Mitmachen bei Pornografie-Umfrage

Ob es Verbindungen zwischen Pornografiekonsum und sexuellen Wünschen und Phantasien und sogar Verhaltensweisen gibt, ist eine wiederkehrende Frage. In einer internationalen Online-Befragung zweier Wissenschaftlerinnen sollen nun neue Erkenntnisse gewonnen werden.  Nicola Steffen betreut das Forschungsprojekt mit. Sie ist freiberufliche Künstlerin und promovierte Kunstpädagogin. Ihre Kunst befasst sich – genauso wie ihr Forschungsinteresse – mit Repräsentationen von Gender in den Medien. Für sie außerdem interessant sind Pornografie und Kultur, ins­be­sondere alles was „dazwischen“ liegt, also deren Schnittstelle. Ihre Doktor­arbeit schrieb Steffen über das Phänomen des „Porn Chic“ auf Clubflyern und aktuell untersucht sie zusammen mit der us-amerikanischen Medien­wissen­schaft­lerin Dr. Chyng Sun die Auswirkungen des Pornografiekonsums im Internet. Dazu schreibt sie:

Im Laufe des letzten Jahrzehntes, ist Pornografie in den kulturellen Mainstream eingedrungen. Dies ist, zumindest teilweise, bedingt durch die Entwicklungen neuer Technologien und den  Möglichkeiten, die damit einhergehen („web 2.0“). Als Folge ist Pornografie so zugänglich wie nie zuvor, und, da die Entwicklungen schneller vonstattengehen als Gesetze und Bestimmungen geschaffen werden können, trifft dies auch auf Kinder und Jugendliche zu. Es gibt wenig Indizien, oder gar Studien, dass sexuelle Inhalte an sich einen negativen Effekt auf Kinder und Jugendliche haben. Was meines Erachtens jedoch bedenklich ist, ist die zunehmende Verlagerung der Inhalten populärer Pornografie in Richtung extreme Pornografie (Doppelpenetrationen, Ejakulation in Gesicht und Mund, Ass-to-Mouth) – schon lange verfügbar für diejenigen welche sie aktiv aufsuchen, ist extreme Pornografie nun für jeden unmittelbar erreichbar, der Zugang zum Internet hat. Es gibt Grund zu glauben, dass diese neuen extremen Inhalte die sexuellen Skripte mancher Männer beeinflussen, sowie ihre Erwartungen Frauen gegenüber (und sich selbst), außerdem werden negative Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein von Männern (und noch mehr auf das von Frauen) angenommen. Erstaunlicherweise haben die gegenwärtigen Inhalte populärer Pornografie im Internet, trotz ihrer Relevanz, so gut wie keine Aufmerksamkeit in der Forschung bekommen.

Chyng Sun lehrt an der New York University und hat schon zahlreiche Bücher und Artikel zum Thema Pornografiekonsum und Pornoindustrie veröffentlicht. Die aktuelle Online-Befragung wird in einem Dutzend Länder weltweit durchgeführt und für Deutschland von Nicola Steffen koordiniert. Der Fragebogen (Achtung! Triggerwarnung) ist bis auf einige Filmtitel am Schluss auf deutsch, in knapp zehn Minuten auszufüllen und auch für Menschen geeignet, die keinerlei Erfahrung mit Pornografie haben. Leider richtet sich die Umfrage nur an heterosexuelle Männer und Frauen. Für Fragen oder Anmerkungen stehen sowohl Nicola Steffen (nybom[at]gmx.de) als auch Chyng Sun (Cfs1[at]nyu.edu) zur Verfügung. Und ein dickes Danke gibt es von Steffen schon mal vorab:

Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr an der Studie teilnehmen würdet. Die Befragung wurde von New York University, University Committee on Activities Involving Human Subjects (HS#10-0187) genehmigt und die Anonymität der Teilnehmer wird garantiert.

Also unbedingt mitmachen!

30 Kommentare zu „Mitmachen bei Pornografie-Umfrage

  1. Du hättest wenigstens dazu schreiben können, dass die Umfrage nur für Heteros ist! Dann erspart sich jede_r Nicht-Hete die Mühe, da hin zu surfen.

  2. Das ist auch ein Indikator für die mangelnde Seriosität der Studie. So klar mir die die Differenz zwischen schwuler und für heterosexuelle Männer produzierter Pornographie ist (weil eben in einem anderen Machtgefüge verortet, zumeist), so klar dürfte auch sein, dass die oben skizzierte Argumentation ungefähr jener entspricht, die von evangelikal inspirierter Seite dazu genutzt wird, Schwule in die Unsichtbarkeit zu verdrängen. Weil da manchen schon ein Kuss zwischen Männern als „extrem“ erscheint, eben von der Norm abweichend. Führt ja auch alle Nase lang zu Löschungen auf Facebook. Weil da auch, was „pornographisch“ meint, gar nicht Thema ist, sondern sofort auf Praktiken rekuriert wird, zumindest in dem Zitat.

  3. @momorulez

    Schwule sollen hier nicht in die Unsichtbarkeit verdrängt werden, aber um die Seriösität der Studie zu sichern, muss der Untersuchungsbereich eingegrenzt werden! Der Untersuchungsgegenstand ist der sexuellen Gewalt Männer gegenüber Frauen nachzugehen (was schon komplex genug ist), das hat nichts mit Diskriminierung zu tun. Kannst mir auch gerne eine E-mail schreiben, wenn du magst.

  4. Ich frage mich wieso es bei diesem Bogen relevant ist, welche sexuelle Präferenz ich habe. Bereits diese Frage ist für mich schon diskriminierend. Ich denke es geht um das Thema Pornografie und ich um die sexuelle Orientierung. Da kann doch jeder Mensch Fragen zu beantworten, oder irre ich mich?!

  5. Ach, Ejakulation in den Mund ist schon extrem? Interessant. Ich hätte das ja vorsichtiger wenigstens „häufiger gezeigt als früher (exakte Jahreszahl)“ genannt, und überhaupt erst eine quantitative Aufschlüsselung gemacht. Oder mal ein wenig das Marketing von Porno aufgeschlüsselt, es ist nämlich ziemlich interessant zu sehen, wie bestimmte Merkmale („blond“, „skinny“, „hairy“) oder Aktionen kommen und gehen, wie Verknappung und Überfluß sich abwechseln, und wie des einen Mainstream übermorgen des anderen special interest wird. (Disclosure: ich bin seit mehr als 30 Jahren Pornokonsument, und dennoch habe ich meinen ganz eigenen persönlichen Sexgeschmack.)

    Aber gut, let’s play along und ich tu dann mal so, als sei „extrem“ eine objektive Kategorie.

    (Es beginnt schonmal damit, daß der „Consent“-Button her unbeschriftet ist. Unwichtig. Paar mehr Schreib/Übersetzungsfehler.)

    Aha. Die Parität ist nicht konsequent, zB wird nicht gefragt ob ich mich anal penetrieren lasse – es wird nur aktiv gefragt. – Ach, das ist nur der Anfang, es fehlt ja so viel bzw könnte unvoreingenommener formuliert und strukturiert sein. Und welcher Bernd hat denn das Verb „tiefgekehlt“ reingeschmuggelt?

    Das wird eine lange Anmerkungsliste zum Schluß. Also, ich hab schon besser gemachte Umfragen gesehen.

  6. Mal abgesehen von den massiven methodologischen Problemen bei offenen Online-Befragungen ist es meiner Einschätzung nach keine gute Idee, sich durch Werbung in Gender-Blogs einen erheblichen Bias einzufangen. Wir paar mm.net-lesenden Hetero-Freaks sind mal sicher nicht repräsentativ für die heterosexuellen Pornokonsumenten…

  7. @maria:

    Ich wollte lediglich nicht Felder okkupieren, die in diesem Fall, glaube ich, ziemlich anders als schwule Lebenswelten sich situieren, dass sollte kein Nicht-Erwähnen sein, ich dachte nur, ich bleib mal bei meiner Perspektive ;) …

  8. Ich hab die Umfrage auch abgebrochen. Die war ja vorne und hinten nur kaputt. Hätte mal erst die Kommentare hier lesen sollen und mir 10 Minuten Lebenszeit sparen können. *Kopfschüttel*

  9. @Simon: Genau das hab ich mir beim Ausfüllen auch gedacht. Zumal die Fragen auch teilweise so komisch formuliert sind, dass jemand, der sich schonmal mit der PorNo/PorYes Debatte und sexpositivem Feminismus beschäftigt hat, sie gar nicht so beantworten kann und will. Zumal „Pornographie“ auch überhaupt nicht definiert wird, und die Beispiele am Ende ein ziemlich eingeschränktes Bild davon entwerfen.

  10. @Nicola

    Gibt es die Möglichkeit, „heterosexuell orientiert“ etwas klarer zu definieren? Mich interessiert z.B., wer damit gemeint ist: Sind es Menschen, die ausschließlich, manchmal oder den größten Teil ihres Lebens etc. in heterosexuellen Beziehungen leben?

  11. aha, das beginnt dann mit „Sehr geehrter Teilnehmer“ – sind dann doch nur sog. heterosexuelle männer gemeint ?!

    im jahre 2011 erwarte ich doch tatsächlich von forscha, dass in/auf deutsch sog. basics einer sprachlichen inklusion gemacht werden/wird, wenn mit solch einer umfrage heten/mann und frau erreicht werden wollen
    (und nicht nur so-einfach-mal aus dem englischen übersetzt wird. so wirkte es auf mich).
    kann ich als u.a. selbstdefinierte queere sowieso/auch nicht mitmachen.

    wird wenigstens/nachgefragt, inwieweit solche porn-praktiken rein garnichts mit thema safer-sex zu tun haben – und welche negativen auswirkungen das dann für die umsetzung IRL bedeutet ?
    (von wg. „make love not porn“ ./. „sex is fun but only if taken safely/seriously“)

  12. Ach, man hätte so vieles Gutes daraus machen können. So ein paar Stunden später ist mir dann noch mehr Störendes aufgefallen. ZB ist die Liste der erwähnten Sexualpraktiken ja weder vollständig noch für irgendetwas repräsentativ, sondern scheint nur mal eben aus momentan benutzten Pornowerbesprüchen kompiliert zu sein. Wenn aber eine der Fragestellungen ist, inwieweit Porno Praktiken bewirbt oder gar definiert, hätte ich doch als Grundlage mal einige durchaus bekannte Werke benutzt, um eine bessere Liste zu erstellen. Angefangen mit den Fragebögen von Kinsey, Masters&Johnson, Hite, über Populäres wie The Joy of Sex (ja, das war mal ein Bestseller), ideologisches wie „das kleine rote schülerbuch“, bis hin zu not-so-mainstream wie zB „Das SM-Handbuch“, und bitte auch schwule und lesbische Pendants. Und eine solche Liste hätte ich dann den Porno-Begriffen gegenübergestellt. (Falls sich jetzt jemand genau diese Arbeit machen will: bitte melden!)

  13. Ich denke, an der Studie bzw. dem Fragenkatalog gibt es wirklich vieles zu bemängeln. Warum sollen keine bisexuellen oder überwiegend homosexuellen Männer daran teilnehmen? Wäre doch evtl. interessant, um Unterschiede oder ggf. Gemeinsamkeiten festzustellen oder z.B. ein unterschiedliches Verhältnis zu Gewalt.

    Die Differenzierung zwischen einvernehmlicher Gewalt (z.B. S/M) und Gewaltdarstellung fehlte mir, es hätte nach bestimmen sexuellen Verhaltensweisen gefragt werden können (z.B. das Übergehen des Partners bzw. der Partnerin in bestimmten Situationen und die Fähigkeit, Wünsche zu artikulieren).

    Und gerade, wenn männliche Gewalt bzw. die Beeinflussung durch Pornographie ermittelt werden soll, wäre erstens interessant gewesen, heterosexuelle, bisexuelle oder lesbische Frauen in die Studie zu integrieren, zweitens, nach Gewalterfahrungen zu fragen (z.B. seitens der Eltern), drittens, zugleich auch Einstellungen zu Gewalt zu erfragen.

    Mir ist dieser Fragenkatalog zu eindimensional, viele relevante sexuelle Praktiken sind nicht erfasst, und der Fragenkatalog „riecht“ viel zu einseitig in Richtung einer zugrunde liegenden Generalthese. Besser wäre – imho – wenn die Studie etwas universaler gehalten worden wäre und nicht im Wesentlichen auf nur ein einziges Deutungsmuster designt worden wäre. Pardon, aber dieses Vorgehen lässt sogar auf mangelnde (!) wissenschaftliche Neugier schließen, oder konkreter formuliert, darauf, dass diese Studie vor allem zu Thesenbestätigung dient – aber eben nicht der Erforschung von (ggf. vorher unbekannten) Zusammenhängen.

    Nunja. Ich bin ja kein(e) Wissenschaftler/in. Was weiß ich schon. Aber ein ungutes Gefühl bleibt.

  14. Das war es also, das erste Mal, dass ich irgendwo nicht mitmachen durfte, weil ich nicht hetero bin.
    Den Hinweis im Artikel hatte ich geschickterweise überlesen und es hat mehr wehgetan, als erwartet.
    Die Kommentare machen es etwas besser, aber ich war doch neugierig :(

  15. Meines erachtens ist so ein Fragenkatalog hier völlig sinnlos. So einem Thema nähert man sich nicht statistisch, sondern qualitativ. Hier findet dann Typenbildung statt und dann kann ich das quantitativ verifizieren um allgemeine Werte zu erhalten. So lassen sich dann auch Homosexuelle integrieren, sofern ich im qualitativen Bereich sauber gearbeitet habe.

  16. Schade, dass hier nur kritisiert wird. Wie viele von Euch haben denn wirklich schon mal empirisch geforscht und wissen aus dieser Erfahrung heraus genug über Methoden und statistische Notwendigkeiten?

    Bei mir lief die Umfrage jedenfalls problemlos. Und ich finde es gut und wichtig, dass zu diesem Thema geforscht wird und dass dass sogar international koordiniert ist. Eine Online-Umfrage ist bei diesem sensiblen Thema sicher auch die erste Wahl für relativ ehrliche Antworten.

    Grüße an Nicola Steffen und ihr Team!

  17. Ich frage mich nicht nur, warum bei dieser Studie Konsumentengruppen ausgeschlossen werden, sondern ärgere mich auch über dieses normative Händeln der Orientierungen. Sind bisxuelle Menschen nicht quasi „semi-hetero“?
    Aber gut, dann eben nicht.

  18. Erstmal vielen Dank für Euer Interesse an dem Thema und für die rege Teilnahme an der Studie!

    Ich möchte mich noch einmal kurz zu einigen Punkten äussern, die hier aufgeführt wurden:

    Zu dem Begriff „extrem“: Extrem sind die Praktiken in dem Sinne, dass sie – so haben Studien ergeben – selten unter (heterosexuellen) Paaren tatsächlich praktiziert werden, also überwiegend in der Pornografie vorkommen (daraufhin werden die Praktiken dann teilweise von einigen Männern erwünscht). Darüber hinaus ist den hier als „extrem“ bezeichneten Praktiken gemeinsam, dass sie das Potential haben problematisch zu sein (wegen des Gewaltaspektes). Es wird oftmals fälschlicherweise angenommen, dass die Praktiken verbreitet sind, weil sie in der Pornografie beobachtet werden (s. „Social Norms Approach“ bzw. „Normalismus Theorie“).

    Zu der fehlenden Definition des Begriffes „Pornografie“. Ich glaube langwierige Definitionen sind in einer Umfrage nur störend, zudem ist die Definition nicht ausschlaggebend: Wichtiger als, ob, z. B., der Erstkontakt mit pornografischem Material nun Soft oder Hardcore Pornografie war, ist, dass das es von dem Teilnehmer/der Teilnehmerin als pornografisch empfunden wurde.

    Es wurde der Begriff „tiefkehlen“ bemängelt. Pornografiespezifische Begriffe ins Deutsche zu übersetzen ist schwierig. Wir haben uns daher entschieden, die Filmzusammenfassungen gänzlich im Englischen zu belassen, weil es auf Deutsch nur lächerlich geklungen hätte.

    Zu der Frage nach einer genaueren Erläuterung des Begriffes „heterosexuell orientiert“: Wer nur teilweise heterosexuell lebt (also manchmal auch homosexuell), der ist bisexuell und somit nicht heterosexuell. Geht es um ganz vereinzelte homosexuelle Erfahrungen, so ist letztendlich entscheidend, ob sich die Person als Hetereosexuelle(r) sieht.

    Zu der Benerkung, die Liste der Sexualpraktiken sei nicht vollständig: Das ist richtig, und auch so beabsichtigt. Es geht um Sexualpraktiken, die in populärer Pornografie geläufig sind (nicht die „momentan benutzten Pornowerbesprüchen“), und die in der Forschung als degradierend/aggressiv/gewalttätig identifiziert wurden.

    Schliesslich auf den Hinweis, dass eine qualitiatve Forschungsmethode einer quantitativen vorzuziehen sei. Persönlich bin ich der Meinung, dass es am Besten ist einen Methodenmix anzuwenden. Sich ausschliesslich qualitativ einem so komplexen Thema wie der Pornografie zu nähern ist methodisch gesehen nicht sehr sinnvoll, z. B. in Bezug auf Vergleichbarkeit von Studien.

  19. „Sexualpraktiken, […] die in der Forschung als degradierend/aggressiv/gewalttätig identifiziert wurden.“

    Ah ja. Ich wette meinen Hut, daß diese so vornehm „Forschung“ genannte Personengruppe noch nie auf einer BDSM-Spielparty gewesen ist. Schonmal gehört? Einvernehmlicher BDSM?

    Das Ganze hinkt hinten und vorne. Und ja, ich habe seit 1999 schon mit so einigen wissenschaftlichen Projekten auf diesem Gebiet zu tun gehabt und dabei Menschen getroffen, die ihre Fragebögen besser im Griff hatten.

  20. Sowohl das Thema „Pornokonsum und seine kulturelle Einbettung und (individual)psychologische Verfasstheit“ als auch den Zugang empirische Sozialforschung finde ich persönlich extrem spannend. Ich teile allerdings viele der hier bereits geäußerten Bedenken zur Vorgehensweise der Untersuchung – und damit meine ich erstmal überhaupt nicht die qualitativ-vs.-quantitativ- oder online-vs-offline-Detaildebatte, sondern wie einige andere Teilnehmer_innen sehe ich grundlegende Mängel im Konzept.

    Ob es Verbindungen zwischen Pornografiekonsum und sexuellen Wünschen und Phantasien und sogar Verhaltensweisen gibt, ist eine wiederkehrende Frage. In einer internationalen Online-Befragung zweier Wissenschaftlerinnen sollen nun neue Erkenntnisse gewonnen werden.

    Ich befürchte (bestärkt von deinen Erläuterungen hier, @Nicola), dass die mittels der verlinkten Befragung gewonnenen Ergebnisse bestenfalls bestätigen, dass es diese angenommenen Verbindungen gibt – was ja auch erst mal eher wenig überraschend erscheinen mag, denn mir erscheint es recht naheliegend, dass ich im Pornografiekonsum die Dinge aufsuche, die in meinen Phantasien und Wünschen vorkommen. Die offensichtlich angestrebte Beantwortung der Frage nach irgendwelchen Kausalzusammenhängen jedoch muss ausbleiben, denn inwiefern sich Pornografiekonsum auf sexuelles Verhalten (von heterosexuellen Cis-Menschen) auswirkt und welches Problempotential – dass ja explizit angenommen zu werden und mittels der Studie auch irgendwie bestätigt werden zu sollen scheint- darin dann enthalten wäre, wenn es so wäre, kann meines Erachtens mit diesem Instrument leider nicht erfasst werden. Vielmehr wird schon beim Ausfüllen des Fragebogens, dann verstärkt durch die Kommentare der Untersuchenden hier, klar, dass die Untersuchung auf deutlichen Vorannahmen basiert, welche nur bedingt offen gelegt werden. Bis zu einem gewissen Maß ist eine gewisse „Voreingenommenheit“ für Menschen unvermeidbar und ein solches „verdecktes“ Vorgehen methodische Notwendigkeit, das ist mir als Fachfrau in empirischer Sozialforschung durchaus klar – doch hier werden meines Erachtens deutliche Verzerrungen und Ungenauigkeiten zumindest billigend in kauf genommen. Problematisch ist, wie tendenziös hier vorgegangen wird: So werden zentrale Begrifflichkeiten – Pornografie, Hetero-/Homo- und vor allem Bisexualität, Problempotential/Gewalt, Normalitätsvorstellungen – in einer Weise definiert oder implizit konzeptioniert, die den Verdacht aufkommen lässt, dass hier bestimmtes differenziertes Wissen über Sexualität und Begehrensformen (und auch über Forschungsmethodik) nicht in dem Maße vorhanden ist, wie es vonnöten wäre, um einen derartig komplexen Forschungsgegenstand bearbeitbar und angemessen zu strukturieren.

  21. Stimme ganz mit Anna-Sarah überein.
    Für mich stecken die Probleme auch hauptsächlich in den Fragen, z.B. ob man eine bestimmte Sache schonmal gemacht hat und wenn ja, mochte man es oder nicht. Vielleicht hat man es 1 Mal gemacht, oder 100 Mal und 10 Mal davon war es toll und 10 Mal schrecklich. Hängt ja auch immer sehr stark von der Situation und dem Partner ab.

  22. @Nicola:

    Ich verstehe den Gedankenvorgang nicht:
    „Extrem“ entspricht in Deinem Beispiel „selten praktizierte“ Sexualpraktiken (bei Heterosexuellen), die wiederum aufgrund ihrer Seltenheit/Extreme (!?) in Pornos vorkommen, die wiederum aufgrund dessen (!?) „von einigen Männern teilweise“ gewünscht werden.
    Oder wenn ich das doch so richtig verstanden haben, möchte ich den „logischen“ Gedankengang gerne in Frage stellen.

    Ich möchte Dir auch darin widersprechen, wenn Du meinst der Begriff „Pornographie“ bedürfe keiner Definition. Ich denke schon, und sie muss auch nicht unbedingt „langwierig“ ausfallen.
    Ich widerspreche dir vor allem, weil Du ein paar Sätze später eben Worte verwendest wie „pornografiespezifisch“. Wenn der Stammbegriff „Pornographie“ keine Erläuterung braucht, dann doch wohl spätestens der Begriff „pornografiespezifisch“. Denn was ist so spezifisch an Pornographie?

  23. @Nebenwirkungen:

    Ok, etwas ausführlicher…

    1.) Als „extrem“ bezeichne ich die Praktiken nicht, weil sie (unter Heterosexuellen) selten praktiziert werden, sondern weil sie mit degradierenden/aggressiven/gewalttätigen Handlungen einhergehen (und auch, weil das die gängige Bezeichnung in der Pornografieforschung ist). Es sind Praktiken, die a) erst in neuerer Zeit auch vermehrt in populärer Pornografie gezeigt werden und b) selten in alltäglichen (heterosexuellen) Sexualleben vorkommen (noch erwünscht werden!). Es gab natürlich immer schon eine Minderheit an (heterosexuellen) Personen, die diese Neigungen hatten, und entsprechendes Material aufgesucht haben. Aber mit der erst kürzlich vonstatten gehenden Verbreitung der als hier als „extrem“ bezeichneten Praktiken auch in populärer Pornografie, wird sowohl von (heterosexuellen) Männern als auch Frauen berichtet, dass sie/ihr Partner die Praktiken auszuprobieren wünschen, NACHDEM diese sie in der Pornografie gesehen haben – ählich wie sich heutezutage die Mehrheit junger Frauen die Schamhaare stutzt oder rasiert, was aus der Pornografie stammt. Ebenso stammt der Anstieg an Labioplastien u. ä. Eingriffen daher, dass die Normen der Pornografie (realistisch oder nicht (weil retouchiert)) übernommen wurden, s. hierzu auch http://www.mamamia.com.au/news/why-australian-law-demands-all-vaginas-be-digitally-altered-nsfw/

    2.) Zu der Notwendigkeit einer langwierigen Pornografiedefinition:

    Der Begriff Pornografie ist sehr unbestimmt; und für Rüdiger Lautmann ist es kaum verwunderlich, dass „so auffällig viele Abhandlungen mit Begriffsgeschichten, lexikalischen Lesefrüchten oder Definitionsversuchen“ beginnen. Dulan Barber merkte bereits 1972 an, dass „Pornografie“ ein subjektiver Begriff geworden sei, „unterschiedslos für alles, was die Grenzen des Bekannten und Erwarteten überschreitet“. Und auch Selg meint: Der „Blick auf Brockhaus und entsprechende Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland macht deutlich, dass eine griffige, juristisch verbindliche Definition von Pornografie nicht erreichbar scheint.“ Der Begriff ist zweifellos umstritten. Auch im englischsprachigen Raum sind Definitionen „circular, vague, arbitrary and inconsistent.“ „The residual category is ‚erotica‘.“ Es sei schwer zu differenzieren. Und auch Kappeler meint:

    „In fast jeder Diskussion wird festgestellt, daß es keine klare und schon gar keine allgemeingültige Definition [von Pornographie] gibt. Jede Diskussion definiert jedoch ihr Thema, das sie mit „Por-nographie“ bezeichnet, auf ihre Weise – wenn nicht ausdrücklich, so durch den Diskussionszu-sammenhang.“

    Auch Hall und Bishop stellen fest, dass jeder Aufsatz über Pornografie seine eigene Definition bereitstellt. McNair setzt sich in Striptease Culture bei dem Versuch, die Frage nach dem Reiz der Pornografie zu beantworten, mit ihrer Definition auseinander. Ähnlich wie Hall und Bishop beobachtet McNair, dass es nahezu genauso viele Definitionen wie AutorInnen zu dem Thema gibt. Manche AutorInnen wie der Journalist Matthias Frings gehen so weit, zu behaupten, dass Pornografie sich beliebig definieren ließe. Hall und Bishop schlussfolgern: „[P]orn, – ironically like beauty – is defined by the beholder.“ „Ich kenne sie, wenn ich sie sehe“, ist eine der gängigen tautologischen Definition im deutschsprachigen Raum; eine andere lautet: „Pornografie ist, was sie ist“. Weiter führt dies nicht.

    McNair versucht die diversen gängigen Definitionen zu strukturieren und unterscheidet drei Kategorien: Erstens diejenigen Definitionen, welche sich nur auf Inhalt und Funktion des Materials beziehen (sexuelle Deutlichkeit bzw. sexuelle Erregung), zweitens jene Definitionen, die sich auf die obszönen und anstößigen Eigenschaften beziehen, üblicherweise von einer religiösen Perspektive aus betrachtet, drittens jene Definitionen, welche sich auf die ausbeute-rischen und herabsetzenden Eigenschaften beziehen, üblicherweise gegenüber Frauen und Kindern. Ähnlich schreibt Faulstich, dass sich Pornografie aus folgenden Faktoren definiere: „1. sexuelle Erregung, 2. Tabuverletzung, 3. Verzerrung“.

    Faulstich entwickelt auf dem Hintergrund seiner umfassenden Definitionskenntnisse eine eigene Umschreibung für Pornografie:

    „Pornografie ist eine spezifische Darstellung sexueller Handlungen in Wort, Bild oder Ton; die Darstellung ist erstens explizit detailliert, zweitens fiktional und drittens szenisch narrativ. Die konkrete Bestimmung dessen, was als sexuelle Handlung gilt, kann nur in historiographischen Querschnitten erfolgen.“

    Die Standarddefinition in Großbritannien ist: „[Pornography is] explicit content with no purpose other than to induce sexual arousal“. Seit 1977 ist in Deutschland in der praktischen Rechtssprechung das Verständnis des Strafrechts-Sonderausschusses des Deutschen Bundestages gültig, welcher unter dem Begriff „Pornografie“ jene Darstellungen fasst, die 1. zum Ausdruck bringen, daß sie ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter abzielen und dabei 2. die im Einklang mit allgemeinen gesetzlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstands eindeutig überschreiten.

    Nacktheit oder die Darstellung von sexuellen Akten ist dabei an sich nicht unweigerlich pornografisch, erst,

    „wenn unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Bezüge in grob auf-dringlicher (anreißerischer) Weise geschildert werden und der Mensch […] zum bloßen auswech-selbaren Objekt geschlechtlicher Begierde degradiert wird.“

    Die Subjektivität bzw. Relativität ist hier evident. Der amerikanische Psychoanalytiker Robert J. Stoller erläutert: „Ohne die vom Betrachter hinzugefügten Phantasien ist eine Darstellung nicht pornografisch, denn nichts ist pornografisch per se.“ Man kann die Definition mit Edgar Mertner und Herbert Mainusch auf den Punkt bringen: „Sie [die Pornografie] […] will durch nichts Krummes in ihrem Ziel, Lust zu wecken […] gestört werden.“

    Am ehesten brauchbar ist meiner Meinung nach jedoch die Definition für Pornografie, die aus der Wikipedia stammt, wenngleich diese etwas langatmig ist:

    Wie bei der Erotik ist es auch bei der Pornografie vorrangige Absicht, den Konsumenten sexuell zu erregen. Die Pornografie konzentriert sich dazu auf die Darstellung rein körperlicher Teile der Sexualität, wie die Geschlechtsteile bzw. den Geschlechtsakt. Die Erotik hingegen betont hauptsächlich einerseits zwischenmenschliche Aspekte (Balzverhalten, Verführung, Sinnlichkeit), andererseits Körperästhetik, wobei die körperliche Trieberfüllung sich in das Gesamtbild integriert, teilweise auch in den Hintergrund rückt, bis hin zum völligen Verschwinden. Darstellungen von Geschlechtsorganen oder des Geschlechtsakts im wissenschaftlichen Kontext sind keine Pornografie, da sie nicht das Ziel verfolgen, den Betrachter sexuell zu erregen. Dies schließt sowohl die Behandlung der Sexualität (z. B. Aufklärungstexte und Sexualkundeunterricht) als auch die der Pornografie selbst ein. Die Einordnung von konkreten Darstellungen in Grenzfällen ist umstritten, insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen. Die unterschiedlichen Meinungen entspringen im Allgemeinen unterschiedlichen weltanschaulichen Vorstellungen. Weltanschaulich oder religiös motivierte Gruppen (u. a. Konservative, christliche Fundamentalis-ten, Islamisten), die auch eine Einschränkung oder ein Verbot von erotischen oder wissenschaftlichen Darstellungen von Sexualität fordern, sprechen sich gegen eine Einschränkung des Pornografiebegriffs durch solche Abgrenzungen aus. Entsprechend bezeichnen sie diese beiden Darstellungsarten ebenfalls als Pornografie. Eine abgeschwächte Form ist die Benutzung des Kunstwortes „Softpornografie“ für die Erotik.“

    3.) „Pornografispezifische“ Begriffe (so ist der Zusammenhang) sind Begriffe wie „cum“, „gonzo“, „ass-to-mouth“, „cream pie“ – Begriffe die aus der Pornografie stammen…

  24. @Nicola – dann frage ich mich dennoch lediglich was hat das = deine ausführungen in deinem letzten kommentar – mit der aktuell hier im post vorgestellten umfrage zu tun ?
    (ja, ich weiss das ist deine replique auf …)

    wikipedia = „popkultur“ = für mich leider sog. angewandt-wissenschaftlich nicht tragbar (gründe sind bekannt)

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