Das Bundesverfassungsgericht musste sich in den letzten Jahren mit verschiedenen Entscheidungen schützend vor die Menschenrechte von Trans*-Menschen stellen. Es hat diverse Regelungen des Transsexuellengesetzes (TSG) für verfassungswidrig und nicht anzuwenden erklärt – so zum Beispiel das Erfordernis der Scheidung und der operativen Herstellung von Fortpflanzungsunfähigkeit vor der Personenstandsänderung (die Mädchenmannschaft berichtete). Eine grundlegende Reform des Transsexuellenrechts steht bisher aber aus.
In einem aktuellen partizipativ erarbeiteten Forderungspapier (PDF) stellt ein bundesweiter Arbeitskreis aus über 30 Trans*-Gruppen und Einzelpersonen dar, wie das Recht gestaltet werden könnte, was an der Würde und der Selbstbestimmung von Trans*-Menschen orientiert ist, sowie Transgender und intersex nicht ausschließt. Eine entsprechende Petition kann aktuell von Privatpersonen und Organisationen (außer Parteien) mitgezeichnet werden. Arn Sauer, der an der Entwicklung des Positionspapiers beteiligt war und Mitautor einer Studie zu Diskriminierungen von Trans*Personen in Deutschland: „Wir wollten einen umsetzungsorientierten Forderungskatalog vorlegen, der klar macht, wie eine Reform in unserem Sinne aussehen kann. Wir brauchen jetzt gesellschaftliche Unterstützung.“ Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Forderungen vor und berichtet über die politischen Hintergründe.
Abschaffung der Begutachtung vor Änderung von Vornamen und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit
Im Moment muss eine „transsexuelle Prägung“ durch Gutachten bescheinigt werden, ein Gericht entscheidet dann über die Vornamensänderung und/oder die Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister. Die Begutachtung der Identität eines Menschen von außen, argumentiert das Papier, ist kaum möglich und steht dem Staat auch nicht zu. Anhand welcher Kriterien soll ein Gutachten ermitteln, ob eine vom Ursprungsgeschlecht abweichende Geschlechtszugehörigkeit vorliegt – durch Bezugnahme auf Geschlechterstereotypen, welche wiederum das Individuum in der Entfaltung einschränken? Die Änderung sollte stattdessen ohne Gutachten auf Antrag durch einen Verwaltungsakt einer Behörde erfolgen. Auch Minderjährigen soll diese Möglichkeit offen stehen.
Abschaffung stigmatisierender Sondergesetze
Ein eigenes Gesetz, wie das Transsexuellengesetz, argumentieren die Gruppen weiter, definiert Trans*-Menschen als „abweichend von der Norm“ bzw. „krank“ und produziert so Stigmatisierungen. Es suggeriere außerdem, dass Menschen, welche einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden, alle die gleichen Bedürfnisse haben. Besser wäre, Regelungen für Trans*, Transgender und Intersex in das übrige Recht zu integrieren (also zum Beispiel in das Personenstandsgesetz, das BGB und so weiter).
Besserer Schutz der Persönlichkeitsrechte und Übernahme von Kosten durch Krankenkassen
Das Papier nennt außerdem notwendige Verbesserungen der Durchsetzung des Offenbarungsverbotes, also des Verbotes der unerwünschten Offenlegung der Identität einer Person und die Sicherung und einfachere Übernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen durch die Krankenkassen.
Der Anspruch, entsprechend dem geänderten Vornamen und entsprechend der geänderten Geschlechtszugehörigkeit auch angesprochen und identifiziert zu werden, soll sich so zum Beispiel auch darauf erstrecken, dass eine Vornamensänderung nicht sanktionslos offengelegt werden darf und zum Beispiel Behörden und Zeugnisse und andere Dokumente des „früheren Lebens“ umschreiben müssen.
Das Papier kritisiert die Praxis von Krankenkassen, trotz gesetzlichen Rechtsanspruches, geschlechtsangleichende Maßnahmen nicht finanzieren zu wollen bzw. Streitigkeiten darüber in die Länge zu ziehen. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser Maßnahmen für die Identität komme es deshalb häufig zu negativen gesundheitlichen Folgen, zum Beispiel Depressionen, weshalb eine noch klarere Verankerung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen wünschenswert sei.
Wie geht es weiter?
Die Reform des Transsexuellengesetzes ist im Koalitionsvertrag verankert, verschiedene Parteien haben Reformvorschläge gemacht. Innerhalb der Regierungskoalition ist das Thema umstritten. Im Dezember 2011 ist ein Positionspapier der FDP erschienen, welches aber an der Entscheidung von Gerichten über Änderungen des Vornamens und des Geschlechtseintrages festhält. Ob das Thema vor der Bundestagswahl 2013 noch in ein konkretes Gesetzesvorhaben mündet, ist derzeit offen. Das Forderungspapier wirbt für den großen Wurf einer umfassenden Reform – den Politiker_innen aller Parteien seit Bestehen des schon immer menschenrechtsverletzenden Gesetzes, das außerdem Diskriminierungsanfälligkeiten produziert, schuldig geblieben sind.
Angesichts der Wortmeldungen in der Debatte um die Öffnung der Ehe kann ich nur hoffen dass diese Reform nicht von dieser Koalition gemacht wird.