Als ich „The Dialectic of Sex“ (von 1970, auf deutsch: „Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“) von Shulamith Firestone vor ein paar Jahren las, verstand ich nicht viel. Ich hatte damals weder Ahnung von Geschlechterverhältnissen, noch von Reproduktionstechnologien und kritzelte an den Rand einer Seite einfach nur große Fragezeichen. Die Kernaussage des marxistisch inspirierten Textes, dass das Ziel der feministischen Revolution sein solle, nicht nur männliche Privilegien zu beseitigen, sondern auch gleich biologische Unterschiede mit, fand ich damals zu abstrakt und unvorstellbar. Für Shulamith war künstliche Reproduktion die Lösung: So könne jede_r ein Kind bekommen und das Kinderbekommen sei fortan nicht mehr automatisch an bestimmte Körper geknüpft – so die Theorie. Heute finde ich das unglaublich spannend und werde das Buch wohl bald mal wieder raussuchen müssen.
Nun ist Shulamith Firestone – eine der wichtigsten Vertreter_innen des (Radikalen) Feminismus der so genannten Zweiten Welle in den USA – im Alter von 67 Jahren gestorben.
Die letzten Jahre ihres Lebens lebt sie eher zurückgezogen, malte viel, publizierte hin und wieder Texte und beschäftigte sich mit (ihrer) Schizophrenie und der Institutionalisierung psychiatrischer Anstalten.
Firestone gründete mit anderen radikalen Feministinnen Ende der 1960er in New York drei feministische Organisationen, die sich als Alternativen zu etablierten Gruppen wie der unter anderem von Betty Friedan gegründeten National Organization for Women (NOW) verstanden: die „New York Radical Women“, die „Redstockings“ und die „New York Radical Feminists“. Diese Gruppen waren kritisch gegenüber liberalen Stimmen wie NOW, die in ihren Augen viel zu wenig patriarchalische Strukturen in den Blick nahmen und eher reformistisch Politik betrieben.
Weitere Nachrufe:
- dieStandard.at: „Shulamith Firestone ist tot„
- Antje Schrupp: „Kybernetischer Kommunismus oder: Die unerledigten Visionen der Shulamith Firestone„
- New York Times: „Shulamith Firestone, Feminist Writer, Dies at 67„