Katrin bloggt bei Reizende Rundungen über Plus Size Fashion, Fat Acceptance und alltäglichen Flitterkram, und twittert auch unter @fresheima. Mit ihrer freundlichen Genehmigung dürfen wir ihren Blogpost hier zweit-veröffentlichen.
Wer kennt nicht diese hübschen Tumblr-Bildchen von dünnen, meist weißen Mädchen, mit wilden Haaren, als wären sie grade aus dem Bett gekommen. Kein Make-Up und schlodderige Kuschelpullis. Sie sind süß und zart und wunderschön, sie sind „effortless“ und natürlich, sie sitzen mit Tea und Buch den ganzen Tag im Bett oder haben eine Katze aus dem Schoß. Draußen regnet es uns alles ist irgendwie ein kleines bisschen mystisch.
Irgendwann letzte Jahr habe ich mal ein Foto bei tumblr gepostet (das da oben), dazu schrieb ich, dass ich grade im Bett liege und den ganzen Tag nur Supernatural gucke. Darauf hin erreichten mich 3 anonyme Tumblr Nachrichten darüber, dass ich meine Zeit lieber im Fitness Studio verbringen sollte, und es nicht verdient hätte nichts zu tun, so wie ich aussehen würde.
Worauf ich damit hinaus will ist, dass ich als fette Frau das Gefühl habe, dass ich immer so aussehen muss, als hätte ich jede Menge Zeit und Muße für mein Aussehen aufgewendet. Dieser Gedanke kommt nicht weniger von Außen als auch von einer selbst. Schon bevor ich einen Blog führte oder mich wirklich für Mode interessierte ging ich fast niemals ungeschminkt aus dem Haus. Das hat natürlich zum einen was damit zu tun, dass ich meine eigene Unsicherheit verdecken wollte, zum anderen war es für mich ein Muss, weil ich so zeigen konnte, dass, obwohl ich fett bin, ich mich nicht hängen gelassen habe. Ich habe schon oft darüber geschrieben, dass Mode für mich der erste Schritt zu einem befreiterem Leben war, der erste Berührungspunkt mit Fat Acceptance und mit einem besseren Selbstwertgefühl. Trotzdem kann ich nicht verleugnen, dass lange Zeit der Gedanke bestimmend war, dass ich, wenn ich hübsch angezogen und nett geschminkt bin, doch jetzt bestimmt besser behandelt werden müsste, anders wahrgenommen werden sollte, weil ich nach außen zeige, dass ich mir Mühe gebe.
Dabei ist das totaler Schmuh! Denn erstens sollte ich mir diese Mühe für sich geben, weil ich mich selbst verzaubern will, mir es Spaß macht vorm Spiegel zu stehen und mir zehn verschiedene Produkte ins Gesicht zu pinseln und danach in mein Lieblingskleid zu schlüpfen. Und zweitens müssen wir endlich verstehen, dass ein dicker Mensch im Schlabberlook oder Jogginghose auf die Straße gehen darf, ohne als „Asi“ abgestempelt zu werden.
Der Druck, dass man sich, um sein Dicksein zu verdecken oder davon abzulenken immer super duper glamour mäßig Aussehen muss, ist ziemlich hoch. Als fette Frau modebewusst wahrgenommen zu werden, hängt sehr stark davon ab, ob das Styling, die Haare, die Outfit immer zu 100% stimmen. Für fette Frauen gibt es keinen Out-Of-Bed-Look, kein „ich habe nur schnell das Hemd meines Freundes übergeworfen und Lippenstift drauf gemacht“, es muss immer Pin-Up und Glamour und sexy im Korsett eingeschnürt sein. Dieses Gefühl spiegelt sich auch oft in der Mode wieder. Sexy enge Kleider, süße Röckchen, alles Dinge die ich liebe, aber was ist mit klaren, schlichten Schnitten? Was ist mit dem sog. „Boyfriend“-Look (urg ich finde das Wort irgendwie unpassend, aber es ist schwierig was anderes zu finden)? Es muss immer alles super weiblich, super schick sein. Klamotten sollen uns zeigen, dass wir sexy und begehrenswert sind, dass wir tolle Rundungen haben und dicke Sexgöttinen sind. Weiblichkeit wird groß geschrieben, so als ob eine fette Frau in Jeans und Bandshirt keine richtige Frau sein kann.
Und natürlich sollte es mir egal sein, was Leute darüber denken, wenn ich in Jogginghose einkaufen gehe, meistens ist es das auch. Aber das ändert nicht, dass die äußeren Umstände einem das Gefühl vermitteln, dass fett & faul zwei Dinge sind, die keines Wegs zusammen gehen dürfen. Anderen Modemädchen wird nicht abgesprochen, dass sie Geschmack und Stil haben, fette Frauen dagegen müssen das jeden Tag aufs neue beweisen.
Natürlich sind fette Frauen alles was ich eben „kritisiert“ habe, aber wir sind eben auch noch mehr. Und es ist manchmal sehr schwierig die eigene Balance zwischen völlig entsexualisiert und total übersexualisiert zu finden.
<3 Danke! Du sprichst so viele wichtige Punkte an!
Ich finde den Artikel auch sehr wichtig, weil er ja auch noch mal deutlich macht, was alles als gestyled (also so gewollt und also mit Präsentation einhergehend) gesehen wird.
Ich käme nicht auf die Idee das Aussehen einer Person, die gerade aus dem Bett gekullert ist, als „Style“ zu betrachten, weil ich ja auch jeden Morgen aufstehe und mein Anblick dann nur für mich ist.
Ich finde es gut, dass du eine andere Präsentation daneben stellst mit dir.
(Und ich mag das Foto von dir mit dem rotgestreiften Shirt *__* )
Viele Grüße
Liebe Katrin, die Fotos sind total hinreißend (der Text eh)!
Vielen Dank für deinen Artikel, der mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Seit meiner meiner dritten Schwangerschaft kämpfe ich mit einigen hartnäckigen Schwangerschaftspfunden, an guten Tagen ist es okay für mich, an schlechten Tagen leide ich darunter, dass ich zu dick bin. Eine große Veränderung, die ich ebenfalls seit der dritten Schwangerschaft an mir beobachtet habe, ist, dass ich seit dem sehr darauf achte, wie ich gekleidet bin. Ich trage stets einen Rock mit einer schicken Strumpfhose, Stiefel und ein schönes Oberteil. In gammeligen Freizeitklamotten, wie ich sie früher gerne getragen habe, fühle ich mich sofort unwohl und muss mich umziehen. Selbst auf dem Spielplatz oder abends mit meinem Mann auf der Couch muss ich vernünftig gekleidet sein. Zur gleichen Zeit habe ich auch angefangen, mich nach Möglichkeit jeden Morgen zu schminken und meine Haare zurecht zu machen. Ich habe bisher zwischen meinem höheren Gewicht und dem Bedürfnis nur gut gekleidet aus dem Haus zu gehen, keinen Zusammenhang gesehen. Deine Argumentation klingt aber schlüssig!