Liebe Zeit,
erst neulich mussten wir Euch schreiben, weil Ihr da was mit „dem Feminismus“ nicht verstanden hattet. Jetzt greift ihr die Kontroverse um Anne-Marie Slaughter auf und schon wieder stell‘ ich fest: Griff in die Klischeekiste. In The Atlantic hatte Slaughter vor kurzem geschrieben „Why women still can’t have it all“ und da gingen tatsächlich bei Feministinnen die Alarmglocken an. Denn das ist meist biologistischer Bullshit, wie ihn auch die New York Times in ihren Trendpieces regelmäßig aufgreift.
Der Artikel von Slaughter war nun erstaunlich gut, am Ende aber lief es auch wieder auf „Mütter wollen halt bei ihren Kindern sein“ hinaus. Klar, darüber regten sich Feministinnen auf, mit differenzierter Diskussion hat dieses Argument soviel zu tun wie die Mädchenmannschaft mit Gleitcreme. Aber Feministinnen hatten auch eine Reihe anderer Kritikpunkte, von denen Ihr leider keinen einzigen aufgreift. So hätte der Artikel lauten müssen „Warum eine weiße Frau ohne gesundheitliche Probleme, aber mit Ehemann und zwei Söhnen und extrem guter Ausbildung eines Tages feststellt, dass trotz extrem guter Bezahlung ein Job doof sein kann, wenn er mindestens 60 Wochenstunden erfordert und das sogar noch für humane Arbeitszeit gehalten wird“.
Slaughter wechselte aus dem Planungsstab des US-amerikanischen Außenministeriums zu einer Professur an der Elite-Uni Princeton. Karriere und Familie hat sie also immer noch. Aber für geschätzte 99 Prozent der amerikanischen Frauen stellt sich ihr Problem einfach gar nicht. Das haben Feministinnen ausgiebig kritisiert. Sagt bei Euch aber niemand.
Dann erwähnt Ihr Kristina Schröder, aber leider nicht, dass Slaughter den gleichen Fehler begeht wie sie und „dem Feminismus“ vorwirft, er habe Frauen vorgeschrieben, sie müssten jetzt Kinder und Karriere haben. Hat „der Feminismus“ aber gar nicht. Sondern immer wieder hinterfragt, was eigentlich Erfolg ist. Wie ein Arbeitsleben abseits der 40-oder-mehr-Stundenwoche aussehen könnte. Und jetzt kommt der Knaller: Das ist heute ein Thema, was auch viele Männer beschäftigt. Der anekdotischen Evidenz von Slaughter kann ich an dieser Stelle nur meine eigene entgegensetzen, an der mich Gespräche mit jungen Männern bestärkt haben. Erst gestern!
Doch statt da eine gesamtgesellschaftliche Debatte draus zu machen, wird die Frage wieder in die Frauenecke geschoben. Also kein serious business, sondern Gedöns. Alle haben ’ne Meinung, am Ende passiert wenig. Kein Wunder, dass Feministinnen da sauer sind. Hier stellt sich einmal die Frage „What about the menz“ (Was ist mit den Männern?) Da braucht es dringend mehr Debatte als die ausgeleierten Binsenweisheiten, die Slaughter zu bieten hat. Wollt Ihr mal was Kontroverses schreiben? Dann fangt damit an.
Eine saure Feministin.
Danke! Eine gute Antwort! Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf: schicken Sie doch Ihre Replik direkt an die „Zeit“; eventuell wird sie veröffentlicht.
@JoceCeeBee: Hm, damit sie dort „eventuell“ veröffentlicht wird? Das ist hier ja schon ein Offener Brief und seit heute morgen veröffentlicht. Wer mag, darf ihn aber gern an leserbriefe(at)zeit.de schicken.
Argh, nur der Name Kristina Schröder und ich will schon schreien.
Sehr guter Text!