Das Beste aus Europa für Europa

Die französische Anwältin und Frauenrechtlerin Gisèle Halimi hat sich etwas sehr Schlaues für mehr Gleichstellung in Europa überlegt:

„Die Meistbegünstigungsklausel – das Beste für Europas Frauen.“ Die etwas sperrige Formel steht für die die simple Überlegung, aus dem gesamten Gesetzeskodex der 27 EU-Staaten alle jene Rechtsvorschriften herauszulösen, die das Leben der Frauen betrifft – und dann die jeweils weitestgehenden Gebote zum künftigen EU-Standard zu erheben.

Mehrere Jahre lang studierte Halimi laut Spiegel Online zusammen mit Anwältinnen, Gewerkschafterinnen und Geschäftsfrauen die Rechtsliteratur der 27 EU-Staaten – und suchten nach den besten Gesetzen, vor allem in den Bereichen Sexualität, Familie, Gewalt gegen Frauen, Arbeitsrecht und Gleichstellung in Parteien und Politik.

Das Ergebnis ist verblüffend, denn die juristische Top-Liste stützt sich vornehmlich auf Gesetze der kleineren und jüngeren EU-Staaten: Dänemark erhielt die Bestnote für Sexualerziehung, die Niederlande sind vorbildlich bei der Ausgabe von Verhütungsmitteln – gratis und frei. Österreichs Eherecht gewann den Zuschlag für den Vorrang der Zivilehe, Spaniens Scheidungsgesetzgebung kommt ohne Schuldzuweisung aus. Schweden fand das Lob der Fachfrauen, weil es bei der Prostitution die männlichen Kunden bestraft und in Frankreich überzeugte das Arbeitsrecht die juristischen Prüferinnen.

Nachdem Gisèle Halimi nun das Ergebnis ihrer Arbeit präsentierte, bekommt sie von allen Seiten Applaus. Der Jura-Professor und Experte für Europa-Recht Jean-Luc Sauron gratulierte ihr zu der „brillianten und simplen“ Idee. Hier müsse nichts neu erfunden werden, es brauche keine Kompromisse, jede Regelung sei schon in der Praxis erprobt. Auch europäische Frauenorganisationen und Feministinnen lobten bereits den Vorschlag, und sogar Frankreichs Regierung unter dem aktuellen EU-Präsident Nicolas Sarkozy will die Idee unterstützen.

„… die Meistbegünstigungsklausel schafft eine ganz eigene Dynamik“, glaubt die streitbare Frauenrechtlerin Halimi: „Kein EU-Abgeordneter, kein Bürokrat und keine Regierung kann sich dem Argument verweigern, dass in ihrem Land Frauen schlechter gestellt sein sollen als beim europäischen Nachbarn.“

9 Kommentare zu „Das Beste aus Europa für Europa

  1. Schweden fand das Lob der Fachfrauen, weil es bei der Prostitution die männlichen Kunden bestraft

    Dieser Punkt stört mich ziemlich. Beschäftigt man sich ein wenig mit der Thematik, wird meiner Meinung nach schnell klar, dass, je restriktiver die Rechtslage gegen Prostitution ist, desto schlechter geht es (auch) den Sexarbeiterinnen. Ein sehr guter Artikel dazu:
    http://www.fair-paysex.de/schwed-nav.htm

  2. Das ist auch meines Erachtens die einzige Crux bei dem Ganzen: Ist es immer einfach zu entscheiden, was die beste Gesetzgebung für mehr Geschlechtergerechtigkeit ist?

  3. So, und da es um „Gleich“-stellung geht: Wird dann auch für Männer das Beste aus den europäischen Gesetzen Standard und die Wehrpflicht in Deutschland abgeschafft, da andere Länder in der EU die auch nicht mehr haben?

    Wenn ja, bin ich dafür (also, bei beiden Geschlechtern).

    PS: Nein, ich unterstelle hier niemandem, dass sie/er gegen so eine Angleichung in Europa für Männer wäre.

  4. @ Matze: Es wäre sicherlich eine sehr guter Ansatz und würde der Idee der Europäischen Union entgegenkommen, auch auf anderen Gebieten das jeweils beste Gesetz zum europäischen Standard zu erklären.

    Aber diese Aktion beschränkte sich auf die Gesetzgebung bezüglich Gleichstellung von Mann und Frau und wie ich oben schon schrieb zu den Schwerpunkten Sexualität, Familie, Gewalt gegen Frauen, Arbeitsrecht und Gleichstellung in Parteien und Politik. Die Wehrpflicht gehört zur Sicherheitspolitik. Du könntest dem entsprechenden EU-Kommissar ja mal den Vorschlag unterbreiten, es Madame Halimi gleichzutun. Fände ich gut.

  5. Schade, schade, dass die Schweiz nicht in der EU ist. So hinken wir in der Gleichstellung immer noch den EU-Ländern hinterher, und leider scheint diese Tatsache unserer Regierung tatsächlich ziemlich egal zu sein (soviel zum Argument Sarkozys).

  6. leider scheint diese Tatsache unserer Regierung tatsächlich ziemlich egal zu sein

    Gerade in der Schweiz ist es wohl nicht so einfach, die Schuld dafür alleine auf die Regierung abzuschieben. Dem Stimmvolk scheint es auch herzlich egal zu sein. In den letzten 4 Jahren kann ich mich nur an eine Abstimmung erinnern, bei der es um Frauenrechte ging, nämlich die zum bezahlten Mutterschafts“urlaub“. Und der Kampf für dieses Gesetz hat über ein halbes Jahrhundert gedauert und ist mehr als einmal an der Urne gescheitert, den schweizer Bürgerinnen und Bürgern ist die Gleichstellung also auch nicht so wichtig.

  7. @Miriam: Ja, da hast du leider Recht. Aber schlussendlich sind’s ja auch genau diese Bürgerinnen und Bürger, die das Parlament wählen.

  8. Klar, aber in einer rein repräsentativen Demokratie wie z.B. Deutschland ist es ja sehr beliebt, die Schuld für alles, was schlecht läuft auf die Regierung zu schieben, die „ja sowieso macht, was sie will“. Dass man diese Regierung u.U. selbst gewählt hat, wird dabei gerne vergessen.

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