Ein Blick, ein Wort, eine Geste… und dann?

In Wales startet gerade eine neue Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen: One Step Too Far. Wie die BBC berichtet, ist das Ziel dabei, bereits vermeintlich harmlose Belästigungen anzugehen. Denn mit Pfiffen, Sprüchen und Blicken beginnt die Einschüchterung von Frauen, die sich nicht mehr sicher fühlen. Darüber hinaus wird Frauen signalisiert, sie verdienten keinen Respekt, während Männer eine Freikarte bekommen, sich wie Arschlöcher aufzuführen. Am Ende steht eine Kultur, die Gewalt gegen Frauen bagatellisiert und legitimisiert.

„To you it’s nothing – but it all adds up“. Wer startet diese Kampagne nun in Deutschland?

89 Kommentare zu „Ein Blick, ein Wort, eine Geste… und dann?

  1. hmm,

    eigentlich eine gute Kampagne. Aber daß sie die Szene in dem Club mit reingenommen haben „I wouldn’t say no to a bit of that“ macht sie aus meiner Sicht wieder problematisch und bringt sie in die Nähe feministischer Versuche, männliches Begehren zu Kontrollieren und nicht nur unangemessenes Verhalten in der Öffentlichkeit. Ist zwar so ziemlich der dämlichste Spruch, den man sich vorstellen kann, und er dürfte im Regelfall auch nicht dazu führen, daß er dem a bit of that irgendwie näher kommt, aber das sollte kein Kriterium für Zulässigkeit sein. Und wenn ich mal die Sprüche von Mädels unter sich machen, als Maßstab nehme, frage ich mich wirklich, was der in dem Spot verloren hat. Macht einen guten und sinnvollen Spot problematisch.

  2. Hey jj, du bist ja doch wieder da. Freut mich.

    Deinem Kommentar kann ich allerdings mal wieder nicht zustimmen:
    1. ist es ein Unterschied, ob man so einen Spruch von jemandem hört, der 20 cm größer und 30 Kilo schwerer ist, also wenn man selber größer ist.
    2. war der Tonfall schon ziemlich beängstigend (wenn die dazu gelacht hätten, wäre es vielleicht ein bisschen besser gewesen)
    und 3. ging es nicht nur um den Spruch, sondern auch darum, dass sie ihr keinen Platz gemacht hatten, damit sie Körperkontakt nicht vermeiden kann.

    Alles in Kombination war das eine hochgradig beängstigende Situation, aus ihrer Sicht.

    Jetzt mal ganz unaggressiv, einfach interessiert: Hast du das wirklich nicht gesehen? Siehst du es jetzt, nachdem ich es dir gesagt habe?

  3. Mondfee, nichts gegen deine Meinung, aber bei solchen Kontroversen ist es für die Diskussion hilfreich, wenn man ein bisschen differenzierter argumentiert und nicht einfach provokante Sprüche in den Raum stellt. Ich möchte hier eine Diskussion sehen, kein wildes Rumgezoffe.

  4. @jj: Genau darum geht es. Dumme Sprüche sind mehr als nur männliches Begehren, nämlich unangemessenes Verhalten. Die beiden Männer bringen die Sprüche nicht untereinander, sondern explizit in dem Moment in dem die Frau sie hören kann.

    @Mondfee: Mit Polemik kommen wir hier sicher nicht weiter.

  5. Helga, ich glaube jj geht es darum, dass man solche Sprüche auch manchmal benutzt, um sein Interesse zu zeigen, und zwar Männer wie Frauen. Ich bin kein Discogänger, aber ich denke mal, dass das oft tatsächlich so ist. Und viele Frauen werden tatsächlich nichts gegen einen Mann haben, der sie herausfordernd anlächelt (!) und so einen Spruch ablässt. Der Punkt ist die Körpersprache. Und die war in dem Beispiel extrem aggressiv. Wenn sie es nicht gewesen wäre, wäre die Situation auch nicht so bedrohlich gewesen. Natürlich sind da die Übergänge fließend, aber es hat auch niemand behauptet, dass zwischenmenschliche Kommunikation einfach ist.
    Ich denke mal, ein hilfreicher Anhaltspunkt für Männer ist: je gefährlicher du aussiehst, desto mehr musst du auf deine Körpersprache achten. Ein muskulöser Zweimetermann muss schon ziiieemlich auf harmlos machen, um so einen Spruch charmant wirken zu lassen.

  6. Und noch ein Tipp für Männer: Ein Café oder eine Disco sind geeignete Orte, um Flirtkontakt aufzunehmen. Aus dem Auto nicht. Auf der Straße, während sie vorbeigeht und andere Sachen im Kopf hat, auch nicht. Aufnahmebereit muss sie sein, also entspannt und in einer sicheren Situation.
    Und bevor jetzt der Aufschrei kommt: ‚Wir armen Männer, wir müssen so viel beachten, nur um mal eine Frau ansprechen zu können!‘ – Frauen machen das die ganze Zeit. Wenn ich nur daran denke, wieviel Zeit ich damit verbringe abzuwägen, ob mein Mann jetzt endlich entspannt genug ist, um die Einkaufsliste oder den Urlaub zu besprechen. Mitmenschen einzuschätzen gehört einfach dazu zum täglichen Leben. Lernt das.

  7. @Katharina: Internalisierter Sexismus macht Sexismus nicht ok. Und auch in der Disco oder im Café sind Frauen kein Freiwild, das keinen Respekt verdient. Punkt.

  8. Ja, aber ist das denn Sexismus? jj hat schon Recht damit, dass auch Frauen solche Sprüche reißen, und dass es auch Frauen gibt, die auch gern mal etwas sexualisierter flirten. Ich finde das nicht an sich problematisch, man muss halt sensibel dafür sein, wie das aufgenommen wird. Also vielleicht nicht gleich mit so einem Spruch anfangen, sondern erst mal das Interesse und die allgemeine Einstellung erkunden. Auch die Situation. Wenn die Frau von ihren Freundinnen umgeben ist, findet sie es vielleicht ganz cool, wenn da einer kommt und ihr eindeutige Komplimente macht. Und wenn nicht, kann sie ihm aus der Sicherheit der Gruppe heraus seine Grenzen zeigen. Ist natürlich ein Risiko für den Mann, aber wenn er es harmloser mag, kann er ja auch.

  9. Vielleicht auch noch ein Hinweis auf die FAQ dieser Kampagne. Zitat:

    Q: How does inappropriate banter link with violence against women?

    Some women don’t mind inappropriate gestures or even being whistled at. Others feel uncomfortable, threatened or even scared. You cannot tell whether it’s OK or not, it depends on where it happens broad daylight or at night, whether she’s on her own or with friends and how confident she is. Most men would not want to take the risk that they are making a woman feel intimidated and it does not make you look good.

    Q: So you’re saying that we’re not allowed to flirt with women any more?

    No. What we’re saying is that you should be aware of the way your behaviour makes a woman feel. Some women will be open to the idea of flirting, some won’t. Nothing gives you the right to flirt if you perceive that your attentions are unwelcome.

    Flirting stops being flirting when it isn’t welcomed it can start to be harassment.

  10. Two wrongs don’t make a right. Nur weil Frauen sich auch mal daneben benehmen, macht es eine Sache nicht besser. Fremde Menschen mit sexualisierten Sprüchen anzusprechen ist daneben.

    All die Sachen, die im Video gezeigt werden, sind keine Taktiken Frauen kennen zu lernen (die meisten Paare lernen sich über Bekannte oder auf der Arbeit kennen). Es geht den Pfeifern und Grapschern darum, Macht auszuüben. Mit diesen Mechanismen werden Frauen an „ihren Platz in der Gesellschaft” erinnert; daran, dass sie hübsch aber nicht zu hübsch sein sollen; dass Männer über sie verfügen.

    Mit dem Spruch wird die Frau zum einen auf ihr Frausein und ihre Äußerlichkeit reduziert (das allein ist schon sexistisch). Zum anderen wird sie genötigt, Position zu beziehen. Er sagt nicht nein – was sagt sie?

    Am anderen Ende der Machtmechanismen sind dann Übergriffe und Vergewaltigungen. Im von Patrick verlinkten Video beschreibt eine Frau, wie sie einen pfeifenden Typen ignoriert und der dann aus dem Auto aussteigt und angreift.

    Dahinter steht immer das gleiche: Machtausübung.

    Vor einiger Zeit hatte ich hier die Studie verlinkt, nach der Männer die subtilen Hinweise von Frauen sehr gut deuten können und auch selbst nur subtile Zeichen geben. Doch sobald es um potentiell schwierige Situationen geht, werden auf einmal die Entschuldigungen rausgeholt. Die Angst „normaler” Menschen, einmal in einer solchen Situation zu landen, ist verständlich, aber unnötig. Sie ermöglicht im Gegenteil dann leider, dass sich Täter, „böse” Menschen dahinter verstecken, ihre Taten entschuldigt und verharmlost werden. Und genau darum geht es bei dieser Kampagne.

  11. Ich möchte mich da Helga anschließen und bin durchaus überrascht, dass einige die gezeigten Beispiele als ernsthafte Flirtversuche missverstehen.

  12. „Fremde Menschen mit sexualisierten Sprüchen anzusprechen ist daneben.“

    Nein, nur wenn die oder der Angesprochene das als unangenehm empfindet. Wenn man sich da nicht sicher ist, sollte man es lassen. Wenn die Situation eindeutig pro sexualisiertem Flirten ist, kann man es mal probieren. Vorsichtig, mit Blick auf die Situation.

    Mary: Wo siehst du denn, dass das jemand tut? Gut, jjs Beitrag könnte man so verstehen, muss man aber nicht. Alle weiteren Kommentare bezeichneten die Beispiele als bedrohlich oder bezogen sich auf andere Situationen.

  13. Meine Sichtweise mag euch befremdlich erscheinen, das ist mir klar. Ich finde, Menschen sollten generell nicht so viel Kontakt untereinander haben. Natürlich sollte weiterhin jede(r) mit jede(r/m) sprechen dürfen. Aber viele Kontakte, besonders mit unbekannten Personen, sind unnötig und führen vor allem zu Missverständnissen.

    Einiges davon können wir uns ersparen, wenn wir Maschinen nutzen – z.B. Verkaufsautomaten oder Navigationssysteme – oder eine stärker formalisierte Art der Kommunikation einsetzen (Smileys, Like-Buttons etc.). Mit einem stärkeren Formalisierungsgrad wird der Sexismus nicht komplett verschwinden, aber „verschwimmen“: Mann/Frau wird gar nicht mehr erkennen können, ob ein(e) Verfasser(in) oder Kommentator(in) so eine oder so einer ist.

  14. Ich muss Helga zustimmen, dass es bei einer solchen Art der „Kontaktaufnahme“ meist um eine gewisse Form der Machtausübung geht.
    Dass diese Kampagne angeblich in die Nähe „feministischer Versuche, männliches Begehren zu Kontrollieren“ rückt, ist Absurd! Denn: von Männern (oder in den meisten Situationen: von genau dem einen Mann, der wiederum von mir begehrt wird) begehrt zu werden ist ja nun überhaupt nicht das Problem, das hier zur Debatte steht!
    Unangebrachte und unerwünschte Äußerungen, die ein männliches Begehren nur als äußere Folie nutzen aber eigentlich einer Machtausübung gleich kommen, sind das Problem!
    Ich kann als Frau durchaus durch Körpersprache, Blickkontakt etc. signalisieren, ob ich zu einer (in welcher Form auch immer) sexualisierten Kontaktaufnahme bereit bin. Als Frau an einer Truppe von an der Straße stehenden Männern/Jungs vorbeizulaufen und sich durch Sprüche, Gesten, Geräusche oder ähnliches sexualisieren zu lassen, ist abwertend, einschüchternd, bedrohend! Vor allem, da es bei solchen Handlungen eben nicht um ein tatsächlich vorhandenes Interesse an meiner Person geht, sondern um meine pure Anwesenheit als Frau. Oder ist Euch eine Situation bekannt, bei der aus einem Hupen während des Vorbeifahrens eine Beziehung/ein Flirt/ eine Affaire geworden ist? Nein? Mir auch nicht!
    Eine sexualisierte Kontaktaufnahme, ein Flirt, das Bekunden von Interesse mus auf Augenhöhe und im Einvernehmen stattfinden!

    Und ein einzelner Pfiff, ein einzelner Kommentar, eine einzelne Geste ist nicht das bedrohende. Genau wie die Kampagne es ausdrückt: it all adds up!
    Diese „Kleinigkeiten“ führen dazu, dass eine Athmosphäre geschaffen wird, in der Frauen genau wissen: wir sind hier die, die sich unterzuordnen haben! Wir sind hier die, die auf der Hut sein müssen! Wir sind hier die, die unter Beobachtung stehen! Und diese Athmosphäre führt dazu, dass es Orte und Situationen gibt, die Frauen meiden oder fürchten: wieder ein Ort mehr, an dem die Macht des Mannes sich besser entfalten kann.

    To you it’s nothing – but it all adds up.

    in diesem Sinne.

    Ju

    P.S.:
    Das ganze ist ein kleiner Teil dessen, was Bourdieu in „Die männliche Herrschaft“ ausführlich beschreibt. (Falls jemand an etwas theoretischeren Grundlagen ist)
    Daraus nur ein kleiner Auszug, der gerade zu diesem Thema ganz gut passt: „Beinahe ebenso effektiv kann er (der Ausschluss von Frauen) andernorts durch diese Art gesellschaftlich aufgezwungener Agoraphobie (Als Agoraphobie (griechisch αγοραφοβία, agoraphobía, von ἀγορά, agorá „Markt(-platz)“ und φόβος, phóbos, „Furcht“) bezeichnet man eine Angst bzw. ein starkes Unwohlsein an bestimmten Orten, die aus diesem Grunde gemieden werden) sein, die die Aufhebung der sichtbarsten Verbote lange Zeit überdauern kann und die die Frauen dazu bringt, sich von der agora selbst auszuschließen.“ (S. 73)

  15. Klasse Kampagne! War mal mit einem Bekannten abends in der Stadt, wir waren aber auf verschiedenen Seiten der (nicht sehr breiten) Straße, man konnte also nicht wissen, dass ich nicht allein unterwegs war. Nach 5 Minuten gewisser „harmloser“ Blicke, Sprüche und „zufälligen“ Berührungen von Männern in meine Richtung kam er wieder auf meine Straßenseite und hat entgeistert zu mir gesagt: „Ich dachte immer, das wäre pure Übertreibung von überempfindlichen Frauen, aber dass es das wirklich gibt… da möchte ich als Frau nicht allein unterwegs sein…“ Tja…

    oT: Ich habe hier schon öfters unter Mondfee kommentiert, der Kommentar von 2. Juni 2010 um 14:37 stammt aber nicht von mir. Herzliche Grüße an unser aller Freund Oberk…!

  16. Ich muss sagen, dass ich die Kampagne ambivalent sehe. Klar ist es nötig, zu sensibilisieren, denn was für den einen ein kleiner „Spass“ oder eine flapsige Provokation ist, kann bei der anderen ein Gefühl der Bedrohung hervorrufen.

    Aber: es gibt auch Frauen (ich hatte das Thema mal mit Freundinnen, ist dadurch zwar nicht wissenschaftlich belegt, aber mehr als nur Vermutung…) die sich weniger schnell bedroht fühlen, die Pfiffe und aggressive Kommentare zwar als albern und nervig, aber harmlos wahrnehmen und schnell wieder vergessen. Auch wenn so etwas im Alltag recht häufig passiert.

    Zu so einer Kampagne kann ich mir jedoch auch vorstellen, dass sie eben nicht nur (potenzielle) Täter oder Zeugen sensibilisiert, sondern auch Frauen, die sonst eher unbeschwert damit umgehen, sich nicht darum kümmern oder auf ihre Weise kontern. Dadurch entsteht erst ein Bewusstsein für die Bedrohlichkeit der Situation, dass so vorher vielleicht nicht vorhanden war und eigentlich auch nicht notwendig ist, da es doch meist bei einem Pfiff oder Spruch bleibt. Aber eine Bedrohlichkeit, die Tätern, die sich ihrer Macht mehr oder weniger bewusst sind, in die Hände spielt…

  17. Hallo Katharina,

    „Hey jj, du bist ja doch wieder da. Freut mich.“

    danke, aber ich halte mich weiterhin sehr bedeckt. Mich nervt die offensichtliche Diskursradikalisierung hier im Blog, die schon allein durch die vermehrte Verwendung von pseudo-wissenschaftlichen feministischem Lingo und dem Versuch, von der Antwort her zu argumentieren, offenbar wird. Siehe Helgas Argument –

    „Es geht den Pfeifern und Grapschern darum, Macht auszuüben. Mit diesen Mechanismen werden Frauen an „ihren Platz in der Gesellschaft” erinnert; daran, dass sie hübsch aber nicht zu hübsch sein sollen; dass Männer über sie verfügen.
    Mit dem Spruch wird die Frau zum einen auf ihr Frausein und ihre Äußerlichkeit reduziert (das allein ist schon sexistisch).“

    Joah, dann ist ja alles geklärt. Das ist genauso wie in dem Spot und der FAQ – da wird zwar ein Fragezeichen hinter das Motto gesetzt um eine konkrete Auseinandersetzung mit den Problemfällen zu suggerieren, aber in Wirklichkeit ist das ein Ausrufezeichen und kein Fragezeichen. Im Gegensatz zu Dir wollen die für die Kampagne verantwortlichen offenbar keinen wirklichen Dialog.

    Zu Deiner Frage.

    „Alles in Kombination war das eine hochgradig beängstigende Situation, aus ihrer Sicht. Jetzt mal ganz unaggressiv, einfach interessiert: Hast du das wirklich nicht gesehen? Siehst du es jetzt, nachdem ich es dir gesagt habe?“

    Ja und nein. Ich hab’s gerade noch ein paar Mal gesehen, und ich glaube, ich sehe was Du meinst. Ja, man kann die Körpersprache und Ausdrucksweise durchaus als latent aggressiv werten, da gebe ich Dir Recht. Auf der anderen Seite unterscheidet sich die Situation doch deutlich von den anderen, wie Du ja selbst schreibst –

    „Ein Café oder eine Disco sind geeignete Orte, um Flirtkontakt aufzunehmen. Aus dem Auto nicht. Auf der Straße, während sie vorbeigeht und andere Sachen im Kopf hat, auch nicht. Aufnahmebereit muss sie sein, also entspannt und in einer sicheren Situation.“

    Will sagen, es gibt Situationen in denen die Wahrscheinlichkeit der Offenheit gegenüber einer Kontaktaufnahme niedrig und andere Situationen, in denen sie hoch ist. Auch eine hohe Wahrscheinlichkeit in diesem Zusammenhang wird schlechtes Verhalten nicht attraktiv machen, aber – und das ist aus meiner Sicht hier besonders relevant – in einer solchen Situation kann die theoretische Wahrscheinlichkeit, daß sie sich verunsichert fühlt schlicht nicht der einzige Maßstab für Zulässigkeit von Verhalten sein, sonst gäbe es keine logische Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Zudem ist ein Club für Frauen zumeist eine objektiv recht sichere Angelegenheit – klar, das kann nervig werden, so wie in der Situation hier. Aber ernsthaft bedrohlich? Da sind jede Menge andere Frauen, Türsteher und jede Menge andere Jungs, die gerne Ritter spielen wollen. Das ist die eine Seite.

    Auf der anderen Seite ist es natürlich aus feministischer Sicht extrem problematisch, andere Maßstäbe für Männer anzulegen als für Frauen, nur weil Männer größer sind und kräftiger sind, auch wenn das aus *praktischer* Sicht natürlich absolut sinnvoll ist – auch und gerade aus Sicht der Jungs, denn wenn sich eine Frau nicht sicher fühlt, wird eine Kontaktaufnahme mit Sicherheit nicht zu einem Flirt.

    „Ich denke mal, ein hilfreicher Anhaltspunkt für Männer ist: je gefährlicher du aussiehst, desto mehr musst du auf deine Körpersprache achten. Ein muskulöser Zweimetermann muss schon ziiieemlich auf harmlos machen, um so einen Spruch charmant wirken zu lassen.“

    Es gab vor ein paar Monaten mal eine heftige Debatte in englischsprachigen Blogs über einen Artikel von Phaedra Starling im Blog von Kate Harding, der Gender-Frau von salon.com. Der Artikel hieß „Schrödinger’s rapist“ –

    http://kateharding.net/2009/10/08/guest-blogger-starling-schrodinger%E2%80%99s-rapist-or-a-guy%E2%80%99s-guide-to-approaching-strange-women-without-being-maced/

    – und darin ging es um ein ähnliches Thema – Männern klar zu machen, daß es total in ihrem Interesse ist, sich Gedanken darum zu machen, wie sie bei Frauen wirken. Ich fand, daß die (männliche) Reaktion auf Phaedras Artikel tendenziell unfair war, weil sie im Gegensatz zu – siehe auch Helgas Reaktion – den meisten feministischen Kommentaren in solchen Zusammenhängen wirklich konstruktive Ratschläge machte. Aber auch das zeigt, wie man mit einer Argumentation die „inappropriate banter“ mit „violence against women“ verbindet, wie das in dem Clip am Ende tut, tendenziell eher mentale Barrieren gegen Veränderung aufbaut, als sie einzureißen.

    „Und bevor jetzt der Aufschrei kommt: ‘Wir armen Männer, wir müssen so viel beachten, nur um mal eine Frau ansprechen zu können!’“

    Was Helga und die vielen anderen feministichen Kommentatoren, die die Antwort schon kennen, halt nicht wissen können, ist, was Männer in solchen Situationen wirklich motiviert. Daß „Es den Pfeifern und Grapschern darum [geht], Macht auszuüben [und Frauen m]it diesen Mechanismen … an „ihren Platz in der Gesellschaft” erinnert [werden]; daran, dass sie hübsch aber nicht zu hübsch sein sollen; dass Männer über sie verfügen“, ist halt eigentlich nichts als eine Behauptung, die nur auf Basis einer sehr spezifischen axiomatischen Grundlage Sinn macht. Ich bei meiner Aussage natürlich davon aus, daß Helga nicht selbst eine männliche Pfeiferin und Grapscherin ist, die tatsächlich von ihrer Motivation berichtet.

    OK, sarkastische Ideologiekritik beiseite – die Belästigungen außerhalb des Clubs waren sehr wahrscheinlich verunglückte Versuche der Jungs, in der männlichen Hierarchie Punkte zu sammeln, dadurch, daß sie die Frauen *überhaupt* angesprochen haben. In Clubs sind solche Kommentare – vor allem in der Aggressivität wie im Clip, die ich beim ersten Hören auch nicht so wahrgenommen habe, zumeist die Folge von Frustration und die wird aufgrund des logischen Nichterfolgs von solchen Aussagen nur noch größer.

    Wie heißt es so schön – the grass is always greener on the other side. Während Frauen zumeist mit zuviel Aufmerksamkeit zu kämpfen haben, ist es für Männer meist so, daß sie dankbar sind, wenn sie überhaupt mal Aufmerksamkeit schaffen können – denn meistens müssen sie das ja auch noch tun. Und es ist wirklich ein ziemlich schmaler Grat, dabei die gewünschte männliche Selbstsicherheit und spielerische Dominanz an den Tag zu legen und gleichzeitig das Gefühl von Sicherheit trotz physischer Überlegenheit zu geben.

    Kein Mensch wird sich unter einem negativen Label verändern. Ich würde den beiden Jungs erklären, was sie falsch machen. Ich habe auch einer Freundin, mit der ich mich mal über so ein Thema in einer Bar unterhalten habe, gesagt, daß sie, sollte die Situation es (sicherheitstechnisch) aus ihrer Sicht zulassen, die Jungs am besten konfrontieren sollte – „you want a piece of this? Was hast Du denn zu bieten? Oder ist der Spruch alles, was von Dir kommt? Ich geh gleich wieder zu meinen Freunden da drüben, aber erstmal erklär ich Dir jetzt mal was essentielles über Frauen, weil das für die meisten Jungs ja wirklich so ein Rätsel ist…“

  18. @jj
    Zum wiederholten Male: Wir zwingen dich nicht, hier mitzulesen. Wenn wir so radikal und pseudo-wissenschaftlich sind, ruf die Seite einfach nicht auf.

  19. Tolles Video! Wie es so schön heißt: „It all adds up!“

    .. und es ist echt scheiße, dass wenn man einer Männergruppe vorbei geht schon damit rechnet, dass ein zotiger Kommentar kommt.

  20. Geht´s hier auch schon wieder los mit den gefakten Kommentaren? Na, das denen auch nichts anderes einfällt.

    Zum Thema: Ich lese gerade ein sehr interessantes Buch, das wie das i-Tüpfelchen dazu passt. Es heißt „Microaggressions in Everyday Life – Race, Gender and Sexual Orientation“ von Derald Wing Sue, ISBN 978-0-470-49140-9. Dort werden genau diese kleinen alltäglichen Aggressionen, die für den einen nur Sprüche sind und für die andere schon Angriffe, zum Thema gemacht. Leseempfehlung!

    Es ist sehr schwierig, jeweils festzustellen, ob es sich um harmloses Flirten oder schon sexuell abwertende Anmache handelt. Aber ich denke, ganz entscheidend bei der jeweiligen persönlichen Einschätzung einer Situation ist das „It all adds up“. Es bleibt ja idR nicht bei einem einmaligen Vorfall, sondern so gut wie jede Frau kennt diese Art der Belästigung in der Öffentlichkeit – dazu muss sie nichtmal einen kurzen Rock tragen oder besonders hübsch sein.

    Die im Video gezeigten Szenen lassen sich imho unter „sexual objectification“ zusammenfassen. Fremde Männer versuchen Kontakt – oft sogar Körperkontakt (die Kneipenszene) – herzustellen, der nicht gewünscht ist. Sie insistieren sogar nach Ablehnung teils weiter auf ihrem vermeintlichen Recht (sehr gut im Video, welches Patrick verlinkt hat, zu sehen).

    Ich fände es gut, wenn wir alle diese Kampagne aufgreifen würden. Jede_r von uns, die einen Blog, eine Webseite hat, könnte die Kampagne weiterverbreiten, das Video weiterverbreiten. Vielleicht kann sogar eine_r, einen deutschen Ton oder Untertitel dazu einfügen?

  21. @jj: für mich hört es sich so an, als überträgst du den frauen die gesamte verantwortung. sie sollen sich um einen dialog bemühen (was sie bereits tun, da es ja sonst keiner macht), sie sollen die motivation eines typen hinterfragen (egal wie sexistisch die anmache ist), sie sollen einfach kontra geben (und dann mit den konsequenzen leben).
    eigentlich ist das aber nicht ihre aufgabe, sie machen sie nur zu ihrer, weil das problem der männer für sie schlimmere auswirkungen hat. sie machen es aus selbstschutz und nicht etwa, weil ihnen die jungs leid tun, die in „der männlichen hierarchie punkte sammeln“ wollen und „verunglücker versuche“ starten.
    natürlich kannst du sagen „Kein Mensch wird sich unter einem negativen Label verändern“, allerdings braucht es keine verharmlosung der gewalt und keine euphemismen.
    um einen dialog zu starten braucht es vor allen dingen zwei gesprächspartner, die sich über das thema (bzw problem) unterhalten wollen, weil interesse (an einer lösung) besteht. männer sind sich aber oft nicht einmal darüber bewusst, dass es ein problem besteht.

  22. die Belästigungen außerhalb des Clubs waren sehr wahrscheinlich verunglückte Versuche der Jungs, in der männlichen Hierarchie Punkte zu sammeln,

    Und was ist das anderes als Macht ausüben? „Punkte sammeln“ und Selbstwertgefühl auf Kosten anderer aufbauen ist doch genau das. Ich sehe in diesen „Anmachen“ inzwischen nur noch sexualisiertes Mobbing, da ich eigentlich fast immer, wenn es meine Zeit zulässt, stehen bleibe und den Mann/den Jungen zur Rede stelle (meistens fange ich mit der Frage an: „Glaubst du jetzt ernsthaft, dass ich bei diesem Spruch Lust habe dich kennenzulernen oder mit dir auszugehen?“ oder „Mal ehrlich, wie viele Frauen hast du auf diese Weise schon kennengelernt?“). Dann werde ich nur groß angeglotzt (Huch, es spricht!) und die Jungs suchen meistens ohne weiteren Kommentar das Weite. Von wegen und Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ich habe stets den Eindruck, dass sie darauf vertrauen, dass du eingeschüchtert bist und nichts sagst. Natürlich ist das lediglich meine ganz persönliche Erfahrung, ohne wissenschaftlichen Anspruch. Ich möchte wirklich, wirklich wissen, was die sich dabei denken, aber ich kriege ja keine Antwort!

  23. “Mal ehrlich, wie viele Frauen hast du auf diese Weise schon kennengelernt?”

    der von dir zitierte satz erklärt es doch recht deutlich. den sprüche klopfenden typen geht es nicht darum, eine frau z.b. dich kennen zu lernen. sie wollen ihren kumpels beweisen, wie cool sie sind und in dieser hierarchie punkten, aber nicht bei dir. je mehr die frau sich eingeschüchtert zeigt, umso mehr sehen sie ihr ziel erreicht.

  24. Lisa,

    finde ich genau die richtige Reaktion. Aber mit „Macht ausüben“ hat das eben gerade nichts zu tun. Sowas kommt im Regelfall dann vor, wenn Du eine Gruppe frustrierter Jungs hast, am besten noch hart alkoholisiert, und dann geht es um die Mutprobe, sie anzusprechen. Das ist ein Ausdruck von *fehlender Macht*, Du siehst ja selbst, wer in der Situation die eigentliche Macht hat: DU. Ums kennenlernten geht es aber irgendwo auch aus meiner Sicht – Wer wäre in der Gruppe „the man“? Derjenige, der es tatsächlich hinbekommen würde, eine Telefonnummer zu bekommen. Ich glaube wirklich, daß die meisten Männer einfach nicht wissen, wie sie eine Frau für sich einnehmen können. Die die das wissen, machen so einen Scheiß nicht mehr, weil sie den Respekt der anderen Jungs *UND* den Respekt der Frauen legitim erwerben können. Dummerweise gilt Flirtunterricht ja nicht gerade als allgemein akzeptierte Maßnahme im feministischen Maßnahmenarsenal ;).

  25. jj: du erklärst und rechtfertigst hier sexistisches verhalten allein mit frust, alkoholkonsum, unwissenheit. es dürfte jedem klar sein, dass kein respekt von einer frau zu erwarten ist, wenn man sie respektlos behandelt. und es geht eben nicht um den respekt der frau, der ist bei solchen sexistischen anmachen egal, es geht um den respekt bei der männlichen gruppe.
    und wieder sprichst du davon, dass männer in der sitation machtlos wären im gegensatz zu frauen. überträgst die verantwortung also auf das opfer von – wie lisa sagte – sexualisiertem mobbing. es ist aber nicht deren entscheidung dumm angemacht zu werden.
    zum feministischen „flirtunterricht“ hast du doch selbst einen nicht uninteressanten link geschickt, vielleicht solltest du ihn selbst noch mal durchlesen. schieb es nicht auf den feminismus, dass einige jungs prollen und nicht wissen, wie sie einem menschen mit anderem geschlecht begegnen sollen ohne ihn niedermachen zu müssen.

  26. Eine gute Kampagne. Für diejenigen Männer/Jungs, die noch die Wahl haben, sich einer Peergroup mit solchen Attitüden anzuschließen oder nicht, denke ich. Leider werden die Empfänger nicht diejenigen sein, die sich bereits so verhalten wie im Video gezeigt. Warum sollten diese Männer eigene Fehler eingestehen, die sie gar nicht wahrnehmen wollen? Menschen rezipieren immer nur diejenigen Medien , die sie wahrnehmen wollen. Und das sind in der Regel diejenigen, die sie bestätigen, oder?
    Das erlernen und internalisieren von sexistischer Anmache und der Reaktion darauf passiert nebenbei. Unbemerkt von den Kindern und Jugendlichen, die den Umgang mit anderen Geschlechtern lernen.
    Hier setzt sozialpädagogische Jungen- und Mädchenarbeit an, wie ich sie kennenlernen durfte: Flirten hat eben nichts mit ungleichen Machtverhältnissen zu tun. Das Jungs zu vermitteln, die sehen, dass die Arschlöcher in der Klasse Freundinnen haben, sie jedoch nicht. Mädchen zu vermitteln, dass Gockelgehabe kein Kriterium für Coolness bei Jungs ist.
    „Die eigene Anwesenheit dem Gegenüber stets so angenehm wie möglich zu machen“ ist eine Definition von Lady/Gentleman-Sein, die zwar einem patriarchalen Weltbild entspringt, aber trotzdem inhaltlich ein ganz wichtiger Lernrerfolg wäre.
    Rollenbilder aufzubrechen ist mehr als ein Video. Dafür bräuchte es Gelder und Interesse seitens der Lehrer_innen und der Eltern. Deswegen finde ich diese elende Aufrechnerei von „Schuld an der Misere“ und die (maskulinistische) Forderung nach Geld für Jungen- statt Mädchenarbeit bzw. Erklärungsversuche warum sich Männer es quasi gar nicht lernen könnten sich richtiger zu verhalten und das eingehen auf diese krude Argumentation an dieser Stelle total unpassend.
    Feminismus (also meiner, hier hat ja fast jede_r einen Eigenen) hat schon lange erkannt, dass sowohl Mädchen- als auch Jungenarbeit viel stärker gefördert und finanziert werden müssen.

    Sonnige Grüße, Thomas

  27. es ist aber nicht deren entscheidung dumm angemacht zu werden.

    es kann aber eine entscheidung, sich zum opfer machen zu lassen.

    eine täter-opfer-beziehung benötigt immer zwei: täter und opfer. ohne opfer ist der täter machtlos.
    klar, kann sich nicht jedes opfer entscheiden, opfer zu werden oder nicht. wer von hinten niedergeschlagen wurde, ist opfer und kann nicht über seine opferrolle entscheiden.

    wenn jemand aber angepöbelt wird, obliegt ihm (oder ihr) selbst die entscheidung, sich in die opferrolle zu begeben oder nicht, also dem täter macht in die hand zu geben, oder eben nicht.

    auch zu einer beleidigung gehören immer zwei: einer, der beleidigt und einer, der sich beleidigen lässt. um sich nicht beleidigen zu lassen, ist es nicht unbedingt von nöten, den beleidiger an seiner tat zu hindern. ob man sich beleidigt „fühlt“ und beleidigt reagiert, oder darüber steht, obliegt jedem selbst. je offensichtlicher sich jemand beleidigt fühlt und beleidigt reagiert, umso größer ist der erfolg des beleidigers. läuft seine beleidigung ins leere, hat er die mutprobe verloren.

    die erste entscheidung – zu beleidigen – trifft also der täter. die zweite entscheidung, ihm einen erfolg zu verschaffen oder auch nicht, trifft das (potenzielle) opfer.

  28. @jj:
    Aber ich habe in dieser Situation doch keine Macht, sondern ich blocke lediglich seine Versuche ab, Macht über mich zu gewinnen! Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich noch nicht mutig genug war, diesen unflätigen Seggln meine Meinung zu sagen, ich habe mich stets gedemütigt und „ohn“mächtig gefühlt. Sie haben mir also ein Stückchen Macht über mich und meine Gefühle weggenommen. Im übrigen gewinnen sie innerhalb ihrer Gruppe ja auch einen gewissen Machtstatus, wenn sie sich so blöd wie möglich benehmen. Derjenige, der am meisten angibt, ist meistens auch sowas wie ein Anführer.
    Ansonsten stimme ich Red Riding Hood zu, ich habe auch den Eindruck, dass du die Verantwortung alleine dem Opfer gibst, es ist in der Tat nicht meine Entscheidung, blöd angemacht zu werden. Ich kann ja lediglich reagieren und nicht bewusst agieren, um so etwas zu vermeiden.

    @Thomas_Düsseldorf
    *Daumen hoch*
    Wie sah denn die sozialpädagogische Jungen- und Mädchenarbeit aus? Hast du sie selbst als Pädagoge oder als Schüler erlebt? Solche Videos könnten im Unterricht doch als Material verwendet werden.
    Es könnte soviel bewegt werden, wenn nicht dauernd zuerst im Sozial-oder Bildungsbereich Gelder gekürzt würden, wenn irgendwo die Kassen knapp sind…

  29. @ blockhouse

    Na und, was sagt uns das? Wie du ja selbst schreibst, liegt der erste Schritt, die erste Verantwortung beim Täter, und das will dieses Video aufzeigen. Nur weil ich mich selbst zum Beispiel nicht mehr zum Opfer machen lassen will, heißt das noch lange nicht, dass man nicht gegen die Täter und deren destruktives Verhalten vorgehen soll.

  30. @Lisa:
    Ich bin Sozialpädagoge. Im einzelnen auf Projekte, Möglichkeiten und Erziehnungsmodelle einzugehen würde den Rahmen sprengen.
    Das mit dem Einbauen im Unterricht ist eben so ein Problem. Im Lehrplan nicht wirklich vorgesehen…
    Mein älterer Kollege hat Jahre gebraucht um an der Schule durchzusetzen, dass Gelder (paarhundert Euro für 120 Schüler_innen eines Jahrgangs) für ein kleines einwöchiges Projekt in der achten Klasse bereitgestellt werden, in der explizit geschlechtergetrennt zum Thema Geschlechtersozialisation (Schüler_innen in der Achten sind eigentlich immer in nur zwei Geschlechtern sozialisiert) gearbeitet wird. Erfolge sind dann z.B. dass es an dieser Schule keine schwangeren Schülerinnen in den letzten zehn Jahren gab. Das meiste was passiert und wirkt sind leider Einzelgespräche und Situationen, die nicht strukturgebunden, sondern vom Willen, den Fähigkeiten und der Zeit abhängig sind, die Kolleg_innen haben sich mit Geschlechterfragen auseinanderzusetzen. Leider passiert das zu häufig nur bei sexueller Belästigung unter Schüler_innen oder sonstigen Einzelsituationen, die ein kurzfristiges Aufmerken bewirken.

  31. Nur weil ich mich selbst zum Beispiel nicht mehr zum Opfer machen lassen will, heißt das noch lange nicht, dass man nicht gegen die Täter und deren destruktives Verhalten vorgehen soll.

    lisa, ich bin verwundert: habe ich irgendwo geschrieben, dass man NICHT gegen destruktives verhalten vorgehen soll? sei so nett, und zitiere mir die stelle, die für ich so missverständlich war, dann schreibe ich sie für dich noch mal neu.

    und nein, natürlich schrieb ich nirgends, man solle nicht dagegen vorgehen. im gegenteil: sich nicht zum opfer machen zu lassen, ist der beste weg, dagegen vorzugehen. wenn täter die sinnlosigkeit ihres handelns vorgeführt bekommen, lernen sie am besten, ihr verhalten zu korrigieren.

  32. @blockhouse:

    Ich gebe zu, du hast es nicht direkt geschrieben, aber bei deinem Post kam bei mir ein „Selber Schuld, wenn Opfer sich zum Opfer machen lassen.“ an. Bitte entschuldige, wenn ich dich missverstanden habe.

  33. Sich nicht zum Opfer machen zu lassen ist nicht ohne weiteres möglich. Dazu braucht es Bildung, Durchsetzungsvermögen, die entsprechende Gelassenheit, etc. Und die Überlegung, die darauf hinausläuft „Wenn ich das schaffe, haben das die anderen auch zu schaffen“ ist total irrelevant, sobald es eine Frau gibt, die sich eben nicht einem bestimmten Habitus anpassen kann oder will um sich zu wehren. Diese Debatte wurde hier vor ein paar Wochen schonmal geführt. Zum Opfer macht man sich nicht gerne selbst. Aber Täter zu diskreditieren, sexistisches Verhalten zu tabuisieren und gesellschaftliches Interesse am Thema wachzurütteln, das geht. Womit nicht gesagt ist, dass nicht jede Frau, die dazu in der Lage und willens ist, sich wehren sollte/kann und jeder Mann, der sexistische Übergrifflichkeiten bein anderen Männern bemerkt diese als solche brandmarken sollte (nat. ohne sich als ritterlicher Retter aufzuspielen)

  34. @blockhouse:

    es ist keine entscheidung, sich nicht zum opfer machen zu lassen. das bedürfnis nach unversehrtheit, körperlicher wie psychischer, ist keine entscheidung!
    viele menschen sind aus körperlichen wie psychischen gründen gar nicht in der position sich nicht als potentielles opfer zu fühlen, alles andere wäre auch gefährliche selbstüberschätzung.
    es kann nicht sein, das irgendwer dazu angehalten wird sich gefälligst nicht zum opfer machen zu lassen. das ist eine miese schuldzuweisung, wenn diese person gewalt erfährt.

  35. Red Riding Hood,

    a) ich rechtfertige derartiges Verhalten überhaupt nicht. Ich versuche, es zu *erklären*, das ist was anderes.
    b) Ich finde den verwendeten Begriff „Macht“ einfach nicht wirklich sinnvoll, um derartiges Verhalten einzuordnen, es geht sicher um den Versuch „Respekt“ zu bekommen, aber da erfolgt – auch aus der männlichen „Alpha“-Sicht, schlicht eine Fehlattribuierung.
    c) „und wieder sprichst du davon, dass männer in der sitation machtlos wären im gegensatz zu frauen. überträgst die verantwortung also auf das opfer von – wie lisa sagte – sexualisiertem mobbing. es ist aber nicht deren entscheidung dumm angemacht zu werden.“ – Nein, es ist nicht ihre Verantwortung, klar, aber das hat doch mit „Macht“ nichts zu tun. Jemand, der vermutlich aus der eigenen Sicht hilflose Versuche unternimmt, seinen Status innerhalb der Gruppe, und wenn’s am Ende funktioniert, auch noch bei ihr, zu erhöhen, hat doch keine Macht, der hat Ohnmacht. Aber das ändert nichts an seiner Verantwortung. Vielleicht sollten wir „Macht“ mal definieren, bevor wir (scheinbar) weiter aneinander vorbei reden.

    d) „schieb es nicht auf den feminismus, dass einige jungs prollen und nicht wissen, wie sie einem menschen mit anderem geschlecht begegnen sollen ohne ihn niedermachen zu müssen.“ – Tue ich nicht. Ich denke allerdings auch, daß man diesem Problem von feministischer Seite etwas sinnvoller begegnen könnte, als das im Regelfall der Fall ist. Die Probleme von Männern, den schmalen Grat zwischen im Regelfall gewollter (als sexuell attraktiv empfundener) klassisch männliche Performanz (vor allem Initiation und Eskalation) *als auch* deren ungewollter Übertreibung zu erkennen, ernst zu nehmen, und damit – und das ist aus meiner Sicht das Problem für den Feminismus – zuzugeben, *daß* die meisten Frauen und auch die meisten Feministinnen klassische männliche Performanz attraktiv finden.

    Thomas_Duesseldorf,

    „Das Jungs zu vermitteln, die sehen, dass die Arschlöcher in der Klasse Freundinnen haben, sie jedoch nicht. Mädchen zu vermitteln, dass Gockelgehabe kein Kriterium für Coolness bei Jungs ist.“

    Ernsthafte Frage – hat das bei Teenagern schon mal funktioniert? Schulen sind doch reine Statushierarchien…

    Lisa,

    „Aber ich habe in dieser Situation doch keine Macht, sondern ich blocke lediglich seine Versuche ab, Macht über mich zu gewinnen!“

    Wir sollten wirklich mal „Macht“ definieren, denn ich denke nach wie vor, das DU in der Situation die wirkliche Macht hast.

    „Sie haben mir also ein Stückchen Macht über mich und meine Gefühle weggenommen.“

    Hmm. Interessant. Weil Du ja auch Macht über sie gewinnst – wie gesagt, solche Anmachen sind aus meiner Sicht vor allem ein Ausdruck von gefühlter Ohnmacht, und nicht von Selbstbewußtsein. Sie zeigen, „der hat’s nötig“ – das ist kein Signal von Stärke sondern von Schwäche. Daß diese Jungs das tun, was sie tun, hat dann eben aus meiner Sicht auch damit zu tun, daß sie *aufgrund ihrer wahrgenommenen Schwäche* nicht damit rechnen, daß sie überhaupt eine Chance haben. Also ist die Wahl untauglicher Mittel irgendwo auch Selbstschutz, denn dann kann man das erwartete Versagen bei der Kontaktaufnahme auf die Mittel schieben, und muß es nicht persönlich nehmen. Das führt natürlich zu einem problematischen Kreislaufeffekt, aber das Ursprungsproblem ist doch nicht, daß die Jungs in der Situation *ZUVIEL* Macht haben, sondern, daß sie (gefühlt) zuwenig haben. Würden sie an Erfolg glauben, würden sie das nicht machen.

    Das hat nichts mit „Verantwortung aufs Opfer schieben“ zu tun. Ne, verantwortlich sind sie dafür ganz alleine. Aber das Problem ist eben auch, daß sie generell auch die Verantwortung für die Kontaktaufnahme haben. Und das Leben mit Ablehnung bei der Kontaktaufnahme ist etwas, das die wenigsten Frauen kennen (können). The grass is always greener on the other side.

    Ansonsten, siehe meine Antwort an red riding hood.

  36. das ist eine miese schuldzuweisung

    RRH, nein. es ist die analyse einer täter-opfer-interaktion.

  37. @jj: Die angesprochenen Frauen fühlen sich nicht machtvoll, sondern im besten Falle nur genervt, im schlimmsten bedroht. Denn selbst nichts tun könnte eine weitere Reaktion provozieren – d.h. sie müssen sich in irgendeiner Weise mit einer Situation auseinandersetzen, in die sie durch bloßes Sein gekommen sind. Mit „selbst Macht haben” hat das wirklich nichts zu tun. Selbst wenn man nur will, das keine weitere Reaktion kommt, weiß frau nicht, was sie tun soll. Ignorieren kann genauso schlimm enden wie zur Rede stellen – darauf „eingehen” bestärkt die Pfeifer meist noch. Eine Frau im Video erzählte, wie sie bedroht wurde, weil sie den Typen ignoriert hatte. Ich habe einmal ein blaues Auge kassiert, weil ich so einen Typen gefragt habe, was das sollte. Inzwischen versuche ich es mit „unterhalten” aber dann wird man die Leute gar nicht mehr los. Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera, das ist alles, das ist beschissen, aber keine Macht.

  38. Helga,

    „fühlen sich nicht machtvoll“

    ok, das ist aber was anderes als „haben keine Macht“.

    „d.h. sie müssen sich in irgendeiner Weise mit einer Situation auseinandersetzen, in die sie durch bloßes Sein gekommen sind. Mit „selbst Macht haben” hat das wirklich nichts zu tun.“

    naja, sein *SEIN* ist das ja eher nicht, sondern sein *TUN*. Wie definierst Du denn „selbst Macht haben“? Wenn jemand sich um meine Aufmerksamkeit bemüht, bin ich zu einer Auseinandersetzung mit dieser Kommunikation gezwungen, auch wenn ich sie ablehne, klar. Aber dieses Angebot bringt mich notwendigerweise in die Position, in der ich über Annahme oder Ablehnung entscheide. Jemand geht auf mich zu und macht mir ein (hier besonders untaugliches) Angebot – ich habe die Macht zu wählen. Daß meine Reaktion potentiell problematische, oder auch gefährliche Konsequenzen haben kann – wie in Deinem Fall – bedeutet doch nicht, daß ich in dieser Situation keine Macht hätte.

    Sicher, auch im Anprechen selbst liegt eine Macht, nämlich die, sich aussuchen zu können, wem man das Angebot macht, aber die wenigsten Männer sind eben in der Lage, davon zu profitieren und die allerwenigsten Frauen sind bereit, diese Art von Risiko von Ablehnung auf sich zu nehmen, obwohl es vermutlich viel geringer wäre als für Männer.

    „Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera, das ist alles, das ist beschissen, aber keine Macht.“

    Sowohl als auch, würde ich sagen. Hat ja auch niemand behauptet, daß Macht zu haben, immer angenehm ist.

  39. @jj:

    wenn du der meinung bist, dass der begriff macht hier definiert werden sollte, dann wäre es auch sinnvoll wenn du erklärst, was genau du darunter verstehst.
    wenn „sich respekt verdienen“ bedeutet, dass man grenzen eines anderen nicht respektiert, oder die andeutung macht, dass man sie gar nicht respektieren muss, dann ist das eine machtdemonstration, ein ausdruck seines privilegs gegenüber einem anderen.
    welche macht besitzt denn der/die attakierte?
    natürlich kann man sagen, dass auch täter opfer der verhältnisse, im prinzip fehlgeleitet sind, sich ohnmächtig fühlen im ringen um akzeptanz, dennoch treffen die täter selbst die entscheidung zu angreifern zu werden.
    tut mir leid, in meinem bekanntenkreis kenne ich niemanden, der auf „klassische männliche performance“ steht oder diese als notwendig empfindet um attraktiv zu wirken, somit kann ich auch nichts zugeben. vielleicht sollte man eher über strategien nachdenken, (rollen)klischees aus der welt zu schaffen?

    @blockhouse:

    dann ist’s ne miese analyse.
    „auch zu einer beleidigung gehören immer zwei: einer, der beleidigt und einer, der sich beleidigen lässt.“
    aha, also wenn sich keiner beleidigt fühlt gabs auch keine beleidigung? wenn ein baum unbemerkt im wald umfällt ist er nicht umgefallen?

    „wer von hinten niedergeschlagen wurde, ist opfer und kann nicht über seine opferrolle entscheiden.“

    du kannst es dir vll nicht vorstellen, aber manche fühlen sich innerlich niedergeschlagen und können auch nicht entscheiden.

  40. sieh mal, RRH, es ist im grunde folgendermaßen: du versuchst in deinem posting, mich mit polemik zu provozieren, vielleicht sogar zu beleidigen. zumindest könnte ich mich durch deine ausführungen beleidigt „fühlen“. ich könnte dir also die macht einräumen, mich zu beleidigen und mich „innerlich niederzuschlagen“. tu ich aber nicht. es spielt keine rolle, was du schreibst, sofern es keine sachliche einlassung ist.
    ich gehe davon aus, dass du irgendwann die erkentnis gewinnen wirst, dass du nur auf der sachebene erfolgreich argumente abringen kannst.

    einfach, oder?

  41. red riding hood,

    ich dachte, das wäre aus meinen Kommentaren klar geworden. Macht ergibt sich in diesem daraus, in der Interaktion der-/diejenige zu sein, um dessen/deren Aufmerksamkeit gebuhlt wird, der/die darüber bestimmt, ob die Interaktion willkommen ist oder nicht.

    „wenn “sich respekt verdienen” bedeutet, dass man grenzen eines anderen nicht respektiert, oder die andeutung macht, dass man sie gar nicht respektieren muss, dann ist das eine machtdemonstration, ein ausdruck seines privilegs gegenüber einem anderen.“

    Aus meiner Sicht ist das eine Demonstration von Schwäche in einer Interaktion… man kann keine Attraktion erzwingen.

    „dennoch treffen die täter selbst die entscheidung zu angreifern zu werden.“

    Habe doch nie etwas anderes behauptet.

    „tut mir leid, in meinem bekanntenkreis kenne ich niemanden, der auf “klassische männliche performance” steht oder diese als notwendig empfindet um attraktiv zu wirken, somit kann ich auch nichts zugeben. vielleicht sollte man eher über strategien nachdenken, (rollen)klischees aus der welt zu schaffen?“

    Kann natürlich zu Deinem Bekanntenkreis nichts sagen, aber – wieviele von Deinen weiblichen Bekannten haben a) ihren Partner angesprochen und b) waren diejenigen, die die sexuelle Eskalation der Beziehung voran getrieben haben? Ich vermute, nicht viele. Und selbst, wenn – gut für Deinen Bekanntenkreis. Aber das ist nicht die Realität in der meisten Menschen leben.

    Ich bin immer dafür zu haben, Rollenbilder zu flexibilisieren. Aber aus meiner Sicht ist es leider wirklich so, daß klassisch männliche Performanz – ohne Übertreibungen natürlich – für Frauen besonders attraktiv ist. Insofern bleibe ich bei meiner Meinung, daß es wichtig wäre, den schmalen Grat besser zu kennzeichnen, solange sich Frauen nicht dazu durchringen können, andere Dinge an Männern primär sexuell attraktiv zu finden.

  42. @blockhouse:

    die sachebene:

    wenn jemand eine beleidigung äußert ist es eine beleidigung, selbst wenn sich der damit gemeinte nicht beleidigt fühlt.
    man muss sich nicht beleidigt fühlen, um zu wissen, dass jemand versuchte zu beleidgen.
    wenn man sich beleidgt fühlt, weil man beleidigt wurde, ist das keine überraschende reaktion.
    nicht jeder hat das selbstbewusstsein beleidigungen an sich abprellen zu lassen oder sich dagegen zu wehren auch wenn es wünschenswert wäre.
    wie mehrfach erwähnt wurde folgen auf ignorieren oder wehren oft noch mehr beleidigungen oder schlimmeres.
    wer somit kein opfer von beleidigungen wird, wird möglicherweise ein opfer von nonverbaler gewalt.
    niemand kann sagen, ab wann etwas für einen anderen beleidigend oder grenzverletzend ist, denn man steckt nicht in der haut des anderen.
    der vorschlag, einfach kein opfer zu sein, ist in den meisten fällen nicht umsetzbar.

  43. der vorschlag, einfach kein opfer zu sein, ist in den meisten fällen nicht umsetzbar.

    ich würden satz wie folgt formulieren: der vorschlag, kein opfer zu sein, ist nicht in allen aber in vielen fällen lohnenswert und umsetzbar.
    in jedem fall lohnt es, zu überlegen, was man selbst tun kann statt zu hoffen, dass irgendjemand anders etwas tut und z.b. eine kampagne startet.

    und danke für die sachllichen einlassungen. du siehst, es funktioniert.

  44. @jj:

    inwiefern hat jemand macht, dem im vorübergehen etwas zugerufen wird, der angehupt und an- bzw ausgelacht wird, dem zugepfiffen wird oder der mit augen taxiert wird. wie äußert sich diese macht deiner meinung nach? wie bereits öfter erwähnt und auch im video gezeigt geht es ja meist gar nicht um eine kontaktaufnahme.

    ich finde es etwas seltsam jemanden der gewalt ausübt als schwach zu bezeichnen. natürlich kann man sagen, dieser jemand ist unreif, verunsichert, evtl sogar krank, aber er hat eben, indem er gewalt ausübt macht über sein opfer.

    gerade weil es für viele nicht die realität ist sollte sich ja etwas an dieser realität ändern. und das geschieht nicht indem immer wieder gesagt wären männer sind so, und frauen so.

  45. @blockhouse:

    dass es lohneswert ist darüber nachzudenken, keine frage. aber es muss doch jedem selbst überlassen bleiben, wie er reagiert, ohne ihm danach einen strick daraus drehen zu wollen, oder?
    und eigentlich habe ich das gefühl, dass frauen dafür tun, sicher zu sein und sich sicher zu fühlen (diskussionen, selbstverteidigungskurse, kampagnen, demos etc), als männer dafür tun einen sichern raum zu gestalten, an ihrem verhalten zu arbeiten, sich um dialoge zu bemühen.

  46. Sehr interessante Diskussion. Traurig ist dabei aber immer wieder, dass hier versucht wird, Meinung geltend zu machen oder den Königsweg zu propagieren, es geht mir zu sehr um Schuld, Verantwortung und Opfer-Täter-Stigmata. Davon sollten wir uns loslösen, finde ich.

    Denn ganz ehrlich, alle haben Recht. So schwammig und subversiv, wie Sexismus oftmals daherkommt, ist auch der Umgang damit. Es gibt nicht die eine Lösung, die beste Reaktion, den/die eindeutige_n Täter_in.

    Sich nicht als Opfer oder ohnmächtig zu fühlen, wenn andere ihre eigene Ohnmacht in Macht verwandeln wollen, ist ein intellektueller Kraftakt. Dazu muss mensch bereit sein und Power haben, dazu muss mensch auch den nötigen Background mitbringen. Nicht jede_r schafft das und das sollte okay sein. Dafür sollten andere Wege gefunden werden. Genauso wie es okay sein muss, entweder die eine oder die andere Perspektive einzunehmen. Ich kann jj’s Argumentation und auch blockhouse’s gut nachvollziehen. Aber die Diskussion um Opfer/Täter, Macht und Ohnmacht führt letztlich zu keinem konstruktiven Umgang mit dem Problem Sexismus.

    Sexismus ist keine Frage von Schuld, Sexismus ist alltäglich, internalisiert, kann jede_n treffen und jede_r kann es ausüben. Ob gewaltvoll oder mit einem harmlosen Spruch. Ich fände es viel wichtiger zu erkennen, was Sexismus ist, in welchen Kontexten er gehäuft vorkommt, was er auslösen kann (nicht muss) bei anderen und wie ich ihn selbst vermeiden kann, weil ich nicht immer nur Opfer bin (als Frau). Solche Herrschaftsmechanismen zu spüren, zu erkennen ist eine Form von Selbstermächtigung, nicht länger Gefangene_r eines internalisierten Systems zu sein, sondern die Freiheit zu haben, sich entscheiden zu können. Dafür oder dagegen. Handlungsfreiheit bedeutet für mich Macht. Die hab ich aber nur, wenn ich mir bewusst bin, wie Menschen miteinander agieren, um darauf zu reagieren.

    Ich würde auch unterstellen, dass die wenigsten Sexist_innen sich dessen bewusst sind, was sie da tun und sicher keinem/r schaden wollen, auch sind sie sich dieses Machtspiels oder ihrer eigenen Ohnmacht nicht bewusst. Geschlecht und sein Verhältnis wird doch zu 99% der Zeit unseres Lebens so gut wie nicht hinterfragt, wie soll ich dann darauf kommen, wie ich selbst Geschlechterverhältnisse beeinflussen kann?

    Wer Lust hat, kann hier vorbei schauen. Ich hatte nach dem Video ein paar theoretische Gedanken und Handlungsoptionen im Blog des Missy Magazins veröffentlicht.
    http://missy-magazine.de/2010/06/03/das-spiel-von-macht-und-ohnmacht/

  47. red riding hood,

    hmm. Ich glaube, wir hängen uns zu sehr am Begriff der Macht auf, für mich ist Gewalt nicht gleich Macht, sondern kann sehr wohl auch der Ausdruck von relativer Ohnmacht sein – auch wenn der/die relativ aus meiner Sicht mächtigere durch die Aggression zu einer Interaktion gezwungen wird. Macht es nicht besser, da sind wir uns wohl einig, aber ich finde die Gleichsetzung von Gewalt mit Macht falsch.

    „wie bereits öfter erwähnt und auch im video gezeigt geht es ja meist gar nicht um eine kontaktaufnahme.“

    Nicht direkt, nein. Aber implizit eben schon – und da liegt im Geschlechterverhältnis die „Macht“ schon bei dem/der, um dessen Aufmerksamkeit es geht, auf der Makroebene sind das Frauen.

  48. @jj: Es gibt einen Unterschied zwischen Ansprechen und Belästigung. Es ist auch traurig, dass du anscheinend „den Männern” nicht zutraust, den zu erkennen, dabei belästigen nur die wenigsten. Auf weitere Diskussionen über das vermeintliche Grenzgebiet oder sogar „Belästigung als Anmache” werde ich mich daher nicht einlassen.

  49. Helga,

    gibt es, klar. Darum geht es doch hier. Und zu „Belästigung als Anmache“ – nicht individuell, sondern als falsche Reaktion auf die Struktur der geschlechtlichen Interaktion – ich zitiere ich dann mal Nadine aus dem Missy-Blog –

    „Denn der Wichser, der uns gerade an den Arsch gefasst hat, steckt eigentlich in derselben Ohnmachtsblackbox wie wir. Ohnmächtig, weil er nicht weiß, wie er die Frau dazu bringen kann, mit ihm zu reden oder auf ihm zu sitzen. Weil er sich nichts zutraut, traut er ihr im Gegenzug auch nicht viel mehr zu. Die Hand am Po ist eine Verzweiflungstat – Macht über Ohnmacht zu bekommen.“

  50. Nadine,

    schöner Artikel bei Missy.

    „Aber die Diskussion um Opfer/Täter, Macht und Ohnmacht führt letztlich zu keinem konstruktiven Umgang mit dem Problem Sexismus.“

    Was ich allerdings nicht so ganz verstehe, ist, warum Du nach der Analyse der Multivektorialität an Deiner Begrifflichkeit von Hierarchisierung und Unterdrückung festhältst. Für eine Hierarchie benötigt man ja schon eine klare Vorstellung von oben und unten, und die gibst Du ja vorher auf. Dann gibt es kein oben und unten mehr, sondern nur noch richtig oder falsch, basierend nicht auf Strukturvariablen, sondern auf Interaktionsspezifika.

  51. @jj

    ich verstehe gerade deine argumentation nicht? was willst du deinen mitdiskutant_innen denn jetzt nun genau rüberbringen? was ist die motivation hinter deinen aussagen? ich glaube, dein allgemeiner standpunkt ist doch deutlich geworden, jetzt musst du doch nicht versuchen, die aussagen der anderen mit immer den gleichen argumenten zu widerlegen. denn um widerlegung soll es gerade nicht gehen, sondern um handlungsoptionen. niemand _muss_ die perspektive des/der ausübenden nachvollziehen und verstehen können. überlass das doch den leuten bitte selbst, statt ihnen ihre meinung streitig machen zu wollen oder deine durchzusetzen.

    und zitate aus dem zusammenhang zu reißen, um die eigene argumentation zu untermauern ist auch nicht gerade zucker.

  52. Nachtrag: nein, es gibt kein richtig oder falsch. Macht und Ohnmacht haben für mich immer mit Hierarchisierung und Unterdrückung zu tun. Wer Macht erlangen will, stellt sich über andere. Machtspielchen passieren nicht auf gleicher Augenhöhe, sondern aufgrund mangelnden Respekts. Da hast du mich wohl missinterpretiert.

    Mein überstehender Kommentar bezog sich auf deine Helga-Antwort, btw.

  53. Nadine,

    „und zitate aus dem zusammenhang zu reißen, um die eigene argumentation zu untermauern ist auch nicht gerade zucker.“

    hmm, ich finde, der Kontext ist genau der gleiche. Vielleicht erklärt diese unterschiedliche Interpretation auch meine Frage im Crosspost.

    „denn um widerlegung soll es gerade nicht gehen, sondern um handlungsoptionen. niemand _muss_ die perspektive des/der ausübenden nachvollziehen und verstehen können. überlass das doch den leuten bitte selbst, statt ihnen ihre meinung streitig machen zu wollen oder deine durchzusetzen.“

    Sorry, aber das verstehe ich nicht. Es geht hier doch um eine Diskussion *über* Handlungsoptionen und nicht um Handlungsoptionen als solche. Wenn wir jetzt in einem Club an der Theke stehen würden, und andere Leute beobachten würden, dann könnten wir über deren Handlungsoptionen reden, aber hier geht es doch um die Metaebene und die strukturelle Einordnung von Handlungsoptionen.

  54. Nadine,

    ok, da scheine ich Dich wirklich nicht richtig zu verstehen – kannst Du mir erklären, wie Du das

    “Denn der Wichser, der uns gerade an den Arsch gefasst hat, steckt eigentlich in derselben Ohnmachtsblackbox wie wir. Ohnmächtig, weil er nicht weiß, wie er die Frau dazu bringen kann, mit ihm zu reden oder auf ihm zu sitzen. Weil er sich nichts zutraut, traut er ihr im Gegenzug auch nicht viel mehr zu. Die Hand am Po ist eine Verzweiflungstat – Macht über Ohnmacht zu bekommen.”

    „Nachtrag: nein, es gibt kein richtig oder falsch. Macht und Ohnmacht haben für mich immer mit Hierarchisierung und Unterdrückung zu tun.“

    und das logisch zusammen bringst? Im ersten Fall löst Du die Hierarchisierung aus meiner Sicht (korrekt) auf. Die Handlung ist falsch, aber kein Ausdruck von Macht. Aber dann sagst Du, Du meinst das Gegenteil.

  55. Ist ja interessant. Es gibt ohne Ende Ratschläge für jede Frau, ihr ganzes Leben lang, wie sie sich verhalten sollte, um nicht Opfer eines Sexualverbrechens oder einer Belästigung zu werden. Jede Frau weiß, was ich hier meine. Nun nimmt sich mal eine Kampagne zur Abwechslung die „potentiellen Täter“ vor und versucht, nicht die „Opfer “ auf -oft sinnlose- Vermeidungsstrategien zu sensibilisieren, sondern „Täterverhalten“ anzuprangern. Ich weiß ja, daß der Begriff „Täter“ hier vielen schon unangemessen schien, will auch garnicht Sprücheklopfer aus der Disko mit Vergewaltigern in einen Topf werfen, aber belassen wirs mal bei der Rollenverteilung, nur der Klarheit wegen.

    Und was passiert? Ein paar Kommentare später sind wir schon *wieder* dabei zu diskutieren, wie sich die „Opfer“, hier eben die Frauen, verhalten sollen, wie sie das alles werten sollen, wie sie das alles zu „nehmen“ haben.
    Interessant.

    Was das „es gehören immer zwei dazu“ angeht – sorry, aber meiner Meinung nach ist das ein ziemlich privilegierter Standpunkt. Wenn beide gesellschaftlich gleich stark sind, auf Augenhöhe sozusagen, kann man das auch so sehen. Was ist, wenn der andere in der Überzahl ist, körperlich überlegen, und ich riskiere, indem ich mich verbal wehre, eine Eskalation? Ich kenne nämlich auch Frauen, die verbal gekonnt zurückgeschossen haben – tagsüber, mit anderen Menschen drumherum in zwei Fällen- und die sind dann verprügelt worden. Wie kommt man eigentlich *heile* und mit intakter Würde aus „Du suchts Dir Deine Opferrolle aus“ raus? Oder geht es nur darum, daß man sich als Frau in der Situation aussuchen darf, *Welche* Opferrolle man gerne hätte – gedemütigt, eingeschüchtert, Nase gebrochen, oder auch mal gefeuert, je nachdem wodurch das Machtverhältnis aussieht. Sicher ist das *mein* Verhalten, sicher ist das Täter-Opfer-Interaktion, aber wenn ich indem Moment um meine Sicherheit bemüht bin -umgangsspachlich Angst habe- und darum nicht austeile, sondern verletzt weitergehe, dann ist das Szenario doch deswegen nicht zu 50% in meiner Verantwortung. Diese Hilflosigkeit – ich hätte gerne zurückgepöbelt, muß aber erleben daß ich zu große Angst um meine Sicherheit hatte- macht Teil der Demütigung und der Beleidigung doch erst aus. (Wenn mir das ein sechsjähriger Knirps auf der Straße nachruft, dann alche ich auch, so weit war ich auch schon.) Viele dieser Situationen sind angstbeladen, und die Betroffenen kommen nicht schmollend, sondern mit weichen Knien und Herzrasen heim, und sind dann garantiert offen für den Ratschlag, „Du entscheidest, wann Du beleidigt bist.“ … Grade dieser Clip zeigt zumindest sehr gut, daß es nicht um „beleidigt“ geht. Das banalisiert bedrohliche Situationen doch etwas, indem es sie zu nichts weiter bagatellisiert als persönlichem Empfinden. Vielen Situationen ist das nicht angemessen, und nicht erst der, in der mir jemand was über den Schädel zieht und mich wegzerrt.

    Im Übrigen: Es sucht sich ja nicht jeder sein (Wohn-)Umfeld und sein Arbeitsumfeld aus. Mit angeschlossenem Studium ist man, wenn man die ersten Hürden genommen hat, etwas freier, aber man sollte sich vielleicht mal daran erinnern, daß es nicht allen so geht, weder was die Postadresse angeht noch die Peer Group. Wenn sich sowas also in Eurem Umfeld niemand mehrfach täglich antun muss, es gibt sowas doch. Dann: „It adds up“. Was den einen ein gelegentliches Ärgernis, wirkt sich dann auf die anderen aus wie die Folgen psychologischer Kriegsführung.

    Im Übrigen, ich lade niemanden, der anderthalb mal so schwer ist wie ich, dazu ein, mich unter der Unterführung auf dem Heimweg auf 10 cm Entfernung anzuquatschen um mir zu sagen, daß ich nen geilen Arsch habe, und wo ich noch hin will. Warum wird also von mir erwartet, daß ich innerhalb einer -durchaus auch mal angsterfüllten- Sekunde den unendlich komplexen Vorgang fertigbringe, das genau richtige Interaktionsverhalten zu erraten, das mir ermöglicht, die Situation nicht eskalieren zu lassen, indem ich keinen Dialog mit dem Typen aufbaue, schnell weiterkomme, aber doch irgendwie soviel verbale Gegenwehr loswerde, daß ich nicht mit dem Gefühl heimgehe, ein „wehrloses Opfer“ gewesen zu sein
    – aber das Einfachste, nämlich von jedem Typen zu erwarten, daß er sowas garnicht erst macht, zieht ohne Ende Diskussionen nach sich?

  56. @jj:

    ich will macht und gewalt auch nicht gleichsetzen, meistens treten sie aber gemeinsam auf. gewalt ist eben mittel zum zweck.
    jemand der sich ohnmächtig hält wird ja gerade versuchen das zu ändern indem er macht zu demonstrierten versucht. egal wie kläglich der versuch auch aussehen mag.

    ansonsten sehe ich es wie helga.

    @Nadine:

    „Solche Herrschaftsmechanismen zu spüren, zu erkennen ist eine Form von Selbstermächtigung, nicht länger Gefangene_r eines internalisierten Systems zu sein, sondern die Freiheit zu haben, sich entscheiden zu können. Dafür oder dagegen. Handlungsfreiheit bedeutet für mich Macht. Die hab ich aber nur, wenn ich mir bewusst bin, wie Menschen miteinander agieren, um darauf zu reagieren.“

    verstehe ich nicht. man ist doch trotz des spürens und erkennes gefangen in diesem system und selbst wenn ich mich entscheide keine macht auszuüben heißt das ja nicht, dass es ein anderer nicht trotzdem versucht macht auf mich auszuüben. und der muss sich, wie du selbst sagst: „Ich würde auch unterstellen, dass die wenigsten Sexist_innen sich dessen bewusst sind, was sie da tun“ auch nicht darüber im klaren sein um diese macht zu haben, wenn ich ihm in irgendeiner weise unterlegen bin.

  57. aber das Einfachste, nämlich von jedem Typen zu erwarten, daß er sowas garnicht erst macht, zieht ohne Ende Diskussionen nach sich?

    diese erwartung ist halt ziemlich utopisch. das meiste, was „man nicht macht“, macht irgendwer in der praxis dann doch. apelle an das gute im menschen haben, so weit ich mich entsinne, nur sehr selten abhilfe geschaffen. sogar dinge, die allgemein geächtet und verboten sind, werden getan, obwohl man doch erwarten könnte, das man sowas gar nicht erst macht.

  58. Nun nimmt sich mal eine Kampagne zur Abwechslung die “potentiellen Täter” vor und versucht, nicht die “Opfer ” auf -oft sinnlose- Vermeidungsstrategien zu sensibilisieren, sondern “Täterverhalten” anzuprangern.
    (…)
    Und was passiert? Ein paar Kommentare später sind wir schon *wieder* dabei zu diskutieren, wie sich die “Opfer”, hier eben die Frauen, verhalten sollen, wie sie das alles werten sollen, wie sie das alles zu “nehmen” haben.

    Danke Kantorka, das ist der Gedanke, der mich schon seit ein paar Posts zwickt, den ich aber nicht so recht fassen konnte. Ich lese hier im Blog zwar schon seit einiger Zeit mit, aber ich kriege nicht immer mit, wie sich die Diskussionen entwickeln, da ich nicht immer zu den Artikeln gleich die Kommentare lese. Und da immer recht schnell neue Artikel kommen, konzentriere ich mich dann auf die neue Artikel und nicht auf Kommentare, die ich bei anderen Artikeln noch lesen wollte. Dennoch hatte ich auch ein Déjà-Vu.

  59. @blockquote: Du meinst, das ist naiv? Ja, wenn ich dann auf der Stelle davon ausgehe, daß es unterbunden wird, sicherlich. Welche Kampagne bildet sich schon so viel ein auf ihre Wirksamkeit an? Daß sich Anspruch und Wirklichkeit nicht decken ist klar. Ich erwarte ja auch nicht, daß nie mehr jemand ermordet wird in diesem Land, weil ich an meine Mitmenschen den Anspruch stelle daß sie das nicht tun. Nur ist bei Mord irgendiwemeist allen Beteiligten klar, daß es sozial unerwünschtes Verhalten ist, während man bei vielen Formen der Belästigung noch x Leuten erklären muß, daß und warum es so ist. Ich denke, wenn Du mir was erwidern möchtest, dann entwickelt sich esicher eine fruchtbarere Diskussion wenn Du meine kleine Kommentarnovelle nicht auf eine einzige Pointierung reduzierst und als eine naive Erwartungshaltung liest, die sie nicht ist.

    Was ist zB mit dem, was Lisa aufgegriffen hat? Warum stranden diese Diskussionen immer beim von der Frau gewünschten Verhalten? Liegt es in ihrer Macht vieleicht eher, „Abhilfe zu schaffen“? Genau das wird uns nämlich normalerweise signalisiert, und das ganze wäre kein Problem, sähe es nicht in der Praxis oft anders aus – was anderes zu behaupten heißt, das Ganze auf ein Problem der weiblichen Befindlichkeit zu reduzieren. Das hatten wir auch alles schon. Wie sieht es denn mit dem Wirklichkeitsanspruch von „man sucht sich seine Opferrolle aus“, wo wir schon bei „der Praxis“ sind – wie soll ich mich denn in bedrohlichen Situationen wehren UND schützen, und dann noch bitteschön alles an mir abperlen lassen? Und vor allem -diese Frage blieb ebenfalls unbeantwortet- WARUM wird von mir diese dreifache diplomatische und psychologische Meisterleistung erwartet, aber wenigstens grundsätzliche menschliche Verhaltensweisen von der anderen Seite zu erwarten ist utopisch? Dieses Warum interessiert mich nämlich auch, wenn sich daraus keine sofort in der Praxis umsetzbaren -neuen- Verhaltensregeln für den nächsten Heimweg von der Disse für mich ergeben.
    Ich bin nicht so blöd zu erwarten, daß man alle unerwünschten Verhaltensweisen abstellen kann. Aber die Frage nach dem WARUM zu stellen, das ist ja wohl mehr als erlaubt. Im Übrigen mag es immer Leute geben die alles mögliche machen, aber es kann sehr wohl Wirkung zeigen, bestimmte nicht *immer* geächtete Verhaltensweisen als sozial unerwünscht darzustellen – das ist auch in unserer Sittengeschichte bei weitem nicht immer wirkungslos geblieben. Und genau das könnten solche Kampagnen tun – nicht immer nur an Frauen adressierte Botschaften, was sie für widersprüchliche Verhaltensstrategien an den Tag legen sollen und NICHTS weiter aussagen -an Frauen UND Männer- als: die Verantwortung liegt bei den Mädels! Déja Vu – wie Lisa.

  60. @kantorka

    Word! Danke für diesen Einwurf! Hab auch gemerkt, dass das Metaebenen-Gespräch an dieser stelle schon zu abgehandelt war. Nun direkt wieder in die praxisnahen und vor allen Dingen umsetzbaren Ansätze.

    Ich frage mich, wie Problembewusstsein für Sexismus geschaffen werden kann. Bin da sehr ratlos. Hast du Ideen?

  61. Kantorka,

    „Warum stranden diese Diskussionen immer beim von der Frau gewünschten Verhalten?“

    Interessant… Definitiv nicht meine Wahrnehmung des Threads. Ich sehe das eher so, daß bestimmte Verhaltensweisen von allen als falsch (und unproduktiv) identifiziert wurden und es seitdem um genau das geht, was Du als Problemstellung identifizierst.

    „Aber die Frage nach dem WARUM zu stellen, das ist ja wohl mehr als erlaubt.“

    Genau. Und in dem Zusammenhang ging es dann um die Frage ob und in wieweit das Fehlverhalten als Ausdruck von Macht gewertet werden kann (und, am Rande, wer die Definitionshoheit bzgl. der Einordnung von problematischem Verhalten hat).

  62. WARUM wird von mir diese dreifache diplomatische und psychologische Meisterleistung erwartet, …

    falls diese frage sich an mich richtet: ich erwarte gar nichts, sondern stelle eine möglichkeit zur diskussion, wie man selbst aus der passivität der opferrolle heraustreten könnte – aber nicht muss. außerdem schrieb ich dezidiert, dass es, wie wir alle wissen, situationen gibt, in denen dem opfer kein handlungsspielraum bleibt. die existenz dieser situationen spricht aber in keinster weise dagegen, über die anderen situationen nachzudenken und zu diskutieren.

    WARUM wird von mir diese dreifache diplomatische und psychologische Meisterleistung erwartet, aber wenigstens grundsätzliche menschliche Verhaltensweisen von der anderen Seite zu erwarten ist utopisch?

    wenn die meisterleistung nicht erwartet wird (von mir jedenalls), ist der rest der frage überflüssig.

    Ich erwarte ja auch nicht, daß nie mehr jemand ermordet wird in diesem Land, weil ich an meine Mitmenschen den Anspruch stelle daß sie das nicht tun.

    dieser satz besagt im kontext, dass du NICHT den anspruch erhebst, ein schweres, moralisch absolut verwerfliches tötungsverbrechen solle man nicht begehen, dass du aber den anspruch erhebst, man solle nicht pöbeln. du hältst es offensichtlich für realistischer, dass niemand mehr pöbelt, als dass niemand mehr mordet, wenn ich das richtig verstehe.

    aber wieso stellst du nicht den anspruch, dass man nicht mordet? dass das leben das höchste gut eines menschen ist, weiß wirklich jeder. auch der, dem die wirkung einer pöbelei nicht gewärtig ist. man könnte schlussfolgern, dass dir der anpruch, nicht zu töten, weniger realistisch oder legitim erscheint, als der anspruch nicht zu pöbeln. obwohl die hemmschwelle zu pöbeln viel niedriger liegt, als die zu morden. und sicher hat fast jeder schon mal einem anderen eine art pöbelei nachgerufen, wenn ihm z.b. die vorfahrt genommen wurde. es handelt sich also nicht um ein ungewöhnliches, sondern um ein alltägliches verhalten.

    … nicht immer nur an Frauen adressierte Botschaften, was sie für widersprüchliche Verhaltensstrategien an den Tag legen sollen und NICHTS weiter aussagen …

    nochmal: sollen tut niemand was. ich wäre hier dankbar, wenn sich die diskussion sehr nah am text bewegen würde. sollte ich irgendwann forderungen à la „frauen sollen“ formulieren: ein kleiner hinweis und ich ändere gern die formulierung.

    nun zum zitat: hier gings ja primär nicht „immer nur an frauen“, sondern um „an männer“. der aspekt, dass auch frauen verschiedene reaktionsmöglichkeiten offenstehen, kam erst später hinzu. und ich halte das nachdenken über die frage „könnte ich selbst etwas tun?“, wenn mich das verhalten eines anderen stört, für absolut legitim. nicht nur im fall von pöbelei.

  63. Hey, nachdem ich jetzt mal soundsoviele Blogeinträge und Kommentare zum Thema Sexismus gelesen habe muss ich feststellen, dass (jedenfalls mir) eine Sache anscheinend nicht möglich ist. Die Frage von Nadine an Kantorka zu beantworten:

    Ich frage mich, wie Problembewusstsein für Sexismus geschaffen werden kann. Bin da sehr ratlos. Hast du Ideen?

    Oberflächlich, die Darstellung von strukturellen Möglichkeiten betrachtet gäbe es schon einiges.
    ABER: Die Arbeit gegen Sexismus (jegliche Diskriminierung, nebenbei bemerkt) läuft im Kern immer wieder darauf hinaus, ständig und mühsehlig eigene Schubladen und Vorurteile zu entdecken und zu hinterfragen. Das zu tun hieße, hier die eigenen Techniken zum Abbau von Vorurteilen darzustellen, in meinem Fall die eigenen Erfahrungen mit der Überwindung von eigenen Sexismen darzustellen und über die Folgen davon zu reden. Der Bedarf sich dazu auszutauschen wäre (jedenfalls vom meiner Seite) da.
    Im Kontext von gewolltem Missverstehen, vom Hölzchen zum Stöckchen Kommentaren, sinnbefreiten zerstückelten Quotes, und vor dem Hintergrund, dass ich mir nie sicher sein kann, ob ich nicht eine verletzende Replik bekomme wenn ich mich gedanklich vergaloppiere, ungewollt besserwisserisch ankomme oder mich nicht auf kommentatorische Machtspielchen einlasse. Blogkomentare scheinen mir nicht der geeignete Ort zu Sein, meine (hoffentlich ehemalige) heteronorme männliche Sozialisation aufzudröseln.

    [Im Kontext mit Alltagsrassismus ist „die Gesellschaft“ was das Aufdröseln von Vorurteilen angeht ein gutes Stück weiter. Es ist normaler geworden, eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen und es ist vielen Leuten besser möglich ein Feedback zu geben, dass ungefähr lautet: „Das was du da denkst/sagst ist rassistisch weil…, lass es bitte“ anstatt „Du bist ein Rassist, weil“.]

  64. Thomas_Düsseldorf,

    was Du in Deinem letzten Absatz sagst, finde ich wichtig!

    Ich fände es auch für den Anfang ganz nützlich, mal eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs zu haben, über die man dann diskutieren kann. Das Konzept leidet aus meiner Sicht enorm unter Unterdefinition durch Überdefinition – selbst wenn man nur mal die feministischen Definitionen nimmt (http://gendertalk.transgender.at/sexismus.htm). Ein zentrales Problem besteht aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang darin, daß der Begriff ein zentrales Element feministischer Diskurshegemonie in Genderfragen ist, weswegen eine klare Definition seinen Einsatz als rhetorische Allzweck“waffe“ gefährden würde, weil sie eine klare Abgrenzung von Fällen von Sexismus und Fällen von Nicht-Sexismus erlauben würde. Solange Sexismus alles bedeuten kann, von der rechtlichen Benachteiligung auf geschlechtlicher Basis bis hin zum diskursiven Versuch heterosexuelles Begehren zu kontrollieren („Du magst Brüste, Du Sexist!“), ist es wirklich eher schwierig, dafür ein Bewußtsein zu schaffen – weil der Begriff selbst dazu geeignet ist, defensive und ablehnende Reaktionen hervorzurufen und a priori immer implizit in der Nähe feministischer Versuche, männliches Begehren zu Kontrollieren gesehen werden wird. Und wie Du sagst, niemand wird sich unter einem askrpitiven, negativen Label verändern.

  65. ach hätte ich den letzten Absatz doch weggelassen…
    Andererseits hab ich was draus gelernt…
    Das Folgeposting von jj spiegelt genau mein Problem.

    Anstatt im Falle eines Falles an eben der richtigen Stelle zu schreiben: „Deine Definition von Sexismus geht mir zu weit, weil…“ braucht es anscheinend (für dich jj, aber auch für andere) erst mal Sicherheit in strukturellen Fragen weil sonst der feministische Sexismusvorwurf zur Allzweck“waffe“ werden könnte.

    Das ist genau die Art von Antwort, die es mir hier nahezu unmöglich macht über meine Gefühle zu schreiben. Das offene Beschreiben der eigenen Wahrnehmung und Erfahrung eigener und fremder Vorurteile wäre aber in einem Diskurs zur Überwindung von Diskriminierung notwendig.

  66. Es gibt weder eine Allzweckwaffe Sexismusvorwurf noch feministische Hegemonie über Gendertheorie.

    Anstatt zu bagatellisieren und zu diffamieren, wären bei allem unterschiedlichen Gesprächsbedarf über das Thema Faktennähe angebracht.

    Vielen Dank.

  67. Nadine,

    „Es gibt weder eine Allzweckwaffe Sexismusvorwurf noch feministische Hegemonie über Gendertheorie.“

    Welche alternativen Theoriekonstruktionen gibt es denn im Genderbereich? Ist durchaus eine ernsthafte Frage, wenn Du welche kennst, würde mich das interessieren. Aber ich kenne keine.

    Thomas_Düsseldorf,

    „Sicherheit in strukturellen Fragen weil sonst der feministische Sexismusvorwurf zur Allzweck”waffe” werden könnte.“

    „Das ist genau die Art von Antwort, die es mir hier nahezu unmöglich macht über meine Gefühle zu schreiben. Das offene Beschreiben der eigenen Wahrnehmung und Erfahrung eigener und fremder Vorurteile wäre aber in einem Diskurs zur Überwindung von Diskriminierung notwendig.“

    finde ich interessant – ernsthaft. Kannst Du Deine Wahrnehmung vielleicht etwas mehr erläutern?

    Mir machen es nämlich die „Allzweckwaffe“ und die feministische Diskurshegemonie schwer, offen über solche Themen zu reden, weil ich grds. nicht das Gefühl habe, daß meine (männliche) Meinung als gleichwertig angesehen wird. Das ist feministische Diskurshegemonie. Und eine Allzweckwaffe ist der Sexismusvorwurf (ob nun konkret oder als Hinweis auf das axiomatische männliche „Privilege“) aus dem gleichen Grund – man kann sich schlicht nicht dagegen wehren.

    Habe ich Dich richtig verstanden? Du könntest „ohne“ eine klar definierte begriffliche Grundlage leichter über Deine Wahrnehmung reden als mit? Es fällt mir halt schwer nachzuvollziehen, wie man mehr erfahren könnte, wenn alle über etwas anderes reden.

    Wie könnten wir vorgehen, um die unterschiedlichen Ansätze zusammen zu bringen?

  68. wenn die meisterleistung nicht erwartet wird (von mir jedenalls), ist der rest der frage überflüssig.

    Sie wird scheinbar erwartet. Ob von Dir, weiß ich nicht. Aber von einer Gesellschaft, die Frauen mit Verhaltensvorschlägen lebenslang überhäuft, wie sie solche Situationen vermeiden können, die sie nicht aktiv herbeigeführt haben, und sonst niemanden adressiert, so als ginge es nur sie etwas an – anders als dieser Clip. Ist die Frage jetzt weniger überflüssig? Sie stellt sich mir öfter, wenn ich Debatten wie diese verfolge.

    nochmal: sollen tut niemand was. ich wäre hier dankbar, wenn sich die diskussion sehr nah am text bewegen würde.

    Welchem Text? Meine Kommentare sind nicht ausschließlich als Replik auf Deine Postings zu lesen. Mal ehrlich, Mädchen werden dazu *erzogen*, haufenweise Sachen nicht zu sollen, um sich selbst nicht in solche Situationen zu bringen. Nicht trinken oder alleine nachts rumlaufen etc sind da nur die wenig subtilen – das geht viel weiter. Da muß ich bei keinem Text bleiben.

    Ich will ungern die anderen Mitleser mit Wiederholungen quälen, aber es geht mir um das immer wiederkehrende Muster, nach dem endlose Kampagnen Frauen mit teils recht unrealistischen Ratschlägen für die Welt da draußen rüsten und somit die Vernatwortung, vom dumm angemacht werden bis zum Sexualverbrechen, IMMER implizit bei ihnen zu liegen scheint, während es eben an Botschaften an die andere Seite mangelt. (Es können sich zB nicht alle Frauen ihren Heimweg und die Uhrzeit aussuchen.) Wir hatten diese Diskussion auch hier sehr oft, bei artverwandten Beiträgen. Ich rede nicht davon, daß Frauen nicht aktiv werden können, das ist mir auch schon mit Erfolg gelungen, und dann wieder nicht weil ich nicht die mit den Optionen war. Und wenn es in dem Clip darum gegangen wäre („How to empower your daughter instead of teaching her to live in fear“, so was halt), würde ich gerne und endlos reden. Aber ganz ehrlich: Über das Verhalten von Frauen in diesen Situationen wir IMMER geredet, und oft NUR.
    Hier ist mal eine Gelegenheit, festzuhalten, wie ein Clip aussehen *könnte*, der sich an die wie auch immer definierte andere Seite richtet. Tja. Ich könnte mehr sagen, aber im Prinzip habe ich mich schon erklärt.

    Es ist eben nicht dasselbe, Mädchen und Frauen wie auch immer beizubringen, sich nicht freiwillig in Opferrollen zu fügen, und Situationen, wie sie denn geschehen, zu einer Sache umzuanalysieren, an der beide fifty-fifty gemeinsam gestrickt haben. (Ich mag diskurstechnisch nicht so beschlagen sein wie andere Diskussionteilnehmer hier, aber ich kenne einfach zu viele Menschen – nicht nur Frauen-, in deren Ohren diese Art der Analyse wie Hohn klingen muß.)

    dieser satz besagt im kontext, dass du NICHT den anspruch erhebst, ein schweres, moralisch absolut verwerfliches tötungsverbrechen solle man nicht begehen, dass du aber den anspruch erhebst, man solle nicht pöbeln. du hältst es offensichtlich für realistischer, dass niemand mehr pöbelt, als dass niemand mehr mordet, wenn ich das richtig verstehe.

    aber wieso stellst du nicht den anspruch, dass man nicht mordet?

    Bitte? – Ist das jetzt ernst gemeint? Der Satz besagt das Gegenteil, zumindest, wenn man nicht nur die erste Hälfte liest. Ist das jetzt Fehlinterpretation oder rhetorisches Armdrücken? Nee, sorry, an dem Punkt steige ich aus – die Haare spalte ich nicht mit.

    Ich geh dann mal (ernsthaft) über Nadines Frage grübeln.

  69. jj, drei Dinge: Zunächst einmal sehe ich es nicht so, dass männliche Meinungen in feministischen Kreisen grundsätzlich weniger zählen. Aber selbst wenn dem so wäre, lebtest du 99% der Zeit in einer Welt, in der männliche Meinungen genausoviel, meist sogar mehr zählen als weibliche Meinungen. Und dann gehst Du an den einzigen Ort der Welt, der das deiner Meinung nach nicht macht und beschwerst dich. Ernsthaft? ERNSTHAFT?

    Schließlich sind wir damit wieder in einer unsäglichen Metadiskussion gelandet, die bereits unzählige Male stattfand, wieder ging es irgendwann darum, was Frauen tun „können“ und das eigentliche Thema, dass Alltagsseximus endlich ernst genommen und bekämpft werden muss, statt als „boys will be boys“ verharmlost zu werden, ist völlig untergegangen.

    ==>Netiquette.

  70. Der Satz besagt das Gegenteil, zumindest, wenn man nicht nur die erste Hälfte liest.

    warum hast du dann nicht einfach das gegenteil geschrieben. mir leseschwäche zu unterstellen, ist wohl kaum das mittel der wahl zur klarstellung deiner aussagen.

  71. Ich zitiere mich selbst:

    Ich erwarte ja auch nicht, daß nie mehr jemand ermordet wird in diesem Land, weil ich an meine Mitmenschen den Anspruch stelle daß sie das nicht tun.

    Genauso, wie ich an meine Mitmenschen den Anspruch stelle, niemanden zu belästigen OBWOHL ich natürlich nicht naiverweise und hoffnungsfroh erwarte, daß daraufhin die Fälle sofort auf Null zurückgehen.

    Meine Güte, mit dem Brecheisen.

    Ich möchte außerdem anmerken, daß ich aus dieser Diskussion aussteige, die vom Meinungsaustausch ins rhetorische Armdrücken abgeglitten ist.

    Schließlich sind wir damit wieder in einer unsäglichen Metadiskussion gelandet, die bereits unzählige Male stattfand, wieder ging es irgendwann darum, was Frauen tun “können” und das eigentliche Thema, dass Alltagsseximus endlich ernst genommen und bekämpft werden muss, statt als “boys will be boys” verharmlost zu werden, ist völlig untergegangen.

    Ganz genau.

  72. dem feminismus ging es immer darum, was frauen tun können und nicht darum, apelle an die barmherzige einsicht der männer zu richten.

  73. @blockhouse

    Ich habe in diesem Post schon einmal daran erinnert, dass mehr Faktennähe und weniger Pauschalität wünschenswert wäre. es gibt weder DEN Feminismus, noch haben die diversen Feminismen ein einziges, übergeordnetes Ziel. Außerdem: Was soll dieser rhetorisch und gleichsam perfide Kniff, dass die stetigen Handlungsappelle an Frauen vom Feminismus kämen? Also gar nichts mit androzentristischem Hegemonialverhalten zu tun hätten? Ist Feminismus schuld an sexistischen Miseren und ihrer Unlösbarkeit? Bitte Vorsicht.

  74. treffende kampagne! und auch der youtube-clip (die beiden frauen mit der versteckten kamera) trifft den punkt genau.

    jetzt, wo es endlich warm ist und das wetter schön, kristallisieren sich- u.a. dank weniger/sommerlicher kleidung meinerseits- auch die schlechten manieren vieler männer raus. sei es, mir, mit umdrehen inklusive, auf brust und po zu glotzen, scheinbar im selbstgespräch aber laut genug „sexy bitch“ im vorbeigehen zu sagen oder schnalzgeräusche zu machen, ohne rücksicht anzutanzen und auf abweisung beleidigt zu reagieren, wenn nicht sogar wütend, oder auch dumme, direkte anmachen (wenn man das überhaupt so nennen kann, denn diesen typen geht es meiner meinung nach um provokation und machtgehabe): vier in einem auto, der fahrer hängt den arm zum fenster raus, formt mit der hand ein loch und ruft „ich glaub, du hast was verloren“…oder in der disko: ein typ sagt im vorbeigehen (umringt von kumpels) zu mir: „ich glaub, wir kennen uns woher“ und klopft mit der flachen hand auf die hohle faust der anderen hand (jemand hier, der die geste nicht versteht/ kennt?) oder ein besoffener auf einem festival: „darf ich dir mal an die möse packen?“ oder zwei jungendliche im vorbeigehen: „boah, damit kann man ja kastanien knacken“…ein typ hat mir in der disko, nachdem ich ihn mehrere male beim antanzen von mir und zwei freundinnen mit wegschieben behindert habe, in russischem akzent versprochen: „wenn ich dich einmal haue, bist du tot!“
    (…ich kann mich nicht an alles erinnern, das sind nur ein paar beispiele)

    ich bin nicht auf den mund gefallen, aber bei manchen frechheiten ist man einfach so perplex, daß einem nix mehr einfällt. man kann sich diese respektlosigkeit einfach nicht vorstellen, die manche an den tag legen. abgesehen davon hätte man viel (mit idioten) zu tun, würde man auf alles kontern.

    leider sind es öfter männer/jugendliche mit migrationshintergrund, die sich mit aktionen (sprüchen, schnalzen, hupen) besonders hervortun. die deutschen machen das im vergleich seltener und eher angetrunken.

    ich empfinde das als asozial, respektlos, unreif, profilierend, machterhaltend oder -demonstrierend, erniedriegend, demütigend, übergriffig. und es ist mir scheißegal, wie deren kindheit war, oder wie unsicher deren umgang mit frauen, sich selbst, sexualität oder geschlechterrollen ist. ich erwarte respekt. punkt.
    es gibt sicher einzelfälle, in denen ich solch ein verhalten verzeihen oder gar verstehen kann, aber meistens hat es nichts mit flirten, anbandeln, kontaktaufnahme, komplimenten und annäherung zu tun. sondern mit macht. wenn ich mir vorstelle, wie frauen in den medien, der werbung, den musikvideos, den pornos meistens dargestellt und degradiert werden, wundert so ein verhalten nicht. ich werde oft so wütend, daß dieses verhalten so verbreitet und selbstverständlich ist. welcher kumpel würde in so einem moment sagen: „hast du sie nicht alle? benimm dich!“ ? welcher passant würde sich bei sowas noch umdrehen? es ist alles eine grauzone, das meiste von diesen aktionen geschieht im halböffentlichen- es sind zwar menschen in der nähe, aber nicht nah genug um alles zu hören. oder die dinge werden nicht direkt angesprochen, sondern nur angedeutet, so daß derjenige nachher sein verhalten total anders erklären kann. aber: ich als frau weiß, was gemeint ist, und das geht wohl allen frauen so. (des öfteren würde ich gerne den typen einfach auf die fresse hauen. aber sie wissen, daß sie in den meisten fällen nichts/ wenig zu befürchten haben. sonst würden sie sich wohl nicht so viel erlauben.)

    ich habe in meinem männlichen umfeld erlebt, wie überrascht einige waren, wenn ich denen mal erzählt habe, was ich so tagtäglich erlebe mit ihren geschlechtsgenossen.

    es muß ein umdenken her, finde ich. es darf nicht normal sein, frauen auf diese art zu begegnen. und viele müssen anscheinend den unterschied zwischen flirten und belästigen lernen, das zweite darf nicht unter dem deckmäntelchen des ersten akzeptiert und gerechtfertigt /schöngeredet werden.

  75. Ich sehe hier noch die Problematik daß ja nicht unbedingt alle Frauen sich bedroht fühlen bzw. auch eine einzelne Frau ggü solchen „Flirt“versuchen (so ungelenk sie auch sein mögen) eine durchaus ambivalente Einstellung haben kann: Einerseits die physische Bedrohung, andererseits die Wertschätzung des eigenen Aussehens durch andere.

    Ich glaube nicht daß hier Frauen diskutieren die durch solch dämliche Anmache eine Steigerung ihres Selbstwertgefühls erfahren. Aber, nun ja, es gibt halt auch die Tussi-Fraktion die da die Prioritäten etwas anders setzt, und für den „Mann von der Baustelle“ isses vielleicht nicht unbedingt immer einfach die einen von den anderen zu unterscheiden.

  76. Das Video ist leider bei Youtube auf „privat“(wtf?) gestellt worden. Ich habe ihm schon hinterhergegoogelt, aber selbst die offizielle Webseite dazu scheint sich davon distanzieren zu wollen, denn sie leitet jetzt nur brav auf die Mutterseite um, auf der auch kein Hinweis zur Kampagne mehr zu finden ist. Dabei fand‘ ich das Video sowas von überfällig, gut veranschaulichend und wichtig.
    Wenn es jemand gespeichert haben oder im Netz noch gefudnen haben sollte, könnte er_sie es dann bitte hier kommentieren?
    Ich würde mir das Video echt gerne sichern.
    Dankeschön schonmal
    ~Glitter

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