„Das schöne an (trans*feindlicher) Bionade – mensch kann sie auch weglassen!“

… kommentierte Facebook-User_in Yori Gagarim unter einem vor wenigen Tagen ver­öffentlichten Posting auf der Facebook-Seite der Bionade GmbH, mit dem die Firma ganz stolz ihren neuen Werbe­spot anpries. Beworben werden soll die neue Bionade Cola. Was folgt ist ein Video, in dem eine Person wahrscheinlich gerade eine Bühne verlässt, in den Backstage-Bereich geht und angeklebte Finger­nägel und Wimpern, Perücke und Ohr­ringe abnimmt und das Make-Up vom Gesicht abwischt. Kommentiert wird dies so: „Das Schöne an künstlichen Zusätzen: Man kann sie auch weglassen. Rein natürlich. Weniger süß. Typisch Bionade.“

Wenn es hier lediglich um ein Getränk ginge, dass ohne künstliche Zusatz­stoffe verkauft werden soll, könnte es mir ja egal sein. In dem Werbe­spot wird aber eine ganz bestimmte, sehr problematische Geschichte erzählt. So nehmen die Verantwortlichen des Werbespots an genau zu wissen, welche Geschlechter­performances „natürlich“ und welche „künstlich“ seien. Im Werbespot wird „Künstlich­keit“ gleich­gesetzt mit der Geschlechter­performance eines als Mann gelesenen Menschen, der Ohrringe, Perücke und Make-Up trägt. Erst als er_sie diese Accessoires abnimmt, wird das Auftreten der Person als „natürlich“ eingeordnet und durchweg positiv dargestellt, denn das Motto lautet ja: „Das Schöne an künstlichen Zusätzen: Man kann sie auch weglassen.“

Die Zuschauer_innen lernen also: Als Männer gelesene Menschen wirken in ihrer Geschlechts­identität erst dann „natürlich“, wenn sie das, was von den Werbemacher_innen als Verkleidung dargestellt wird, ablegen. Das heisst, dass Menschen, die (oftmals sogar falsch!) als „Männer“ gelesen werden, genau dann als „unnatürlich“ und „künstlich“ gelten, wenn sie Make-Up und eine Perücke tragen. Die Botschaft: „Natürliche“ (oder wohl eher: unhinterfragte und hegemoniale) Männlich­keit verträgt sich halt nicht mit funkelnden Ohrringen, denn das ist ja weiblich konnotiert. Muss also Verkleidung sein. Für eine komplexe Idee von Geschlecht und Geschlechts­identitäten jenseits von hetero­normativer Zwei­geschlecht­lichkeit fehlt dement­sprechend die Vorstellungs­kraft.

Fazit: Herausgekommen ist ein trans*feindlicher, hetero­normativer Werbespot, der glücklicher­weise bereits eine Menge kritischer Kommentare generierte, die es lohnt durchzulesen. Kritiker_innen fordern die Absetzung des Werbe­spots und eine selbst_kritische Auseinander­setzung mit dessen trans*feindlichen Botschaften.

Auch ihr könnt Bionade eure Meinung sagen: Auf Facebook, Twitter, via E-Mail: info@bionade.de oder im Kontaktformular.

Und für den nächsten Einkauf seid daran erinnert: Das schöne an (trans*feindlicher) Bionade – mensch kann sie auch weglassen!

16 Kommentare zu „„Das schöne an (trans*feindlicher) Bionade – mensch kann sie auch weglassen!“

  1. Da es sich im Umfeld aber um ein Varieté handelt, wenn ich das richtig einordne, sehe ich da eher einen Travestie-Künstler, der sich umzieht und keinen Transsexuellen. Trotzdem wäre es viel schöner und interessanter gewesen, eine sehr aufgetakelte Frau zu nehmen. Aber auf so was kommen die Leuchten in der Agentur ja nicht.

  2. @lesbomat: Ich würde vorsichtig sein mit solchen Annahmen, das ist ja Teil des Problems. Die generelle Problematik bleibt ja weiterhin bestehen: Diese „Natürlichkeit“ vs. „Künstlichkeit“ Dichotomie, die in diesem Werbespot in Verbindung mit Geschlecht(erperformance) re_produziert wird.

  3. Ausserdem wäre das identifizieren von geschminkten/ geschmückten als Frauen ident. als „aufgetakelt“ auch noch mal problematisch, weil immer jemandem wegen der Performance seiner Wahl irgendwas abgesprochen wird.
    Davon abgesehen geht der Spot obendrein auch noch für mich nach hinten los, weil ich die Person vorher und nachher schön fand, und das negativ besetzen von Zusätzen für mich nicht funktioniert hat.

  4. Dabei hätte es so ein schöner Spot werden können,… in der Werbung sichtbare, fröhlich lächelnde Travestie-Künstler. Aber es musste ja peinlich werden (als der Spruch dann kam).
    Wenn das nur ein Werbespot wäre… dabei gibt es so viele Spots, die heteronormative Rollenbilder viel subtiler reproduzieren. Ich bin neu auf eurer Seite und habe daher vielleicht etwas übersehen – aber falls ihr oder befreundete Blogs schon allgemeinere / umfassende Medienkritik verfasst habt, würde ich mich über Links dazu freuen!

  5. Euer Blog gefällt mir gut. Ihr habt immer den Finger in irgend einer offenen Wunde. Den meisten Werbefirmen ist mMn egal, ob sie mit ihren Botschaften einzelne Gruppen verletzen oder treffen, die Hauptsache, der Spot bleibt im Gedächtnis. Zumindest das hat die Firma ja erreicht, wenn ich die Diskussionen verfolge. Dort wo es um Geld geht, kann man nicht unbedingt immer Moral erwarten. Darüber hinaus ist natürlich die Gesellschaft sehr aufnahmefähig für solche Botschaften. Wir driften eh immer mehr in Körperkult und Narzissmus ab. Nicht umsonst wird bei Werbefotos erfolgreich Photoshop verwendet. Auch da interessiert sich hinterher keiner dafür, wie viele Menschen sich mit den Fotos messen und Hass gegen den eigenen Körper entwickeln. aber generell ist es natürlich grundsätzlich aus meiner Sicht problematisch, wenn man Food-Werbung auf Kosten von Menschen macht.

  6. Nachdem transsexuelle Frauen durch einen massiven Lobbyismus, der teils auch aus der queeren Szene kommt, heute als unbiologisch gelten (Stichwort: Gender Expression) und man ihnen unterstellt, sie haetten eine „Geschlechtsidentitaet“, die vom „biologischen“ Geschlecht abeiche, solange braucht man sich ueber solche Spots ja nicht wundern. Wir leben eben in Deutschland, einem Land in denen gebuertigen Frauen ihr Recht aberkannt wird, auch als solche anerkannt zu werden, da sie, so die Grundlage ja mit einem Penis geboren seien. Das ist Sexismus, ein Sexismus der bereits urspruenglich in den Thesen um „Geshlechtsidentitaet“ und co begruendet liegt. „Geschlechtsidentitaeten“ gibt es in Wirklichkeit aber nicht, da Menschen nur sie selbst sind und niemals jemand anderes.

  7. @lesbomat:
    Ich vermute, dass du meinst, dass es sich wahrscheinlich um keine Transfrau handelt. Diese mit männlichem Geschlecht anzureden spricht ihr ihr Geschlecht ab und wird von den meisten als trans*feindlich empfunden. (Wenn du meinst, dass die Person ein Travestiekünstler und kein Transmann ist, würde dein Satz ja nicht mehr so viel Sinn machen.)

    Außerdem: Eine aufgetakelte Frau ist künstlich? Und, wie die Bionade-Werbung nahelegt: überflüssig? Da wären wir doch wieder bei der Abwertung von Femininität, die alle femininen Menschen betrifft – wenn auch als Männer verortete Menschen in anderer Weise als Menschen, die als Frauen verortet werden. Ich fände es besser, wenn alle sich so geben können wie sie wollen – sei es feminin, maskulin, androgyn, neutral, sonstwie… – ohne dafür negativ bewertet zu werden. Auch wenn der allgemeine Femininitäts-Zwang für Frauen verhindert, dass die Werbefuzzis darauf kommen, dass eine Frau ihr MakeUp auch mal gerne ablegt.

  8. Ich habe eine Beschwerde an Bionade wegen Transfeinslichkeit geschreiben und folgendes Statement zurückerhalten (was mich, by the way, in keinster Weise überzeugt, also nur, um ihre Rechtfertigungsstrategie zu zeigen). Ich girlcottiere sie also weiterhin…

    Ganz herzlichen Dank für Ihre Anfrage, zu der wir natürlich gerne Stellung nehmen. Denn das Thema ist uns sehr wichtig.

    Wir sind, ehrlich gesagt, wirklich erschrocken über diese Reaktionen. Wir sind ein weltoffenes Unternehmen, das Vielfalt nicht nur schätzt – sondern die Welt gerade in ihrer Buntheit mag und auch andere Sichtweisen unterstützt. Wir wissen, wo wir herkommen – und fühlen uns in den vielen alternativen Szenen wirklich zuhause. Deswegen liegt uns jede Art der Diskriminierung völlig fern: Wir werten nicht, warum sollten wir auch? Das käme uns wirklich überhaupt nicht in den Sinn. Stattdessen freuen wir uns über eine tolerante Welt, in der jeder so sein darf, wie er möchte.

    Und das ist keine Marketingphrase, sondern das meinen wir sehr ernst…

    Und genau das soll unser Spot auch zeigen. Wir bewegen uns dort in einer bunten Varieté-Welt, in der ein Travestiekünstler glücklich und zufrieden nach einem Auftritt die Bühne verlässt. Er wurde für seinen Auftritt gefeiert, es geht ihm gut, er ist zufrieden mit sich, seinem Aussehen, mit dem, was er auf der Bühne verkörpert. Nach dem Auftritt legt er all das, was er für seinen Auftritt braucht, ab – und ist eben der Mensch hinter der Rolle. Und das ist wichtig, zu unterscheiden: Es handelt sich um einen Travestiekünstler, also jemanden, der eine Kunstform ausübt, der ganz bewusst in eine Rolle schlüpft – diese aber auch wieder ablegt, wenn der Auftritt beendet ist. Und er ist als Künstler in seiner Rolle glücklich – aber auch als Person hinter der Bühnenfigur. Der Claim, „Das Schöne an künstlichen Zusätzen – man kann sie auch weglassen“ lässt dabei die Wahl – und wertet doch nicht: Alles hat seine Zeit, jeder kann wählen, was für ihn wann das Richtige ist. Das gilt für den Travestiestar – ebenso wie für das Thema Cola. Wir sagen nicht: Nur das eine ist richtig, das andere falsch. Alles hat seine Zeit, wählt selbst.

    Wir hoffen, dass sich all diejenigen, die sich gerade so an dem Spot reiben, Kritik äußern – und Botschaften in ihm entdecken, die so wirklich in keinster Weise intendiert sind – uns noch einmal die Chance geben, sich die Bilder wirklich in Ruhe anzusehen: Wir zeigen eine wunderbare glitzernde Welt, die Welt des Varietés – und einen Menschen, der sich in eine Rolle begibt – und diese irgendwann wieder ablegt. Und wir lassen die Wahl, was besser gefällt.

    Rückmeldungen von Verbrauchern und auch einige positive Stimmen aus der Szene machen deutlich, dass diese Botschaft durchaus auch gesehen und verstanden wird. Und deswegen hoffen wir, dass unser Statement dazu beitragen kann, dass diese Missverständnisse, mit denen wir uns natürlich intensiv auseinandersetzen, sich auflösen.

    Viele Grüße

    i. A. Tina Helmerich
    +49 9777 9101 828

    Meine Email an sie:

    Sehe geehrte Damen und Herren,

    Ihr Werbespot für die Bionade-Cola „Das schöne an künstlichen Zusätzen – man kann sie auch weglassen“ hat mich dazu veranlasst, Bionade ab jetzt zu boycottieren. Weshalb werben Sie mit Transphobie? Ein cis-Mann ist Ihrer Werbung zufolge also „natürlich“ und damit „viel schöner“ als eine trans-Frau oder ein crossdresser?! Wissen Sie, wie viel Gewalt es gegen trans*menschen JEDEN TAG gibt? Mit Ihrer Werbung tragen Sie dazu bei, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, das trans*menschen ausgrenzt. Ziehen Sie diesen Spot sofort zurück und entschuldigen sich öffentlich! Das könnte noch am ehesten einer „Schadensbegrenzung“ dienen.
    Und wenn die Werbung dafür da war, mit Kontroversen öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten, sollten Sie sich die Frage stellen, ob dies auf dem Rücken einer marginalisierten und diskriminierten Gruppe ausgetragen werden muss. Wo bleibt hier der Respekt?
    Nicht nur ich, sondern auch alle meine Freund_innen können von nun gerne auf Bionade verzichten und werden als Multiplikator_innen dazu aufrufen, keine transphobe Marke mehr zu konsumieren.

    Mit freundlichen Grüßen,

  9. „einen Travestie-Künstler, der sich umzieht und keinen Transsexuellen. Trotzdem wäre es viel schöner und interessanter gewesen, eine sehr aufgetakelte Frau zu nehmen.“

    wenn das was derailing kommt, tut es mir leid, aber es geht mir wiedermal sowas von auf die Ketten, dass mir hier andere Lesben („lesbomat“) erzählen, dass ich als „aufgetakelte“ Frau pardon, scheiße bin. Danke. Das schlägt mir ständig von der sogenannen (!) queer community entgegen. Was ist eigentlich euer Problem? Meint ihr, im Glitzerfummel kriegt man keine ab? Denkt mal bitte drüber nach, dass ihr das Frausein nicht erfunden habt, das Lesbischsein übrigens auch nicht.

  10. @Anastasia Dein Brief an Bionade irritiert mich. Wieso ist ein Travestie-Künstler eine Trans*-Frau? Ich finde dass Du hier sowohl Travestie-Künstler, die wissen, dass sie Männer sind, und dir sofort antworten würden, dass sie Männer sind, als auch transsexuelle Frauen, die nicht deswegen etwa Frauen sind, da sie sich irgendwie „weiblich“ Kleiden (was für ein Stereotyp!), sondern weil sie Frauen SIND (und nicht etwa erst welche geworden sind), ziemlich vereinnahmst.

    Wer alles in einen Sack steckt, muss sich nicht wundern, wenn andere dann auf diesen irgendwann draufhauen. Und deswegen nerven solche Vereinnahmungen ziemlich, da sie Vielfalt unsichtbar machen.

  11. Sehr interessant. Ich bin zwar fast schon prototypische heteronormativ, aber ich haben den Spot genauso gelesen, wir Ihr, die ihr ihn kritisiert. Rein werblich geht er auf den billigsten Effekt und zeigt, wie verblended die Werber_innen von ihrer vermeintlich kreativen Idee sind. Und sprachlich ist eine Antwort, die „in keinster Weise“ enthält auch schmerzhaft. Keep up the fight.

  12. Wow, hier ist ja etwas los. Wieso habe ich diesen Blog denn erst jetzt gefunden. Ich bin erstmal baff, was es hier alles zu lesen gibt und kämpfe mich in Ruhe durch. Ich find’s prima wie kritisch die Inhalte hier angegangen werden!!!

    Grüße aus Leipzig,

    Adelina

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