Gespräche (und Texte) über die DDR, Mauerfall und Wendezeit empfinde ich häufig als kaum differenziert und oberflächlich. Wenn dann in dieses Themenfeld noch Feminismus hinzu kommt, dann wird es selten besser: Entweder erlebe ich eine Abwertung von jeglichen DDR-Bezügen oder aber beobachte sehr vereinfachte Rückbezüge auf die DDR. Dabei gebe es doch so vieles zu diskutieren.
Feminismus in Deutschland ist Feminismus in der BRD
Zur tabuisierten positiven Bezugnahme auf die DDR schrieb Nadine an dieser Stelle im letzten Jahr:
Noch immer mischen sich antisozialistische und antikommunistische Ressentiments in der Bundespolitik genauso wie in der westdeutschen Gesellschaft mit klassistischen und klassenspezifischen Abwertungen, die die Linkspartei treffen und viele weiße Ostdeutsche, die ihre Herkunft nicht hinter einer dialektfreien Sprache oder neoliberalen, sozialchauvinistischen Ideologien verbergen können oder wollen. Wer sich rot äußert oder darauf aufmerksam macht, dass sich die Lebensqualität der meisten Ostdeutschen nach 1989 eher verschlechtert als verbessert hat, gerät unter Generalverdacht ein Gesellschaftssystem zu präferieren, das dem Faschismus gleicht.
Wenn du versucht deutlich zu machen, dass es durchaus positive Aspekte in der DDR gab, dann ist es mit dem Generalverdacht nicht weit – oder es wird per se eine Naivität unterstellt, als wisse man nichts von Überwachung, Zwang und anderen Mechanismen des DDR-Systems (welche auf der anderen Seite natürlich auch nur in genau diesem zu verorten seien).
Die Abwertung sämtlicher (komplexer) Lebenserfahrungen in der DDR und nach der ‚Wiedervereinigung‘ in den so genannten neuen Bundesländern führt in feministischen Diskursen zu dem meist dazu, dass sie einfach ignoriert werden, bestenfalls zu einer ergänzenden Fußnote. Wenn feministische Themen in einen historischen Kontext gesetzt werden, dann ist dieser zu meist der BRD-Kontext. ‚Feminismus in Deutschland‘ wird gleichgesetzt mit west-deutscher Feminismus-Geschichte (mit ihren weiteren inhärenten Ausschlüssen). Daraus folgen auch Rückbezüge, die mal wieder ein ‚wir‘ konstruieren, wo keines ist. So werden häufig ausschließlich auf Beschlüsse und Proteste zu Abtreibungsgesetzen in der BRD Bezug genommen – und dabei vollkommen außen vorgelassen, dass in der DDR Schwangerschaftsabbrüche in einem bestimmten Rahmen legalisiert waren, es somit zur Lebenserfahrung von Menschen, die in der DDR aufwuchsen/ lebten, gehört, dass sie nach 1990 das Recht verloren. Oder es wird immer wieder herbeizitiert, dass Frauen in Deutschland erst seit 1977 einen Arbeitsplatz ohne Einwilligung des Ehemanns wählen konnten – in der DDR hingegen war ein entsprechendes Gesetz 1950 erlassen worden.
„Klar bin ich Feministin, meine Mutter war schließlich selbstverständlich arbeiten!“
Auf der anderen Seite höre ich jedoch auch stark vereinfachte, vermeintliche Kausalitäten wie „Ich bin Feministin, weil es in der DDR ja so normal war, dass Frauen arbeiten gegangen sind“. Der DDR-Kinderlied-Klassiker „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht“ summt im Hintergrund, so als wären Zeilen wie „Ich habe auch ein Puppenkind,/ Das ist so lieb und fein./ Für dieses kann ich ganz allein/ Die richt’ge Mutti sein.“ inexistent. Liefern sie doch gleich einige Annahmen rund um Arbeit mit: Denn auch wenn in der DDR viele Frauen erwerbstätig waren, hieß dies keineswegs, dass beispielsweise Sorgearbeit nicht auch weiterhin klar weiblich konnotiert war. So gab es auch den monatlichen „Hausarbeitstag“ ausschließlich für verheirate Frauen mit mindestens zwei Kindern – heteronormative Normen wurden damit mitnichten durchbrochen, sondern stattdessen zementiert. (Mitteilungen von Lehrer_innen an Erziehungsberechtigte wurden ins so genannte „Muttiheft“ notiert.)
Und was bedeutet eigentlich Zugang zu Erwerbsarbeit in einem Staat, der auch „Arbeitsscheuen-Paragrafen“ hatte? Und wie sah es aus mit Entlohnung und Zugang zu den unterschiedlichen Hierarchiestufen? Gender Pay Gap hätte in jedem Fall auch für die DDR berechnet werden können und Führungspositionen waren ebenfalls zu meist männlich besetzt. Darüber hinaus lässt sich das „Meine Mutter war schon immer arbeiten“-Narrativ auch ganz wunderbar eingliedern in Neoliberalismus und andere Kapitalismus-Affirmationen. Mein Feminismus jedenfalls ist das nicht.
Themen, die bleiben
Gern würde ich (mehr) Texte lesen, die zwischen diesen beiden Extremen Themen rund um DDR und Leben in den neuen Bundesländern verhandeln. Dabei fände ich folgende Aspekte wichtig:
- westdeutsche Feminismusgeschichte als das markieren, was sie ist: Partikulargeschichte (und dann historische Rückblicke/ Kontextualisierungen wagen, die Ausschlüsse jeglicher Art (und natürlich nicht ausschließlich das in die Fußnotenverbannen von DDR-Ereignissen) versuchen mitzudenken
- differenzierte Blicke auf DDR-Lebensrealitäten, z.B. auch hinsichtlich von Themen wie Stasi und Geschlecht, Gesetzgebung und tatsächlicher Zugang zu Abtreibungen, Diskriminierungserfahrungen und deren Thematisierbarkeit, widerständige Bewegungen (und deren Wünsche). Ein Beispiel wie so etwas aussehen könnte? Interview mit Peggy Piesche über Lesben in der DDR.
- kritischer Blick, darauf, was für wen eigentlich die ‚Wiedervereinigung‘ bedeutet hat (Schlagworte auch Abbau Kinderbetreuung im Osten, Arbeitslosigkeit, Rassismus etc.)
- Überhaupt wünsche ich mir, dass wir häufiger über BRD/DDR (also die Staatssysteme, die Einfluss auf alle Lebensbereiche haben) in feministischen Kontexten diskutieren würden.
Ein Thema was mir in dem Zusammenhang auch immer wieder begegnet ist das Erleben der Übermacht des westdeutschen Feminismus und die Nichtanerkennung der (diskutierbaren) Errungenschaften für Frauen in der DDR, was oft als eine Art von Kolonialisierung wahrgenommen wird.
Eine Spruch, der das ein bisschen beschreibt wäre „Bei uns hießen die Straßenbahnfahrerinnen zwar Straßenbahnfahrer, aber es gab sie wenigstens“. Auf jeden Fall kamen mit dem westdeutschen Feminismus viele Themen, die als nicht so relevant angesehen wurden (eben z.B. gendergerechte Sprache), während Errungenschaften wie mehr Frauen in männerdominierten Berufen ignoriert wurden.
Dieses Ignorieren der ostdeutschen Lebensrealität hat in meiner Wahrnehmung bei vielen Feminist_innen mit DDR-Sozialisation eine Verbitterung ausgelöst, die auch bei Diskussionen mit Ost- und West-Beteiligung in der entsprechenden Altersgruppe immer wieder hochkommt.
Hier ein Text vom antifaschistischen Frauenblock Leipzig, der einen der gewünschten differenzierten feministischen Blicke auf DDR wirft: http://www.left-action.de/afb/frauen_in%20_der_ddr.html