In der aktuelle Ausgabe der Zeit fordert die Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ates die deutsche Bundesregierung auf, Zwangsheiraten unter Strafe zu stellen. Einen Gesetzesentwurf des Bundesrates gibt es schon seit drei Jahren. Nur, dass seitdem nichts passiert ist.
Natürlich verstoßen Zwangsheiraten auch jetzt schon gegen das Gesetz. Sie können als besonders schwerer Fall von Nötigung geahndet werden, gegebenenfalls kommen Verschleppung, Vergewaltigung und andere Straftatbestände hinzu. Doch das spezifische Unrecht, das Mädchen und Frauen mitten in unserem Land angetan wird, wird durch diesen rechtlichen Umweg nicht ausreichend benannt. Ein eigener Straftatbestand würde ein deutliches Zeichen an Täter und Opfer senden, dass die Bundesrepublik diese Menschenrechtsverletzung nicht toleriert. Es wäre ein Signal an die Öffentlichkeit, an Lehrerinnen, Sozialarbeiter und die Polizei und an gut meinende Publizisten, die immer noch von aufgebauschten Einzelfällen reden.
Die Botschaft lautet: Zwangsheirat ist kein Brauch, den die deutsche Gesellschaft als kulturelle Eigenart oder tolerierbares Fehlverhalten von Zuwanderern bestaunen sollte. Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung, die Mädchen und Frauen im Namen von Tradition und Kultur angetan wird. Dieses Unrecht darf das Gesetz nicht nur en passant abhandeln.
Ates sieht das Problem im Justizministerium, in dem anscheinend niemand das Thema auf die Tagesordnung bringen will.
Wer Seyran Ates‘ Aufruf unterstützen möchte, kann sich hier direkt an die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries wenden.
Als jemand, der sich seit geraumer Zeit mit migrationsspezifischen Themen beschäftigt und auch die Diskussion innerhalb der Migrationsforschung zu der Thematik Zwangsverheiratung etc. verfolgt hat (siehe insbesondere http://www.zeit.de/2006/06/islam_integration), möchte ich zumindest anmerken, dass Seyran Ates im Zuge ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin sehr stark in die Problematik involviert ist. Sie selbst schreibt im oben zitierten Beitrag:
Versteht mich nicht falsch, ich spreche mich entschieden gegen die unfreiwillige Verheiratung von Frauen aus. Allerdings scheint es mir, dass durch Kommentare wie die von Seyran Ates oder Necla Kelek die Situation, deren tatsächliches Ausmaß nicht einmal wirklich bekannt ist, 1. die Thematik „der böse Islam“ unnötig geschürt wird und 2. durch unwissenschaftlichen Aussagen wie diese sich viele in ihren Stereotypen der muslimischen Gesellschaft gegenüber nur bestätigt sehen. Insofern wäre ich prinzipiell erst einmal dafür die Lage einmal fundiert wissenschaftlich untersuchen zu lassen (was ansatzweise auch geschehen ist, allerdings mit anderen Ergebnissen, wie oben dargestellt), bevor blind unterstellt wird, dass man sich dem Leid vieler Frauen komplett verschließen würde. Es ist in meinen Augen klar, dass die Sichtweise auf das Thema entsprechend geprägt ist, wenn ich ausschließlich selbst betroffene (Kelek) oder „Verfechterinnen“ der Betroffenen (Ates, MiterarbeiterInnen von Betreuungseinrichtungen) zu Rate ziehe.
wen zu Rate zu ziehen wäre passender als Betroffene?