen Rechtsschule (Schafiiten) ist die Genitalverstümmelung Pflicht, in zwei weiteren empfohlen. Das kann man nicht einfach so ändern.

    Nehberg überschätzt sich völlig und macht sich Illusione . Damit führt er letztlich die Weltöffentlichkeit an der Nase herum.

  4. ich halte eine beschönigende sprachregelung in jedem falle für falsch.
    erst wenn man einen misstand benennt, kann man dagegen vorgehen. und natürlich ist das für diese frau kein makel, sondern für die täter. das sollte man diesen frauen vermitteln.

  5. @Thomas_Düsseldorf: Ich bin über deinen Einwand etwas gespalten. Auf der einen Seite finde ich es sehr wichtig, dass betroffenen Frauen ein Recht auf Selbstbezeichnung haben und dies auch geachtet werden sollte. Allerdings haben für die Bezeichnung „verstümmelt“ viele andere Frauen etxra gekämpft, um von dem euphemistischen Begriff „weibliche Beschneidung“ wegzukommen und das wahre Grauen, welches den Mädchen und Frauen zugeführt wird, kraftvoll zu benennen und besser bekämpfen zu können (wie ja hier auch blockhouse schrieb).
    Welche Bezeichnung haben denn die Frauen stattdessen gewählt, weißt du das?

  6. @ „Beschneidung“ vs. „Verstümmelung“
    Ich bin da auch zwiegespalten.
    Terres des Femmes behält sich in diesem Papier:
    http://www.frauenrechte.de/tdf/pdf/fgm/PositionTerminologie.pdf
    vor beide Begriffe je nach Ausgangslage zu benutzen. Letzten Endes, denke ich, sollen aber die Betroffenen die Bedeutungshoheit haben und wenn es da unter den Betroffenen verschiedene Ansichten gibt, sollte man das respektieren und beide Begriffe verwenden.
    Ich schließ mich auch Halfjill’s Frage an: Hast du vielleicht noch mehr Infos, Thomas_Düsseldorf ?

  7. Hi, natürlich ist eine beschönigende Sprachregelung falsch. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir eine haben sollten, welche die Opfer verletzt oder diskreditiert. Haben denn betroffene Frauen für die Bezeichnung „verstümmelt“ gekämpft oder andere Frauen? Oft [ist ne verallgemeinerung, ja] ist das ja so, dass dann andere sich stark machen für Opfer. Leider aber auch schon mal ohne die Opfer zu fragen was die denn wollen. Wie sie Frauen mit denen meine Freundin gearbeitet hat sich selbst bezeichnet haben weiß ich nicht.

  8. @blockhouse: „und natürlich ist das für diese frau kein makel, sondern für die täter.“

    In diesem Fall fast ausschließlich „Täterinnen“ (kleines „I“), das geht leider meißtens unter.

  9. @Marti: Es ist keine religiöse sondern kulturelle Praxis. Weitere Pauschalaussagen werden nach der Netiquette gelöscht.

    @alle: Die Frage der Bezeichnung ist in diesem Falle eine wirklich schwierige Sache. Einerseits sollen Betroffene nicht zum handlungsunfähigen Opfer degradiert werden, andererseits klingt Beschneidung dann doch sehr harmlos. Ich habe mich hier dafür entschieden, die Bennung nach Tat und Subjekt zu trennen, auch weil nicht alle betroffenen Frauen gesundheitliche Probleme bekommen. Desweiteren finde ich es nicht hilfreich, irgendjemandem der Beteiligten einen Makel zu verpassen – auch die Beschneider_innen machen das nicht, um Menschen zu töten, sondern aus einem Mix an Tradition, fehlendem Problembewußtsein und internalisiertem Sexismus/Patriarchat.

  10. @Helga : Ich habe diese Entartungen bisher ebenfalls in dieser Art recherchieren können.

    http://maedchenmannschaft.net/16-jaehrige-spricht-mit-jungs-wird-dafur-lebendig-begraben/#comment-24985

    Insbesondere in Provinzen, die weitab von den Zentralregierungen ein ziemliches Eigenleben führen. „Wir“ Europäer sind dabei nicht unbedingt besser, nur weiter, denke ich.

    Die Vorgehensweise, in den Provinzen die Menschen in ihren religiösen Gefühlen anzusprechen und „aufzuklären“, dass der wahre Islam solche Rituale nicht duldet, halte ich für taktisch richtig, einen Wertewandel herbeizuführen. Ich kann nur hoffen, dass von diesem Effekt global die gesamten betroffenen Regionen erfasst werden.

    Eine Vernetzung mit allen möglichen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen ist daher m.E. sinnvoll, hoffentlich auch über diese Schiene einer globalen Dachorganisation der UNO.

    http://maedchenmannschaft.net/frauen-frieden-und-sicherheit-nun-auch-eu-sache/#comment-28268

    „Weiterhin hat 09/2009 eine internationale Koalition von 300 Frauen und Menschenrechtsorganisationen erwirkt, dass 2010 eine UN-Frauenorganisation mit einem Etat von einer Milliarde Dollar gegründet wird. Vier bisherige Frauenabteilungen werden zusammengelegt : UNIFEM,…“

  11. @Helga
    an die Problematik wie die Beschneider_innen/Verstümmler_innen zu benennen sind, hatte ich noch gar nicht gedacht. Danke für die Anmerkung!

  12. @ Helga sagt: (21. Juni 2010 um 11:46)

    „@Marti: Es ist keine religiöse sondern kulturelle Praxis. Weitere Pauschalaussagen werden nach der Netiquette gelöscht.“

    Einfach mal in einen Quellentext der entsprechenden Rechtschulen nachschlagen!

    Auch mit Löschen und Netiquette schafft man nachprüfbare Fakten (zugegeben, man muss arabisch lesen können) nicht aus der Welt.

    Ansonsten viele Spaß bei Deinem Kampf gegen die Wirklichkeit!

    Gruß

    Marti

  13. @Marti: Es gibt jede Menge unbeschnittene Musliminnen und auch beschnittene Christinnen, Jüdinnen sowie Anhängerinnen anderer Religionen. Die Passagen, die du ansprichst, sind äußerst umstritten. Weiterhin gibt es auch die Vorgabe, der Mensch solle sich nicht anmaßen, Gottes Schöpfung (und damit sich selbst) verbessern zu wollen, andererseits sollen auch lokale Gepflogenheiten beachtet werden.

  14. Aktuelle Entwicklung :

    http://www.evangelisch.de/themen/gesellschaft/genitalverst%C3%BCmmelung-in-vielen-d%C3%B6rfern-afrikas-abgeschafft33311

    „In Afrika ist nach UN-Angaben in rund 6.000 Dörfern in den vergangenen drei Jahren die Genitalverstümmelung bei Frauen abgeschafft worden. Zehntausende Mädchen und Frauen blieben somit von der grausamen Praxis verschont, erklärte der Bevölkerungsfonds UNFPA anlässlich des Internationalen Tages gegen Genitalverstümmelung am Sonntag in Genf. “

    „Die Dörfer liegen in Ägypten, Äthiopien, Kenia, Senegal, Burkina Faso, Gambia, Guinea und Somalia. Laut UNFPA könnte die Genitalverstümmelung in den kommenden 20 Jahren ganz abgeschafft werden.“

    http://www.politikexpress.de/internationaler-tag-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung-6-2-2011-nehbergs-laden-ein-in-die-wuesten-afrikas-sonderausstellung-im-voelkerkundemuseum-hamburg-339381.html

    „Internationaler Tag gegen Weibliche Genitalverstümmelung (6.2.2011) / Nehbergs laden ein in die Wüsten Afrikas: Sonderausstellung im Völkerkundemuseum Hamburg.“

    http://www.unicef.de/presse/pm/2009/090205-internationaler-tag-gegen-maedchenbeschneidung/

    „Beschneidungen werden von Christen, Moslems und Angehörigen anderer Religionen praktiziert, obwohl keine der Weltreligionen sie vorschreibt. Allerdings wenden sich immer wieder religiöse Führer – vor allem auf der lokalen Ebene – gegen Aufklärungskampagnen zur Abschaffung der Mädchenbeschneidung. „

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