Diesen Text habe ich anlässlich der 20jährigen Jubiläumsfeier der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin (kurz: Üpfi) geschrieben, bei der ich Teil einer Podiumsdiskussion war: „Leben und Arbeiten – wofür kämpfen die verschiedenen Frauengenerationen?“. Mit meinen 26 Jahren wurde ich offensichtlich als Vertreterin der „jüngeren Generation“ eingeladen. Diese und andere ähnliche Veranstaltungen ließen mich über Feminismus und Alter, Generationen und Bündnisse nachdenken. Meine Gedanken dazu schrieb ich auf (auch als PDF – zum Ausdrucken und später lesen):
Feministische Räume sind (unter anderem) nach Alter strukturiert
Dass Feminist_innen verschiedener Generationen sich nicht so häufig begegnen, liegt nicht daran, dass es zu wenige Feminist_innen in den jeweiligen Altersgruppen gibt, sondern dass wir in unterschiedlichen Räumen unterwegs sind. Einer dieser Räume ist das Internet, welcher in den letzten Jahren für viele (tendenziell, aber nicht ausschließlich) jüngere Feminist_innen (20 bis 35) zum Ort regen Austauschs, Vernetzung und Empowernment geworden ist.
Aber auch außerhalb des Netzes gestalten sich die feministischen Räume unterschiedlich: Auf Ladyfesten, Demos, queer-feministischen Konzerten und (selbstorganisierten) Workshops treffe ich eher Feminist_innen in meinem Alter. In Frauenzentren, auf parteipolitischen Veranstaltungen und auf Kongressen, für die mensch zum Teil relativ viel Geld bezahlen muss, ist das Publikum altersmäßig gemischt bzw. tendenziell älter als 40. Es gibt einige Projekte, die einen generationsübergreifenden Ansatz haben (wie z.B. der divida-Salon der Divida Stiftung in Berlin), aber meinen Beobachtungen nach gibt es in den eingangs genannten Räumen bestimmte Altersstrukturen. Einige Gründe dafür werde ich später noch nennen, aber eine vollständige Analyse würde wohl den Rahmen sprengen. Das Wissen darüber, dass viele Räume nach Alter strukturiert sind, ist jedoch hilfreich für alle, die – wenn sie mal raus aus ihrer gewohnten feministischen Umgebung wollen – Menschen in anderen Altersgruppen treffen möchten.
Ich freue mich immer sehr, wenn ich auf Veranstaltungen wie jene von der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin eingeladen werde. Die Teilnehmer_innen, die in der Mehrzahl nicht so selbstverständlich im Netz unterwegs sind wie ich, freuen sich unglaublich, wenn ich von erfolgreichen feministischen Aktionen im Netz berichte und es wird sich gemeinsam empört, wenn wir auf die ätzenden Trolle zu sprechen kommen, die feministischen Blogger_innen das Leben schwer machen.
Zwei Fragen scheinen immer großes Interesse zu generieren und werden von mir im Folgenden (an-)diskutiert:
1. Was sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen feministischen Generationen?
2. Wie können wir zusammenarbeiten?
Konstruierte Unterschiede
Die Frage, welche Unterschiede zwischen verschiedenen Generationen existieren, ist für mich unbeantwortbar, weil ich nur sehr ungern (in der Regel zugespitzte und wenig ausdifferenzierte) Unterschiede fest(!)schreiben möchte. Genauer gesagt, glaube ich eher, dass es in den meisten Generationsdiskussionen gar nicht um Alter geht, sondern um unterschiedliche feministische Überzeugungen oder Perspektiven. Beides kann – aber muss nicht – korrelieren. Klar ist mir bewusst, dass die politischen und kulturellen Rahmenbedingungen einer Zeit auch den feministischen Aktivismus der jeweiligen Zeit prägen. 1970 feministisch aktiv gewesen zu sein, unterscheidet sich mit Sicherheit davon heute feministisch aktiv zu sein. Die feministischen „Werkzeuge“ ändern sich (so wie es heute oft das Netz mit seinen Möglichkeiten zur Verbindung und Austausch ist), einige Texte oder Theorien dominieren eine bestimmte Zeitphase, auch das feministische Vokabular wird ständig neu_ausgehandelt.
Dennoch gibt es sie nicht, diese fein-säuberlich voneinander abgetrennten feministischen Generationen wie sie im feministischen Bilderbuch stehen: Vorgekaut wird uns das Märchen von den drei feministischen Wellen, die sich bei näherer Betrachtung als viel zu verengt auf eine weiße US-amerikanische und westeuropäische Geschichte beziehen. Es ist ein Schema, dass die Kämpfe in vielen anderen Regionen auf der Welt unsichtbar macht, vor allen Dingen, wenn sie nicht in den Hochzeiten der so genannten Wellen stattfanden. Das Wellen-Modell begünstigt so einen homogenisierenden Blick auf feministische Aktionen und Themen und negiert die Unterschiede innerhalb (!) einer Bewegung.
Es gibt kein (bedingungsloses) „Wir“
Feministische Aktionen finden jeden Tag an verschiedenen Orten dieser Welt statt – sei es eine Demonstration für Abtreibungsrechte, eine queer-feministische Lesegruppe von und für Schwarze Frauen oder ein Rock Camp für Mädchen, Trans* und Inter. Allein für sich sind diese Aktionen noch keine Bewegung, aber genau jene Kollektive leisten kontinuierliche feministische Arbeit, und zwar nicht nur in Zeiten, wo Feminismus mal wieder so verhandelt wird, dass ein Eintrag in Geschichtsbücher oder Wikipedia erfolgt. Jene Kollektive und Gruppen, die Teile verschiedener Communities sind, bilden oftmals die Grundlage für aufkeimende Bewegungen und stellen Ressourcen bereit, auch wenn ihre Arbeit in Großerzählungen über feministische Kämpfe und Errungenschaften häufig unsichtbar gemacht werden von denjenigen, die auf eine einheitliche Großerzählung bestehen. Feministische Aktionen und Gruppen sind also vielfältig und können mitunter sehr unterschiedliche Ziele haben. Manchmal arbeiten Gruppen gemeinsam, manchmal ist eine gemeinsame Arbeit kaum möglich. Und trotzdem wird häufig so getan, als könnte mensch verallgemeinernde Aussagen über „die Feminist_innen“ tätigen. Zu oft wird noch an einem falschen „Wir“ festgehalten – der so genannten „globalen Schwesternschaft“. Schnell hinterher geschoben wird dann ebenfalls, dass es die älteren Feminist_innen seien, die noch so sehr an diesem „Wir“ klammern, weil sie selbstverständlicher mit der Idee aufgewachsen seien, es gäbe dieses „Wir Frauen“.
Auch diese Geschichtsschreibung würde ich verkomplizieren. Es stimmt, dass das Hinterfragen der vermeintlich universalen Kategorie „Frau“ heute ein größeres Thema ist als vor 40 Jahren. Jahrzehnte feministischer Theoriebildung und aktivistischer Kämpfe haben ihre Spuren hinterlassen. Aber schon vor Jahrzehnten haben zahlreiche Feminist_innen auf dieses falsche und vereinnahmende „Wir“ hingewiesen, insbesondere Aktivist_innen und Theoretiker_innen of Color, Migratisierte, Lesben, Frauen mit Behinderungen, Menschen, die mit einem binären Geschlechterverständnis nichts anfangen können… – also all diejenigen, die im „Wir Frauen“ höchstens mitgemeint sind oder gar nicht mitgedacht werden und deren Lebensrealitäten in feministischen Erzählungen nur marginal oder keine Rolle spiel(t)en. Und bevor der Eindruck entstünde, die jüngeren Feminist_innen hätten diese Kritik verinnerlicht und würden diese nun selbstverständlich in die Praxis umsetzen, muss ich enttäuschen. Zu viele Leerstellen existieren noch. Auch heute muss jede queer_feministische Gruppe kritisch eigene Ausschlüsse diskutieren, muss sich die Frage stellen, für wen sie Politik machen und wer genau davon profitiert. Was ich damit sagen will: Damals wie auch heute gibt es keinen feministischen Konsens, keinen „perfekten“ Aktivismus, nicht die eine feministische Theorie, die alle gut finden. Das immer wieder sichtbar zu machen, ist ebenfalls Teil feministischer Arbeit.
Deshalb fällt es mir schwer, von „den älteren Feminist_innen“ und „den jüngeren Feminist_innen“ zu sprechen, denn das gleiche Geburtsdatum bedeutet ja nicht, dass alle gleicher Meinung wären. Sicher ist, dass Feminist_innen, die vor 20, 30 oder gar 40 Jahren feministische Arbeit geleistet haben bzw. heute noch leisten, einen Erfahrungsschatz haben, den Aktivist_innen in meinem Alter nicht haben. Diese Erfahrungen sind selbstverständlich durch die damalige Zeit geprägt. Ich behaupte also nicht, dass Alter und Erfahrungswerte keine Rolle spielen. Dass Alter eine Strukturierungskategorie ist, merkt mensch spätestens bei einem Blick auf die Liste der hier mitschreibenden AutorInnen: die feministischen Netzcommunities scheinen nicht sehr attraktiv für viele Menschen über 50 zu sein. Die bloggende Politikwissenschaftlerin Antje Schrupp glaubt, dass das mit Unwissenheit, Ängsten und Unsicherheiten gegenüber Technik zu tun hat. Dass das Netz relativ jung-strukturiert ist, heisst aber im Umkehrschluss nicht, dass sich alle Feminist_innen von 20 bis 35 im Netz tummeln oder dass es keine Blogger_innen über 40 gäbe. Der zweite Fehlschluss wäre anzunehmen, dass die jüngeren Feminist_innen, die im Netz sind, alle ähnliche Überzeugungen hätten. Mitnichten: Wir streiten. Und wir sind uns uneinig. Es werden Bündnisse eingegangen und wieder welche gebrochen. Geschichte wiederholt sich.
(Generationsübergreifende) Bündnisse
Die Frage „Aber wie können wir denn zusammenarbeiten?“ ist daher wichtig. Einen Punkt hatte ich bereits weiter oben angesprochen: generationsübergreifende Bündnisse können zum Beispiel dadurch geschaffen werden, dass wir uns gegenseitig in unseren Räumen „besuchen“. Falls ihr viel im Netz unterwegs seid und eure Mütter oder Nachbarinnen sich eher wenig damit auskennen, erklärt ihnen nicht, dass soziale Netzwerke oder Blogs nichts mehr für sie seien, sondern besprecht lieber welche Vor- (und auch) Nachteile es gibt, damit sie selbst entscheiden können, ob sie darauf Lust haben. Gerade für Menschen, die viel Zeit zu Hause verbringen (müssen), bieten soziale Netzwerke eine tolle Möglichkeit, um auf dem Laufenden zu bleiben. Deine Oma liebt eine Tageszeitung oder eine bestimmte Band? Dann zeig ihr doch, welche Webseiten sie für regelmäßige Informationen anklicken kann! Vielleicht schreibt sie dann auch mal ein paar Kommentare unter Blogartikel und nimmt somit Teil an (feministischen) Debatten im Netz. In meiner Familie klappt das generationsübergreifende Arbeiten übrigens ganz gut: Als ich über die Aktion ‚Wunschzettel für Frauenhäuser‚ bloggte und meine Mutter das sah, packte sie ein paar Pakete und brachte sie in einem Frauenhaus vorbei. Zugegeben, die Bündnisse zwischen Tochter und Mutter sind winzig, aber sie sind ein Teil davon.
Kompliziert wird es, wenn mensch anstrebt, in größeren, heterogenen Zusammenhängen politisch zu werden. Heterogen meint hier, dass Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen, Geschichten und Diskriminierungserfahrungen zusammenarbeiten. Solche Bündnisse – die es im übrigen nicht so häufig gibt – bedingen eine kontinuierliche (selbst-)kritische Arbeit. Zum einen müssen sich Menschen zumindest auf ein Grundgerüst an gemeinsamen Politiken einigen, zum anderen ist es wichtig Raum zu lassen für Widersprüche und Differenzen. Differenzen ist hier nicht im Sinne von Meinungsverschiedenheit gemeint, sondern als gesellschaftliche Differenzen, die innerhalb feministischer Communities leider noch zu wenig thematisiert werden, und wenn, dann (wie ich das oben versucht habe zu erklären) mit falschen, pauschalisierenden Konstruktionen wie „die jungen Feminist_innen“ und „die alten Feminist_innen“ arbeiten.
Ich habe bei Workshops oder Vorträgen zum Beispiel schon oft den ziemlich nach Anklage riechenden Satz gehört: „Na, ihr jungen Feministinnen wollt ja eh nur Geschlecht abschaffen – dekonstruieren oder so! – und redet nur noch von Gender oder queer!“ Diese Einschätzung offenbart allerdings eine recht eigenartige Definition von Dekonstruktion. Dekonstruktion heißt nicht, soziale Kategorien wie „Frau“ abschaffen zu wollen (wie soll das gehen?), sondern das Erforschen, kritische Einordnen und Hinterfragen von Kategorien, die meistens auf binären Logiken aufbauen – Frau/Mann, hetero/homo… – und zu schauen, wie diese Kategorien genutzt werden, wer gemeint ist und was unbenannt bleibt. Das diese Begriffe trotzdem soziale Realitäten darstellen und mit Machtverhältnissen verknüpft sind, steht (zumindest für mich) außer Frage. Ich finde es schade, dass sich so einige Aktivistinnen die Ohren zuhalten, wenn das Wort Gender fällt. Es gibt mehr als „Frau“ und „Mann“ und um das benennen zu können, brauche ich nun einmal Vokabular. Wenn das eine nicht respektieren kann, laufe ich trotzdem nicht rum und schimpfe auf die „böse Altfeministin“, die die letzten zwanzig Jahre verschlafen hat, sondern stelle fest: Politisch kommen wir dann nicht auf einen Nenner.
Kurzer Einschub: Ressourcen
Wenn Menschen mit unterschiedlicher Lebenserfahrung politisch zusammenarbeiten wollen, müssen ein paar Fakten miteinander abgeglichen werden. Ich hab schon mehr als einmal von Aktivist_innen, die 20 oder 30 Jahre älter sind als ich, gehört, dass sie es traurig finden, dass jüngere Frauen kaum mehr in klassischen Frauenräumen unterwegs sind oder bestimmte gender- und frauenpolitische Veranstaltungen kaum besuchen. Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben. Ein paar Aspekte fallen mir allerdings öfter auf: Wenn eine frauen- oder genderpolitische Veranstaltung zum Beispiel im Abgeordnetenhaus in Berlin stattfindet, ist das meist mit einem relativ hohen Eintrittsgeld verbunden. Zehn Euro oder mehr können die meisten Aktivist_innen, die ich kenne, einfach nicht für eine Veranstaltung ausgeben (und das gilt für alle – egal wie alt – die aus unterschiedlichen Gründen wenig Geld zur Verfügung haben). Ein guter Tipp wäre, Eintrittsgelder zu staffeln oder nach einer Spende von z.B. 3 bis 15 Euro zu fragen, so dass jede_r so viel gibt, wie sie kann.
Gerade Veranstaltungen, die in klassischen Politik-Räumen stattfinden und somit für Politiker_innen oder frauenpolitisch Tätige interessant sind, erscheinen für mich auf den ersten Blick meist nicht so attraktiv: Zum einen befürchte ich, dass in diesen Räumen häufig sehr pauschalisierend von „den Männern“ und „den Frauen“ die Rede ist (und Geschlechter jenseits dieser binären Logik einfach nicht mitgedacht werden) und andererseits ist es mir auch schon passiert, dass ich einfach nicht ernst genommen werde bzw. die Aktionen, von denen ich berichte, als unwichtig oder mit „das-soll-alles-sein?“ abgetan werden. Ältere Feminist_innen haben mit Sicherheit mehr gelesen, mehr nachgedacht und mehr erlebt als ich, aber sie sind heutzutage häufig auch in privilegierteren Strukturen unterwegs als die durchschnittliche Aktivist_in um die 20. In den Communities, in denen ich unterwegs bin (z.B. bei Ladyfesten), können wir den Künstler_innen oder Workshopgebenden höchstens mal eine Spende zahlen – die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Ich bin froh über jedes Honorar, was ich von Stiftungen, Frauenbeauftragten oder Parteien einstreiche – und gehöre damit schon zu den Glücklichen in der queer-feministischen Community, denn die meisten werden nie einen Euro für ihre Arbeit bekommen.
Wer also in einer Stiftung, in einer Partei oder einer Behörde frauen- oder genderpolitische Arbeit leistet, schwimmt vielleicht nicht im Geld (gekürzt wird ja gerade in der feministischen Arbeit gerne), aber hat trotzdem mehr Ressourcen zur Verfügung als die meisten nicht-kommerziellen queer_feministischen Projekte und Gruppen, die ich kenne. Das zu wissen, ist wichtig, wenn Feminist_innen unterschiedlichen Alters aufeinander treffen und sich wundern, warum sie sich so selten begegnen oder wenige gemeinsame Aktionen geplant sind.
Gemeinsamkeiten über Altersgrenzen hinweg
Genauso wichtig wie die Thematisierung von generationsübergreifenden Aktivismus halte ich die selbstkritische Thematisierung von Ausschlüssen in den eigenen feministischen Reihen. Die Nicht-Nennung von mit Sexismus verknüpften Unterdrückungsmechanismen wie Heteronormativität oder Rassismus beschränkt sich nicht auf eine bestimmte feministische Generation, sondern ist Merkmal vieler feministischer Gruppen. Zum einen hat dies mit den Strukturierungen der feministischen Räume zu tun, die i.d.R. viel homogener sind als von den Teilnehmenden angenommen (häufig fällt einer weiß-dominierten feministischen Gruppe z.B. gar nicht auf, dass kaum Menschen mit Rassismuserfahrungen an Debatten teilnehmen oder es ist selbstverständlich, eine Frau zu fragen, ob sie einen Partner hat – als wären alle Frauen hetero oder hätten Lust auf eine Partnerschaft), zum anderen werden dadurch andere Unterdrückungsverhältnisse als Sexismus kaum oder nur als Randthema benannt.
Als ich bei einer Veranstaltung mal kritisierte, dass einfach so über „die Migrantinnen“ gesprochen wurde, obwohl der Raum sehr weiß- und deutschdominiert war, wurde sofort der dringliche Wunsch geäußert, „die“ doch einfach in die Gruppe einzuladen, um zu hören, was „die so zu sagen haben“. Schon hier zeigt sich der erste Denkfehler: „Andere“ müssen nicht großzügig „zu uns“ eingeladen werden, denn das würde ja implizieren, dass diese feministische Bewegung uns Weißen gehört und wir großzügig andere teilnehmen lassen. Zu diskutierende Fragen sind meines Erachtens eher: Welche Themen aus welcher Perspektive werden in meiner Gruppe behandelt? Denke ich Menschen mit anderen Diskriminierungserfahrungen als meinen eigenen konsequent mit? Wieso spreche ich von „den Migrantinnen“ (und wen meine ich damit eigentlich? Schwedinnen, die nach Deutschland ausgewandert sind?) Falls Menschen mit unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen in einer Gruppe sind: gibt es Politiken, um rassistische oder heterosexistische Diskriminierungen zu verhindern bzw. kritisierbar zu machen? Wie kritisch wird das eigene Verhalten als z.B. weiße und/oder heterosexuelle Feministin in einer rassistischen und heteronormativen Gesellschaft betrachtet? Ist das überhaupt ein Thema? Wenn nicht, wieso nicht? Wen lade ich auf Podiumsdiskussionen ein, wer ist zu welchem Thema Expert_in und wieso? (Das sind im Übrigen keine Fragen, die ich alle mit gutem Gewissen beantworten kann. Das sind u.a. Fragen, die ich mir in den Zusammenhängen, in denen ich aktiv bin, stellen muss und will).
Ich ende also mit einem Fazit, das vielleicht banal klingt, aber in der Praxis für viele Gruppen die größte Schwierigkeit darstellt: Ein Zusammenarbeiten bedingt große Kritikfähigkeit, Selbstreflexion und ein Aufeinanderzugehen bei gleichzeitiger Anerkennung von Differenzen – ohne in ein „die“ und „wir“ zu verfallen, was – das merkt mensch vielleicht an meinem Text – gar nicht immer so leicht ist.
Lesenswertes / Weiterführendes:
- „Einzelkämpfer_innen oder Kollektive: Auch eine Generationenfrage“ von Nadine Lantzsch
- „Überlegungen zu geschlechterpolitischen Bündnissen, ihre Chancen, ihre Probleme und Totgeburten“ von Sabine Mohamed
- „Das Eingehen von Bündnissen ist eine bedeutende Investition!“ von Katja Kinder
- „Altfeministinnen, Jungfeministinnen und der große Graben“ von Antje Schrupp
- „Solidarität ist nicht essbar“ von Stephanie Mayfield.
- „Feministische Brüche und feministische Archive: „Wir schauen zu, wie Wissen verloren geht“ von Kathrin Ganz
is diese regionalliga-geschichte eigentlich noch aktuell? :]
Ja ist sie! Morgen wird es dazu ein Update hier auf der Seite geben :)
Liebe Magda,
ich finde Deinen Text sehr interesssant und würde ihn auch gern Frauen zugänglich machen, die nicht so webaffin sind. Deshalb würde ich gern wissen, ob ich ihn im Vereinsmagazin der Frauenbrücke Ost-West (http://www.frauenbruecke-ost-west.de/) veröffentlichen darf und, falls ja, wie ich die Quelle kenntlich machen soll.
Vieelen Dank schonmaal
Nadja
Liebe Nadja,
das freut mich! Ihr könnt den Text gerne veröffentlichen (oben habe ich auch eine PDF verlinkt, da sind die Original-Links noch mal extra unterlegt, das ist vielleicht einfacher zu kopieren), das kannst du gerne nutzen. Als Quelle kannst du: Magda Albrecht, Bloggerin auf Maedchenmannschaft.net angeben.
Falls du eine .doc-Datei brauchst, sende mir eine E-Mail an: magda@maedchenmannschaft.net – dann sende ich dir das zu.
Liebe Grüße,
Magda