Am 28. Oktober 2012 verstarb Savita Halappanavar im Universitätsklinikum Galway in Irland. Savita Halappanavar erlag einer Sepsis, nachdem das Personal des Krankenhauses einen Schwangerschaftsabbruch verweigerte, der aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Leben hätte retten können. Sie wurde 31 Jahre alt.
Schwangerschaftsabbrüche sind in Irland seit 1861 gesetzlich verboten und können mit einer lebenslangen Haftstrafe geahndet werden. Wie bereits in einem Vergleich von deutschem und US-Recht zu Schwangerschaftsabbrüchen beschrieben, beschränkt sich christlicher Fundamentalismus, entgegen gängiger öffentlicher Wahrnehmungen, also nicht auf die Gesetzgebung und Praxis zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA, sondern hat auch in Teilen Europas einen überproportionalen Einfluss auf Reproduktionsrechte von Frauen*. Dieser Beitrag ist eine (erweiterte) Übersetzung der Stellungnahme der irischen Aktivist_innen von „Galway Pro-Choice“, die letzte Woche veröffentlicht wurde.
Mehr zur Situation in Irland und zu feministischem Aktivismus für Reproduktionsrechte kann man unter „Choice Ireland“ erfahren (auf Englisch) und die Aktivist_innen durch Spenden unterstützen. Ausserdem hat das Bündnis „Marsch für das Leben – What the Fuck!“ eine Protestkundgebung angekündigt: Mittwoch, 21. November, ab 18:00 Uhr vor der irischen Botschaft in Berlin.
Sollte sich die Gesetzeslage in Irland nicht ändern, werden weitere schwangere Personen sterben. Aufgrund des „Case X“-Urteils (aus dem Jahr 1992) haben schwangere Personen das formale Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in Irland, wenn dieser notwendig ist, um das Leben der Schwangeren zu retten. Allerdings hat Irland dieses Urteil niemals in der Gesetzgebung umgesetzt, und das Versagen verschiedener Regierungen, dies endlich anzugehen, führte zu Savitas Tod.
Savita wurde am 21. Oktober aufgrund starker Rückenschmerzen in das Galwayer Krankenhaus gebracht. Zunächst teilte ihr ein Arzt mit, dass alles in Ordnung sei, aber Savita weigerte sich nach Hause zu gehen. Es stellte sich heraus, dass ihre Fruchtblase geplatzt war und sie eine Fehlgeburt (in der 17. Schwangerschaftswoche) erlitt. Man teilte ihr mit, dass der Fötus keine Chance habe zu überleben, und dass die Fehlgeburt innerhalb einiger Stunden beendet sein würde. Die Fehlgeburt verlief jedoch nicht wie erwartet, und der Fötus verblieb in Savitas Uterus. Auch wenn es offensichtlich war, dass der Fötus nicht überleben konnte, wurde ein fetaler Herzschlag festgestellt. Aufgrund dessen lehnte das Krankenhauspersonal Savitas wiederholte Bitte, den Fötus zu entfernen, ab; unter dem Verweis darauf, dass Irland „ein katholisches Land“ sei. Savita verbrachte weitere 2 1/2 Tage mit starken Schmerzen.
Am Dienstag (d.h., zwei Tage nach Savitas Einlieferung in das Krankenhaus) wurde deutlich, dass sich Savitas Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte. Sie bekam Fieber und kollabierte schließlich, als sie versuchte aufzustehen. Ihr Muttermund war zu diesem Zeitpunkt für 72 Stunden voll geöffnet, wodurch eine Infektionsgefahr entstand, die vergleichbar ist mit einer unbehandelten, offenen Kopfverletzung. Es entwickelte sich eine Sepsis. Nichtsdestotrotz wurde der Fetus bis Mittwochnachmittag nicht entfernt, da erst ab diesem Zeitpunkt kein fetaler Herzschlag mehr festzustellen war. Nach dem Eingriff verlegte man Savita unverzüglich auf die Intensivstation des Krankenhauses. Ihr Gesundheitszustand verbesserte sich jedoch nicht, und sie verstarb um 1:09 nachts am Sonntag, den 28. Oktober.
Wäre der Fötus entfernt worden, als klar wurde, dass er nicht überleben kann, wäre Savitas Muttermund geschlossen und das Infektionsrisiko dramatisch gesenkt worden. Den Muttermund einer Frau* ohne Behandlung offen zu lassen, stellt eine klare Gefahr für ihr Leben dar. Unklar bleibt jedoch, welche Reaktion von Ärzt_innen in Irland auf eine solche Situation erwartet wird. Rachel Donnelly von Galway Pro-Choice erklärt dazu: „Dies war ein gynäkologischer Notfall, der eine Routinebehandlung erforderte. Allerdings werden irische Ärzt_innen daran gehindert, offensichtliche medizinische Entscheidungen zu treffen, da sie potenziell schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen können. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte: solange die Gesetzgebung von 1861 gilt, begleitet von einem vollständigen politischen Unwillen, sich diesem Thema anzunehmen, besteht keine Sicherheit für schwangere Frauen* in diesem Land.“ Sarah McCarthy von Galway Pro-Choice ergänzt: „Galway Pro-Choice tritt dafür ein, dass Irland allen Frauen* Schwangerschaftsabbrüche gesetzlich frei und kostenlos ermöglichen sollte. Todesfälle wie der von Savita Halappanavar sind die schwerwiegendsten Konsequenzen der Kriminalisierung von Abtreibung […].“
„Dies ist ein katholisches Land“ ist der Satz, der festhält, wie sich christlicher Fundamentalismus und Misogynie (…und Rassismus, angesichts der Tatsache, dass hier eine irisch-indische Frau vergeblich um ihr Leben bitten musste, und ihre Rettung nicht etwa mit dem Verweis auf die Gesetzeslage, sondern auf eine Religion, die der irischen Nationalität angeblich inne wohne, abgelehnt wurde) im Abtreibungsverbot Irlands widerspiegeln. Britische Gesundheitsbehörden gehen davon aus, dass jedes Jahr zwischen 4000 und 5000 Frauen* aus Irland nach Großbritannien reisen, um dort eine Abtreibung vornehmen lassen zu können. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden weltweit jährlich 21,6 Millionen unsichere/“illegale“ Abtreibungen durchgeführt. 47 000 Frauen* sterben an den Folgen.
Der Fall ist krass, sehr krass. Leider ist die Verfügbarkeit über den Körper der Frau auch bei uns verbreitet. Eine Abtreibung ist nie ein einfacher Schritt. Manchmal ist die Gesundheit der Grund, manchmal die Zukunftsangst, manchmal der Wille, jetzt nicht schwanger sein zu wollen. Abhängig immer vom Staat. Schlimmer als eine Abtreibung selbst bei uns kann eine verpflichtende Beratung sein. Ich darf nicht entscheiden abzutreiben, ich muss mir ein OK geben lassen. Abhängig. Abhängig von einer gesellschaftlichen Einstellung die Frauen für unmündig erklärt.
In Irland ist es eine weitere Kategorie. Die Frau darf nicht entscheiden was wichtiger ist, ein theoretisch bestehendes Lebensrecht eines Fötus oder ihre Gesundheit. Es sind immer andere die entscheiden.
Vielen Dank für Deinen Kommentar, HannaNN! Wie Du geschrieben hast, finde ich auch, dass das Kernproblem das fehlende Selbstbestimmungsrecht (und, damit verbunden, die Entmündigung von Frauen* als nicht entscheidungsfähigen oder -befugten Personen, was den eigenen Körper angeht) und die exklusive Aussetzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit bei schwangeren Personen ist.
Zur morgigen Protestkundgebung in Berlin gibt es übrigens auch ein ‚offizielles‘ Facebook-Event, bei dem weitere Infos zur Verfügung stehen.