Patrick Pricken kann sich schlecht einschränken. Darum bloggt er über Politik, Religion, Gesellschaft, Sexualität, kritisches Denken, Bücher, Filme und rezensiert nebenher noch Twilight und Biokrieg kapitelweise. Beeinflusst werden die Beiträge durch seine Vorliebe für Wissenschaft und Skepsis und seine ideologischen Wurzeln im Humanismus und Feminismus. Einen direkten Bezug zu letzterem gab es bei der Kampagne der DNA-Stiftung, deren Name sich von Demi Moore (D) und (N) Ashton Kutcher (A) ableitet. Die Stiftung hat Filme mit prominenten Kerlen gedreht, um auf Zwangsprostitution von Minderjährigen und Menschenhandel aufmerksam zu machen, und dazu ganz tief in die Stereotypenkiste gegriffen. Aber seht selbst:
Habt ihr am Ende auch gestutzt?
Das ist ein Film der DNA-Stiftung von Demi Moore und Ashton Kutcher, die sich mit einer ganzen Reihe solcher Videos gegen sexuelle Ausbeutung und den Handel von Minderjährigen einsetzen. Ein weiteres Beispiel:
Ich halte diese Filme für ziemlich misslungen.
Erstens ist der vermeintliche Humor viel zu weit von der Botschaft entfernt. »Echte Kerle kaufen keine Mädchen« kommt wie aus dem Nichts und ergibt auch im Nachhinein nicht wirklich Sinn. Hier ist das Konzept zu weit getrieben wurden.
Zweitens habe ich hier ein ähnliches Problem wie bei dem Old-Spice-Typen: es wird ein ganz bestimmter Stereotyp von Männlichkeit gefeiert, der Bier trinkt, das Bügeleisen für Sandwiches missbraucht und ansonsten nur hart und cool und unnahbar ist. Das ist ein schädlicher Stereotyp, der nichtsdestotrotz positiv besetzt ist. Hier werden keine Bilder ironisiert, sondern hier sollen Typen vor dem Bildschirm »Fuck Yeah« sagen, weil diese Männlichkeit erstrebenswert ist. Männer sollen so sein und Frauen sowas wollen. Anders als bei Old Spice finde ich es aber noch problematischer, diese Stereotypen mit Sexhandel zu verknüpfen.
Drittens ist das Thema von Prostitution leider nicht dasselbe wie Vergewaltigung. Bei Vergewaltigungen wird gerne den Überlebenden gesagt, sie sollten vorsichtiger sein. Dort habe ich begrüßt, wenn sich Kampagnen mal gegen die Täter richten. Bei Prostitution aber sind die Freier in meinen Augen ohnehin oft die Schuldigen. Hier wäre es vielleicht angebrachter, mal die systemischen Bedingungen zu beleuchten, wie man das ja auch mit Rape Culture (ansatzweise) tut. Vor allem stört mich, dass dieselbe Begründung eben auch bei Prostitution mit Erwachsenen verwendet wird, und dass Organisationen gegen Menschenhandel (vor allem in den USA) gerne jede Form von Prostitution über einen Kamm scheren und jeder Frau im Sexgewerbe nur eine Opferrolle zusprechen und kein Mitspracherecht. Darum finde ich »Real Men don’t Rape« angemessener als »Real Men don’t buy Girls« – zumal bei der ersteren Kampagne eben nicht die typischen Rollenklischees transportiert werden.
Gleichzeitig weiß ich aber, dass auch in der legalen Prostitution immer mehr junge Gesichter nachgefragt werden und entsprechend auch minderjährige oder gerade nicht mehr minderjährige Mädchen und Frauen ins Land geschleust werden, um den zahlenden Männern dienlich zu sein. Und gegen diese abgefuckte Situation muss man etwas tun. Ich bin theoretisch pro Prostitution, wenn es wirklich mehr oder weniger freie Entscheidungen sind, die in dieses Geschäft führen, aber in der Realität ist das leider lange nicht der Regelfall. Dadurch wird der Fehlschlag dieser sicher teuren Werbekampagne aber noch schmerzhafter.
(Dieser Text erschien ursprünglich auf p-pricken.de.)
Saubere Analyse – aber warum ist Prostitution „leider“ nicht dasselbe wie Vergewaltigung? Dass Prostitution nicht immer auch Vergewaltigung bedeutet, ist doch eher positiv.
Zweiter Punkt: Du stellst die häufige Beschuldigung von Vergewaltigungsopfern gegen die Behauptung, im Kontext der Prostitution seien Freier „ohnehin oft die Schuldigen“. Ist das denn falsch? Wenn es um Zwangsprostitution geht (und damit um Schuld) sind natürlich die Freier, Zuhälter etc. schuldig. Bei zwangsfreier Prostitution stellt sich die Schuldfrage überhaupt nicht, und in diesem Zusammenhang leiden eher die Prostituierten unter sozialer Stigmatisierung als die Freier.
Im Übrigen stehe ich der Prostitution auch theoretisch nicht positiv gegenüber, weil ich Sex nicht gern als Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sehe. Aber da bin ich vielleicht zu konservativ. :)
Hey,
das bezog sich für mich auf den Vergleich zwischen den beiden Kampagnen, sonst nichts. Bei Prostitutionsgegnern werden die Freier an den Pranger gestellt**, bei Vergewaltigungen geht es dann gerne mal gegen die Überlebenden. Das „leider“ hätte ich wohl weglassen können, was war etwas frotzelig aus Sicht derer gedacht, die das bisweilen gleichsetzen wollen.
**Ich habe nichts gegen legale Prostitution, und ich kenne (übers Internet) einige Sexarbeiter_innen, die ihren Beruf nach allem, was ich abschätzen kann, freiwillig ausüben und darunter auch nicht beständig leiden (dass Menschen auch aufgrund von Armut „freiwillig“ in die Sexarbeit kommen, ist noch mal eine andere Geschichte). In diesem Fall finde ich es falsch, Freier zu verteufeln. Aber ja, Zwangsprostitution darf die Freier ruhig ins Spotlight stellen.
Ich denke da natürlich auch stark an us-amerikanische Aktionen, wo Leute fotografiert werden, die aus einem Stripclub kommen und so was. Die gesellschaftliche Ächtung von Sexarbeiter_innen siehst du natürlich richtig.
Diese Aktion ist in der feministischen Blogsphäre ausführlich Kritisiert worden, und dem schliesse ich mich an. Vor allem das Werben mit „echter Männlichkeit“ finde ich hier problematisch. Das Thema Child Trafficking etc ist in den Medien so breit vertreten und das Bewusstsein dafür ist bereits da. Deshalb glaube ich nicht, dass es da etwas bringt so eine Kampagne durchzuführen (vor allem nicht eine so merkwürdige). Mir scheint es eher nach einer PR-Aktion für Promis, weil das Thema aktuell viel diskutiert wird und man auf den Zug aufspringen will.
Werbung soll immer eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. Diejenigen, die den gezeigten Stereotyp von Männlichkeit von vornherein ablehnen sind nicht Zielgruppe dieser Spots.
Oh, danke, black, für diese nützliche Info.
Dann sag doch mal: wer ist Zielgruppe? Wem muss man sagen, dass sie keine Kinder kaufen sollen? Und werden diese Leute hiermit angesprochen?
@Patrick
Zielgruppe sind diejenigen, die dem dort gezeigten Bild von Männlichkeit nacheifern.
Wenn Du nun fragst, ob oder warum man dieser Zielgruppe die gezeigte Botschaft überhaupt noch mal gesondert „sagen muss“ dann ist das keine Frage des Inhaltes der Spots mehr, sondern vielmehr die Frage, ob solche Spots (egal wie man sie inhaltlich umsetzt) überhaupt notwendig sind. Das hat dann aber mit dem Inhalt nichts mehr zu tun.
Also, wenn ich das richtig verstehe:
Wenn ich etwas an einem Spot zu kritisieren habe, liegt das daran, dass ich einfach nicht zur Zielgruppe gehöre. Also ist Kritik hinfällig (?). Und wenn ich die Zielgruppe kritisieren möchte, hat das nichts mit dem Spot zu tun, also ist Kritik hinfällig (?).
Dann ist ja alles in bester Ordnung.
Tja Patrick, Logik ist eben nicht gleich Logik ;)
Melissa Gira Grant (die auf der re:publica 10 gesprochen hat) hat in ihrem Tumblr inzwischen eine Liste an Organisationen von und für Sex-Arbeiter_innen und betroffene Jugendliche veröffentlicht.
Mal etwas ganz anderes… assoziiert man Sean Penn denn überhaupt mit dem biertrinkenden Männerstereotyp? In meine Lesart spielen Rollen und Figuren wie Harvey Milk und Sam (aus „I am Sam“) rein. Würde da also eher nicht zutreffen. Diese Bügelszene ist natürlich trotzdem hochgradig albern.
Mir gefällt die Werbekampagne auch nicht. Zwar scheint der „real man“ mit unterschiedlichen Typen besetzt zu sein und bedient deswegen zumindest diverse Stereotype. Dennoch sehe ich, wie auch Patrick, die Zusammenhänge nicht. Die Vermutung liegt dann schon nah, dass es sich um eine Art Charity-PR handelt.
Und was soll das denn schon wieder? „Real men don’t buy girls“, weil sie die ohnehin auch so rumkriegen?
Wenn ich eine nicht unerhebliche Anzahl meiner Geschlechtsgenossen im Alltag sehe, sind stereotype Männlichkeiten (leider) nach wie vor hoch im Kurs.
Auch ist Männlichkeit nach wie vor etwas, was sich auf Frauen bezieht und damit als „Erfolgsfaktor“ männlich identitätsstiftend und ein Bestandteil gängiger männlicher Leistungsorientierung. Einen weltbewegenden Fortschritt habe ich hier im Alltag leider bisher wenig beobachten können.
Hier im Alltag für „doing-gender“ u.ä. zu werben, erreicht die „Zielgruppe“ nicht oder man ist relativ schnell „out“ und damit im null-Akzeptanzbereich.
Wenn die Kampagnen die Alltagsmännlichkeiten bei ihrer Prädisposition abholen und damit ein gutes Ziel – Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution – erreicht, würde ich persönlich alte Stereotypisierungen eher billigend in Kauf nehmen.