Homophobie & Gewaltverherrlichung: Naidoos und Savas ungare Stellungnahme

Da gab es ordentlich Aufruhr um den Lieblingsmusikerbuben der Fußballnation: Xavier Naidoo, im Gepäck Kool Savas, beide, die derzeit ihr Projekt „Xavas“ promoten, wurden vor einigen Tagen von der Linksjugend wegen Volksverhetzung angezeigt. Auslöser war der hidden Track „Wo sind“ auf dem Album, der explizit gewaltverherrlichende, homophobe und christlich-fundamentalistische Lyrics enthält (ich zitiere sie hier nicht – wer jedoch einen Eindruck haben möchte: Hier, bitte sehr, inklusiver fetter Triggerwarnung). Mehrere Tage nun brauchten Naidoo und Savas, um eine Stellungnahme zu formulieren, die sie heute nun auf ihrer gemeinsamen Facebook-Seite online stellten.

Herausgekommen ist dabei (meiner Meinung nach) das übliche Geschwätz. Es ist wie immer: Derartige Entgleisungen – ob nun homophob, frauenfeindlich, gewaltverherrlichend, rassistisch, antisemitisch – werden im Nachgang nicht nur immer als „auf keinen Fall böse intendiert“ abgewunken: Am Ende wird sogar immer noch von irgendeiner Super-Gut-Find-Absicht gesprochen. Dementsprechend liest sich auch das Xavas-Statement.

Es fängt an mit Differenzdenken deluxe: „Zuerst möchten wir all unsere Sympathie und unseren großen Respekt gegenüber allen Schwulen und Lesben weltweit bekunden.“ Ähä? Serious? Und dann liest mensch weiter, und manch eine_r wird wahrscheinlich nicht mehr wissen wo sie_er sich das Fremdschämen noch hinstecken soll:

„Xavier Naidoo sagt: Ich stehe, seit ich denken kann, mit der katholischen Kirche auf Kriegsfuß, weil sie Schwule, Lesben und Transsexuelle nicht respektiert und akzeptiert. Diese Haltung ist völlig inakzeptabel, und wer gegen diese Menschen Verachtung und Hass aufbringt, der hat Jesus nicht verstanden.“

Was der Barmherzige so richten würde, dem schließt sich der Herr Naidoo an, und wenn nicht, dann ist auch gut, dann eben so. Und es geht weiter mit total verschwurbeltem Blabla zu „menschlichen Bestien“ und „Ritualmorden“, und ganz schlimm wird es wenn Naidoo tatsächlich noch von „unseren aktuellen Führern“ spricht. Ach, wobei, alles an dieser Stellungnahme ist einfach schrecklich, genauso wie der Text des diskutierten Tracks, und die vermeintlich „gute Absicht“ macht es nicht besser, im Gegenteil. Das i-Tüpfelchen ist, dass die beiden sich jetzt auch noch als Großheldenretter missbrauchter Kinder von Gewaltopfern aufspielen.

Was bleibt? Xavier Naidoo wird weiter in der „The Voice of Germany“-Jury sitzenbleiben. Savas wird weiter einer der erfolgreichsten Acts Deutschlands sein, von den Kritikern hofiert. Zusammen werden sie die gemeinsame Platte verkaufen wie geschnitten Brot, natürlich, und jetzt und auch später werden sich wieder sämtliche Künstler_innen auf Kunstfreiheit und „Hip Hop zeichnete sich immer schon dadurch aus, dass kontrovers…“-Tralalala berufen.

Verantwortlichkeit, wie sie Savas und Naidoo in ihrer Rolle als gepuderte Bundesliga-Artists durchaus für ihr Handeln übernehmen könnten, wird mit Sicherheit nicht gefordert. Und auch wenn sie in diesem Sinne selbst Produkt der Strukturen sind und nicht gerade weiter reflektieren können als mit dem Fahrraddynamo bis um die Ecke – dann könnte hier mal ein Exempel statuiert werden, das beide Musiker zum Denken anregt. Wobei, warten wir ab was mit der Anzeige geschieht.

Doch, es bleibt wahrscheinlich wie immer ohne Konsequenzen, denn dafür ist der Mainstream unserer Gesellschaft, der vor allem Xavier auf den Thron gehoben hat, zu sehr mit seinen heimeligen Tracks, die einen Mischmasch aus patriarchaler Gottesliebe, traditionellen Werten und ordentlich Pathos vermengen, verbunden. Und zu sehr damit beschäftigt, einen Track wie „Wo sind“ von ganzem Herzen zu unterschreiben, um hinterher ganz gewissensberuhigt bei einer läppischen Stellungnahme auf „gefällt mir“ zu drücken. Homophob und gewaltbefürwortend sein, alles im Rahmen der Kunst natürlich, alles mit Absolution, massenkompatibel. Willkommen mitten im Leben, 2012.

Der Mainstream braucht Xavas, weil er seine Homophobie, seine Gewaltverherrlichung, sein einfaches Weltbild braucht. All das, nicht nur leise gedacht, sondern auch laut ausgesprochen, und am Ende auch noch abgesegnet. Und umgekehrt.

14 Kommentare zu „Homophobie & Gewaltverherrlichung: Naidoos und Savas ungare Stellungnahme

  1. „Der Mainstream braucht Xavas, weil er seine Homophobie, seine Gewaltverherrlichung, sein einfaches Weltbild braucht. All das, nicht nur leise gedacht, sondern auch laut ausgesprochen, und am Ende auch noch abgesegnet. Und umgekehrt.“

    Genau DAS ist es, was mich bei dieser ganzen Sache so gruselt: Die Zustimmung, die der Track von so vielen Menschen erfährt; und alle, die ihn kritisieren, haben ihn „nur nicht verstanden“, kennen sich nicht mit der „Sprache der normalen Leute“ aus (das wurde mir und anderen tatsächlich so vorgeworfen!). Der Wunsch nach Lynchjustiz scheint noch immer erschreckend weit verbreitet zu sein…

    Mich erinnert das ganze auch an die Sarrazin-Scheiße und die „Man wird ja wohl noch sagen dürfen…!“-Rhetorik, die mir immer wieder vor Augen führt, wie viele Menschen tatsächlich noch immer latent rassistisch, homophob, etc. sind, wie tief verankert das alles in unserer Gesellschaft ist. Und das macht mir wirklich Angst.

  2. Wenn die beiden wirklich und ernsthaft „pro homo“ wären, hätten sie den Text komplett anders geschrieben. Das dazu.
    (Kleine TW für den Rest den Kommentars)

    Übel finde ich auch die Kommentare, die andere Facebookuser darunter gepostet haben, das geht von „Danke, macht weiter so“, bis hin zu „Diese Hurensöhne von der Linkspartei sollten genauso behandelt werden wie die Kinderschänder in dem Track“. Während die beiden sich gegen Gewaltverherlichung aussprechen (ach ja?), sind viele ihrer Fans wohl anderer Meinung. Und die beiden Akteure offensichtlich nicht in der Lage, ihre angeblichen Ansichten zu verklickern.
    Letztlich ist mir deren Stellungnahme egal. Selbst wenn das ganze unabsichtlich passiert ist und der Text wirklich nicht verletztend gemeint sein soll und sie sich tatsächlich nur auch Kindesmissbrauch beziehen, Gewalt generell ablehnen, etc.pp. SELBST WENN!
    Wäre ich Musikerin und mit diesen Vorwürfen konfrontiert, würde ich alle hebel in Bewegung setzen, dass dieser Tonträge in den kommenden Auflagen diesen Track nicht mehr enthält und die alten, soweit es mir möglich ist, vom Markt zu nehmen (was für derart berühmte Musiker, die sicher nicht unter der Knute eines riesigen Labels gehalten werden, bestimmt nicht so schwierig wäre)! DAS wäre ein Statement. Dieses ewige rumgeseiere von wegen „Oh, so haben wir das doch gar nicht gemeint“ REICHT NICHT AUS!
    Ich habe nichts gegen Christ_Innen. Und ich habe auch nichts gegen Texte, in denen mal „Aufs Maul“ vorkommt. Aber eine derartige Hetze, die alles irgendwie miteinander vermengt, ohne in dem Text klar Stellung zu beziehen, wer gemeint ist, dagegen habe ich definitiv etwas.

  3. Danke für den Blogpost.
    Ich möchte mein Statement auf seiner Pinnwand dazu noch in die Runde werfen, weil neben den deutlich homophoben Aspekten (nach Recherche zu Naidoos sonstigem Geschwurbel), auch sein latent antisemitisches Verschwörungs-Weltbild hier eine entscheidende Rolle spielt:

    Lieber Herr Xavier Naidoo,

    danke für das überfällige Statement.

    Unter Berücksichtigung Ihres sonstigen lyrischen Geschwurbels von der „9/11-Lüge“, dem „besetzten Land“ Deutschland, Ihrer Bilderberger-Paranoia und dem allgemeinen Drang nach einer tieferen „Wahrheit“, die angeblich von irgendwelchen Logen und geheimen Eliten systematisch vorenthalten wird (für alle diese Aussagen gibt es Videos und/oder Textpassagen) samt Ihres Bibelfetischs und Ihrer Selbstinszenierung als „Freiheitskämpfer“ habe ich eher diesen Eindruck:

    Der seit über einem Jahrhundert nachgewiesene „Taxil-Schwindel“ ist von Ihnen selektiv ausgeblendet worden – stattdessen sehen Sie Gespenster in Form von Baphomet-preisenden Freimaurerlogen, die „täglich in ganz Europa“ irgendwelche Kinder in satanischen Ritualen opfern & missbrauchen. Und das natürlich hoch bis in die höchsten Elitenkreisen und alle – außer natürlich Ihnen und den Wahrheitssuchenden – veschleiern das systematisch und es liegt an Ihren und Ihrer Mission, dies zu thematisieren.

    Ich kann’s und mag’s einfach nicht ernstnehmen, was Sie da faseln. Das liegt nicht zuletzt auch an der lyrischen Darreichungsform und dem wirren Zeugs, was Sie sonst so von sich geben.

    Nicht falsch verstehen: Sexuelle Gewalt – an Kindern, wie Erwachsenen – ist eine verdammt ernste und zu verurteilende Sache und die Aufarbeitung dieser, die Verfolgung und rechtmäßige Bestrafung der Täter ist oftmals enttäuschend. Für sowas gibt’s aber Profis, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, für sowas gibt’s Initiativen, die dort gute, sachliche, wichtige Arbeit leisten, für sowas gibt’s Strafverfolgungsbehörden. Und eben keine Propheten, die im Affekt aus einer bauchgefühlten Betroffenheit beim Durchfahren eines belgischen Dorfs sich zum Richter und Vollstrecker berufen fühlen und den Rotz dann auch noch hunderttausendfach auf Tonträger pressen. Sie tun weder den Opfern, noch der öffentlichen Wahrnehmung des Themas „Kindesmissbrauch“, noch einer vernunftsorientierten Diskussion und Positionierung einen Gefallen, wenn Sie ins selbe Horn stoßen, wie all die anderen Idioten dort draußen, die das populistische Potenzial von Kindesmissbrauch für ihre Zwecke missbrauchen.

    Machen Sie’s besser!

  4. @Janne: Thx. Dein Kommentar bringt so wunderbar nochmal alles auf den Punkt, dass Du ihn genauso eigentlich auf Deinem Blog veröffentlichen solltest.

  5. Kleine Rückfrage: was ist ein „Differenzdenken deluxe“? Und wieso äußert sich das im zitierten Satz. Habe ich nicht verstanden.

  6. Hi Johanna, thx, ja, das ist wahrscheinlich irreführend, ich hab das aus der eigenen Lesart heraus so geschrieben, weil ich es irgendwie anrührig (hust) fand wie künstlich sich Xavas mit „diesen Schwulen und Lesben“ solidarisieren möchten (weltweit, sic) – vor allem, weil im Nachgang auch noch dieses komisch-krude theologische „Argument“ kommt. Ich habe es quasi jetzt nochmal durchgestrichen, aber stehengelassen.

  7. Ich bin entsetzt.
    Einfach nur entsetzt.

    Nicht kontrovers, sondern gewaltverherrlichend.
    Ich als Betroffene fühle mich nicht beschützt, verstanden, sonstwas- sondern nur verletzt, getriggert, ENTSETZT!

    Xavier Naidoo und Co kommen mir nicht mehr aus den Boxen oder auf den Bildschirm.

  8. Hirnrissiges Verschwörungsgewafel,paar Folgen AkteX zuviel geguckt.
    Dann auch noch Opfer sexualisierter Gewalt benutzen,um sich zu profilieren.
    Ekelhaft.

  9. Die Homophobie und die guten alten patriarchalen Werte in dem Liedtext sind äußerst nervig. Unnötig, und schlimm. Noch mehr verarscht fühlt man sich dann von so einer „tiefen Respekt vor Schwulen“ Stellungsnahme und noch die eigene Betroffenheit von sexueller Gewalt diffus aus dem Hut ziehen um sich da ganz über jegliche Kritik erhaben zu machen. Ätzend.

    Genauso Bauchgrummeln bereitet mir aber auch wie das Thema ritueller Missbrauch und Dissoziative Idenitätsstörung so ganz ins lächerliche, absurde gezogen wird – nichts als Verschwörungstheorie, dummes Gefasel, erst mal bitte Beweise her, Leute.
    Vor allem jetzt im verlinkten Artikel bei heise.

    Es ist sicher ein kompliziertes Thema – gut, dass es Menschen mit dissoziativer Identitätstörung gibt ist schon mal Fakt, dass manche diese nach organisierter Gewalt – Kinderpornoringe, diverse Sekten, whatever – enwickeln dürte ja auch ausreichend belegt sein.
    Dass Betroffenen oft nicht geglaubt wird, oder jetzt im Falle von organisierter Gewalt selbst mit Beweisen, Photos, Proben und wasauchimmer sich oft nichts tut, weil mächtige Menschen da mit involviert sind ist dann auch oft ein Problem.
    Dass Kinder dabei sterben – ermordet werden – auch klar.

    Unklarer auch für mich, was es jetzt mit dem *rituellen* Missbrauch zu tun hat, so mit religiös und Kerzen und Gesängen und Sekten und Satanisten und Kram – einfach weil es so sehr ausserhalb meines Erfahrungsschatzes liegt, und auch selbst die multiplen Persönlichkeiten, die ich kenne so was nicht erlebt haben.

    Da spielt sicherlich sehr viel ne Rolle bei dem Thema – falsche Erinnerungen sind da ein Thema, wie Phantasie und Realität bei schwer traumatisierten Kindern dann sich vermischen kann, wie Mythen, die ua im Internet und in Selbsthilfeforen von anderen Betroffenen erzählt werden einen beeinflussen können in der Verwirrung – ja, all das.

    Aber genauso gibt es die Seiten und Bücher Betroffener, die von ihren Erfahrungen diesbezüglich berichten.
    Es fällt mir schwer, vor allem bei einzelnen die wirklich recht glaubwürdig von ihrem Weg berichten, da zu sagen „Alles Lügen, Gelaber, ohne Beweise glaub ich nix!“.

    Finde angesichtes des oft jahrelangen Kampfes den manche hinter sich haben Unterstützung zu erfahren im Ausstig aus so Kreisen,
    gerade weil das Erlebte so Unglaubwürdig zu sein scheint und daher niemand helfen mag,
    auch unangemessen so das Thema abzutun.

    Es gibt sicher sehr sehr viel zum Thema zu sagen oder zu kritisieren, ja, es ist immer schwer zu wissen was echt ist, was nicht –
    aber so dieses Oberflächliche „Verschwöruingstheorien und lächerlich“ Urteil wird den Betroffenen, die mit dieser Geschichte sichtbar werden schon mal gar nicht gerecht.

    Also Kritik an Naidoo und sein Umgang mit dem Thema: absolut angemessen.
    Sich über das Thema an sich platt lustig machen ala Verschwörungstheorien, lächerlich, hier in Deutschland doch nicht – nicht angemessen.

  10. @ Kay:Es war nicht meine Absicht,organisierte sexualisierte Gewalt als Verschwörungstheorie hinzustellen,verzeih meine unpräzise Formulierung.
    Ich bezog mich auf Naidoos Gefasel von Logen,Freimaurern und dergleichen,alles mariniert in einer ungeniessbaren Esoterik-Moralin-Sosse.

  11. @Kay,

    Naidoo ist der Meinung das es Menschen in bestimmten, namentlich bekannten, Gruppen gibt die an, ebenfalls bekannten und tatsächlich stattfindenden, Zermonien Kinder rituell missbrauchen um ihrem Gott zu gefallen.
    Dabei handelt es sich, in der Wahrnehmung der Anhänger dieser Behauptungen aber nicht um Satanisten oder Sekten, sondern jegliche Beschreibung ist immer nur ein Code für „Juden“.

    Kaum ein Mensch (ausser ein paar Idioten) bezweifelt das es Kindesmissbrauch gibt und das auch mehr als ein Mensch alleine diesen planen und ausführen kann (siehe BBC).
    Die Vorstellung das Menschen aus Politik, Wirtschaft und Medien jedes Jahr sich halböffentlich treffen und auf diesen Veranstaltungen dann hunderten Missbrauch in großer Runde zu begehen, DAS ist dann schon etwas unglaubwürdiger.

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