Ist man als Mutter mal für fünf Minuten weg, bringt der Vater aus Versehen das Kind um. Was so absurd klingt, scheint in unserer Gesellschaft eine gängige Annahme zu sein. Anders kann ich mir ein paar bemerkenswerten Erlebnisse der letzten Zeit nicht erklären.
(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de
Mein Mann ist derzeit viel mit dem Kind alleine unterwegs. Neulich ließ ihn eine ältere Dame beim Aussteigen aus dem Bus wissen, dass sie ihn beobachtet habe. Er mache das ganz vorzüglich mit dem Kind, eine Frau könne es nicht besser machen.
Ärgerlich finde ich im Zug die Durchsage „Liebe Fahrgäste, aufgrund von hohem Fahrgastaufkommen bitten wir Sie, freie Sitzplätze nicht mit Gepäckstücken zu blockieren. Fahrgäste mit Sitzplatz werden gebeten, diesen gegebenenfalls älteren Reisenden oder Müttern mit Kleinkindern anzubieten“. Diese Durchsage habe ich in den letzten 4 Monaten, seit ich jeden Beginn des Wochenendes in vollen Zügen genieße, schon mehrmals gehört. Sie steht also offensichtlich so im Handbuch, Väter mit Kleinkindern existieren scheinbar nicht.
Immer beliebter werden inzwischen Eltern-Kind-Büros. Bei meinen KollegInnen heißt dieses Büro allerdings hartnäckig „Mutter-Kind-Büro“. Jedesmal, wenn ich sie darauf hinweise, das es ein Eltern-Kind-Büro sei, schauen sie mich irritiert an und sind felsenfest davon überzeugt, dass es Mutter-Kind-Büro heiße. Das liegt vielleicht an den PR-Bildern, die die Kommunikationsabteilung der Pressemeldung beigelegt hat. Diese zeigen immer wieder eine Frau am PC und ein brav spielendes Kind. Oder aber Mann und Frau schauen gemeinsam auf den Bildschirm und Kind spielt. Bisher habe ich noch kein Bild gesehen, wo ein Mann alleine mit einem Kind im Büro war. Ergo müssen es allein die Mütter sein, die ihr Kind mit ins Büro bringen.
Ich habe mittlerweile aufgehört zu zählen, wie oft ich schon entsetzt gefragt wurde, wie ich denn das Kind allein lassen könne. Äh, das Kind ist beim Vater und nicht alleine! Und auch nach fast 5 Monaten hat er es noch nicht aus Versehen umgebracht!
Ja, genauso in dem FAZ-Artikel, über den ich mich vor einigen Wochen aufgeregt habe (http://bit.ly/hGOsXK).
Kleiner Auszug:
Einmal hat er zu seiner Frau gesagt, „wenn sie fällt, dann fällt sie“. „Du würdest sie doch nicht fallen lassen?“, hat seine Frau gefragt. „Nein, natürlich nicht“ hat er geantwortet.
Ich kann das nur aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen. Da bekomme ich im Bus erklärt ich solle dem kleinen bitte die Mütze aus dem Gesicht nehmen und werde in einem Café angestarrt wenn ich mit dem Tragesystem herein komme.
Eigentlich eine interessante Selbsterfahrung für Männer die es sich nicht vorstellen können wie es sich anfühlt, wenn eine Studentin eine Physik-Vorlesung besucht
Danke für diesen Artikel! Er macht mir Hoffnung. Wir Männer sind wirklich nicht so blöd wie wir manchmal aussehen ;), oder vielmehr manche PR-Kampagne und andere Klischees uns gerne hätten.
Mir ist noch eingefallen: In dem wunderbaren Episodenfilm „I love New York“ gibt es zu dem Thema einen großartigen Kurzfilm. Ein Mann mit dunkler Hautfarbe geht mit einem kleinen Mädchen auf den Spielplatz im Central Park. Er wird von zwei weißen Frauen beobachtet, die ihn dann loben, dass er das für eine „männliche Nanny“ ja ziemlich gut machen würde. Am Ende sitzt das Mädchen mit seiner hellhäutigen Mutter im Publikum eines Balletts und bewundert den Vater auf der Bühne. Es ist der Mann aus dem Park.
Über solche Bemerkungen könnte Ich mich auch immer aufregen. Mein Mann kümmert sich genauso gut oder schlecht um unsere Kids wie Ich auch. Wir haben von Anfang an beide alle Aufgaben rund ums Kind geteilt und er „kann“ auch alles.
Aber die Fragen kommen auch bei uns häufig:
Wie dein Mann wickelt, badet, füttert … die Kleine? Nein er wartet einfach 4 Stunden, bis Ich von der Arbeit zurück bin 8o
Wie dein Mann bleibt bei seiner Tochter wenn sie krank ist? Nein natürlich nicht, dazu ist er als Arzt ja auch völlig unterqualifiziert (Ironie off) #
Wie du läßt dein Kind beim Vater und gehst arbeiten/feiern/shoppen … ? Ja denn er macht auch all diese Dinge ohne sich so blöde Fragen anhören zu müssen.
Und er macht manches besser, vieles anders und anderes vielleicht auch schlechter als Ich, aber genau diese Abwechslung genießen unsere Kinder. Ein Kind hat 2 Eltern im normal Fall wollen die beide das beste fürs Kind.
Auch uns nerven diese Kommentare. Am Erschreckensten war aber für mich, dass es sich bei den ungebtenen Kommentatoren keineswegs um die ältere Bevölkerung handelt. Auch Freunde Mitte Zwanzig sind überrascht, dass sich auch Väter um ihre Kinder kümmern können. Das Beste Kommentar war die Frage an meinen Freund ob wir uns getrennt hätten und Vatertag sei, da er tatsächlich Nachmittags mit unserem 3 Monate alten Sohn ALLEINE spazieren ging.
Ich bin immer wieder verwundert und erstaunt, wenn ich diese Dinge hier höre. Obwohl ich seit fast zwei Jahren eine Tochter habe und genau so oft mit ihr unterwegs bin wie die Mutter, bin ich noch nie mit solchen Kommentaren / Reaktionen konfrontiert worden, weder im Bekanntenkreis noch von Fremden. Ich vermute, das hängt damit zusammen, dass Berlin sowas wie ein Ausnahmeort innerhalb Deutschlands geblieben ist. (und wir wohnen auch nicht im Kinder-Bezirk Prenzlauer Berg) Ich bin mal gespannt, was meine Freunde in anderen Teilen Deutschlands Kinder bekommen berichten werden.
Heute war ich mit ihr in der Zahnärztinnenpraxis.
Das einzige, was mir/uns oft gesagt wird, ist dass das Kind sehr ausgeglichen und selbständig wirkt… aber so im Allgemeinen bin ich immer wieder erschrocken, wenn ich hier lese, dass es in vielen Firmen und anderen Städten so anders zugeht als hier im Erfahrungsraum Berlin.
Passt schön zu einer kleinen, unfreiwilligen Erfahrungsreihe, die ich machen durfte, als vor ein paar Jahren in unserem Umfeld alle Freunde Kinder bekamen:
Meine Frau bekam ungefragt ganz automatisch jeden Säugling auf den Arm gedrückt.
Näherte ich mich hingegen dem Kind merkte man, wie es etwas leiser im Raum wurde und alle anwesenden Frauen mit einem Seitenblick bei mir und dem Kind waren. Gelegentlich hörte ich auch ein geflüstertes „Kann der das??“
Hochinteressant. Aber nicht schön.
ha, ja, das kann ich bestaetigen. als mein freund in der elternzeit war, gehoerten zum abendlichen tagesbericht auch immer die rubrik „bloede anmachen aufgrund sexistischer vorstellungen ueber vaeter“. wobei ich sagen muss, dass ich mir auch als schwangere und mutter viele ungebetene kommentare eingefangen habe. den vielbeschworenen ruf nach mehr lockerheit und offenheit in unserer gesellschaft teile ich nicht ganz.
das beste, was mein freund sich anhoeren durfte, kam von einem ca. 40jaehrigen bauarbeiter, der ueber das babytrageteil sagte: bei ner frau siehts ja nett aus, aber bei einem mann – neeeee! am bittersten war der scharfe spott einer tante, mein freund sei ja so ein superpapi fuer seine kinder. sie selbst hat unter ganz beschwerten bedingungen zwei kinder, spaeter noch einen nachzuegler erzogen, der mann dauernd abwesend. aus ihrem spott sprach der wunsch, sie haette damals selbst gern so einen mann an ihrer seite gehabt. aber mit ihrem spott hat mich verletzt. das ist doch mist.
Ich kenns selber von Diskussionen- viele sind der Meinung, wenn der Mann das Kind „wie einen Sack Kartoffeln“ hält, dass das etwas Schlimmes sei. Äh, nein?
Ich denk nicht, dass es psychologisch was ausmacht ob das Kind perfekt angeschmiegt im Arm liegt oder nicht- hauptsache, es wird liebevoll gehalten.
Ich wollte gerne mit meinem Sohn einen Babyschwimmkurs machen. Da ich aber berufstätig und mein Mann zuhause beim Kind ist, kam nur ein Kurs am Wochenende in Frage. Und der einzige, den es da gab, war ein Väterkurs. Super, berufstätige Mütter gibt’s eben nicht. (Wie komm ich Rabenmutter auch dazu arbeiten zu gehen, tssss)
Manchmal frage ich mich wirklich wo die Poster leben. Aufgrund der Berufstätigkeit meiner Frau war das Babyschwimmen unter anderem eine meiner Aufgaben. In keiner Situation habe ich mich besonders beobachtet oder kontrolliert gefühlt.
Beim Babyschwimmen waren Männer zwar in der unterzahl, aber so what? Da waren Eltern und Großeltern oder große Geschwister mit den Kleinen zugange. Beim Wickeln unterwegs hab ich einen Wickelraum, so es einen gab, aufgesucht, völlig gleichgültig ob der in einer Herren oderDamentoilette ist. Selbst bei uns am Land ist das möglich.
Einen normalen Umgang mit „kümmernden Vätern“ kann es niemals geben, wenn ständig das Haar in der Suppe gesucht wird.
In keiner Situation in der ich in Gespräche mit Fremden kam, und das kam aufgrund unseres kontaktfreudigen Filius häufig vor, habe ich einen versteckten Vorwurf erkannt oder mich als exotisch erleben müssen. Manchmal denke ich es kommt auf die innere Einstellung an, ob man in allem einen Vorwurf, eine Anmache etc. sieht. Zieht doch einfach euer Ding durch, ganz selbstverständlich, damit sorgt ihr selbst für einen „normalen“ Umgang.
@MimoD: Eltern, die von anderen Leuten ungefragt Kommentare bekommen, sind also selbst schuld? Schön für dich, dass du solche Situationen nicht selbst erlebt hast. Das heißt aber weder, dass es anderen Eltern nicht doch passiert, noch dass sie es provozieren würden bzw. extra nach Anlässen zum Aufregen suchen.
Liebe Helga, das hat er doch gar nicht behauptet, sondern lediglich SEINE Erfahrungen geschildert, geauso wie die anderen auch. Ich weiß nicht, warum du das zum Anlass nimmst, polemisch zu werden und etwas zu unterstellen, was dort nicht steht, sondern du hinein interpretierst. Nimms mir nicht übel, aber das ist unsachlich.
@wer A sagt Das Eltern selbst schuld sind, ist für mich der Umkehrschluss aus „Zieht doch einfach euer Ding durch, ganz selbstverständlich, damit sorgt ihr selbst für einen “normalen” Umgang.“ Da steht auch nirgendwo, das MimoD irgendwas gesagt hätte, sondern ich habe nachgefragt. Die Logik „Mach x, dann passiert y (nicht)“ gibt es leider an vielen Stellen und sorgt eigentlich nur dafür, dass diejenigen, denen etwas passiert ist, die Schuld bei sich suchen. Das entlässt diejenigen, die die unangebrachten Sachen machen, auch noch aus der Verantwortung.
@Helga,
wenn ich einen Kommentar einfahre dann ist das so. Ich denke da nicht großartig darüber nach. Wenn es mir nutzt nehme ich ihn auf, wenn nicht so ist das nicht mal ein Schulterzucken wert.
Wer spricht hier von Schuld? Sie sind vielleicht selbst Schuld, dass sie sich aufregen. Wenn überhaupt, dann spreche ich von fehlender Gelassenheit oder meinetwegen Selbstverständniss im eigenen Tun und davon wie gesagt alles was mir widerfährt auf die Goldwaage zu legen. Provozieren? Nein, das war es nicht was ich meinte, wohl aber das Suchen des Haares. Das stimmt schon, dass möchte ich damit Ausdrücken.
Da merkt man, wie den frauen noch zu oft die alleinige verantwortung für die kinderversorgung zugeschoben wird, weil männer sowas ja angeblich nicht können. Das ist ja gleich doppelte benachteiligung – den männern wird die fähigkeit abgesprochen sich gut um ihre kinder zu kümmern und die frauen sollen die ganze last allein tragen.
da fällt mir auch nichts zu ein. In den letzten Jahren konnte und kann ich als 3/4-Vollzeit-Papa ähnliche Erfahrungen machen. Mutter-Kind-Kuren, Mutter-Kind-Parkplätze etc.