Kakao und Kuscheldecke – Die Top 10 Serien zur Winterzeit

Dieser Text ist Teil 47 von 57 der Serie Die Feministische Videothek

Nachdem wir im vergangenen Jahr unsere Lieblingsserien zur Sommerzeit vorgestellt haben, präsentieren wir euch nun unsere Top 10 für die kalte und dunkle Jahreszeit. Bei Pizza, Heißgetränk und Duftkerzchen bingt es sich doch gleich doppelt so schön und angesichts deutscher Zustände muss mensch hin und wieder in andere Welten eintauchen. Noch mehr Seriencontent gefällig? Wir haben da einen Podcast.

10. This Is Us (2016 – // NBC – Amazon Video)

Die wohl stereotyp-perfekteste Fernseh-Familie des Universums verursacht seit einigen Jahren Heul-Alarm, der den ganzen Bodensee mit Tränenwasser befüllen könnte. In den USA ist „This is Us“ einer der krassesten Straßenfeger ever, in unseren Gefilden tun sich die Menschen noch etwas schwer mit dieser teilweise sehr kitschigen, sehr pathetischen Kost rund um eine Familie im Damals und Heute – und das, obwohl die Serie vor wunderbaren Figuren und Konstellationen nur so strotzt. Es gibt für jede_n einen anderen Grund diese Serie so zu lieben wie die eigene Kuscheldecke – und gleichzeitig dabei so zu leiden als würde unsere Lieblingskatze überfahren: Beth und Randall sind das perfekte Team. Etwas Schlimmes wird mit Jack Pearson passieren und man wird über mehrere Staffeln darauf „vorbereitet“. Mandy Moore spielt und singt sich die Seele aus dem Leib. Die Figuren sind so perfekt dass es eigentlich nicht „This Is Us“ sondern „This Is Them“ heißen müsste. Der Soundtrack ist exquisit. Aber, wie bei so vielen Serien gibt es natürlich auch si einigen unnötigen Mist auf den wir verzichten könnten: Kates „Diät“-Odysee (Why? Kate ist so perfekt! Wir hoffen die dritte Staffel streicht nun diesen Plotstrang.). Ziemlich viel Heten-Liebes-Drama-Gedöns. Alles ist kitschig und cheezy und auch etwas altmodisch. Und trotzdem, trotzdem möchte ich (Nadia) mit allen Personen aus der Serie Weihnachten feiern, „You can call me Al“ von Paul Simon singen, auf ein Bruce Springsteen-Konzert gehen und zu Jacks Geburtstag Cupcakes backen. Die dritte Staffel läuft aktuell – jede Woche gibt es eine neue Folge. Besorgt Euch eine Großbox Taschentücher wenn Ihr Euch diesen Rollercoaster antun wollt. Ihr werdet es nicht bereuen!

9. Good Girls (2018 – // NBC – Netflix)

Drei Frauen und kriminelle Machenschaften: der perfekte Stoff für eine kurzweilige und komische Serie! Beth, Ruby und Annie sind Freundinnen und haben alle mit Geldproblemen zu kämpfen. Ruby arbeitet als Kellnerin und ihr Tochter ist schwer krank. Die benötigten Medikamente kosten das Vielfache ihres Einkommens. Die alleinerziehende Annie kämpft für das Sorgerecht ihres Kindes, das in der Schule heteronormativ gemobbt wird. Und Beth hat gerade ihren Mann beim Fremdgehen erwischt und weiß bald nicht mehr, wie sie für sich, das große Haus und die vier Kinder aufkommen kann. Die einzige Lösung: Ein Banküberfall (na klar!). Das eine führt zum anderen und bald sind die drei so richtig tief im nächsten kriminellen Sumpf drin: Geldwäsche. Obwohl die Serie ihre ernsthaften und auch traurigen Momente hat, ist sie brüllend komisch. Für die Sehgewohnheiten sind die drei unterschiedlichen Frauen eine Wohltat. Und: Sadie, das Kind von Annie, scheint ein queerer und_oder nicht-binärer Charakter zu sein. Gesagt wird es nicht, aber die Diskriminierungen, die Sadie erlebt, weisen darauf hin. Ebenfalls eine Wohltat: Nicht Sadie wird als problematisch hingestellt, sondern das Mobbing.

8. Chewing Gum (2015 – 2017 // Netflix)

Michaela Cole hat die Serie nicht nur geschrieben, sondern auch Regie geführt und spielt die Hauptrolle: Tracey Gordon, 24, Beyoncé-Jüngerin, will endlich Sex haben. Ihre Wohnkonstellation gemeinsam mit der zutiefst gottesfürchtigen Mutter und der mit ihrer eigenen Religiosität und Sexualität hadernden Schwester hilft dabei nicht unbedingt. Unglaublich lustig, zutiefst awkward, wunderschön und liebevoll bewegt sich Tracey über dieses Minenfeld, navigiert Identität, Rassismus, Klassismus und familiäre Struggles, trifft gelegentlich fragwürdige Entscheidungen und bleibt dabei sich selbst so treu, dass man sie nur feiern kann.

7. The Good Place (2016 – // NBC – Amazon Video)

Eleanor Shellstrop ist tot. Nach dem Ende ihres zugegeben wenig ruhmreichen Lebens darf sie die Ewigkeit unerwartet und fälschlicherweise an einem Ort und mit Menschen verbringen, den und die sie zu Lebzeiten gemieden und verachtet hätte. Eleanor Shellstrop ist ein Arschloch und offenbar doch so liebenswert, dass Tahani, Chidi und Jason mit ihr in einer After-Life-Clique sein wollen. The Good Place kann eine_r sich vorstellen wie ein Kinderbuch für Erwachsene. Jede Folge hat eine „Moral“ und erkundet Antworten auf die Frage, was einen Menschen zu einem guten Menschen macht. Selbstironie darf hier natürlich nicht fehlen. Die Umsetzung als Comedy macht diese Serie quietschvergnügt und kurzweilig.

6. Claws (2017 – // TNT – Amazon Video)

Mehr ist mehr ist das Motto von Claws, in der Desna und ihre Nagelstudio-Kolleginnen Geld für Drogenbarone (und Baroninnen) waschen und dabei versuchen, selbst unbeschadet und als Gewinnerinnen aus der Sache hervor zu gehen. Claws ist laut, bunt und Nail Art und scheißt auf alle sexistischen Vorurteile, mit denen sich Frauen konfrontiert sehen, die vermeintlich „mehr Wert auf ihr Äußeres legen als auf ihre inneren Werte“. Bei Claws wird nicht gekleckert, sondern geklotzt mit Styles und feministischen Roasts zum Niederknien. Noch mehr Superlative? Typen sind in diesem Comedy-Drama (absichtlich?) eine Parodie auf sich selbst, Butch Anne darf sich zu Recht darüber beschweren, wenn ihre Hetera-Freundinnen sie mit einer Dienstleisterin für Emoarbeit verwechseln und Desnas autistischer Bruder Dean muss immer wieder an das moralische Gewissen der Gang erinnern.

5. Salt, Fat, Acid, Heat (2018 – // Netflix)

Was ist schöner als ein Sonntag auf der Couch, den Körper eingehüllt in der besten Kuscheldecke, eine Tasse heiße Schokolade in der Hand (und vielleicht noch den ein oder anderen Keks) und auf dem Bildschirm sinnliche Aufnahmen von mehr Essen? Salt Fat Acid Heat, die vierteilige Netflix-Serie nach dem gleichnamigen Buch von Samin Nosrat, ist da das perfekte Mittel der Wahl. Wo viele Essensendungen bis heute irgendwo zwischen (weißer) männlicher Expertise (der Sternekoch! der Reisende!) oder (weißer) weiblicher Domestizität (Sonntagsbraten für die ganze Familie!) chargieren, bietet Nosrat ein wunderbares Kontrastprogramm. In jeder Folge widmet sie sich einem der Themenfelder des Titels und geht diesem in einem anderen Land nach. Nosrat trifft Leute – meistens andere Frauen (of Colour) – und lernt dazu, lässt aber auch nie ihre eigene Expertise vergessen, sie isst voller Genuss und Freude, und lässt das Gefühl von Gemeinschaft entstehen. Das ist alles gleichermaßen wunderschön anzusehen, ziemlich lehrreich und einfach wohltuend. Und wenn Nosrat dann noch ohne jegliche negative Bezugsnahme, ausschließlich voller Euphorie über die Wichtigkeit von Fett spricht, möchte man am liebsten direkt in ein Stück Butter beißen und einen Schluck Olivenöl hinterherkippen. (Und wer traurig ist, dass es nur vier Folgen gibt, kann anschließend wenigstens in die Untiefen des Internets hinabsteigen, wo sich Thinkpiece über Thinkpiece zur Serie finden lässt, zb dazu, dass die Serie „Marxist Fantasy Porn“ sei, über die Quietly Revolutionary Celebration Of Women, oder Nosrat’s „Sensual, Compassionate“ Ansatz.)

4. The Haunting of Hill House (2018 // Netflix)

Anzunehmen, bei der Serienadaption des Shirley Jackson Romans ginge es tatsächlich um ein verlassenes Gruselhaus, ist mindestens naiv. Tatsächlich entpuppt sich die Story sehr schnell als Familienaufstellung mit psychologischem Feingefühl und jeder Menge Emo-Drama. Was machen Tod, Trauer und Verlust mit einem sozialen Gefüge, bei dem vorher alles intakt schien? Wie gehen Menschen mit traumatischen Ereignissen um, welche Erklärungsmuster finden sie? The Haunting of Hill House setzt Horror-Elemente geschickt ein, um die Perspektiven der einzelnen Mitglieder der Crain-Familie zu beleuchten und einen erzählerischen Rahmen zu geben, ohne Horror auf ein Werkzeug zu reduzieren. Tatsächlich fragt man sich auch nach dem Ende, ob Geister real sind. Wir haben uns in der November-Folge von Bury Your Gaze ausführlich mit der Serie und ihren Figuren befasst.

3. Killing Eve (2018 – // BBC America)

Diese Serie hat so ziemlich alles, was das Feminist_innen-Herz begehrt: Komplexe Frauencharaktere, Humor, jede Menge Männerhass und ne gehörige Portion Gayness. Sandra Oh spielt Geheimdienst-Agentin Eve Polastri, die eine Obsession für Auftragsmörderin Villanelle entwickelt. Obwohl Villanelle konsistent als Psychopathin dargestellt wird, die sich zumindest in der ersten Staffel erfolgreich gegen die traumatische Backgroundstory ™ zur Wehr setzt, ist mensch als Zuschauer_in bereits nach wenigen Minuten genauso verrückt ihre Persönlichkeit und ihre Entscheidungen zu verstehen wie Eve. Macherin Phoebe Waller-Bridge setzt in „Killing Eve“ auf ein vorzügliches Ensemble, OMG-Momente mit perfektem Timing und einnehmende Settings. Wir darben seit Monaten nach Staffel 2, die uns wahrscheinlich im Frühling 2019 beglücken wird. In unserem Serienpodcast Bury Your Gaze haben wir diesem Meisterinnenwerk eine ganze Folge gewidmet.

2. The Marvelous Mrs. Maisel (2017 – // Amazon Prime Video)

Als ihr whiny Versager-Ehemann sie verlässt, wird Miriam „Midge“ Maisel klar, dass sie mehr vom Leben will als die genügsame Hausfrau zu sein. Sturzbetrunken stolpert sie auf die Bühne und versucht sich spontan als Comedian im New York der späten 1950er Jahre. Barbetreiberin Susie ist völlig hin und weg und will Midge groß rausbringen. Und schwupps haben wir den tragenden Plot und mit ihm das tragende Frauenduo dieser preisgekrönten Serie, dessen Dynamik oft an ein altes lesbisches Ehepaar erinnert. The Butch-Femme-Game is strong! Und auch sonst begeistert uns Maisel-TV mit wahnwitzigen Dialogen, WOWtfits und jüdischem Charme.

1. One Day at a Time (2017 – // Netflix)

Die Alvarez-Familie hat unsere Herzen im Sturm erobert. Penelope, ihre Kids Elena und Alex sowie Großmutter Lydia leben in dieser herzzerreißenden wie urkomischen Sitcom unter einem Dach. Oft mit Vermieter Schneider, der sich lieber bei den Alvarez einquartiert, wenn gerade kein Date auf ihn wartet. Latinx-Lebensrealitäten werden hier nicht nur liebevoll auf’s Korn genommen, sondern bilden die Grundpfeiler für jeden Handlungsstrang und die Charakterisierung der einzelnen Protagonist_innen. Seitenhiebe auf weiße, westliche Kultur und Politik inbegriffen. Obendrauf gibt’s ne klare Haltung zur kubanischen Geschichte unter Che und Fidel, Kritik an rassistischer Migrationspolitik und eine klischeebefreite Coming-Out-Story.

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